Dr. med. Timo A. Spanholtz
SCHÖNHEITS
OPERATIONEN
Den besten Arzt finden,
die Behandlung richtig planen
INHALT
Einleitung
1. Im Vorfeld: Die Sache mit der Wahl und der Qual
Was freie Arztwahl bedeutet
Welche Behandlungen werden von Krankenkassen übernommen?
Beispiel: Brustverkleinerungen
Beispiel: Straffungsoperationen am Körper
Beispiel: Fettabsaugungen (Liposuktionen)
Beispiel: Die männliche Brust (Gynäkomastie)
Beispiel: Asymmetrie der weiblichen Brust
Beispiel: Entfernung von Leberflecken, Tattoos und Blutschwämmen
Sozialgesetzbuch V, § 52, Absatz 2
„Schönheitschirurg“ oder doch lieber Facharzt?
Billigoperation im Ausland?
2. Die Recherche vor der ersten Beratung: Hilfreiche Informationen finden
Zeitungen, TV und Internet – Helfer in der Not
Fachärzte in Ihrer Nähe finden
Vorher-Nachher-Bilder
Titel, Thesen, Temperamente
Wie erstelle ich meine Favoritenliste?
3. Erstes Beratungsgespräch beim Facharzt: Rund um die Vorbereitung
Erfolg = Glück + Vorbereitung
Der Weg bis ins Beratungszimmer
Die wichtigsten Fragen zur Behandlung richtig stellen
Dokumente verstehen und korrekt ausfüllen
Allgemeine Informationsmaterialien
Die Honorarvereinbarung
Der chirurgische Aufklärungsbogen
Der anästhesiologische Aufklärungsbogen (Narkosebogen)
Dokumente zum Sozialgesetzbuch V, der Fotodokumentation und Speicherung der Daten
Die Rechnung
Money, Money, Money: Was zu zahlen ist
Auf Verstand und Herz hören
4. Zweites Beratungsgespräch: Die Nadel im Heuhaufen finden
Die richtige Entscheidung treffen
Detaillierte Vorbereitung
Die Preisfrage: Lieber offen und ehrlich
Ratenzahlungen und Finanzierungen
5. Jetzt wird es ernst: Die Operation optimal vorbereiten
Voruntersuchungen
Woran der Facharzt denken muss
Woran der Patient denken muss
Versicherungen für mögliche Folgekosten
Der Tag der OP – Unvorhergesehenem richtig begegnen
6. Nach der Operation: Die typischen Abläufe
Der erste Tag zu Hause
Die Nachkontrollen
Wund- und Narbenpflege
Der unerwartete Zwischenfall
Die Fotodokumentation Ihrer Behandlung
7. Erfahrungen teilen: Warum sind persönliche Empfehlungen so wichtig?
Individuelle Erfahrungen richtig teilen
Bedeutung persönlicher Empfehlungen
Der Ton macht die Musik
8. Die Nerven behalten: Richtig handeln, wenn etwas schiefgegangen ist
Nebenwirkungen, Komplikationen und Behandlungsfehler – was ist was?
Die Nebenwirkung
Die Komplikation
Der Behandlungsfehler (ärztlicher Kunstfehler)
Reden ist Silber
Die Emotionsphasen nach ästhetischen Eingriffen
Resultate brauchen Zeit
Eine Achterbahnfahrt der Gefühle
Phase 1 – Unsicherheit und Erleichterung direkt nach der OP
Phase 2 – Ungeduld und Nervosität
Phase 3 – Rückkehr zur Normalität
Phase 4 – endlich happy!
Zweitmeinungen, die wirklich helfen
Wer zahlt unerwünschte Folgen oder Komplikationen?
Sackgasse: Was tun, wenn man sich nicht einig wird?
9. Anhang: Wichtige Fakten und Fragen
Fragenkatalog für die Beratung
Allgemeine Fragen, die Sie unabhängig vom Eingriff stellen sollten
Tabelle sportliche Ausfallzeit
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Fettabsaugung
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Brustverkleinerung und Bruststraffung
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Brustvergrößerung
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Bauchdeckenstraffung
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Oberlidstraffung und Unterlidstraffung
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Gesichtsstraffung/Facelift
Wichtige Fakten und Fragen zum Thema Nasenkorrekturen
Schlusswort
Register
Impressum
Ein einleitender Hinweis: Da es sich auch heute bei den meisten Patienten im Fach Plastische Chirurgie um weibliche Patienten handelt, spreche ich in diesem Buch zumeist von der „Patientin“. Ebenso spreche ich der Einfachheit halber von „dem Plastischen Chirurgen“. Beides soll nicht verkennen, dass es sowohl männliche Patienten als auch weibliche Kolleginnen gibt. Man möge mir dieses Vorgehen nachsehen – es dient lediglich der Lesbarkeit.
Einleitung
Wir leben in einer Zeit, in der körperliche Schönheit und Makellosigkeit eine sehr große Bedeutung gewonnen haben. Nachhaltige Ernährung, ausgetüftelte Sportprogramme und eine breite Produktpalette von Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln sollen uns helfen, körperlich fit, gepflegt und attraktiv aufzutreten. Hochglanzmedien werden nicht müde, uns zu präsentieren, wie sich Stars und Sternchen gegen das Altern wehren und welche neuen Trends und Techniken die Kosmetikindustrie und die Plastische Chirurgie hierfür bereithalten.
Auch in unserem beruflichen Leben und dem Streben nach einer vorzeigbaren Karriere sowie einem erfüllten Privatleben spielen das Aussehen und die Präsentation der eigenen Person eine wichtige Rolle. Laut unzähligen Studien lassen uns Schönheit und Makellosigkeit schneller die Karriereleiter emporsteigen. Attraktive Menschen sind bei anderen beliebter, finden einfacher Partner, sind vom Leben privilegiert und führen ein glückliches Dasein.
Die explosionsartige Entwicklung der sozialen Medien gibt den Menschen zusätzlich die Möglichkeit, das Leben in der Öffentlichkeit genauso zu präsentieren, wie sie sich selber am liebsten wahrgenommen wissen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass sogar junge Menschen zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch machen, Makel beseitigen zu lassen, um den eigenen Vorstellungen von Körper und Aussehen näherzukommen. Zeitgleich mit der Inflation der Makellosigkeit wächst auch das Angebot an ärztlichen und medizinischen Leistungen im Bereich der Ästhetischen Medizin. Die Plastisch-Ästhetische Chirurgie bietet heute im Bereich der ästhetischen Eingriffe ein beinahe unüberschaubares Spektrum verschiedener Behandlungen an. Sich ein objektives Bild des Angebots zu machen, ist kaum mehr möglich.
Wenn Sie sich auch für Angebote der Plastisch-Ästhetischen Chirurgie interessieren, vielleicht sogar einen Eingriff oder eine Behandlung planen, aber ebenso verwirrt von der Vielzahl an Informationen sind,
die Sie aufschnappen, soll Ihnen dieses Buch ein guter Ratgeber sein. Die Idee dieses Buches ist es, Ihnen von der Recherche des passenden Facharztes über den Arztkontakt bis hin zur Nachkontrolle zur Seite zu stehen. Jede „Station“ Ihrer Reise in diese unbekannte Welt wird erläutert und chronologisch begleitet.
Es gehört großer Mut dazu, sich einem Plastischen Chirurgen zu offenbaren und die Unzulänglichkeiten des eigenen Körpers offen zu formulieren. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen wird ja nicht nur selten in Worte gefasst, sondern es wird geradezu vermieden, die Umwelt überhaupt darauf aufmerksam zu machen. Fassen Sie dennoch den Mut und hören Sie sich eine professionelle Meinung an! Die Beratung kann Ihnen die Augen öffnen und verdeutlichen, dass der subjektiv empfundene Makel womöglich durch eine Behandlung gar nicht zu beheben ist. Auch diese Erkenntnis wird Ihnen helfen. Wenn Ihnen auf der anderen Seite die Möglichkeiten der modernen Ästhetischen Chirurgie demonstriert werden und Sie sehen, auf welchem Niveau heute Korrekturen äußerlicher Schönheitsfehler durchgeführt werden können, kann dies der Anfang einer spannenden und zufriedenstellenden Reise sein. Der englische Merksatz „Proper preparation prevents poor performance“ macht deutlich, was aber immer das Ziel sein muss, sofern man sich für eine Behandlung in der Plastischen Chirurgie entscheidet: umfängliche Information und gute Vorbereitung. Dieses Buch soll hierbei Ihr Begleiter sein. Viel Freude bei der Lektüre!
Dr. med. Timo Spanholtz
1. Im Vorfeld
Die Sache mit der Wahl und der Qual
Schönheitsoperationen sind in Deutschland gefragt wie nie und die Auswahl an Ästhetischen Chirurgen ist groß. Doch viele sind von der Flut an verfügbaren Informationen überfordert. Von wie vielen Fachärzten sollte man sich vor einem Eingriff beraten lassen? Was bedeutet das System der freien Arztwahl konkret? Und übernehmen die Krankenkassen in Deutschland die Kosten für Schönheitsoperationen? Fragen über Fragen, auf die ich in diesem Kapitel näher eingehen werde.
Was freie Arztwahl bedeutet
Deutschland verfügt ohne Zweifel über eines der besten Krankenversicherungssysteme der Welt. Maßgeblich verdankt sich dieser Umstand einer Politik aus dem Jahr 1884, als die Sozialgesetzgebung von Bismarck neu gestaltet wurde, um den gesundheitlichen Gefahren der Industrialisierung zu begegnen. Bereits damals gliederte sich die Abgabe für eine allgemeine Krankenversicherung auf einen Arbeitnehmeranteil und einen Arbeitgeberanteil. Beide Parteien wollten auf diesem Weg eine Rücklage bilden, um in einem Solidarsystem die Krankenversorgung der Versicherten gegenseitig sicherzustellen.
Einige Jahrzehnte zuvor wurde in Nürnberg die erste private Krankenversicherung, in der sich die Arbeiter einer Tabakfabrik solidarisch zusammenschlossen, gegründet. Mehrere Gründungen anderer privater Kostenträger folgten. Heute sind in Deutschland etwa 70 Millionen Menschen gesetzlich krankenversichert, während sich circa 8,5 Millionen Menschen für eine private Krankenversicherung entschieden haben beziehungsweise sich durch eine Selbstständigkeit privat krankenversichern. Auch wenn die solidarische Finanzierbarkeit des Krankenversicherungswesens immer wieder Teil kontroverser politischer Diskussionen ist, hat es Deutschland seit nahezu 150 Jahren geschafft, eine mehr oder weniger solide Versorgung seiner Bürger sicherzustellen.
Egal, ob Sie in einer privaten Krankenversicherung oder in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, in Deutschland besteht grundsätzlich das Prinzip der freien Arztwahl. Haben Sie also eine Grippe, einen Bandscheibenvorfall oder benötigen Sie einen Augenarzt: Sie können zu dem Arzt Ihrer Wahl gehen und diesen gegebenenfalls bei Unzufriedenheit auch wechseln. Von diesem Privileg sind einige Bereiche ausgeschlossen, wie zum Beispiel die eingeschränkte Wahl des Arztes in der hausarztzentrierten Versorgung.
Der Expertenratschlag
Auch wenn meine eigenen Patienten gelegentlich irritiert sind, so rate ich ihnen im Rahmen der ersten Beratung in meiner Klinik, sich zusätzlich von weiteren Fachärzten beraten zu lassen. Die Patienten haben hierdurch die Chance, sich aktiv für einen anderen Arzt oder mich zu entscheiden und weitere Informationen zu erhalten, die aus einem anderen Blickwinkel kommuniziert werden. Sie als Patient(in) können nur davon profitieren, mit mehreren Kollegen zu sprechen und einen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Papier und Internet sind geduldig, und wenn Sie „nur“ die Internetseiten lesen, entsteht oft ein ganz anderer Eindruck, als dies in einem ruhigen und ausführlichen Gespräch der Fall ist. Ich selber berate wenigstens 60 Minuten, um den Patienten die Möglichkeit zu geben, alle Details in Ruhe zu besprechen und alle Fragen zu formulieren.
Die wichtigsten Fakten
Welche Behandlungen werden von Krankenkassen übernommen?
Das Angebot einer Krankenversicherung an die Bevölkerung ergibt natürlich nur Sinn, wenn die notwendigen medizinischen Behandlungen durch diese erstattet werden. Da sich in verschiedenen Bereichen der Medizin heute Angebote entwickelt haben, die in gewisser Hinsicht der Gesundheit und dem Wohlbefinden dienen, aber streng genommen nicht absolut medizinisch notwendig sind, besteht in der Frage der Kostenübernahme ein großer Regelungsbedarf. Man denke zum Beispiel an Massagen oder auch Kurbäder, die phasenweise in Deutschland massenhaft verschrieben und auch von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wurden. Immer wieder zeigen Zahlen aus dem Gesundheitswesen, dass sogar etablierte Behandlungen wie zum Beispiel die Darstellung der Herzkranzgefäße (Koronarangiografie) oder auch die Spiegelung von Gelenken (wie zum Beispiel Kniegelenksspiegelung) in einem Ausmaß an Patienten zur Anwendung gebracht werden, wie dies vor einigen Jahren noch nicht notwendig schien. Andere Leistungen, wie zum Beispiel die Laserkorrektur von Fehlsichtigkeiten oder Zahnreinigungen, werden schon seit Jahren nicht mehr in vollem Umfang sowie ohne Rückfragen und Auflagen von Krankenkassen übernommen. Hier zeigt sich deutlich, dass wirtschaftliche Interessen eine zentrale Rolle in der Kostenerstattung spielen (müssen).
Wirtschaftlicher Druck kann Ärzte außerdem dazu verführen, Leistungen „herbeizureden“ und den Patienten von Diagnostik oder Therapie zu überzeugen, obwohl diese im Zweifel gar nicht absolut notwendig sind. Deutschland steht hier im internationalen Vergleich besonders auffällig da: In kaum einem Land der Welt werden so viele Ärzte konsultiert wie in diesem Land. Auch die im Vergleich zu anderen Ländern enorm hohe Anzahl der Operationen (gegenwärtig circa 20 Millionen Operationen pro Jahr oder 40 OPs pro Sekunde!) zeigt deutlich, dass nicht immer die reine Notwendigkeit im Zentrum der Überlegungen stehen kann. Wegen der hieraus resultierenden erhöhten finanziellen Belastung der Kostenträger werden die Leistungskataloge zunehmend genauer betrachtet und die Kosten nicht zwingend notwendiger Leistungen nicht mehr übernommen. Wenn Sie sich zum Beispiel einer nicht etablierten Behandlung unterziehen wollen, benötigen Sie eine schriftliche Einwilligung zur Kostenübernahme, da die Kosten nicht in jedem Fall von der Kasse getragen werden. Die wie Pilze aus dem Boden sprießenden alternativen Heilverfahren, deren Wirksamkeit in medizinischen Studien bislang nicht belegt wurde, können nicht in jedem Fall von der Kasse übernommen werden. Das Gleiche gilt für Schönheitsoperationen oder Korrekturoperationen, die lediglich einen ästhetischen, jedoch keinen medizinischen Zweck verfolgen.
Da sich dieses Buch in erster Linie mit Schönheitsoperationen beschäftigt, wollen wir hier einen genaueren Blick auf die Thematik der Kostenübernahme werfen.
Die Krankenkassen (egal ob privat oder gesetzlich) wie auch die Finanzämter (!) unterscheiden grundsätzlich eine medizinische Leistung von einer nicht indizierten Leistung. Unter Indikation versteht man, dass die geplante Behandlung medizinisch notwendig ist und dass durch das Verfahren ein medizinischer Nutzen für den Patienten entsteht. Natürlich fällt es jedem Menschen leicht, die Behandlung einer Platzwunde, eines Hirntumors oder einer Darmerkrankung dieser Gruppe zuzuordnen, handelt es sich doch hier offensichtlich um Erkrankungen oder Verletzungen, die durch die medizinische Behandlung geheilt werden können und müssen.
Auf der anderen Seite würde sicher niemand auf die Idee kommen, dass die Krankenkassen die Entfernung eines Tattoos oder die Verschreibung eines Entspannungsbadezusatzes bezahlen müssen. Betrachtet man aber Leistungen, bei denen eine Zuoder Absage weniger einfach zu beurteilen ist, wird der Sachverhalt komplizierter.
Wie steht es zum Beispiel mit einer Brustverkleinerung oder Bauchdeckenstraffung? Liegt diesen Operationen niemals oder immer ein medizinisches Leiden zugrunde? Kann es sein, dass eine Frau eine Verkleinerung der Brust benötigt, um ein medizinisches Problem zu lindern oder abzuwenden – zum Beispiel intensive Rückenschmerzen? Ist die Bauchdeckenstraffung in jedem Fall eine Konsequenz von Völlerei und Gewichtsschwankungen oder kann sie auch Folge einer Schwangerschaft sein? Und wenn die Bauchdeckenstraffung nach einer Schwangerschaft „notwendig“ wird, ist sie dann nicht auch „notwendig“, wenn eine Patientin massiv an Gewicht verloren hat?
Sie merken, dass sich diese Fragen weder eindeutig mit „Ja“ noch mit „Nein“ beantworten lassen. Man spürt, dass es hier sehr auf den Einzelfall ankommt und man nur eine Antwort geben kann, wenn man die ganze Geschichte kennt.
In ganz besonderem Ausmaß trifft diese Problematik auf Operationen im Fach Plastische Chirurgie zu. Hier gibt es eine große Anzahl von Eingriffen, die eine Einzelfallentscheidung voraussetzen, da eine definitive medizinische Notwendigkeit weder klar zu bejahen noch klar zu verneinen ist. Doch auch andere Bereiche der Medizin sind dieser Problematik ausgesetzt. Um ein Beispiel zu nennen, welches mit dem der Schönheitschirurgie nichts zu tun hat: Die Sectio-Entbindung (Kaiserschnitt-Geburt) ist in jedem Falle eine Leistung, die durch die Kasse übernommen wird. Das ist auch logisch, denn hierbei handelt es sich schließlich um eine riskante Operation ohne Alternative, oder? Jedes dritte Baby kommt per Kaiserschnitt zur Welt – bei der Hälfte aller Kaiserschnittgeburten liegen jedoch keinerlei medizinischen Gründe vor. Sie basieren lediglich auf dem Wunsch der Mutter beziehungsweise der Eltern. Tatsache ist, dass sich heute sehr viele Frauen aus Angst vor den Strapazen der normalen Geburt und auch aus Bequemlichkeit oder aus einem Trend heraus zu einer Kaiserschnittentbindung entscheiden, obwohl dies gar nicht notwendig ist. In der Medizin hat sich hierfür der Begriff der „primären Sectio“ etabliert. Hat die Gesellschaft in solchen Fällen die Verpflichtung, die Kosten der Behandlung solidarisch aufzufangen?
Wir haben einige Operationen aus dem Bereich der Plastischen Chirurgie zusammengestellt, welche gelegentlich durch Krankenkassen übernommen werden. In jedem Falle muss der OP ein individueller Antrag auf Kostenübernahme vorausgehen. Dieser umfasst nicht nur ein Anschreiben des konsultierten Operateurs, sondern immer auch andere Dokumente, auf deren Vorlage die Kassen bestehen, wie zum Beispiel psychologische Gutachten, Bestätigungsschreiben anderer Ärzte und Krankengymnasten sowie genaue Kostenkalkulationen. Durch die zahlreichen Dokumente, die oft schrittweise erbracht werden müssen, zieht sich die Genehmigung über Wochen (eher Monate) hin. Nicht selten erleben wir, dass Patienten verzweifelt doch in Erwägung ziehen, die Kosten einer solchen Operation selber zu tragen. Auf diesem Weg einer „verzögerten Bearbeitung“ gelingt es den Krankenkassen, Kosten für Behandlungen zu reduzieren, da viele Versicherte nicht ausreichend Durchhaltevermögen haben, um das Kostenübernahmeverfahren abzuwarten.
Beispiel: Brustverkleinerungen
In vielen Fällen stellen sich Frauen in unserer Sprechstunde vor, die ein sehr großes Brustvolumen von Doppel-D oder mehr aufweisen und hierunter leiden. Nicht nur das schwere Eigengewicht der Brust, sondern auch die eingeschränkte Beweglichkeit und die Probleme beim Sport tragen dazu bei, dass die Frauen eine Reduktion des Volumens wünschen. Medizinische Probleme wie zum Beispiel Hautausschläge unterhalb der Brust, starke, kaum mit Medikamenten behandelbare Schmerzen der Halswirbelsäule sowie tief einschneidende Träger des Büstenhalters komplettieren das Gesamtbild dieses Leidens. Einige der Patientinnen leiden seit Jahren an Depressionen und nehmen nur noch bedingt am öffentlichen Leben wie zum Beispiel dem Besuch von Schwimmbädern oder Badestränden teil, nicht wenige sind sogar in ihrem Sexualleben stark eingeschränkt. Wenn man sich vor Augen hält, dass eine Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) stets mit einer relevanten Narbenbildung einhergeht, ist es beinahe erstaunlich, dass alle diese Patientinnen bereit sind, eine Operation auf sich zu nehmen. Dies zeigt den enormen Leidensdruck und eine aus meiner Sicht eindeutige Krankheitsrelevanz.
Beispiel aus der täglichen Arbeit
Ich erlebe in meiner Praxis, dass die Bereitschaft, die Operationskosten für eine Brustverkleinerung zu übernehmen, vonseiten der Krankenkassen stark abgenommen hat. Ich erinnere mich an eine gutachterliche Tätigkeit, in deren Rahmen ich vor Gericht meine fachärztliche Meinung kundtun durfte. Eine sehr aktive Geschäftsfrau befand sich bereits seit sieben Jahren in einem fortwährenden Rechtsstreit mit ihrer privaten Krankenkasse. Es waren mehrere fachärztliche Gutachten angefertigt worden (jedes dieser Gutachten kostet circa 1000 bis 2000 Euro). Die Kosten, auf deren Übernahme die Patientin klagte, beliefen sich auf 8500 Euro. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich als Gutachter tätig wurde, hatten die Gerichts- und Anwaltskosten also den Gegenstand dieser Auseinandersetzung längst überschritten. Dennoch lenkte keine Seite ein und es fand ein weiteres Gerichtsverfahren mit mir als sachverständigem Gutachter statt.
Zwei Gründe aufseiten der Krankenversicherer, die zu einer solch dramatischen Unsinnigkeit beitragen, wurden mir erst im Nachhinein klar: Der erste Grund ist, dass die Krankenversicherer über eigene Anwälte verfügen, für deren Arbeit im Rahmen solcher Rechtsstreitigkeiten keine zusätzlichen Kosten anfallen. Dies sieht aufseiten der Patienten ganz anders aus, da hier der Rechtsanwalt sein normales Honorar direkt vom Patienten verlangt. Krankenversicherer wollen darüber hinaus unbedingt Präzedenzfälle vermeiden. Sollte die Frau also vor Gericht eine Erstattung der Kosten erwirken, bestünde die Gefahr, dass sich zukünftig Anwälte und Patienten auf dieses Urteil berufen. Eine „Klagewelle“ wäre eine eventuelle Folge. In diesem Fall erinnere ich mich daran, dass es zu einem Vergleich kam, also einem Kompromiss von beiden Seiten. Die Kosten wurden aufgeteilt und die öffentliche Wahrnehmung dieses Rechtsstreits vermieden.
Soll eine Übernahme der Operationskosten durch die Krankenkasse erwirkt werden, so ist die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen nachzuweisen. Der Antrag auf Kostenübernahme erfolgt durch Sie als Patient und wird von einem Facharzt begleitet. Allerdings ist in den meisten Fällen die Vorlage weiterer Dokumente anderer Ärzte notwendig. Hierbei wird Ihnen der Facharzt sicher gerne behilflich sein.
Beispiel: Straffungsoperationen am Körper
Nicht nur durch Schwangerschaften, sondern auch durch extremere Gewichtsschwankungen kann es dazu kommen, dass überschüssige Haut im Bereich des Bauches, der Flanken (dem seitlichen Teil des Rumpfes), der Oberarme und der Oberschenkel hängt. Wir sprechen in einem solchen Fall von der Diagnose „Cutis laxa“, was so viel bedeutet wie „hängende Haut“. Selbstverständlich gibt es zahllose Beispiele aus Hochglanzmagazinen, die uns demonstrieren, wie wunderbar flach und muskulös ein Bauch sein kann, obwohl die Frau bereits mehrfach Kinder zur Welt gebracht hat. Diese mediale Scheinwelt setzt Patienten sehr unter Druck und suggeriert, dass es lediglich von der Motivation der Frau abhängt, wie schön flach uns ein Bauch nach einer Schwangerschaft entgegenstrahlt. Unabhängig von der Tatsache, dass der Großteil dieser Bilder mit Bildbearbeitungssoftware verändert wurde, entscheiden zahlreiche Faktoren darüber, wie straff ein Körper nach einem Gewichtsverlust ist und wie gut sich die Haut und das Bindegewebe zurückbilden. Lebensgewohnheiten spielen hier sicher eine Rolle, aber auch die genetische Disposition hat ein Wörtchen mitzureden. So können selbst Frauen, die alles gegen einen Hautüberschuss getan haben, womöglich nach einer Schwangerschaft oder Gewichtsabnahme Probleme haben. Es kann durchaus sein, dass eine Frau nach einem Gewichtsverlust alle möglichen Sportarten ad absurdum betreibt und der Überschuss an Haut am Bauch sich trotzdem nicht zurückbildet.
Aus der Praxisklinik am Rosengarten
Um einen absurden Fall zur Verdeutlichung heranzuziehen, möchte ich die Geschichte einer jungen Patientin in meiner Behandlung erzählen. Frau P. stellte sich in der Praxisklinik am Rosengarten vor, da sie insgesamt 60 Kilogramm Körpergewicht verloren hatte. Sie zeigte uns Bilder aus der Zeit ihres maximalen Körpergewichts und erklärte uns, dass sie durch eine Kombination aus Sporteinheiten und einer Umstellung ihrer Ernährung diese Gewichtsreduktion bewerkstelligen konnte. Genau dieses wurde Frau P. allerdings zum Verhängnis, als es um die Übernahme der Kosten ging. Ist die Gewichtsabnahme nämlich eine Folge einer sogenannten Magenband-OP oder Schlauchmagen-OP, die bereits durch die Krankenkasse getragen wurde, so ist die Folgeoperation (Straffung) nahezu immer eine ebenfalls durch die Krankenkasse abgedeckte Operation.
Wer es jedoch schafft, aus eigener Kraft eine Gewichtsreduktion dieses Ausmaßes zu erreichen, kann im Nachgang dafür bestraft werden. Die Kostenübernahme einer Wiederherstellung des normalen Körperbildes wird abgelehnt. Ein völlig unlogisches und dringend zu änderndes System, da die Eigeninitiative und enorme Disziplin, die zu einer solchen Gewichtsreduktion auf natürlichem Wege führen, doch viel eher belohnt werden sollten.
In der Rechtsprechung, die wie in vielen Fällen auch hier nicht einheitlich stattfindet, gibt es auch andere Beispiele: So wurde im Januar 2018 zum Beispiel vom Sozialgericht Osnabrück zugunsten einer Krankenschwester entschieden, die innerhalb von zwei Jahren knapp 50 Kilogramm Gewicht verlor und sich hieraufhin die Bauchschürze operieren ließ (Az.: S 42 KR 182/16). Wegen einer – in diesem Fall bestehenden – massiven Entstellung durch die Fettschürze drohte sozialer Rückzug und eine medizinische Indikation sei daher gegeben, urteilte das Gericht.
Was ist also zu tun, wenn eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse angestrebt wird? Der erste Weg führt natürlich zu einem Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Er wird Sie sicher gern darin beraten, was genau zu tun ist, um eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu beantragen. Wichtig ist, dass keine Fettleibigkeit (Body-MassIndex kleiner als 30) mehr besteht und das Gewicht nun schon geraume Zeit gehalten wird. Darüber hinaus sollte die psychische Komponente, also der durch den Körperzustand bestehende Leidensdruck, von einem Therapeuten nachgewiesen sein. Leider wahr ist nämlich, dass Sie keine Chance auf eine Übernahme der Kosten haben, wenn es Ihnen sehr gut geht und Sie ein gesundes Selbstbewusstsein haben und sich dennoch an der überschüssigen Haut stören. Denn sich daran zu stören reicht nicht – Sie müssen dadurch bedingte psychische Probleme haben. Wie in jedem Fall müssen auch Fotografien für die Krankenkasse angefertigt werden, damit eine Einzelfallbewertung vorgenommen werden kann. Rechnen Sie in so einem Fall damit, dass mit einer Entscheidung (egal welche) der Krankenkasse nicht in zwei oder drei Monaten, sondern eher in sechs bis zwölf Monaten zu rechnen ist.
Beispiel: Fettabsaugungen (Liposuktionen)
Die Fettabsaugung wird in unserem Fach dafür genutzt, lästige, der Diät unzugängliche Fettpolster gezielt zu entfernen. Dies passiert im Großen und Ganzen narbenfrei und ist mit heutigen Verfahren für den Körper schonend zu erreichen. Eine Übernahme der Kosten findet so gut wie nie statt, es gibt allerdings eine Ausnahme: Seit einigen Jahren hat man erkannt, dass bestimmte Fettverteilungsstörungen nichts mit den Lebensgewohnheiten der betroffenen Patienten zu tun haben, sondern auf eine Störung im Lymphsystem zurückzuführen sind. Diese auch als Lipödem oder Lymphödem bezeichnete Erkrankung führt zu massiven Verteilungsstörungen im Weichteilgewebe mit intensiven Schmerzen und einer Einschränkung der Lebensqualität. Hier ist eine Kostenübernahme möglich, die aber auch individuell beantragt werden muss.
Aus der Praxisklinik am Rosengarten
Am Beispiel Lipödem kann man sehen, wie das Krankenversicherungssystem in Deutschland funktioniert. Zunächst einmal gibt es einen bestehenden Leistungskatalog, der den Krankenkassen bekannt ist und welcher ohne Zweifel auch durch die Kassen übernommen wird. Hierzu zählen ganz gewöhnliche Dinge wie eine Blinddarmentzündung, eine Geburt oder das Entfernen von bösartigen Tumoren. Darüber hinaus gibt es immer wieder Operationen oder Therapien und manchmal auch Diagnosen (also Krankheitsbilder), die neu und den Krankenkassen nicht bekannt sind. Im Fall des Lipödems ist die Diagnose neu, die Behandlung aber alt und aus der Schönheitschirurgie bekannt – nämlich die Fettabsaugung. Die Krankenkassen gehen bei einer Beantragung tendenziell davon aus, dass die geplante Absaugung aus ästhetischen Gründen erfolgen soll, da sie mit der Grunddiagnose einige Jahre lang nichts anfangen konnten und die Behandlung der Schönheitswelt zuschrieben. Inzwischen hat sich die Kenntnis über diese Erkrankung vertieft und Kostenübernahmen werden zunehmend erteilt.
Beispiel: Die männliche Brust (Gynäkomastie)
Die Diagnose der „männlichen Brust“ klingt ein wenig ungewohnt, aber nicht wenige Männer leiden aufgrund von Gewichtsschwankungen oder auch aufgrund einer Veranlagung zur Ausbildung einer Brust, die eher einer kleinen weiblichen Brust ähnelt. Die Brustwarzen sind dabei nicht selten nach unten gesunken oder hängen in der überschüssigen Haut. Oftmals bildet sich die Anlage oder auch das Vollbild dieser als Gynäkomastie bezeichneten Störung während der Pubertät aus und kann auch durch Sport oder Diäten nicht in den Griff bekommen werden. Gerade bei Gynäkomastien, die in der Pubertät entstehen, ist der Brustdrüsenkörper vergrößert und sitzt wie ein Golfball tastbar unter der Brustwarze. Hinzu kommt zumeist ein Überschuss an Fettgewebe rund um den Brustdrüsenkörper, welcher der Brust die typisch, weibliche Form verleiht.