Peyton
Dinertage sind gute Tage, das pflegte Rufus regelmäßig zur Aufmunterung zu sagen. Es waren Tage, an denen Peyton unter Menschen kam, an denen sie einer sinnvollen Beschäftigung nachging und an denen sie immer leckeren Käsekuchen nach Hause brachte. Tatsächlich war die Kalorienbombe aus Bonnie's Diner bei seinen Gästen nicht allzu beliebt. Nur Rufus, Peytons Mitbewohner, fuhr darauf ab. Das erklärte auch, wieso er sich immer freute, wenn sie arbeiten gehen musste.
Für Peyton waren die Schichten, die sie übernehmen musste, eher lästiger Natur. Es bedeutete, dass sie ihren Pyjama gegen gesellschaftstaugliche Kleidung tauschen musste, den Vormittag über mit ›Schätzchen‹ angesprochen wurde und keinem dieser Typen dafür eine verpassen durfte.
»Beeil dich, ich muss los«, klopfte es an die Badezimmertür. Seit fast einer halben Stunde blockierte Peyton mit fehlendem Schuldbewusstsein das einzige Badezimmer ihrer viel zu kleinen Wohnung. Die Frühschicht war für sie immer die schlimmste. Außer Rufus gegenüber war sie morgens kein sehr sozialer Mensch. Hinzu kam, dass sie aussah wie ein Zombie. Ihre dunkelroten Haare, die ihr bis zum Kinn reichten, standen in alle Richtungen ab, außer natürlich nach unten. Es kostete Peyton viele Nerven, die Wellen in Form zu bringen und den Bedhead-Look, der bei ihr so gar nicht cool sein wollte, abzuschütteln.
»Habs gleich«, rief Peyton ihm zu. Ein Blick in den Spiegel reichte und sie wusste, dass sie heute wieder einmal zu spät dran sein würde. Auch wenn sie nicht viel darauf gab, was die Gäste von ihren Augenringen hielten, wusste sie, dass es Andy, dem Besitzer, wichtig war. Immerhin hatte sie ihre Anstellung als Kellnerin nicht bekommen, weil sie außerordentliche Qualifikationen mitbrachte. Eine halbwegs anständige Frisur, Abdeckstift, Mascara und Lippenstift reichten, um den Arbeitsvertrag an Land zu ziehen.
Für den heutigen Morgen gab Peyton es jedoch auf. Wenn Kaffee den Verkehrsunfall in ihrem Gesicht nicht richten konnte, dann würde es auch kein Make-up aus der Drogerie schaffen. Ein letztes Mal zupfte sie ihr Oberteil zurecht, fuhr sich mit den Fingerspitzen durch das Haar und öffnete schwungvoll die Tür.
Rufus, der ungeduldig davor gewartet hatte, war bereits in voller Montur. In seinem Fall waren das Jeanshosen mit irgendeinem Comic-Shirt, das Peyton wie immer nicht richtig zuordnen konnte, einer rot-gelb gestreiften Krawatte um den Hals und ein offenes Hemd darüber. Wenn es kälter wurde, wovon man im Mai in Castra City nicht mehr ausgehen musste, war sein Ensemble meist mit einer schwarzen Lederjacke abgeschlossen.
»Keine Ahnung, was du hast, bin doch fertig«, gluckste Peyton gut gelaunt. Geschmeidig wie eine Katze schob sie sich an ihm vorbei, hinein in den kleinen Flur, wo sie nach ihren Turnschuhen angelte. Rufus' Blick bohrte sich zwischen ihre Schulterblätter, trotzdem ließ sie sich Zeit.
»Ich hab einen Job, der von mir erwartet, dass ich pünktlich bin … zumindest annähernd.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte zu ihr herunter. Peyton verdrehte die Augen. Die Rede kannte sie mittlerweile in- und auswendig.
»Ja, ja. Du bist im Spießbürgertum angekommen. Ich warte schon darauf, dass wir in einer Vorstadt mit weißem Lattenzaun und einem Hund namens Tuffy landen.« Peyton streckte ihm mit einem Zwinkern die Zunge entgegen.
»Nur, weil ich jetzt Sicherheitslücken aufdecke, anstatt sie auszunutzen, bin ich kein Spießer. Und ehrlich, wir würden jede Vorstadt rocken.«
Da musste sie ihm zustimmen. Auch wenn Rufus, sobald es um seine Arbeit ging, beträchtlich viel Reife bewies, so hatte er letzte Nacht mit ihr noch in Joey's Bar gesessen und stundenlang bei Tequila witzige Katzenvideos geschaut. Rufus Apple war alles, aber sicherlich kein Spießer, das wusste Peyton.
»Erklär mir noch einmal, was das für ein seltsamer Laden ist, für den du da arbeitest.« Das war der lustige Teil an ihrem Morgen. Seit Rufus vor einer Woche bei Liga Security angefangen hatte, fragte sie ihn jeden Tag, was das für eine Firma war. Sie hatte noch nie davon gehört und trotzdem saß das Unternehmen, soweit sie es von ihrem besten Freund wusste, in einem der höchsten und ältesten Gebäude der Stadt, was sicherlich nicht günstig war. Peyton hätte erwartet, dass wenigstens der Firmenname ihr ein Begriff wäre.
»Wir sind eine Sicherheitsfirma. Das heißt, wir … uhm, beraten andere Firmen, was ihre technische Sicherheit angeht und decken Lücken in ihren Systemen auf.«
»Für sowas Lahmes sehen die aber alle ziemlich nach FBI aus.« Peyton griff nach ihrer abgenutzten Jeansjacke und zog sie über.
»Es sind Geschäftsleute … nicht jeder kann in einer winzigen Schürze auf der Arbeit herumlaufen.«
»Oder drei Tage im selben Karohemd.«
Rufus verzog das Gesicht, doch das amüsierte Grinsen auf seinen Lippen nahm ihm jede Ernsthaftigkeit. Peyton kannte ihn zu gut und wusste, dass er ihr nicht böse sein konnte. Zumindest nicht lange.
Nachdem der Sieg um die letzten Worte in diesem Gespräch eindeutig auf ihrem Konto zu verbuchen war, schnappte sie sich ihre Umhängetasche und den Schlüssel. Rufus stellt noch einmal sicher, dass die alte Kaffeemaschine ausgeschaltet war, und verließ nach ihr die Wohnung.
Das ramponierte Treppenhaus mit seinen knarzenden Holzstufen und dem muffigen Geruch feuchter Wände war um diese Uhrzeit längst verlassen. Sie waren wirklich spät dran. Keine nervigen Nachbarn, die sich über zu laute Musik beschwerten, keine kläffenden Hunde im Handtaschenformat, die man aus Versehen zertrat, wenn man nicht genau hinsah. Viele der Anwohner waren längst auf der Arbeit, im Alkoholtraum versackt oder sahen sich die Morgentalkshows an.
Der Vorteil an Arbeitstagen war eindeutig die abwesende Nachbarschaft.
***
Eine gute halbe Stunde später standen sie und Rufus vor dem Restaurant. Bonnie's Diner, das eigentlich Andy Crickett gehörte, passte mit seinen 50er Jahre Bonbonfarben so gar nicht in das Stadtbild von Castra City. Das längst verblasste Babyblau, das den Rahmen der zimmerhohen Frontscheiben zierte, stach trotz allem zu jeder Tageszeit zwischen den dunklen Bürogebäuden hervor. Niemand konnte das Diner übersehen. Nicht einmal, wenn er es gewollt hätte.
Von außen erkannte Peyton bereits ein paar Gäste, die laminierte Speisekarte studierten oder auf grelle Handybildschirme starrten, anstatt sich miteinander zu unterhalten. Es war immer dasselbe Szenario. Sie waren wie Zombies, die erst nach ihrem morgendlichen Kaffee und Pancakes zu Menschen wurden.
»Ich hol dich nachher ab.« Rufus verabschiedete sich mit einem knappen Winken und rannte in die Richtung los, in der die U-Bahn lag. Dank ihrer Trödelei musste er sich ranhalten. Ein Blick auf ihre Lederarmbanduhr verriet Peyton, dass sie wiederum genau die angemessene Verspätungsfrist einhielt.
Wie üblich, wenn sie das Diner durch den Angestellteneingang betrat, war sie die letzte. Das war allerdings nicht schwer, denn morgens bediente neben ihr nur eine weitere Kellnerin. Eine blonde Engländerin namens Casey, die regelmäßig mit ihrem Akzent für Entzückung bei den männlichen Gästen sorgte. Ihre Trinkgeld-Masche war grandios, Peyton war fast ein bisschen neidisch, dass sie nicht darauf gekommen war.
»Pey, beweg deinen Arsch raus, da wartet jemand auf dich!«
Andy, der das Format einer Regentonne besaß und ähnlich viel Charme, war nicht nur ihr Chef, sondern auch der Herr der Küche. Von dort kam er nur selten heraus, daher überraschte es Peyton, dass er plötzlich in der Tür zum Angestelltenbereich stand.
»Oh, meine Fans sind aber heute früh dran.« Selbst überrascht von ihrer guten Laune, verstaute sie ihre Tasche im Spind und griff mit der anderen Hand nach der Schürze.
»Fans, Verehrer … mir egal. Dieser Typ will nur bei dir bestellen und wenn er das nicht tut, belegt er einen Tisch für jemanden, der bezahlen würde!« Und damit war Andy auch wieder verschwunden. Sie hörte nur noch, wie er etwas Unverständliches vor sich hin grummelte. Er war – genau wie Peyton – nicht gerade der Morgentyp.
Sie schnürte ihre Arbeitsuniform zu und stand wenige Augenblicke später im Gastbereich des Diners. Dort verschaffte sie sich einen ersten Überblick über die Kundschaft und machte sofort den Mann aus, der ausdrücklich nach ihr verlangt haben sollte.
Er wirkte auf den ersten Blick recht unscheinbar: mit seinem schwarzen Anzug, dem weißen Hemd und der ebenfalls schwarzen Krawatte saß er alleine an einem Fensterplatz, den Blick auf die Karte in seinen Händen gerichtet. Die dunkelblonden Haare trug er ordentlich nach hinten gegelt, während die Seiten kurzrasiert waren. Trotzdem sah er irgendwie nicht aus wie die Typen von den Banken und der Börse aus dem nahegelegenen Financial District. Das waren lauter kleine Prinzen mit strahlend weißen Zähnen. Die gaben sich vor dem Spiegel mehr Mühe, als Peyton es in ihrem ganzen Leben getan hatte. Der Fremde wirkte mit seiner geraden Körperhaltung eher wie jemand vom Militär, aber warum er ausgerechnet von ihr bedient werden wollte, erschloss sich ihr nicht. Für eine Sekunde überlegte sie, ob sie vielleicht in einer schnapsreichen Nacht mit ihm geschlafen hatte, aber an jemanden wie ihn hätte sie sich sicherlich erinnert. Er würde aus dem Pool ihrer Verflossenen hervorstechen wie ein rosafarbenes Einhorn auf einem Metal-Konzert.
Entschlossen klemmte sie sich eine störrische Locke hinters Ohr, setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und zog gleichzeitig den Block aus ihrer Schürze.
»Guten Morgen und willkommen in Bonnie's Diner. Ich bin Peyton, Ihre Bedienung. Kann ich Ihnen etwas bringen?«
Sie hoffte, dass er bestellen würde. Und wenn es nur ein Glas Wasser oder ein Kaffee war. Wenn nicht, dann musste sie die freundliche Kellnerin gegen die Rausschmeißerin austauschen und diese Rolle mochte sie noch viel weniger.
»Wie ist denn der Käsekuchen?«, fragte er, ohne von der Karte aufzuschauen.
»Natürlich ausgezeichnet«, erwiderte Peyton prompt.
»Okay, und jetzt noch einmal ehrlich: Wie ist der Käsekuchen?«
Sie blinzelte irritiert, versuchte aber ihr Lächeln, dem er keine Beachtung schenkte, halbherzig aufrechtzuerhalten.
»Hören Sie, alles, was Sie hier bekommen, schmeckt gut. Es ist kein fünf Sterne Restaurant, auch wenn Andy gerne das Gegenteil behauptet, aber Sie werden nicht mit einer Lebensmittelvergiftung nach Hause gehen.«
Ihr Ton klang ungeduldiger, als er gegenüber einem Kunden hätte sein dürfen. Kurz fragte Peyton sich, ob sie ihren Gast womöglich damit vor den Kopf gestoßen hatte, weil er seinen Blick stur auf die Speisekarte gerichtet hielt. Aber dann bestellte er doch noch. Peyton war erleichtert, als der Fremde sich für ein Stück Käsekuchen und einen Kaffee entschied. Mehr wollte er nicht. Zucker und Muntermacher, den Wunsch konnte sie ihm erfüllen.
Auch wenn sie den fragenden Blick von Andy in der Durchreiche zwischen Küche und Theke deutlich sehen konnte, winkte sie nur unwissend mit der Hand ab. Keine Ahnung, warum er unbedingt wollte, dass ich ihn bediene, sagte sie ihrem Chef damit, der nur »Spinner gibt's« knurrte und sich den Pancakes für einen anderen Tisch widmete.
Rasch sammelte sie alles für die Bestellung zusammen und servierte es dem Fremden.
»Einmal Kaffee, schwarz, und ein Stück bester Käsekuchen des Viertels.« Ihr Gast sah das erste Mal auf und musterte sie von Kopf bis Fuß. Immerhin eine Reaktion, die ihr vertraut war. »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«
»Leisten Sie mir doch etwas Gesellschaft«, bat er sie und deutete dabei auf den freien Platz ihm gegenüber.
Er machte nicht den Eindruck, als würde er ein nein akzeptieren. Solche Männer waren ihr in der Regel suspekt, da allerdings das Umfeld keine dunkle Gasse war und sie wissen wollte, was hinter dem Ganzen steckte, folgte sie seiner Einladung.
»Okay, Sie haben fünf Minuten.« Mit einem letzten Sicherheitsblick in Richtung der Küche setzte sie sich auf die Bank. Andy wäre sicher nicht begeistert, wenn er sähe, dass sie sich lieber mit seinen Gästen unterhielt als sie zu bedienen. Das babyblaue Lederpolster gab seufzend unter ihr nach. »Spucken Sie es aus«, forderte Peyton nun ungehalten, »was wollen Sie?«
Ein Schmunzeln brachte seine Lippen zum Zucken. Er beobachtete sie aus dunkelbraunen Augen, die sowohl Neugierde als auch Erschöpfung ausstrahlten. Er war, wenn sie sich nicht irrte, aus seinen Zwanzigern bereits raus, aber noch nicht allzu lange. Um seine Augen zeichneten sich erste, kleine Falten ab, aber trotzdem besaß er eine junge Ausstrahlung, die sie neugierig machte.
»Eben waren Sie noch netter gewesen.« Der Fremde nahm die Kuchengabel in die Hand, um beherzt in das Stück Käsekuchen zu stechen. Abwartend sah Peyton dabei zu, wie er genüsslich auf dem Bissen herumkaute. Den Geräuschen, die er dabei von sich gab, nach zu urteilen, war er mit seiner Bestellung zufrieden.
»Sagen Sie, wie ist das hier so? Arbeiten Sie oft im Diner? Nur morgens oder auch abends?« Er nahm einen Schluck Kaffee und setzte dazu an, ein weiteres Stück Kuchen seinem Schicksal zuzuführen. Peyton hingegen verschränkte ihre Arme vor der Brust und lehnte sich in das Polster der Sitzbank zurück.
»Sowohl als auch.«
»Mhm, verstehe. Und dann gehen Sie alleine nach Hause?«
»Warum wollen Sie das wissen? Sind Sie so ein Perverser, der mir auflauern will? Das würde ich Ihnen nicht empfehlen.« Sie beugte sich nach vorne und stützte ihre Arme auf dem Tisch ab. Ihr Gast zeigte sich unbeeindruckt, ließ sie jedoch nicht aus den Augen. »Ich bin keines dieser hilflosen Püppchen, die Sie in einer dunklen Seitenstraße überfallen können.«
»Ich frage nur der Konversation wegen«, erklärte er nach einem Schluck Kaffee. »Ist Ihnen schon einmal etwas Seltsames passiert? Etwas, dass Sie sich nicht erklären konnten?«
Ein Lachen platzte aus Peyton heraus, bis ihr wieder einfiel, dass sie eigentlich arbeiten und sich nicht amüsieren sollte. Sie räusperte sich, sah erneut zur Küche und senkte ihre Stimme. »Sie meinen etwas Seltsameres als dieses Gespräch? Ich glaube, der Preis geht an Sie.«
Der Fremde grinste und widmete sich den Resten auf seinem Teller. Danach herrschte Stille zwischen ihnen und Peyton überlegte, ob es Zeit war, aufzustehen. Allerdings fiel es ihr schwer, sich von dieser Situation gedanklich loszureißen. Selbst wie er den Kuchen aß und den Kaffee trank, immer in derselben Reihenfolge, immer nach einem Bissen, hypnotisierte sie.
»Was gäbe es denn Seltsames, das mir passieren könnte?«, hakte Peyton wenige Minuten später nach, während ihre Augen der immer gleichen Abfolge, die sich vor ihr abspielte, folgten. Ihr Gast zuckte mit den Schultern.
»Wenn es passiert, werden Sie wissen, was ich meine.«
»Sie sind ja ein Geheimniskrämer.« Peyton hatte genug. Dieses Gespräch wurde anstrengend und so früh am Morgen hatte sie noch nicht die Nerven, die solche Menschen beanspruchten. Warum musste sie immer die Irren abkriegen? Vermutlich gehörte dieser irgendeiner pseudoreligiösen Sekte an und ›Seltsames‹ war eine nette Umschreibung für den bevorstehenden Weltuntergang oder so. »Gut, dann wünsche ich noch einen schönen …«
»Warten Sie!« Noch bevor Peyton von der Sitzbank aufstehen konnte, war der Fremde aufgesprungen. »Was meinten Sie damit, dass Sie kein hilfloses Püppchen sind? Und sagen Sie jetzt nicht, dass Sie Pfefferspray besitzen, dann bin ich wirklich enttäuscht.«
Sie hatte mit vielem gerechnet, aber das überforderte sie für einen Augenblick. Dann stellte Peyton stumm den Ellenbogen auf die Tischplatte, direkt vor das Gesicht des Mannes. Eine kaum zu übersehende Aufforderung zum Armdrücken.
»Nur zu«, stachelte Peyton ihn an, als er ihren Arm musterte. »Ich pass auch auf, dass ich Ihnen nicht allzu sehr wehtue.«
Ihr Gast, der das offensichtlich nicht auf sich sitzen lassen konnte, tat es ihr gleich und legte seine Hand in ihre. Sein Griff war kräftig und Peyton war sich sicher, dass er es ihr nicht leichtmachen würde.
»Auf Drei. Eins … zwei … drei!« Und in der nächsten Sekunde drückte sie seinen Unterarm mit einem lauten Knall auf die Tischplatte. Das Geschirr darauf schepperte und lenkte die Aufmerksamkeit auf Peyton und den Fremden. Dieser rieb sich mit geweiteten Augen das Handgelenk, während sie nicht anders konnte, als das aufblühende stolze Gefühl in ihrer Brust zu genießen.
»Eindrucksvoll. Immerhin brauchen Sie abends wirklich keine Angst zu haben.«
Sie zuckte mit den Schultern. Noch ehe sie etwas sagen konnte, hörte sie Andy, der wütend ihren Namen quer durch das Restaurant rief.
»Peyton! Du wirst fürs Arbeiten bezahlt, nicht für ein Kaffeekränzchen!«
Schrecken und strapazierte Nerven vermischten sich, als sie zusammenzuckte. Sie hatte ihr Glück herausgefordert und dem komischen Typen gezeigt, dass sie sich wehren konnte. Tief in ihrem Inneren fand sie, dass es den Anschiss ihres Chefs wert gewesen war. Peyton stand auf, ließ ihr Handgelenk kreisen, nickte dem Fremden zu und ging ihrer Arbeit nach. Während sie sich um andere Tische kümmerte, sah sie immer wieder zum Tisch des Fremden, der erst den Kuchen aufaß und sich danach seinem Handy widmete. Nachdem sie einem anderen Gast an der Theke ein Sandwich serviert hatte, war der Platz des Fremden auf einmal verlassen.
»Hier, das hat er für dich dagelassen.« Casey stupste sie von der Seite an und drückte ihr das Trinkgeld und eine Visitenkarte in die Hand.
»Das war vermutlich der teuerste Käsekuchen seines Lebens«, murmelte Peyton verblüfft und zählte die Scheine. Das Geld für die Bestellung sortierte sie in ihre Kellnergeldbörse, den Rest schob sie in die Taschen ihrer Jeans. Blieb nur noch die Karte, die sie mit zusammengekniffenen Augen drehte und wendete. Die schwarze Vorderseite enthielt nur einen Namen – Eli Forrest – sowie die Angabe Hüter und eine Handynummer. Auf der weißen Rückseite dagegen hatte er mit einem blauen Kugelschreiber falls mal etwas Seltsames passiert in einer typisch krakeligen Männerhandschrift notiert.
»Hast wohl einen neuen Verehrer, mhm?«
Peyton ignorierte ihre Kollegin. Seltsamer Typ, ging es ihr durch den Kopf, ehe sie die Karte in die Gesäßtasche schob und den restlichen Tag vergaß, dass sie dort war.
***
Dinertage wurden meist dadurch abgerundet, dass die Schichtablösung zu spät kam. Das passierte gerne, denn Eduardo war weder pünktlich, noch zuverlässig, noch besaß er eine legale Arbeitszulassung. Daher kam und ging er, wie er eben Zeit hatte. Andy war das egal. Er vertrat die Meinung, das Personal müsse sich selber organisieren. Das war vorteilhaft, wenn man etwas Wichtigeres zu erledigen hatte oder eine andere Schicht besser in den Netflix-Abend mit dem Mitbewohner passte. Selbst wenn Peyton zu spät kam, war es ihrem Chef egal, solange der Laden einfach nur lief. Auch heute hieß Eduardos Abwesenheit für sie jedoch nur: Doppelschicht. Casey besuchte eine Abendschule und damit fiel Eduardos Vertretung immer Peyton zu.
Kurzerhand hatte sie das Abholangebot von Rufus wie schon so viele Male zuvor verschoben und fand sich kurz nach zweiundzwanzig Uhr endlich ohne Gäste im Diner vor. Inzwischen regte sie sich gar nicht mehr darüber auf, dass ihr Privatleben durch die Unzuverlässigkeit anderer, die sogar ihre eigene noch übertraf, nicht wirklich planbar war.
»Bringst du noch den Müll raus?« Kitty, eine total verstrahlte Raverin, die meistens ebenso in den Abendstunden tätig war und danach erst richtig in den Tag, beziehungsweise die Nacht, startete, entledigte sich gerade ihrer Schürze.
»Klar, wenn du dafür morgen Eduardo ein wahnsinnig herzliches Dankeschön für diesen langen und erfüllten Arbeitstag von mir ausrichtest …«
Kitty setzte ihr völlig durchgeknalltes Grinsen auf, das von den vielen Partydrogen der Raver-Szene geprägt war. Trotzdem fand Peyton sie nett. Das Mädchen mit den Regenbogenfarben im Haar hatte eine wundervolle Leck-mich-am-Arsch-Haltung und passte damit zur Kundschaft, die abends im Diner auftauchte.
»Werd ich machen«, rief Kitty ihr überdreht fröhlich zu und wich dabei Rufus aus, der am Angestellteneingang auftauchte. Aus den Augenwinkeln sah Peyton, wie Kitty ihrem Mitbewohner ein keckes Lächeln zuwarf. Dieser grüßte sie kurz und rieb sich verlegen den Nacken. Die Reaktion überraschte Peyton nicht. Ihre Kollegin war definitiv nicht sein Typ. Er lebte bereits mit einer Durchgeknallten zu Hause, da ging er nicht noch mit einer ins Bett.
»Bereit?« Rufus blickte sie fragend an.
Demonstrativ hob Peyton zwei volle Müllsäcke. »Fast. Lust dir deinen Käsekuchen zu verdienen?« So verführerisch wie sie nur konnte, wackelte sie mit den Müllbeuteln vor seinem Gesicht herum. Das darauffolgende Lachen konnten beide nicht lange unterdrücken.
»Ich mach alles, Hauptsache du hörst auf so zu gucken.« Grinsend schnappte er sich eine der Mülltüten und verließ mit Peyton, die ihm die Zunge rausstreckte, das Diner durch den Angestellteneingang.
Die milde Brise des Frühlingsabends umfing Peyton sofort. Die Sonne hatte sich längst hinter der Skyline von Castra City verabschiedet und hinterließ nur noch die Reste eines pinken Wolkenhimmels. Sie liebte diese Abende, an denen es nicht zu warm und nicht zu kalt war, wenn Sommer in der Luft lag und ein Tag, selbst zu dieser Uhrzeit, noch so viele Möglichkeiten für sie bereithielt. Es war ein Abend, um mit ein paar Klappstühlen und einem Sixpack am Ufer des Nova Rivers zu sitzen und die Sterne zu zählen.
Die Gasse hinter dem Diner war allerdings weniger romantisch. Die hohe Ziegelsteinmauer gegenüber der Tür war heruntergekommen, Teile der Feuerwehrleiter waren – vermutlich zum Schutz vor Einbrechern oder Unruhestiftern – entfernt worden. Drei große Mülltonnen reihten sich an der Wand entlang.
»Wie war dein Tag?«
Nach jedem Feierabend stellte Rufus dieselbe Frage und beinahe immer war Peytons Antwort ein theatralisches Seufzen. Ihr Rücken schmerzte von der vielen Lauferei und ihr Kopf war unfähig noch irgendeine Form der gesellschaftstauglichen Konversation zu führen, aber das wusste er und deswegen band sie es ihm nicht immer wieder auf die Nase. Wäre ihr Leben bis zu diesem Zeitpunkt anders verlaufen, hätte sie ihm von großen Vertragsabschlüssen oder dem neuesten Klatsch und Tratsch aus der Kaffeeküche erzählt, aber so blieb es bei einem Seufzen.
Sie wollte gerade den Mülltonnendeckel öffnen, als ihr etwas einfiel, das durchaus interessant für Rufus sein könnte.
»Ich hatte heute einen komischen Kunden. Der wollte nur von mir bedient werden und stellte seltsame Fragen.«
»Inwiefern?«
Rufus hob seinerseits nun den Deckel der Mülltonne an. Ein süß-fauliger Gestank stieg Peyton in die Nase. Angewidert verzog sie das Gesicht und warf erst den einen Sack hinein und danach den anderen. Mit einem lauten Scheppern ließ Rufus den Deckel wieder zufallen und wischte sich die Hände an der Hose ab.
»Mhm, er wollte wissen, ob mir mal etwas Seltsames passiert ist.«
»Hast du ihm vom Tequila-Abend vor drei Monaten erzählt? Als es geschneit hat und wir uns dauernd auf die Fresse gepackt haben, weil es so glatt war und wir betrunken?«
»Ich denke, er meinte nicht betrunken-seltsam«, sagte sie nachdenklich.
Im selben Moment, als sich Rufus Augen weiteten, kroch ein Schauer über ihren Rücken. »Eventuell meinte er etwas wie das da?«
Verwirrt drehte Peyton sich um und sah in die Richtung, in die ihr Freund zeigte. Im schummrigen Licht der Gasse erkannte sie den langen Schatten, den eine Art Kreatur warf. Auch die Hufe an den vier skelettartigen Beinen entgingen ihr nicht, genauso wenig die an den Körper gelegten Flügel und der übergroße Pferdeschädel, aus dessen Maul eine lange gespaltene Schlangenzunge zischte.
»Siehst … siehst du das auch?«, flüsterte Rufus ihr zu. Peyton konnte nicht anders, als sich am Rand der Mülltonne festzuhalten.
Sie sah es.
Selbst die zwei langen Hörner auf dem Pferdeschädel und den haarigen Schwanz mit der rasiermesserscharfen Dreieckspitze, der angriffsbereit hin und her peitschte. Sie sah alles, was Rufus sah … vorausgesetzt das hier war real.
Erleichterung breitet sich in ihr aus, als ihr der Gedanke kam, dass sie all das hier nur träumte. Womöglich war sie im Angestelltenraum eingeschlafen oder auf dem Ahornsirupfleck hinter der Dinertheke ausgerutscht, nur um sich kurz darauf beim Sturz den Kopf anzuschlagen? Anders konnte sie sich diese Erscheinung nicht erklären. »Rufus, das ist doch nicht echt, oder?«
Zur Antwort zwickte er ihr so fest in den Arm, dass sie empört »Au« rief. Aber wenigstens holte sie das auf den Boden der Tatsachen zurück.
»Wir müssen hier weg.« In kleinen Schritten bewegte Peyton sich nach hinten zu ihrem Mitbewohner, der es ihr nachmachte. Ihre einzige Rettung war der Angestellteneingang, dessen Tür nach wie vor einladend offenstand. Die Kreatur neigte den Kopf, aus dessen Augenhöhlen es rot glühte, und schabte mit den Hufen auf dem Boden.
Das Startsignal zum Angriff gab Rufus' Ungeschicklichkeit, als er gegen eine leere Bierflasche trat und diese klirrend in den hinteren Teil der Gasse wegrollte. Die Hörner auf sie gerichtet, rannte das Monster auf sie zu. Mit einem Hechtsprung schaffte Peyton es in letzter Sekunde, Rufus aus der Bahn und gegen die Mülltonnen zu schubsen. Der Knall, als das Ungeheuer mit der Tür zusammenstieß und diese scheppernd ins Schloss fiel, vermischte sich mit dessen schrillem Schrei.
Das war's. Damit war ihr Rettungsweg aus der Gasse versperrt.
Hilflos sah Peyton sich um, in der Hoffnung, etwas Brauchbares zu finden, mit dem sie sich verteidigen konnte. Rufus tat es ihr gleich, aber da lagen weder ein Metallrohr, noch ein größerer Stein in Griffweite. Da war nur Müll, und den zu durchsuchen, hatten sie keine Zeit, denn ihr Angreifer hatte sich in der Zwischenzeit wieder gesammelt und seine Opfer ins Visier genommen.
Der Schwanz, der nervös hin und her zuckte und versuchte sie zu erwischen, wirkte auf Peyton ähnlich gefährlich wie die spitzen Hörner. Die Kreatur holte erneut damit aus und schoss auf die beiden zu. Geschickt sprangen sie auseinander.
»Lenk es ab!«, befahl Peyton ihrem Mitbewohner, der sich auf der anderen Seite der Gasse befand. Jetzt, wo sie getrennt waren, waren sie deutlich leichtere Opfer. Schlaues Biest.
Rufus begann wüste Beschimpfungen auf das Monster loszulassen und hob die Arme, um auf sich aufmerksam zu machen. Der gewünschte Erfolg war schnell erzielt, als sich ihr Angreifer ihm zuwandte und mit der messerscharfen Schwanzspitze nach ihm zielte. Mit Anspannung sah Peyton aus dem Augenwinkel, wie Rufus sich duckend vor der Klinge rettete.
Sie hingegen fixierte das ihr zugewandte Hinterteil der Kreatur, das sie an ein Pferd erinnerte … und Pferde konnte man bändigen. Zumindest sah es in den Western immer so aus, die sie als Kind mit Rufus geschaut hatte. Der Unterschied war nur, dass dieses Etwas mit seinen langen Beinen viel größer war, als ein normaler Gaul.
Ihr Vorhaben war lebensmüde und riskant, aber wenn sie es nicht versuchte, würden sie es niemals beide lebend aus der Gasse herausschaffen. Schließlich würde weder Rufus, noch sie selbst, eine Chance zur Flucht ergreifen, solange der andere in der Falle saß. Nach all den Jahren, die sie mit ihm befreundet war, wusste sie das.
Gemeinsam leben, gemeinsam sterben.
Mit einem Hechtsprung fand sich Peyton Augenblicke später auf dem ledrigen Rücken zwischen ein paar Flügeln wieder, die versuchten sich zu öffnen. Zum Glück war die Gasse eng und die Spannbreite der Schwingen zu groß. Allerdings war da noch der Schwanz, der sich zurück nach hinten zog und blind nach ihr ausholte.
Instinktiv rutschte Peyton bis an den langen Hals des Monsters heran. Mit einer Hand hielt sie sich an einem der halbgeöffneten Flügel fest, mit der anderen griff sie nach einem der Hörner. Ein Ruck ging durch den Körper und drohte sie herunterzuwerfen. Gleichzeitig beseitigte er die letzten Zentimeter, die sie brauchte, um genug Kraft aufbringen zu können, um an dem Horn zu ziehen. Jeder ihrer Muskeln spannte sich an. Peyton hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht an das Horn, während die Kreatur versuchte sie abzuschütteln.
Vergeblich.
Plötzlich riss das Horn aus der Schädeldecke und Peyton verlor den Halt. Mit zu viel Schwung rutschte sie den ledrigen Rücken hinab, wich dabei der Schwanzspitze aus, die auf ihren Bauch zuhielt, und schlug mit dem Rücken auf den harten Asphaltboden. Der Sturz presste die Luft aus ihren Lungen und wurde von einem Schmerz begleitet, der sich ihre Wirbelsäule hochfraß. Benommen vom Aufprall sah sie, wie das Monster mit seinen Hufen um sich trat.
Mit einer seitlichen Rolle schaffte Peyton es, erst dem einen, dann dem anderen Hinterhuf auszuweichen. Zu langsam war sie für die schwarze Schwanzspitze, die unbemerkt neben ihrem Kopf auftauchte und einen brennenden Schnitt in ihrer Wange hinterließ.
Ihr Schrei ging in dem der Kreatur unter, die offenbar genug hatte und die Flucht antrat. Mit schnellen Schritten und begleitet von den trabenden Hufgeräuschen eines Pferdes, rannte es in Richtung der Hauptstraße. Autos hupten und Reifen quietschten. Die Schwingen falteten sich in ihrer vollen Größe auseinander und ehe Peyton die übergroßen Fledermausflügel genauer sehen konnte, war das Wesen bereits mit einem Sprung in die Luft entstiegen.
Atemlos starrte sie dem Viech hinterher, das zwischen den Wolken über Castra City immer kleiner wurde und dann verschwand.
»Verdammte Scheiße.« Rufus kniete sich an Peytons Seite und half ihr dabei, sich aufzusetzen.
»Verdammte Scheiße hoch drei«, murmelte sie erschöpft. Das Horn, das sich immer noch in ihrer Hand befand, umschloss sie mit dem letzten Rest ihrer Kraft.
Es war der einzige Beweis für das, was eben geschehen war.
Der einzige Beweis, dafür dass sie und Rufus nicht verrückt waren.
Rufus
Noch nie war Rufus derartig glücklich darüber gewesen, in Peytons und seiner Wohnung die Tür hinter sich schließen zu können. Er mochte den Raggedy District nicht, in dem das Mehrfamilienhaus stand. Hier lebte jener Teil von Castra City, der zu reich zum Sterben und zu arm für die gehobenen Teile der Stadt war. Entsprechend sah auch ihr Zuhause aus. Durch die Fenster zog es im Winter, unter der Haustür gab es einen Spalt, durch den man die Schatten vorbeigehender Nachbarn erkennen konnte. Der Dielenboden knarrte und machte jedem Horrorfilm Konkurrenz, während die dunkle Tapete allmählich das Prädikat historisch verdiente.
»Das ist antik«, redete Peyton die Küche immer schön, die drohte bald auseinanderzufallen. Obwohl sie sich bemühten das Beste daraus zu machen, war diese Wohnung eine absolute Bruchbude.
Aber es war ihre Bruchbude und alles, was sie hatten.
Sonst saßen Peyton und er nach einem langen Arbeitstag wie diesem auf dem Sofa, das bereits zur Übernahme der Wohnung vor ein paar Jahren nach Mottenkugeln gerochen hatte. In der Regel sahen sie sich irgendwelche trashigen Shows oder ihre Lieblingsserien an, aßen Pizza und tranken Bier.
An diesem Abend war alles anders. Sie hatten sich, kaum, dass sie nach Hause gekommen waren, umgezogen, verarztet und sich dann an dem runden Esstisch eingefunden, auf dessen Mitte das Horn mit den Blutresten der Kreatur lag. Als Peyton nachdenklich brummte, sah Rufus hoch und in ihr zerschrammtes Gesicht, auf dessen Wange ein Snoopy-Pflaster klebte. Er hatte sie überreden wollen, ins Krankenhaus zu gehen, damit ein Arzt sich die tief wirkende Schnittwunde ansehen konnte. Doch wie üblich hatte sich der Dickschädel seiner Freundin durchgesetzt.
»Was machen wir jetzt damit?«
»Ich habe keine verdammte Ahnung«, gab Rufus zu. Er nahm die Tasse mit dem herausgeplatzten Randstück und führte sie zu seinen Lippen, um einen Schluck von dem Tee zu nehmen. Die Pfefferminz-Zitronenmischung beruhigte ihn, aber nach dem, was sie gesehen hatten, wollte nichts richtig helfen.
»Sollten wir nicht einen Tierfänger benachrichtigen?« Peyton schnappte sich das Horn, um es zum wahrscheinlich hundertsten Mal in ihren Händen zu drehen und zu wenden. Es blieb ein Horn, egal, wie oft sie es sich ansahen.
»Die würden uns nach St. Mary's schicken und nie wieder rauslassen.«
»Nur, weil wir von einem pferdeartigen Ding mit Hörnern, Skorpionschwanz und Fledermausflügeln angegriffen wurden?«
Rufus Blick reichte aus, um Peyton verstummen zu lassen. Sie wusste, dass er Recht hatte. Niemand würde ihnen glauben und wenn sie mehr Glück als Verstand besaßen, dann wäre das geringste Übel eine Verhaftung wegen Verschwendung von Polizeiressourcen. Dem Castra City Police Department fiel immer etwas ein, um einen festzunehmen.
»Ich habe noch nie sowas Seltsames gesehen«, murmelte Rufus, die Hände nach wie vor um die Tasse gelegt, damit er nicht nervös mit den Fingern auf der Tischplatte herumtrommelte.
»Seltsam … warte!« Als hätte sie etwas gestochen, sprang Peyton auf, stieß sich dabei fluchend das Knie am Tischbein und rannte in Richtung ihres Schlafzimmers. Der einzige Vorteil ihrer Bruchbude waren die drei Zimmer, die sie ihr Eigen nennen konnten. Sie waren nicht groß, aber bezahlbarer als in den anderen Bezirken und damit beinahe Luxus.
Nach zwei Minuten in denen es laut raschelte, kam seine Mitbewohnerin mit erhobener Hand wieder zum Essplatz. Mit zu viel Schwung knallte sie Rufus etwas auf den Tisch, der unter der Gewalteinwirkung bedrohlich knarzte.
»Was ist das?« Er hob die kleine Karte, die Peyton scheinbar aus dem Nichts hervorgezaubert hatte. »Falls mal etwas Seltsames passiert«, las er das Gekrakel auf der Rückseite laut vor und genau in dem Moment fiel der Groschen.
»War das vorhin seltsam genug?« Peyton starrte ihn mit der Hand in der Taille und gehobener Augenbraue an. Nur das Kinderpflaster auf ihrer Wange nahm ihr ein wenig die Ernsthaftigkeit.
»Auf einer Skala von eins bis zehn? Fünfzehn, vielleicht sogar zwanzig«, stimmte er zu und zog das Handy aus seiner Hosentasche.
»Dann lass uns doch mal sehen, was Mr Forrest zu der Sache zu sagen hat.«
Peyton
Peyton wälzte sich hin und her. Jedes Mal, wenn sie versuchte einzuschlafen, sah sie die rotglühenden Augen dieser Kreatur, die scheinbar in ihr tiefstes Inneres schauen konnte. Peyton mochte das ganz und gar nicht. Niemand sollte das können, erst recht nicht etwas, dessen Existenz sie nicht verstehen konnte. War es ein Pferd gewesen? Oder eine Horrorversion eines Einhornes? Ein Zweihorn vielleicht?
Es waren solche Gedanken, die Peyton mitten in der Nacht in das Wohnzimmer führten, vorbei an diesem seltsamen Horn, das immer noch in der Mitte des Esstisches lag. Keiner von ihnen hatte das Ding mit ins Zimmer nehmen wollen. Eher würde sie sich die Hand abhacken, als es neben ihrem Bett auf der Kommode aufzubewahren.
Während sie es sich auf dem Sofa bequem machte, versuchte Peyton die Präsenz des Hornes, das sie immer wieder an das Geschehnis wenige Stunden zuvor erinnerte, auszublenden. Am liebsten wäre sie sofort losgegangen, um diesem Eli Forrest all die Fragen zu stellen, die ihr durch den Kopf gingen. Aber dafür müsste sie sich noch bis zum nächsten Tag gedulden. Erst, nachdem sie ihm ausführlich beschrieben hatte, wie diese Kreatur ausgesehen hatte, hatte er ihr eine Uhrzeit sowie eine Adresse durchgegeben.
»Das ist der Castra Tower«, hatte Rufus festgestellt, nachdem sie endlich aufgelegt hatte, gefolgt von einem: »Da arbeite ich.«
Peyton hatte nachdenklich gebrummt und den Kopf auf der Handfläche abgestützt. »Gibt es noch andere Firmen in dem Gebäude?«
»Nein, Liga Security hat sich komplett in dem Laden eingemietet.«
»Und dir sagt der Name Eli Forrest nichts?«
Peytons Frage hatte in Rufus Gesicht einen verständnislosen Ausdruck hervorgerufen.
»Ich bin seit einer Woche da, Peyton. Für mich ist es schon ein Erfolg, mir in dem Labyrinth aus Gängen zu merken, wo mein Büro liegt.«
Seufzend hatte sie auf die Adresse gestarrt, die sie schnell auf einem Zettel notiert hatte. »Womöglich will er mich vor dem Gebäude treffen?«
»Macht Sinn. Aber tu' mir einen Gefallen, ja? Pass auf dich auf.«
Rufus' Bitte hatte Peyton ein Grinsen auf die Lippen gezaubert. »Du ziehst jetzt nicht die Sorgen-Karte, oder? Nicht nach der letzten Nacht.«
Ihr Mitbewohner war von seinem Platz am Esstisch aufgestanden, hatte sich ausgestreckt und die Achseln gezuckt. »Selbst, wenn du dem Ding den Schädel abgerissen hättest, würde ich mir noch Sorgen machen.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hatte er im Vorbeigehen ihre Schulter gedrückt und war in sein Zimmer verschwunden. Wenige Minuten später, in denen Peyton das Horn ratlos angestarrt hatte, hatte sie es ihm gleichgetan.
Sie wusste nicht, ob Rufus hatte einschlafen können, aber sie bekam nach dem Zwischenfall hinter dem Diner kein Auge zu. Daher saß sie jetzt auf der Couch und starrte auf den blau leuchtenden Bildschirm vor ihr. Erst als sie sich durch nächtliche Talk-Shows, Werbung für Erotikhotlines und die Wiederholung einer alten Neunzigerjahre Sitcom geschaltet hatte, wurden ihre Augen müde und sie schlief ein.
Eli
Eli fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht und starrte in den Spiegel. Er war gerade einmal zweiunddreißig, aber er fühlte sich an diesem Morgen wie fünfzig, nachdem er am Abend zuvor nach Peytons Anruf erst spät schlafen gegangen war.
Mit den letzten Handgriffen saß seine Krawatte endlich so, wie es sich gehörte. Auch wenn der Blick aus dem kleinen Badezimmerfenster verriet, dass der Tag sonnig und warm werden würde, griff er nach dem schwarzen Jackett und zog es sich über. Sobald er den Anzug trug, bekam alles einen Rahmen, eine Bestimmung. Gegenüber anderen konnte Eli das Gefühl nicht nachvollziehbar beschreiben, aber diese Kleidung gab seinem Leben einen Sinn.
Er schaute auf die silberne Armbanduhr. Die Zeit wurde knapp. Wenn er nicht in wenigen Minuten losging, dann würde er in den Berufsverkehr kommen und er wollte Peyton nicht warten lassen.
Auf den Weg vom Badezimmer ins Wohnzimmer fiel ihm die hellbraune Akte ins Auge, die offen auf dem Couchtisch lag. Das Foto einer jüngeren Peyton war mit einer Büroklammer am Umschlag befestigt und an der Seite linste das Formular eines Krankenhauses heraus. Eli hatte, bis er endlich müde genug war, um schlafen zu gehen, alles, was man über Peyton Chamberlain wusste, in- und auswendig gelernt.
Seine erste eigene Erzählerin.
Er hatte Glück. Höchstens ein oder zwei Prozent der Hüter weltweit bekamen die Chance, jemals mit einer Erzählerin eng zusammenarbeiten zu können. Allerdings war Eli sich bei Peyton nicht sicher, ob sie einen guten Fang darstellte. Sie wirkte wie ihre Großmutter, die auch nie ein Blatt vor den Mund genommen hatte. Am Ende hatte das ihren Tod bedeutet.
Für seine Verhältnisse eher unordentlich, packte er die Unterlagen in seine Aktentasche und verließ die Wohnung. Auf dem Weg zur Tiefgarage ging Eli immer wieder die nächsten Schritte durch.
»Begrüßen, Lucy das Blut abnehmen und Fragen klären lassen, die Erzählerin in Kenntnis setzen. Abwarten, ob sie mich zusammenschlägt und sie dann dem Rat vorstellen.« Es klang gar nicht so schwer. Wäre da nicht die unkalkulierbare Reaktion Peytons. Alles hing davon ab, wie sie bei dem Bluttest, den er vornehmen musste, abschloss und die Informationen über ihre Herkunft verarbeitete.
Wie üblich war der Verkehr zäh und die Fahrt anstrengend. Je näher man um diese Zeit dem Mayor District kam, dem Herzen und Regierungsviertel der Stadt, desto schlimmer wurde es. Auch wenn Eli darum bemüht war, Ruhe zu bewahren, kam er an diesem Morgen nicht drum herum, aufgebracht die Hupe zu bedienen. Der Autofahrer vor ihm hielt den Arm aus dem Fenster und zeigte ihm seinen beringten Mittelfinger. Es verlangte Eli alles an Zurückhaltung ab, um nicht auszusteigen und dem Idioten seinen Mittelfinger sonst wohin zu schieben.
Nein, solche Dinge tat er nicht. Nicht mehr.
Anstatt sich weiter aufzuregen, umklammerte Eli das Lenkrad des restaurierten Ford Mustangs so fest, dass die weißen Knöchel an seinen Händen hervortraten. Mit viel Geduld brachte er die Baustellen und Nadelöhre hinter sich und bog in die Hauptstraße, die ihn direkt zum Eingang der Tiefgarage des Castra Towers führte. Frustriert stellte er fest, dass er trotz seiner Bemühungen zu spät war. Er parkte auf dem Platz ein, der mit einem kleinen Namensschild ausschließlich für ihn bestimmt war, und lief mit zügigen Schritten zum Aufzug.
Peyton
Dass sie den besten Mitbewohner der Welt hatte, der stetig darauf bedacht war, dass sie nicht verschlief, wusste Peyton, als neben ihrem Kopf ein Wecker klingelte und sie aus ihren Träumen riss. Sie schreckte hoch, spürte einen ziehenden Schmerz in ihrem Nacken und bereute augenblicklich, dass sie auf dem Sofa eingeschlafen war.
Müde tastete sie nach dem Wecker und schlug mehrmals mit der Hand darauf. Es schepperte laut und plötzlich herrschte Ruhe. Stöhnend sackte sie zurück in ihre Ausgangsposition und schloss die Augen. Fünf Minuten. Danach wäre sie bereit, diesem neuen Tag entgegenzutreten.
Wenige Minuten später schrillte aus der Ferne ein anderer Wecker los.
»Rufus!«, brüllte sie über den Lärm hinweg, doch ihr Mitbewohner reagierte nicht, also tat sie es erneut. Erst nach dem dritten Mal stand sie fluchend auf und folgte dem Klingeln in die Küche. Rufus Fürsorge über die Einhaltung ihrer Termine in allen Ehren – das hier grenzte fast an Folter. Die Eieruhr schrie sie an und mit zu viel Kraft stellte sie das Ding auf den Kopf, damit es endlich die Klappe hielt. Das Plastikgehäuse knackste und der Bildschirm des Weckers erstarb augenblicklich.
Peyton orientierte sich und stellte fest, dass es bereits kurz nach acht war. Weitere Minuten vergingen, bis sie sich wieder an den Vorabend erinnerte, den Wochentag und die Tatsache, dass Rufus vermutlich deswegen nicht auf sie reagiert hatte, weil er bereits auf Arbeit war. Ein Zettel an der Kaffeemaschine unterstützte ihre These.
»Ich hoffe, die Wecker haben dich erfolgreich geweckt«, stand darauf.
»Ja, haben sie«, murmelte Peyton und zerknüllte die Notiz, um sich am Kaffee zu bedienen, der noch in der Thermoskanne auf sein Schicksal wartete. Erst, nachdem sie diesen getrunken hatte, besaß sie die Kraft, sich fertig zu machen.
Vorsichtig entfernte sie im Badezimmer das Pflaster auf ihrer Wange, um es gegen ein neues auszutauschen. Sie bevorzugte die Kinderpflaster, weil sie beim Abziehen nicht ziepten. Zu ihrer Überraschung war nichts mehr von dem tiefen Kratzer zu sehen.
Vorsichtig tastete sie mit den Fingerspitzen auf der rosafarbenen Stelle herum. Nichts. Kein Schmerz, kein Blut, keine Wunde. Nicht einmal Schorf war zu sehen. Als wäre nie etwas gewesen.
Sie rannte aus dem Bad und zurück ins Wohnzimmer. Dort lag es noch, das Horn, der Beweis dafür, dass sie nicht verrückt war. Es war noch da, ganz im Gegensatz zu ihrer Verletzung.
Selbst die anderen Schrammen, die sie sich bei dem Kampf zugezogen hatte, konnte sie unter der Dusche nicht mehr finden. Alles war weg und scheinbar verheilt. Auch dafür gab es keine logische Erklärung. Es wurde Zeit, dass ihr dieser Eli Forrest Antworten auf ihre Fragen gab.
Nachdem sie ein paar Minuten länger als geplant geduscht hatte, zog sie sich eine Jeans und ein enges schwarzes Top an, die Haare noch feucht, schlüpfte sie in die Chucks und stopfte das Horn zusammen mit Handy und Schlüssel in ihre Umhängetasche. Sie verließ die Wohnung in Richtung U-Bahn, die sie nach Midtown brachte. Vom Raggedy District zum Mayor District lief man ungefähr zwei Stunden, mit dem Auto, das sie nicht besaß, wäre es bei dem Straßenverkehr nicht weniger, daher bevorzugte sie die Bahn und halbierte damit die Zeit, die sie unterwegs sein würde.
Peyton hasste die U-Bahn. Um diese Uhrzeit war sie ähnlich voll, stickig und laut wie die oberirdischen Straßen. Jeder ihrer Mitmenschen wollte zur Arbeit nach Mid- oder Downtown, jene Ecken von Castra City, die teurer und schöner waren. Jeder um sie herum war mit mindestens einem Kaffeebecher bewaffnet, las die aktuelle Ausgabe der Castra Times oder telefonierte mit dem Handy. Für Zwischenmenschliches war genauso wenig Platz, wie für weitere Mitfahrer.
Castra City war wie ein lebendes Wesen. Je näher man dem Stadtinneren kam, desto unruhiger wurde es. Die Menschen rannten gehetzt von einem Ort zum Nächsten, meistens die Schultern hochgezogen, den Blick fest nach unten gerichtet. Typisches Großstadtgehabe, wie Peyton fand, die nie nach unten schaute und nie die Schultern anzog. Stattdessen starrte sie die Leute, die ihr entgegenkamen oder im Zug gegenübersaßen, ausgiebig und schamlos an. Sie liebte es, andere in ihrer Art und Weise zu studieren. Das war ihre Belohnung dafür, dass sie sich zwischen stinkende und unhöfliche Leute quetschen musste.
Heute Morgen war das jedoch anders. Ihre Gedanken schweiften dauernd ab, sie war nervös wegen des komischen Treffens und des noch komischeren Vorfalls. Als sie aus der U-Bahn stieg und die Stufen in Richtung Tageslicht hochlief, rempelte Peyton versehentlich eine Frau im Geschäftskostüm an. Sie verdankte es wohl dem Zufall, dass der Kaffee der Fremden sich nicht über ihrem Tank Top ergoss. Entschuldigend hob Peyton die Hand und ignorierte die Flüche, die auf sie losgelassen wurden.
Sie kam an der Main Avenue Station heraus und fand sich umgeben von den ältesten Gebäuden der Stadt im Herzen von Castra City wieder. Während die neueren Bauten aus modernen Glasfronten bestanden, waren die älteren verschnörkelt und verspielt. Kleine römische Säulen, Steingrotesken, die auf die Leute herabblickten, als wären sie nur Ameisen und abstrakte Formen aus dem Art Déco Stil.
Zwei Straßenecken und viel zu viele Menschen später stand Peyton vor dem Castra Tower, der Adresse, die ihr Eli gegeben hatte. Ihre Augen wanderten die schwarze Mauerfassade hoch. Die langen Turmspitzen reckten wie dürre Krallen in den Himmel, während die metallenen Wirbelgitter vor den Fenstern das Gebäude wie ein Gefängnis aussehen ließen. Auf kleinen Mauervorsprüngen reihten sich Rabenskulpturen an Wasserspeiern, die ihre Gesichter zu unheimlichen Fratzen verzogen. Das Gebäude mit der dunklen Ausstrahlung war ein Kunstwerk und jedes Mal, wenn Peyton an ihm vorbeikam, verliebte sie sich aufs Neue.
Sie war eine gute Viertelstunde zu spät, also praktisch pünktlich für ihre Verhältnisse. Weit und breit sah sie zwischen den anderen Anzugträgern, die an ihr vorbeiliefen, niemanden, der Eli Forrest ähnlichsah. Weitere Zehn Minuten stand sie vor dem Castra Tower, ehe sie genervt seufzte. Sie zog ihr Handy heraus und schickte Rufus eine kurze Nachricht, dass sie ihn spontan besuchen würde. Daraufhin öffnete sie die gläserne Doppeltür des Gebäudes. Kühle Klimaanlagenluft schlug ihr entgegen und erinnerte sie daran, wie schwül und drückend die Vormittagsluft bereits war.
Der Eingangsbereich des Towers ließ sie die Hitze schnell vergessen. Elemente in dunklen Gold- und Brauntönen zierten in verschiedensten Mustern die Brüstungen, Fahrstuhltüren und Zimmerdecken. Der Raum, dessen Höhe Peyton nicht einschätzen konnte, hatte etwas Schweres und Bedrückendes an sich. Alles wirkte edel und teuer, selbst der Marmorboden auf dem sie lief. Wie ein Kind im Süßigkeitenladen drehte sie sich einmal um die eigene Achse, um die ganze Schönheit ins Auge fassen zu können. Zwischen all den modernen Einrichtungsstilen, die einem in Katalogen regelrecht ›Kauf mich!‹ entgegenschrien, waren es doch immer die alten und düsteren Stile, die sie faszinierten.
»Peyton!« Erleichtert sah sie in die Richtung, aus der sie die vertraute Stimme hörte. Rufus winkte ihr zu und verabschiedete sich von einer blonden Frau, die ihm einen Moment hinterher sah, als er auf Peyton zugelaufen kam. Mit wenigen Schritten ging sie ihm entgegen und traf ihn in der Mitte der Halle. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass Rufus hier täglich arbeitete. Er passte gar nicht in so eine schicke Umgebung mit den Turnschuhen, der Jeans und dem Nerd-Shirt des Tages.
Nach einer flüchtigen Umarmung grinste Peyton. »Wow, bist du geflogen? Ich habe dir gerade einmal vor ein paar Minuten geschrieben.«
Rufus schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans und zuckte mit den Schultern. »Ich war eh gerade auf dem Weg nach unten, aber was suchst du hier? Ich dachte, du triffst dich gerade mit dem Typen?«, fragte er und musterte sie kurz. Kaum, dass sie Rufus vertrauten Geruch wahrnahm, fühlte Peyton, wie die Anspannung von ihr anfiel.
»Vor dem Tower ist niemand aufgetaucht, daher dachte ich mir, ich schau drinnen mal vorbei und statte meinem Lieblingsmitbewohner einen Besuch ab.« Sie beugte sich ein Stück an Rufus vorbei, um an ihm vorbeisehen zu können. »Wer ist eigentlich die Blondine, die gerade deinen Hintern abgecheckt hat?«
»Was?“ Sichtlich irritiert wandte er sich um, ehe ihr Blick auf die Fremde hinter dem Empfangstresen fiel. »Oh, das ist Lucy. Ich glaube nicht, dass sie …«
»Da sind Sie ja!«
Sie wandten ihre Köpfe gleichzeitig in Richtung der Stimme. Zu Peytons Überraschung gehörte sie dem Anzugträger aus dem Diner.
»Sag mir nicht, dass ausgerechnet er dein Helfer sein soll?« Etwas in Rufus Stimme sagte Peyton, dass ihm Mr Forrest doch nicht so unbekannt war, wie zunächst gedacht. Gleichzeitig kam ihr aber auch der Verdacht, dass er von dem Fremden eindeutig nicht sonderlich angetan war.