Myra

SAINT
GERMAINS
VERMÄCHTNIS

Ein westlich-abendländischer
Einweihungsweg

Einleitung und Redaktion von Brigitte Hussak

Hinweis:

Die Angaben in diesem Buch sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Die beschriebenen Methoden und Mittel stehen in keinem direkten Zusammenhang mit schulmedizinischen Erkenntnissen oder Anwendungsmethoden sowie -ansätzen und möchten auch nicht als solche verstanden werden. Sie sind weder ein Ersatz für Medikamente noch für irgendwelche ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen. Hinsichtlich des Inhaltes dieses Werkes und der darin dargestellten Resultate geben der Verlag und die Autorin weder indirekte noch direkte Gewährleistungen. Demzufolge können und sollen die Inhalte dieses Buches keinen Arztbesuch ersetzen und stellen keine Anleitung zur Selbstdiagnose dar. Empfehlungen hinsichtlich Diagnoseverfahren, Therapieformen oder Ähnlichem werden nicht gegeben. Autorin und Verlag übernehmen somit keinerlei Haftung.

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© Copyright Verlag »Die Silberschnur« GmbH

ISBN: 978-3-89845-307-3

eISBN: 978-3-89845-779-8

1. Auflage 2018

Coverbild: »Klarheit« © Christina Riecken

Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstr. 1 · 56593 Güllesheim

www.silberschnur.de · E-Mail: info@silberschnur.de

INHALT

Vorwort

Der historische Graf von Saint Germain

Die Aufgestiegenen Meister am Beispiel Saint Germains

Erster Teil:

Das weiße Christuslicht als innere Erfahrung und heilende Energie

Einleitung

Du willst wissen, wie Jesus wirklich geheilt hat?

Was ist Heilung?

Reiki und Telesma – der Unterschied

Telesma-Gebet

Übung: Was hindert mich daran, die friedvolle Gegenwart Gottes in mir zu spüren?

Übung: Selbstliebe

Telesma – eine Begriffsbestimmung

Die Tabula Smaragdina des Hermes Trismegistos

Übung: Was bedeutet für mich Anwesenheit und Anziehung?

Über die Vergebung

Übung: Wir meditieren über den Begriff »rechte Anwendung« und was dies für mich persönlich bedeutet

Wo in mir befinden sich Sonne und Mond?

Versuch einer ersten Annäherung an das Unbegreifliche, das wir Gott nennen

Zweite Annäherung an Gott

Chakren – unsere Tore in die geistige Welt

Telesma-Behandlung

Stufen der Heilung

Wer heilt, hat Recht

Übung: Wie ist es um unseren Glauben und unser Vertrauen in unsere eigene göttliche Unversehrtheit bestellt?

Was zeichnet den »Eingeweihten« aus?

Übung: Die große Stille – das Schweigen

Zweiter Teil:

Einweihung – Initiation: der Weg

Was ist Einweihung – Initiation?

Was sind die möglichen Inhalte des westlich-abendländischen Weges?

Der Gralsmythos

Seine Herkunft und Bedeutung für den westlichen Weg

Die Geschichte vom Heiligen Gral

Über das Wesen der Symbole

Übung: Wir versuchen, unserem »Hüter der Schwelle« zu begegnen

Initiatische Kenntnis

Die Zeitalter

Die Feinstoffkörper und ihre Wirkweise – mit einer Übung

Die Luz- oder Kundalini-Kraft

Übung: Wir verankern uns in unserer Wesensmitte …

Die Feinstoffkörper in der indischen Überlieferung

Die sieben Strahlen des Geistes und die »heilige Sieben«

Telesma-Gebet – mit einer Übung

Das Pentagramm

Wir haben Einweihung erfahren

Der Kreis schließt sich

Ein Wort zum Schluss

Anhang:

Lichtdienst

Gebet zum Lichtdienst

Die Rose des Herzens – Die Rose der Seele

Lichtdienst-Ansprache

Heilungskreis

Gebet zum kosmischen Christus

Heilungskreis-Ansprache

Übung: Selbstliebe ist Selbstheilung

Mein Dank

Über die Autorin

Dieses Buch ist dem Andenken an

MYRA

(13. Mai 1945–24. Februar 2002)

gewidmet, die das Leben der Menschen,
die ihr begegnet sind,
mit ihrem Sein bereichert hat
und die zurück zur Quelle gegangen ist,
als ihre Aufgabe erfüllt war
.

»Es liegt an uns,

das LICHT zu suchen, denn ES IST.

Wir müssen uns nur umdrehen,

um aus der Finsternis ins Licht zu treten,

um aus dem Schattenland zu gehen,

dorthin, woher das Licht kommt,

immer der LICHTSPUR nach.«

Saint Germain

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

viele Menschen suchen in dieser Zeit, in der vermeintliche Sicherheiten wegbrechen, nach Halt und Orientierung. Wir stehen an der Schwelle einer Zeitenwende, deren transformierende Energie eine enorme Beschleunigung aller Lebensverhältnisse sowie den Zusammenbruch der gesellschaftlichen Systeme und Strukturen verursacht, die der Menschheit nicht mehr dienlich sind oder es niemals waren.

Abseits des esoterischen Zeitgeistes stelle ich Ihnen hier einen westlich-abendländischen Einweihungsweg vor, der Impulse und Orientierung zu geben vermag.

Das uralte abendländische Weisheitswissen musste vor den herrschenden religiösen Institutionen über beinahe zweitausend Jahre geschützt und bewahrt werden und konnte deshalb nur im Geheimen, im »Untergrund« überleben. Dort wurde es von geheimen, inneren Orden (man könnte sie auch die »innere Kirche« nennen) bewahrt, die vor allem aus den geistigen (feinstofflichen) Reichen gespeist wurden. Einer dieser Bewahrer, Saint Germain, ist der Autor dieses Buches.

Als keine Gefahr mehr von den religiösen Institutionen ausging, wurde dieses Wissen freigegeben. Leider erleben wir etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts und verstärkt in den letzten vierzig Jahren eine Verwässerung dieser Lehren, die sich in Teilen der esoterischen Literatur und des Workshop-Marktes niederschlägt.

Wir waren und sind eine kleiner Freundeskreis, der sich Anfang der Neunzigerjahre »zufällig« gefunden hatte, zusammen Reiki praktizierte, meditierte, nach Indien reiste und sich »über Gott und die Welt« austauschte. Ein seit seiner Kindheit für die feinstofflichen Welten offenes Mitglied unseres Kreises, Myra, war das Medium für einen indianischen Lehrer aus der geistigen Welt namens Finor. Nach zwei gemeinsamen Jahren verabschiedete er sich mit den Worten: »Heute übergebe ich dich meinem Meister.« Finor nannte keinen Namen, und »der Neue« stellte sich anfangs auch nicht vor. Myra beschrieb seine Energie als »ganz anders«, strenger und bestimmter. Nach einigen Tagen erklärte er ihr, dass er unter dem Namen Saint Germain bekannt sei und dass er uns unterrichten werde, um ein Versprechen einzulösen, das er im 18. Jahrhundert gegeben hatte, als er in einem unserer Vorleben unser Lehrer gewesen war.

Der historische Graf von Saint Germain unterhielt zu seiner Zeit Internatsschulen in Frankreich. Die Ausbildung ausgewählter junger Menschen galt nicht nur der üblichen schulischen Wissensvermittlung, sondern sie war auch ein Einweihungsweg. Zu einem solchen gehört eine Prüfung, eine Art Bewährungsprobe, die das Leben selbst abnimmt. Es ist gewiss nachvollziehbar, dass nicht alle Schüler bestanden haben. Doch damals versprach er einem jeden der »Durchgefallenen«, noch einmal als geistiger Lehrer in sein Leben zu treten. Zeitgleich zu uns unterrichtete Saint Germain noch andere kleine Gruppen weltweit – ehemalige Schüler, die es gleich uns damals im 18. Jahrhundert nicht geschafft hatten.

Wir genossen den spannenden und ergreifenden Unterricht unseres charmanten, humorvollen, aber auch strengen und kompromisslosen Lehrers und Erziehers – »Ich kann keine lauen und halbherzigen Schüler gebrauchen!« –, der über sechs Jahre von 1993 bis 1999 währte. Saint Germain begleitete uns auch mit Einzelgesprächen – »Ein bisschen Lebenshilfe geben«, nannte er es, und von dieser Lebenshilfe profitierten auch Menschen, die von außerhalb kamen. Allerdings darf man sich solche Lebenshilfe nur als »Hilfe zur Selbsthilfe« vorstellen, denn spirituelle Lehrer sind selbstverständlich nicht befugt, so wie wir das vielleicht gerne hätten, die Probleme ihrer Schüler zu lösen. Ein Anliegen war ihm, uns Unterscheidungsvermögen zu lehren, d. h. wir hatten zu lernen, in spirituellen Angelegenheiten in der Lage zu sein, die Spreu vom Weizen zu trennen, also Wahrheit von Lüge zu unterscheiden.

Gleich zu Beginn der Schulungen warnte uns unser Lehrer, dass er uns verlassen müsse, wenn Bindungen und Abhängigkeiten an ihn entstünden. Wir bemühten uns redlich, doch ganz gelang es uns nicht, denn dafür war er einfach zu liebenswürdig.

In diesen Jahren entstand ein »Heilkreis« und ein sogenannter »Lichtdienst«, beide existieren noch heute. Anlass für den Lichtdienst war der Vater eines Gruppenmitglieds, der im Zweiten Weltkrieg gefallen war, sich aber immer noch in der Aura unserer Freundin aufhielt. Gemeinsam mit unserem Lehrer durften wir ihn »ins Licht« führen. Der Heilkreis entwickelte sich aus dem sogenannten »Telesma-Seminar«, dem ersten Teil dieses Buches. Im Anhang finden Sie die Texte von Saint Germain, die wir in beiden Kreisen benutzen.

Ein Lernziel in der Lichtarbeit – die ja nicht nur einzelnen Verstorbenen oder Kranken gilt – war und ist, uns nicht aufkommenden Emotionen hinzugeben, sondern unseren Fokus auf Vollkommenheit zu richten, anstatt auf Kriege, Katastrophen, Krankheit und Tod.

Teile der Texte für unsere Seminare diktierte Saint Germain Myra direkt in den Computer. Einmal stürzte das Programm während des Schreibens ab. Die erschrockene Myra bat unseren Lehrer, von dem sie dachte, er wisse und könne alles, um Hilfe. Er gestand ihr allerdings, dass er keine Ahnung von Computern habe, und dann war er anschließend »mal weg«. Als er nach zehn Minuten wieder auftauchte, gab er ihr Anweisungen, woraufhin das Gerät wieder funktionierte. Myra, das verblüffte »Werkzeug«, fragte, wo er denn in der Zeit der Abwesenheit gewesen wäre – seine Antwort: »Ich musste doch jemanden finden, der sich mit diesem Apparat auskennt.«

Seinem »Werkzeug«, dem Saint Germain für die Zeit der gemeinsamen Arbeit den Namen »Myra« gab, teilte er schon in den ersten Wochen mit, er müsse gehen, wenn sie ihr Ego mit in diese Arbeit nehmen würde, denn er könne nur einen reinen Kanal gebrauchen. Vielleicht war das Myras Prüfung in diesem Leben, die sie gewiss bestanden hat.

Im September 1999 fand die gemeinsame Zeit mit unserem Lehrer ihren Abschluss auf einer Hütte im Südschwarzwald. Ein solches Quartier zu suchen hatte er uns aufgetragen, mit einer Quelle vor der Tür. Bei schönem frühherbstlichem Wetter inmitten einer romantischen Landschaft nahmen wir Abschied. Die Woche war der sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung gewidmet. Es war die schönste Woche, es waren die schönsten Jahre unseres Lebens, wie eine Teilnehmerin bemerkte. Saint Germain versprach, immer in unseren Herzen zu sein. Er kam einige wenige Male noch zu Einzelgesprächen und ein letztes Mal, als wir ihn um Rat baten, wenige Monate, bevor Myra starb.

Diese Jahre haben einen besonderen Zauber in meiner und meiner Freunde Erinnerung. Wir fühlten uns geborgen in der starken Präsenz unseres Lehrers und erlebten eine Liebe, die nicht von dieser Welt ist. Saint Germain hatte uns alles gelehrt und uns alle Werkzeuge mitgegeben, die wir benötigten, um unseren Weg alleine – nur unserem inneren Lehrer im eigenen Herzen verpflichtet – weiterzugehen.

Wir waren und sind keine besonderen oder gar »auserwählte« Menschen, weil wir den Vorzug einer Schulung durch einen Aufgestiegenen Meister genießen durften. Jeder Mensch ist ein besonderes Wesen, das auf seiner langen Wanderschaft geistige Begleitung und Hilfe erhält. Wenn ein Schüler darum bittet, d. h., wenn er reif dafür ist, kann der Lehrer in sein Leben treten.

Saint Germain war unser Lehrer und Weggefährte seit Urzeiten, so sagte er. Es ist also anzunehmen, dass wir damals im 18. Jahrhundert nicht zum ersten Mal unser Klassenziel nicht erreicht haben. Scheitern erscheint mir aber auch ein nicht ganz unwichtiger Bestandteil unseres menschlichen Erfahrungsschatzes zu sein.

Saint Germain gab mir durch einen medialen Menschen meines Vertrauens die Erlaubnis, sein »Vermächtnis«, wie er es nannte, zu veröffentlichen (als Myras Weggefährtin und Rechtsnachfolgerin). Einen kleinen Teil dieses Vermächtnisses halten Sie in der Hand. Weitere Veröffentlichungen werden folgen.

Wenn Sie mit dem vorliegenden Buch arbeiten möchten, wird Saint Germain, sofern Sie ihn dazu einladen, gerne eine Zeit lang hilfreich mit den ihm zur Verfügung stehenden hohen Energien Ihr Wegbegleiter sein.

So lege ich dieses Buch, liebe Leserin, lieber Leser, mit dem Segen meines Lehrers Saint Germain in Ihre Hände und wünsche Ihnen einen glücklichen Weg!

Brigitte Hussak

Dießen am Ammersee im Frühjahr 2010

DER HISTORISCHE GRAF VON SAINT GERMAIN

Im 18. Jahrhundert war der Graf von Saint Germain eine Berühmtheit, von Gerüchten und Geheimnissen umwoben und entsprechend umstritten. Er war Geheimdiplomat im Dienst der französischen Krone und anderer europäischer Königshäuser, außerdem Alchemist, Chemiker, Physiker, Arzt, Erfinder, Musiker, Komponist und gewiss noch einiges mehr, ein Universalgenie also.

Damaliger und heutiger Darstellung zufolge wurde er als ältester Sohn des transsylvanischen (Siebenbürgen) Fürsten Franz II. Rakoczy geboren. Siebenbürgen war von den Habsburgern Österreich einverleibt worden, und der Fürst war bestrebt, sein Land wieder in die Unabhängigkeit zu führen, was dem österreichischhabsburgischen Kaiserhaus natürlich missfiel. Deshalb musste der junge Fürst Leopold Georg als Thronerbe vor den kaiserlichen Nachstellungen gerettet werden. Er wurde nach Florenz gebracht und dort dem späteren Großherzog von Toscana und letzten seines Geschlechts, Giovanni Gastone de Medici, Junggeselle und hochgebildeter, kunstsinniger Schöngeist, Freimaurer und Rosenkreuzer, zur Erziehung übergeben.

Saint Germain galt als der Mann, »der niemals stirbt«. Unbekannt dürfte aber sein, dass er auch nicht geboren wurde. Das mag unglaubwürdig klingen, aber auf unsere Frage, ob denn die Geschichte seiner siebenbürgisch-fürstlichen Herkunft wahr sei, erklärte er, dass jeder Mensch mit einem Ego zur Welt käme, das durchaus zum Leben und Überleben nötig sei. Seine Aufgaben aber wären mit diesem menschlichen Ego nicht zu erfüllen gewesen, also wäre er nicht per Geburt gekommen, sondern hätte sich einen Körper erschaffen.

Dass dies nicht so ungewöhnlich ist, bestätigen zahlreiche auch zeitgenössische glaubhafte Berichte aus dem indischen Kulturkreis, wo Heilige und fortgeschrittene Yogis in der Lage sind, sich an zwei Orten zur selben Zeit in ihrem jeweils sichtbaren und feststofflichen Körper aufzuhalten. Sie brechen keine Naturgesetze und tun auch keine Wunder, sondern sie wenden Gesetzmäßigkeiten an, die unsere Wissenschaft noch nicht entdeckt hat. Das Gerücht über seine transsylvanische Herkunft hatte der Graf nie dementiert, doch wie hätte er seinen Zeitgenossen seine wahre Herkunft auch erklären sollen? Vielleicht ist er tatsächlich bei Giovanni Gastone de Medici aufgewachsen, denn dieser wäre als Rosenkreuzer und Freimaurer gewiss bereit gewesen, eine solche Herkunft zu akzeptieren und dem jungen Saint Germain den nötigen Hintergrund und Schutz samt einem Start in die Gesellschaft zu gewähren. Allerdings passen die Daten nicht recht zusammen, denn Medici, 1671 geboren, wäre erst 23 Jahre alt gewesen, wenn Saint Germain bei ihm etwa im Jahre 1694 als Jugendlicher, von wo auch immer, aufgetaucht wäre. So werden Saint Germains erste Jahre wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben.

Als der Graf von Saint Germain die Weltbühne betritt, auf der er 90 Jahre Gast sein wird, um die Geschicke seines Jahrhunderts mitzubestimmen, findet er ein zerrissenes Europa vor, in dem die Fürsten- und Herzogtümer wie auf einem Schachbrett hin- und hergeschoben werden, in dem ein siebenjähriger Krieg wütet zwischen den großen europäischen Mächten Preußen, Österreich, England, Frankreich, in dem sich der Boden allmählich vorbereitet für die »Große Revolution«.

Saint Germain wird von seinen Zeitgenossen als charmant, sprachgewandt, kunstsinnig, »allwissend« und allem Schönen zugetan wahrgenommen. Er ist ein gern gesehener Gast in den Salons und an den regierenden Höfen Europas und pflegt Umgang mit vielen seiner heute noch berühmten Zeitgenossen, wie Denis Diderot, Voltaire, Friedrich II. von Preußen und dessen Schwester, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Madame Pompadour, Cagliostro, Casanova und vielen anderen. Er spielt virtuos Geige und Harfe und komponiert Teile einer Oper, Violinkonzerte, Lieder (es existieren CDs). Sein Freund Graf Max von Lamberg schreibt über ihn:

»Der Mann besitzt tausend Talente. Er spielt vorzüglich Geige, und die Zuhörer glauben, fünf Instrumente gleichzeitig zu hören.«

Er ist Kunstkenner, Sammler und inspiriert die sogenannten »Enzyklopädisten« zu etwas, was es vorher noch nie gab, die große Enzyklopädie, ein Universallexikon, in dem das Wissen der Zeit zusammengefasst ist. Aus seinem eigenen universellen Fundus trägt er zu den Inhalten dieses monumentalen Werkes bei. Der österreichische Graf Philipp von Cobenzl beschreibt Saint Germain:

»Er ist Dichter, Musiker, Schriftsteller, Arzt, Physiker, Chemiker, Mechaniker und ein gründlicher Kenner der Malerei. Kurz, er hat eine universelle Bildung, wie ich sie noch bei keinem Menschen fand.«

Saint Germain ist in der Lage, Metalle und Steine zu veredeln, Fehler aus Edelsteinen zu entfernen und er erfindet unter anderem ein verbessertes Härtungsverfahren für Porzellan und bessere Färbemethoden für die Textilindustrie. Dem preußischen Gesandten in Dresden, Philipp Karl von Alvensleben, teilt er mit:

»Ich halte die Natur in meinen Händen, und wie Gott die Welt geschaffen hat, kann auch ich alles, was ich will, aus dem Nichts hervorzaubern«, was dieser an seinen König Friedrich II. mit den Worten weitergibt: »Ich wiederhole lediglich, was er gesagt hat.«

Dieses »aus dem Nichts hervorzaubern« kennen wir auch von indischen Heiligen.

So nähern wir uns dem Alchemisten Saint Germain, den Ludwig XV. zu seinem Hof-Alchemisten ernennt und dem er das prachtvolle Loire-Schloss Chambord zur Verfügung stellt, in welchem sich der Graf im Auftrag des Königs ein alchemistisches Laboratorium einrichtet, das heute noch besichtigt werden kann.

Die Alchemie hat eine materielle und eine spirituelle Seite; mit letzterer, die auch der eigentliche Sinn der Alchemie ist, macht uns Saint Germain unter anderem auch in diesem Buch bekannt. Verbürgt ist, dass er ein »Lebenswasser«, wie er es nannte, herzustellen vermochte, ein Lebenselixier, das vermutlich das Altern hinauszögerte. Naturgemäß hat er damit die Damen der Gesellschaft auf seiner Seite. Außerdem mischt er einen darmreinigenden, der Gesunderhaltung des Körpers dienenden Tee, der heute noch hergestellt wird und der nach ihm benannt ist.

Es geht das Gerücht um in Europa, Saint Germain sei unsterblich. Die Gräfin von Genlis schreibt in ihren Erinnerungen:

»Er sah damals höchstens wie ein Fünfundvierziger aus, aber nach dem Zeugnis von Leuten, die ihn dreißig bis fünfunddreißig Jahre vorher gesehen, war er sicherlich weit älter. Er war nicht ganz mittelgroß, gut gewachsen und hatte einen sehr leichten Gang. Seine Haare waren schwarz, seine Haut stark gebräunt, sein Gesichtsausdruck sehr geistreich, seine Züge ziemlich regelmäßig.«

Den Memoiren der Gräfin d’Adhemar, Hofdame am Hof Ludwigs XVI. und Vertraute von dessen österreichischer Gemahlin Marie Antoinette, entnehmen wir, dass sie eine gute Bekannte und Verehrerin Saint Germains war. Die Comtesse erinnert sich, dass er wiederholt die Majestäten vor künftigen Gefahren warnte und das Ende der Monarchie voraussagte. Weiter beschreibt sie ihre Begegnungen mit ihm, die nach (!) seinem Tod im Jahr 1784 stattfanden, unter anderem bei der Hinrichtung der Königin im Jahre 1793. Es existiert eine Legende, nach der Saint Germain während der Hinrichtung der Königin in der gaffenden und johlenden Menge stand und mit ihr Augenkontakt hielt, um ihr Kraft und Mut zu geben.

Aber Saint Germain ist nicht wegen all dieser gewiss faszinierenden Begabungen in diese damalige Welt gekommen. Sein Auftrag ist vor allem auch, einen Beitrag für die Befriedung und Einigung Europas zu leisten, und diese Gedanken finden auch ihren Niederschlag in der Idee der heutigen Europäischen Union.

Der französische Philosoph Voltaire schreibt an seinen königlichen Freund Friedrich II. von Preußen:

»Man sagt, dass das Geheimnis des Friedens nur von einem gewissen Herrn von Saint Germain gekannt werde … Er ist ein Mann, welcher gar nicht stirbt und alles weiß.«

Spitznamen wie »Der Graf von Europa« oder »Der Kutscher von Europa« erhält er wegen seiner ausgedehnten Reisen von England bis Russland, die einen großen Teil seines Lebens in Anspruch nehmen. Er bereist auch Indien und Ägypten und ist Teilnehmer an Friedenskongressen, wo er manchen Friedensbeschluss erreichen kann. Dazu bedient er sich der verschiedensten Tarnnamen, was der Fantasie seiner Zeitgenossen für Gerüchte aller Art Nahrung gibt. Er wird verwechselt mit Scharlatanen, und gerne werden ihm auch die erotischen Eskapaden des Grafen von Saint Germain, des Kriegsministers Ludwigs XVI., unterstellt.

Der preußische König Friedrich der Große schreibt an Saint Germain, der gerade mit dem Tarnnamen »Solar« unterwegs ist:

»Ihr ehrwürdiger Charakter ist mir sympathisch. Sie sind der geeignete Mann, meine Worte dem König von Frankreich zu sagen, dass Frankreich seinen Frieden mache mit Preußen und England«, und der französische Gesandte in Rom, der Herzog de Choiseul, der später französischer Außenminister und sein größter Feind wird, schreibt: »Die Abreise von San Germano vom Goldenen Vlies, welcher als Gesandter Sardiniens den Vertrag zwischen Spanien und Österreich zustandebrachte, wird von der Herzogin von Louxembourg und uns allen sehr bedauert.«

Die komplizierte politische Geschichte Europas im 18. Jahrhundert unter Mitwirkung des Grafen von Saint Germain möchte ich hier aber nicht weiter erörtern, weil sie den Rahmen dieses Buches sprengen würde und dafür auch ohne Belang ist.

Saint Germain unterhält Internatsschulen, in denen er auch selbst lehrt. Sein Wunsch ist es, ausgewählten jungen Menschen das uralte, immer gültige spirituelle Weisheitswissen, ihre abendländischen Wurzeln und ethische Werte nahezubringen. Er hat die Vision, dass durch diese Erziehung und die Schulungen, die auch alle weltlichen Wissensbereiche abdecken, junge Menschen auf große Aufgaben vorbereitet werden, die den künftigen Geschicken Europas in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie der Politik, Diplomatie und Justiz, der Wissenschaft, der Religion, der Medizin, der Künste usw., zum Fortschritt und zum Guten dienlich sind. Damals und dort beginnt die Geschichte dieses Buches.

Der Graf spielt eine maßgebliche Rolle als Mitglied und Reformator verschiedenster Orden, wie der Freimaurer, Rosenkreuzer, Malteser- und Tempel-Ritter (der Templerorden wurde zwar im Jahre 1314 brutal ausgerottet, aber Reste existierten, zumindest noch im 18. Jahrhundert, unter dem schützenden Mantel anderer Orden weiter), die er auch auf Kongressen und an den europäischen Höfen vertritt.

Dass eine Befriedung und Einigung Europas nicht durch die Fürsten zustandekommen würde, ist Saint Germain klar. So setzt er seine Hoffnungen auf die Orden und Logen, deren Anliegen es gleichfalls ist, Europa zu einen und damit Frieden zu schaffen. Dies kann aber nur gelingen, wenn zuvor die Orden selbst sich vereinigen und gemeinsam dem hohen Ziel zustreben.

»Doch bei ihnen sollte auch erst ein Dach gebaut sein, unter dem der Tempel der Menschheit wirksam werden könnte«,

zitiert ihn seine Biografin Irene Tetzlaff. In diesem »Tempel« sollte Religionsfreiheit das Fundament sein.

Sein Ordensbruder und enger Freund ist der Landgraf Carl von Hessen-Kassel, Statthalter der dänischen Krone für das Herzogtum Schleswig-Holstein. Er schreibt in seinen Memoiren:

»Saint Germain kam bald darauf nach Schleswig. Er sprach mit mir von großen Dingen, welche man zum Besten der Menschheit tun wolle usw. Ich hatte keine Lust dazu, aber zuletzt machte ich mir ein Gewissen daraus, Kenntnisse, die in jeder Hinsicht wichtig waren, aufgrund einer vermeintlichen Weisheit oder aus Geiz zurückzuweisen, und ich wurde sein Schüler.«

Auf Einladung des Freundes verbringt Graf Saint Germain seine letzten Jahre in Eckernförde, wo auch sein irdisches Leben ausklingen wird.

Sein Lebensabend ist ruhig, aber nicht untätig. Er kümmert sich weiter um die Reformierung der Orden, macht noch einige Reisen und ist Direktor einer Fabrik, wo er seinen Erfindergeist zum letzten Mal auslebt. Der Landgraf kommt oft zu Besuch, und die beiden führen zusammen alchemistische und chemische Studien und Experimente durch.

In Abwesenheit seines Freundes stirbt Saint Germain am 27. Februar 1784. Er wird in der Gruft der Nicolaikirche beigesetzt. Es existieren zwei Legenden, die eine besagt, dass man nach einer Überflutung der Kirche seinen Sarg leer vorfand; die andere Legende erzählt von demselben Vorfall, als Carl von Hessen seinen Leichnam exhumieren lassen wollte.

Nach seinem »Tod« wird er noch häufig gesehen, unter anderem viele Jahre später bei der Beerdigung seines Freundes Carl, wo er in »altmodischer Kleidung« den Sarg begleitet haben soll.

Landgraf Carl von Hessen-Kassel schrieb einst an Prinz Christian von Hessen-Darmstadt:

»Was Saint Germain betrifft, so bin ich der Einzige, dem er sich anvertraut hat. Er war der größte Geist, den ich jemals kannte.«

DIE AUFGESTIEGENEN MEISTER AM BEISPIEL SAINT GERMAINS

Zunächst ist zu klären, was eigentlich ein Aufgestiegener Meister oder eine Aufgestiegene Meisterin ist. Da ich mir nicht anmaße, diesen komplexen Begriff erklären oder gar erfassen zu können, lasse ich Saint Germain selbst zu Wort kommen mit Auszügen aus einem Text (kursiv gedruckt) über seltsame Auswüchse unter dem Deckmantel der Esoterik, den er Myra diktiert hatte, als uns einige Veröffentlichungen über ihn und andere Aufgestiegene Meister sehr eigenartig und unglaubwürdig erschienen und wir ihn um eine Erklärung baten.

Wir dürfen den sogenannten Aufgestiegenen Meistern (das ist ein Begriff, der nicht von ihnen selbst stammt und den Saint Germain auch nicht schätzt; einmal sagte er »die, die ihr Aufgestiegene Meister nennt«), die in den feinstofflichen Welten zu Hause sind und zumeist von dort aus wirken, durchaus auf Augenhöhe begegnen, denn wir alle sind Meister auf den verschiedensten Stufen des sogenannten Aufstiegs. Jeder Mensch kommt auf seiner äonenlangen Lebensreise zurück zu seiner Quelle, der Ur-Heimat, und diese Reise führt sowohl durch die grobstoffliche Welt (also unsere Erde) als auch durch die jenseitigen, feinstofflichen Welten in den Zeiten zwischen den Inkarnationen bis zu einem Punkt der Entwicklung, an dem er eintreten darf in höchste Sphären, aus denen keine Rückkehr zur Erde, in die Materie, mehr notwendig und möglich ist. In diesen, für uns nicht vorstellbaren geistigen Reichen scheint irgendwann und irgendwo (allerdings existieren dort weder Zeit noch Raum) unser Verschmelzen mit dem göttlichen Urgrund zu geschehen.

Bevor wir diese Sphären betreten, von denen keine Rückkehr zur Erde mehr möglich ist, können wir uns entscheiden, ob wir dieses »Tor« tatsächlich durchschreiten wollen. Saint Germain hat versucht, uns dieses Geschehen mit einem bildhaften Gleichnis von Jakobs Traum aus dem Alten Testament anschaulich zu vermitteln:

»Jakob träumt, dass Engelwesen auf einer Leiter, die bis in den Himmel reicht, hinauf- und hinuntersteigen, sich zwischen Himmel und Erde bewegen. Was waren das für Engelwesen, die er sah? In Wirklichkeit sah er nur Menschen in ihrem normalen Bewusstseinszustand auf ihrem Pfad zwischen Himmel und Erde in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Die Tatsache, dass sie ihm wie himmlische Wesen erschienen, drückt sein inneres Wissen um Ziel und Zweck des Lebens aus, das darin besteht, die Himmelsleiter emporzusteigen, also den inneren Aufstieg aus dem Zustand des ›Gefallenseins‹, wieder zurück zum Ursprung, ins Paradies, zu vollbringen.«

Und er benutzt diese Geschichte weiter als Erklärung für das Phänomen der Aufgestiegenen Meister:

»… Er (der am Ende der Jakobsleiter angekommene Mensch) hat nun die freie Entscheidung. Er kann in dieser wieder erreichten Freiheit die Jakobsleiter hinaufgehen und ›in den Himmel eintreten‹. Aber nein, er wird, da er nun das Prinzip der reinen Liebe verkörpert, diese Gedanken nicht mehr in sich haben. Er wird zurückgehen, denn er hat die Herrlichkeit geschaut und dabei zurückgeblickt auf jene, die sich noch quälen auf der Sprossenleiter. Viele, die vielleicht einmal Weggefährten waren, befinden sich noch, oder wieder, ganz unten in der Gefangenschaft der Sinne. Er wird also zurückgehen, um all das Empfangene weiterzugeben an jene …«

Für diese fortgeschrittenen Wesen also hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte die Bezeichnung »Aufgestiegene Meister« herausgebildet. Aber es ist wohl auch deutlich geworden, dass die Jakobsleiter den Entwicklungsweg eines jeden Menschen repräsentiert. Wie unfassbar aber für irdische Begriffe diese reine Liebe ist, mag man ermessen, wenn man erfährt, dass jeder dieser Weltenlehrer sich verpflichtet, so lange nicht »in den Himmel einzutreten«, bis auch der letzte seiner Schüler das Ziel erreicht hat.