Die großen Reden
Ausgewählt und übersetzt von
Hermann Oldenberg
Anaconda
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Sämtliche Texte folgen der Ausgabe
Reden des Buddha. Lehre, Verse, Erzählungen. Übersetzt und eingeleitet
von Hermann Oldenberg. München: Kurt Wolff Verlag 1922.
Die Umschrift originalsprachlicher Namen und Begriffe wurde
vereinheitlicht und simplifiziert. Unverändert blieben Textgestalt und
Reihenfolge. Lediglich die Teile »Einleitung« und »Nachweis der Herkunft
der übersetzten Stücke« wurden nicht übernommen. Orthografie und
Interpunktion wurden den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung
angepasst. – Wegen zahlreicher Wiederholungen in den Erzählungen
enthält der Band umfangreiche Auslassungen. Sie stammen
sämtlich vom Herausgeber selbst und sind so
gekennzeichnet, dass sich der Inhalt
stets erschließen lässt.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
© 2015 Anaconda Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Umschlagmotiv: Fotolia.com
Umschlaggestaltung: dyadesign, Düsseldorf, www.dya.de
ISBN 978-3-7306-9094-9
V002
www.anacondaverlag.de
»Ihn schaut mein Geist, als wenn mein Aug’ ihn sähe,
Bei Nacht, bei Tag, beständig ohn’ Ermatten.
Ihm Ehrfurcht weihend harr’ ich auf den Morgen.
Von ihm, das fühl’ ich, kann ich mich nicht trennen.«
In Freud’ und Wonne die dreimal zehn Gescharten1
Und Sakra Inda2, die Götter in lichten Gewändern,
Schwenkend die Kleider, hell jubelnd und frohlockend
Erblickt’ Asita der Seher, um Mittag rastend.
Als er so schaute die Götter, die frohen, die hochbeglückten,
Bedacht’ er den Anblick, und also sprach er zu ihnen:
»Wie sind die Scharen der Götter so fröhlich zu schauen!
Die Gewänder fasst ihr und schwenkt ihr! Was hat’s zu bedeuten?
Selbst als die Götter dereinst die Dämonen bekämpften
Und die Götter siegten, und ihre Feinde erlagen:
Auch damals nicht hat solche Erregung gewaltet!
Welch Wunder haben die Götter geschaut, des sie froh sind?
Ihr Jauchzen und Singen und ihre Musik hört man schallen.
Sie schlagen die Arme zusammen und tanzen den Reigen.
So frag ich euch denn, die auf Merus3 Gipfel ihr wohnet:
Wollet, ihr Hohen, gar rasch mich vom Zweifel befreien!«
Die Götter
»Der Buddha sein wird, das Kleinod ohnegleichen,
Er ist geboren, den Menschen zu Heil und Freude,
Im Land der Sakyas, in Lumbini dem Dorfe4.
Des sind wir froh und über die Maßen selig.
Er alles Seins Gipfel, der Wesen herrlichstes,
Der Stier der Männer, der Kreaturen höchstes Haupt,
Der Lehre Rad rollen wird er im Seherwald5,
Dem Löwen gleich brüllend, der Tiere mächt’gem Herrn.«
Als er dies hörte, kam aus der Höh’ er schnell herab.
Asita lenkte den Schritt nach Suddhodanas6 Haus.
Dort setzt’ er sich nieder und sprach zu den Sakyas dies Wort:
»Wo ist er, der Knabe? Auch ich hab zu schaun ihn den Wunsch!«
Den Knaben darauf, der leuchtend erglänzte wie Gold,
Das im Feuer bearbeitet wird von des Künstlers Hand,
Strahlend in Schönheit, in edler Erscheinung Zier
Dem Asita zeigten, dem Seher, die Sakyas den Sohn.
Als er den Knaben erschaute, den feuergleich leuchtenden,
Gleich dem Herrn der Sterne, dem hellen, am Himmelszelt,
Gleich der Sonne, die wolkenbefreit im Herbst erstrahlt,
Da ward er gar froh, und mächtige Wonne erfüllte ihn.
Mit vielen Zweigen und mit tausend Kreisen
Den Schirm im Luftraum hielt die Schar der Götter.
Goldstäb’ge Wedel wehten durch die Lüfte,
Doch sah man nicht des Schirms, der Wedel Träger.
Kanhasiri der Flechtenträger7 schauend
Das Kind gleich goldnem Schmuck auf heller Decke
Und über seinem Haupt den Schirm, den weißen,
Nahm es voll hoher Freud’ in seine Arme.
Als in den Armen er hielt der Sakyas Höchsten,
Verlangensvoll, der Zeichen und Sprüche Kenner,
Erhob erfreuten Herzens er seine Stimme:
»Dies ist der Höchste des menschlichen Geschlechtes!«
Doch des gedenkend, dass nah sein eigner Hingang,
Vergoss er Tränen trauererfüllten Herzens.
Die Sakyas sehend des Sehers Tränen sprachen:
»Es wird den Knaben doch nicht Gefahr bedrohen?«
Der Sakyas Sorg’ erkennend der Seher sagte:
»Nicht denk’ ich dran, dem Knaben Unheil zu künden.
Von keiner Seite seh ich Gefahr ihm drohen.
Kein Mensch wie andre ist er! Seid hohen Mutes!
Der Knabe wird einst, höchster Erleuchtung teilhaft,
Der Wahrheit Reich, allkundig jeglicher Reinheit,
Begründen voll Erbarmen mit vielem Volke,
Dass weit und breit man in Heiligkeit mag wandeln.
Doch ich muss hingehn, ehe sich das vollendet;
Nur kurzer Rest ist übrig von meinem Leben.
Des höchsten Meisters Lehre werd’ ich nicht hören.
Drum bin ich traurig, bekümmert, schmerzbetroffen.«
Als so gar hoch erfreut er die Sakyas hatte,
Verließ der heilige Seher ihre Wohnstatt …
Jedem Leser wird sich die Ähnlichkeit dieser buddhistischen Dichtung mit der Erzählung des Lukasevangeliums vom Besuch des greisen Simeon beim Jesuskinde aufdrängen. Das höhere Alter der Erzählung von Asita steht fest, und so hat man vielfach an Beeinflussung der christlichen Tradition durch die buddhistische gedacht. Ohne mir ein sicheres Urteil zu erlauben, als der neutestamentlichen Forschung fernstehend, möchte ich doch an solchem Zusammenhang zweifeln; ich verweise auf die Bemerkungen in meiner Schrift »Aus dem alten Indien. Drei Aufsätze«, S. 47 f. Anders u. a. Garbe, Indien und das Christentum, S. 48 f.
Darüber, wie der Bodhisatta8 Heimat und weltliches Dasein verlassen hat, sprechen die alten Texte wenig. Hierher gehören die schlichten Anfangszeilen einer alten Dichtung:
Das Fortziehen aus dem Weltleben
Künd’ ich, wie fort der Weise zog.
Und was in seinem Geist denkend
Am Fortziehn er Gefallen fand.
»Eine Stätte der Unreinheit,
Gar eng häusliches Leben ist.
Freie Weite das Fortziehen:«
Also denkend hinaus er zog.
Von allem Fehl sich frei hielt er
In seinem körperlichen Tun,
Jede Sünde des Worts mied er.
Des Lebens Weise reinigt’ er.
Nach Rajagaha zog Buddha …
und es wird nun eine Begegnung mit dem damaligen Magadhakönig Bimbisara berichtet. Eine andere alte Äußerung:
Der Asket Gotama9 hat einen großen Verwandtenkreis aufgegeben und der Welt entsagt.
Der Asket Gotama hat viel güldenes Gold verlassen, vergrabenes und offenbares, und hat der Welt entsagt.
Der Asket Gotama hat zart und jung, mit schwarzem Haar10, voll schöner Jugendlichkeit, im frischesten Alter der Welt entsagt, um in die Heimatlosigkeit zu gehen.
Der Asket Gotama hat, obwohl Vater und Mutter11 es nicht wollten, obwohl sie Tränen vergossen und weinten, sich Haar und Bart scheren lassen, gelbe Gewänder angelegt und der Welt entsagt, um in die Heimatlosigkeit zu gehen.
Über die Betrachtungen, die ihn zu diesem Schritt bewogen haben, lässt eine andre Stelle Buddha Folgendes erzählen. Nachdem er von der Pracht gesprochen, in der er seine Jugend verlebt, fährt er fort:
»Mit solcher Herrlichkeit war ich begabt, ihr Jünger; in solcher übergroßen Pracht lebte ich. Da sprach ich zu mir also: ›Ein Alltagsmensch, der keine Lehre empfangen hat, ob er gleich selbst dem Alter unterworfen und von des Alters Macht nicht frei ist, fühlt Abscheu, Widerwillen und Ekel, wenn er einen andern im Alter sieht: Das kehrt sich gegen ihn selbst. Auch ich bin dem Alter unterworfen und von des Alters Macht nicht frei. Dass ich, dem Alter unterworfen und von des Alters Macht nicht frei, Abscheu, Widerwillen und Ekel empfände, wenn ich einen andern im Alter sehe, das stände mir schlecht an. Indem ich also dachte, ihr Mönche, schwand mir der Jugendmut, der der Jugend innewohnt, ganz und gar hin.«
Wie hier vom Alter, sodann genau entsprechend von Krankheit, dann vom Tode. Mit dem Abschluss: schwand mir der Gesundheitsmut, der der Gesundheit innewohnt … schwand mir der Lebensmut, der dem Leben innewohnt, ganz und gar hin.
Die bekannte Erzählung von den vier Ausfahrten, auf denen dem Bodhisatta das Bild dieses dreifachen Leidens und dann der Erlösung entgegentritt, wird in der älteren Überlieferung über einen der früheren Buddhas, Vipassi, gegeben. Bei der Weise, wie das Bild dieser fabelhaften früheren Buddhas dem des historischen Gotama Buddha nach geschaffen ist, liegt der Gedanke nah, dass die Erzählung auch schon auf diesen Letzteren gestellt war und nur zufällig in die uns erhaltenen Texte älterer Schicht keine Aufnahme gefunden hat. Die Erzählung von Vipassi, Gotama Buddha in den Mund gelegt, lautet folgendermaßen:
»Der König Bandhuma12 aber, ihr Mönche, ließ für den Jüngling13 Vipassi drei Paläste erbauen, einen für die Regenzeit, einen für die Winterszeit, einen für die Sommerzeit, und bereitete ihm die Genüsse aller fünf Sinne. Da verlebte denn, ihr Mönche, der Jüngling Vipassi im Palast der Regenzeit die vier Regenmonate, umgeben von der Musik von Frauen, und stieg nicht vom Palast hinab.
Als aber viele Jahre, viele Jahrhunderte, viele Jahrtausende vergangen waren, sprach der Jüngling Vipassi, ihr Mönche, zu seinem Wagenlenker also: ›Mein lieber Wagenlenker, spanne alle die schönen Wagen an. Wir wollen in den Park fahren, um die Stätte dort zu beschauen.‹ ›Ja, Herr‹ – so nahm der Wagenlenker, ihr Mönche, den Befehl des Jünglings Vipassi an, ließ alle schönen Wagen anspannen und meldete dem Jüngling Vipassi: ›Alle die schönen Wagen, Herr, sind für dich angespannt. Tue, was du jetzt an der Zeit hältst.‹
Da bestieg, ihr Mönche, der Jüngling Vipassi einen schönen Wagen, und mit allen den schönen Wagen fuhr er hinaus zum Park. Wie da nun der Jüngling Vipassi, ihr Mönche, zum Park hinausfuhr, sah er einen Greis, gekrümmt wie ein Gabeldach, gebückt, auf einen Stab gestützt, einherwandernd, schwach, der Jugendkraft bar. Wie er den sah, sprach er zum Wagenlenker: ›Was ist mit diesem Mann geschehen, lieber Wagenlenker? Sein Haar ist nicht wie bei andern Leuten, und sein Leib ist nicht wie bei andern Leuten.‹
›Das ist einer, den man Greis nennt, Herr.‹
›Und was ist das, lieber Wagenlenker, ein Greis?‹
›Einen Greis, Herr, nennt man den, der nicht mehr lange zu leben hat.‹
›Bin ich denn auch, lieber Wagenlenker, dem Alter14 unterworfen und von des Alters Macht nicht frei?‹
›Du, Herr, und wir alle sind dem Alter unterworfen und von des Alters Macht nicht frei.‹
›So habe ich heute genug von dem Park, lieber Wagenlenker. Fahre jetzt zurück zu meinem Palast!‹
›Ja, Herr‹ – so nahm der Wagenlenker, ihr Mönche, den Befehl des Jünglings Vipassi an und fuhr von dort zurück zu seinem Palast. Da verfiel denn, ihr Mönche, der Jüngling Vipassi drinnen in seinem Palast voll Schmerz und Trauer in Sinnen: ›Wehe dem, was man Geburt nennt, wenn dem Geborenen Alter verhängt ist!‹
Der König Bandhuma aber, ihr Mönche, ließ den Wagenlenker rufen und sprach zu ihm: ›Hat denn der Jüngling, mein lieber Wagenlenker, am Park Vergnügen gefunden? Hat der Jüngling, lieber Wagenlenker, des Parkes sich erfreut?‹
›Der Jüngling, Herr, hat am Park kein Vergnügen gefunden. Der Jüngling, Herr, hat sich des Parkes nicht erfreut.‹
›Was hat denn der Jüngling gesehen, lieber Wagenlenker, wie er zum Park hinausfuhr?‹
›Der Jüngling, Herr, wie er zum Park hinausfuhr, hat einen Greis gesehen …‹ Erzählung, wörtlich wie oben, des Vorfalls, mit den Gesprächen und den Reflexionen des Jünglings.
Da sprach, ihr Mönche, der König Bandhuma zu sich also:
›Wenn es nur nicht vereitelt wird, dass der Jüngling Vipassi König wird! Wenn nur nicht der Jüngling Vipassi der Welt entsagt, um in die Heimatlosigkeit zu gehen! Wenn nur die Vorhersagung der vorzeichenkundigen Brahmanen nicht wahr wird!‹ Da bereitete der König Bandhuma, ihr Mönche, dem Jüngling Vipassi noch immer mehr Genüsse der fünf Sinne, damit der Jüngling Vipassi König würde, damit der Jüngling Vipassi der Welt nicht entsagte, um in die Heimatlosigkeit zu gehen, damit die Vorhersagung der vorzeichenkundigen Brahmanen zunichte würde. So hatte denn, ihr Mönche, der Jüngling Vipassi die Genüsse aller fünf Sinne zum Besitz und zu eigen und ließ sich in ihnen wohl sein.
Als aber viele Jahre, viele Jahrhunderte, viele Jahrtausende vergangen waren … Ausfahrt in den Park wie oben. Wie da nun der Jüngling Vipassi, ihr Mönche, zum Park hinausfuhr, sah er einen kranken Mann, leidend, voll schweren Siechtums daliegend in seinem eignen Urin und Kot, von andern aufgerichtet, von andern niedergelegt. Wie er den sah, sprach er zum Wagenlenker: ›Was ist mit diesem Mann geschehen, lieber Wagenlenker? Seine Augen sind nicht wie bei andern Leuten, und seine Stimme ist nicht wie bei andern Leuten.‹
›Das ist einer, den man einen Kranken nennt, Herr.‹
›Und was ist das, lieber Wagenlenker, ein Kranker?‹
›Einen Kranken, Herr, nennt man einen, bei dem es möglich ist, dass er von seiner Krankheit genesen könnte.‹
›Bin ich denn auch, lieber Wagenlenker, der Krankheit unterworfen und von der Krankheit Macht nicht frei?‹
(Weiter wie oben, Reflexion des Jünglings: ›Wehe dem, was man Geburt nennt, wenn dem Geborenen Alter verhängt ist, Krankheit verhängt ist!‹ Dann der König wie oben. Neue Ausfahrt in derselben Weise:)
(…) sah er eine große Menschenmenge, die zusammengeströmt war, und Gewänder von vielen Farben wurden entfärbt (?)15. Wie er das sah, sprach er zum Wagenlenker: ›Was ist da für eine große Menschenmenge zusammengeströmt, lieber Wagenlenker, und Gewänder von vielen Farben werden entfärbt (?)‹.
›Das ist, Herr, was man einen Toten nennt.‹
›So fahre denn mit dem Wagen dorthin, lieber Wagenlenker, wo der Tote ist.‹
›Ja, Herr‹, – so nahm der Wagenlenker, ihr Mönche, den Befehl des Jünglings Vipassi an und fuhr mit dem Wagen dorthin, wo der Tote war. Da sah der Jüngling Vipassi, ihr Mönche, den Hingeschiedenen, Toten. Wie er ihn sah, sprach er zum Wagenlenker: ›Was ist das, lieber Wagenlenker, ein Toter?‹
›Einen Toten, Herr, nennt man jemanden, den seine Mutter und sein Vater und seine andern Verwandten und Blutsfreunde nicht mehr sehen werden. Und auch er wird seine Mutter und seinen Vater und seine andern Verwandten und Blutsfreunde nicht mehr sehen.‹
›Bin ich denn auch, lieber Wagenlenker, dem Tod unterworfen und von des Todes Macht nicht frei? Werden auch mich der König und die Königin und meine andern Verwandten und Blutsfreunde nicht mehr sehen? Und werde auch ich den König und die Königin und meine andern Verwandten und Blutsfreunde nicht mehr sehen?‹ Wie oben, Reflexion des Jünglings: ›Wehe dem, was man Geburt nennt, wenn dem Geborenen Alter verhängt ist, Krankheit verhängt ist, Tod verhängt ist.‹ Der König wie oben. Neue Ausfahrt.
(…) sah er einen kahlköpfigen Mann, der der Welt entsagt hatte und gelbe Gewänder trug. Wie er den sah, sprach er zum Wagenlenker: ›Was ist mit diesem Mann geschehen, lieber Wagenlenker? Sein Haupt ist nicht wie bei andern Leuten, und seine Gewänder sind nicht wie bei andern Leuten.‹
›Das ist einer, den man einen Weltentsagenden nennt, Herr.‹
›Und was ist das, lieber Wagenlenker, ein Weltentsagender?‹
›Weltentsagend, Herr, nennt man jemanden, bei dem es heißt: Gut ist es, der Wahrheit nachwandeln; gut ist es, in Frieden wandeln; gut ist es, recht tun; gut ist es, Verdienstliches tun; gut ist es, niemandem Schaden tun; gut ist es, aller Wesen sich erbarmen.‹
›Gut ist es denn um diesen Weltentsagenden bestellt, lieber Wagenlenker! Denn gut ist es, lieber Wagenlenker, der Wahrheit nachwandeln … gut ist es, aller Wesen sich erbarmen. So fahre denn mit dem Wagen dorthin, lieber Wagenlenker, wo der Weltentsagende ist.‹
›Ja, Herr‹ – so nahm der Wagenlenker, ihr Mönche, den Befehl des Jünglings Vipassi an und fuhr mit dem Wagen dorthin, wo der Weltentsagende war. Der Jüngling Vipassi aber sprach zum Weltentsagenden: ›Was ist mit dir geschehen, mein Lieber? Dein Haupt ist nicht wie bei andern Leuten, und deine Gewänder sind nicht wie bei andern Leuten.‹
›Ich bin, Herr, was man einen Weltentsagenden nennt.‹
›Und was bedeutet das, Lieber, dass man dich einen Weltentsagenden nennt?‹
›Weltentsagend, Herr, nennt man mich, weil es bei mir heißt: Gut ist es, der Wahrheit nachwandeln …‹
›Gut ist es dann um dich Weltentsagenden bestellt, mein Lieber. Denn gut ist es, mein Lieber, der Wahrheit nachwandeln …‹
Da sprach der Jüngling Vipassi, ihr Mönche, zum Wagenlenker also: ›So nimm denn den Wagen, lieber Wagenlenker, und fahre von hier zu meinem Palast zurück. Ich aber werde mir hier Haar und Bart scheren lassen, werde gelbe Gewänder anlegen und der Welt entsagend in die Heimatlosigkeit gehen.‹
›Ja, Herr‹ – so nahm der Wagenlenker den Befehl des Jünglings Vipassi an, nahm den Wagen und fuhr von dort zum Palast zurück. Der Jüngling Vipassi aber ließ sich an jenem Orte Haar und Bart scheren, legte gelbe Gewänder an und ging, der Welt entsagend, in die Heimatlosigkeit. Da hörte, ihr Mönche, in der Königsstadt Bandhumati eine große Volksmenge, vierundachtzigtausend Menschen: ›Der Jüngling Vipassi hat sich Haar und Bart scheren lassen, hat gelbe Gewänder angelegt und ist der Welt entsagend in die Heimatlosigkeit gegangen.‹ Wie sie das hörten, sprachen sie untereinander: ›Das kann keine geringe Lehre und Ordnung sein, es kann nicht schlecht um diese Weltentsagung bestellt sein, wenn der Jüngling Vipassi sich Haar und Bart hat scheren lassen … Soll allein der Jüngling Vipassi sich Haar und Bart scheren lassen … und wir nicht auch?‹ Da ließ sich, ihr Mönche, jene große Volksmenge, vierundachtzigtausend Menschen, Haar und Bart scheren; sie legten gelbe Gewänder an und folgten Vipassi, dem Bodhisatta, darin, der Welt entsagend in die Heimatlosigkeit zu gehen. Von diesem Gefolge umgeben, ihr Mönche, wanderte Vipassi, der Bodhisatta, umher in Dörfern, Flecken und Königstädten.«
Der Bodhisatta vertraut sich nach dem Verlassen der Heimat zuerst nacheinander zwei Lehrern an, Alara Kalama und Uddaka Ramaputta, die ihn zu mystischen Versenkungen anleiten. Von ihnen nicht befriedigt, gibt er sich Kasteiungen hin. Hierüber soll er später einem Andersgläubigen Folgendes erzählt haben:
»Wie ich nun so danach suchte, Aggivessana, was das Rechte ist, und nach der höchsten Stätte edlen Friedens forschte, kam ich unter den Magadhas16 von Ort zu Ort wandernd nach Uruvela17, dem Flecken des Feldhauptmanns. Dort sah ich einen lieblichen Fleck Erde und ein schönes Gehölz; ein Fluss floss dort, klar, mit schönen Badeplätzen und lieblich, und ringsum lagen Dörfer, dahin man gehen konnte. Da sprach ich zu mir, Aggivessana: ›Lieblich fürwahr ist dieser Fleck Erde, schön ist das Gehölz; ein Fluss fließt dort, klar, mit schönen Badeplätzen und lieblich, und ringsum liegen Dörfer, dahin man gehen kann. So ist es gut für das Streben eines edlen Jünglings, der zu streben begehrt. So setzte ich mich denn dort nieder, Aggivessana, und dachte: ›So ist es gut für mein Streben.‹
Da wurden mir, Aggivessana – wie wenn mir etwas Alltägliches widerführe18 – drei Gleichnisse offenbar, die niemand zuvor vernommen hatte:
Wie wenn da, Aggivessana, ein feuchtes, saftiges Stück Holz wäre, das man ins Wasser geworfen hätte, und nun käme ein Mann mit einem oberen Reibholz19 und dächte: Ich will Feuer erzeugen, eine Flamme hervorbringen. Wie meinst du nun, Aggivessana: Wenn der Mann jenes feuchte, saftige Stück Holz, das man ins Wasser geworfen hat, mit seinem oberen Reibholz riebe, würde er so wohl Feuer erzeugen, eine Flamme hervorbringen?«
»Das würde er nicht, mein guter Gotama. Und weshalb nicht? Jenes Stück Holz ist ja feucht und saftig, mein guter Gotama, und man hat es ins Wasser geworfen. So würde nichts dabei herauskommen, als dass der Mann Mühe und Plage hätte.«
»Ebenso steht es, Aggivessana, mit jenen Asketen und Brahmanen, die sich mit ihrer Körperlichkeit von Begierden nicht losgemacht haben und bei denen, auf die Begierden sich richtend, die Lust zu den Begierden, die Liebe zu den Begierden, die Betäubung durch die Begierden, der Durst der Begierden, der Brand der Begierden noch nicht in ihrem Innern vollkommen aufgegeben und beruhigt ist: Wenn diese guten Asketen und Brahmanen durch (asketische) Behandlung entstandene schmerzhafte, scharfe, beißende Empfindungen fühlen, sind sie nicht fähig, Erkenntnis, Schauen, höchste Erleuchtung zu erlangen. Und wenn diese guten Asketen und Brahmanen keine durch (asketische) Behandlung entstandenen schmerzhaften, scharfen, beißenden Empfindungen fühlen20, sind sie ebenso wenig fähig, Erkenntnis, Schauen, höchste Erleuchtung zu erlangen. Dies, Aggivessana, ist das erste Gleichnis, das – wie wenn mir etwas Alltägliches widerführe – mir offenbar wurde, von niemandem zuvor vernommen.
Und ein anderes, zweites Gleichnis, Aggivessana, wurde – wie wenn mir etwas Alltägliches widerführe – mir offenbar, von niemandem zuvor vernommen. Wie wenn da, Aggivessana, ein feuchtes, saftiges Stück Holz wäre, fern vom Wasser auf trockenen Boden hingeworfen …« entsprechend wie oben; es würde kein Feuer entstehen. »Und weshalb nicht? Jenes Stück Holz ist ja feucht und saftig, mein guter Gotama, wenn es auch fern vom Wasser auf trockenen Boden hingeworfen ist. So würde nichts dabei herauskommen, als dass der Mann Mühe und Plage hätte.«
»Ebenso steht es, Aggivessana, mit jenen Asketen und Brahmanen, die sich zwar mit ihrer Körperlichkeit von Begierden losgemacht haben, bei denen aber, auf die Begierden sich richtend, die Lust zu den Begierden … (weiter wie vorher, bis:) sind sie ebenso wenig fähig, Erkenntnis, Schauen, höchste Erleuchtung zu erlangen. Dies, Aggivessana, ist das zweite Gleichnis … Und ein anderes, drittes Gleichnis … Wie wenn da, Aggivessana, ein trockenes, dürres Stück Holz wäre, fern vom Wasser, auf trockenen Boden hingeworfen, und nun käme ein Mann mit einem oberen Reibholz und dächte: Ich will Feuer erzeugen, eine Flamme hervorbringen. Wie meinst du nun, Aggivessana, wenn der Mann jenes trockene, dürre Stück Holz, das man fern vom Wasser auf trockenen Boden hingeworfen hat, mit seinem oberen Reibholz riebe, würde er so wohl Feuer erzeugen, eine Flamme hervorbringen?«
»Ja, das würde er, mein guter Gotama. Und weshalb? Jenes Stück Holz ist ja trocken und dürr, mein guter Gotama, und man hat es fern vom Wasser auf trockenen Boden hingeworfen.«
»Ebenso steht es, Aggivessana, mit jenen Asketen und Brahmanen, die sich mit ihrer Körperlichkeit von Begierden losgemacht haben, und bei denen, auf die Begierden sich richtend, die Lust zu den Begierden, die Liebe zu den Begierden, die Betäubung durch die Begierden, der Durst der Begierden, der Brand der Begierden in ihrem Innern vollkommen aufgegeben und beruhigt ist: Wenn diese guten Asketen und Brahmanen durch (asketische) Behandlung entstandene schmerzhafte, scharfe, beißende Empfindungen fühlen, so sind sie fähig, Erkenntnis, Schauen, höchste Erleuchtung zu erlangen. Und wenn diese guten Asketen und Brahmanen keine durch (asketische) Behandlung entstandenen Empfindungen fühlen, sind sie gleichfalls fähig, Erkenntnis, Schauen, höchste Erleuchtung zu erlangen. Dies, Aggivessana, ist das dritte Gleichnis … Dies, Aggivessana, sind die drei Gleichnisse, die – wie wenn mir etwas Alltägliches widerführe – mir offenbar wurden, von niemandem zuvor vernommen.
Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Ich will meine Zähne aufeinanderpressen, die Zunge gegen den Gaumen stemmen und mit dem Geist die Gedanken niederhalten, niederdrücken, niederquälen!‹ Und ich presste, Aggivessana, meine Zähne aufeinander, stemmte die Zunge gegen den Gaumen und hielt mit dem Geist die Gedanken nieder, drückte sie nieder, quälte sie nieder. Wie ich da, Aggivessana, meine Zähne … niederquälte, brach mir aus den Achselhöhlen der Schweiß hervor. Wie wenn ein starker Mann, Aggivessana, einen schwächeren Mann am Haupt packt oder an der Schulter packt und ihn niederhält, niederdrückt, niederquält, so presste ich, Aggivessana – und mir brach aus den Achselhöhlen der Schweiß hervor. Da war, Aggivessana, meine Kraft angespannt und zog sich nicht zurück, und meine Wachsamkeit war rege und nicht zerstreut; mein Körper aber war aufgeregt und in Unruhe, indem ich von meinem Streben angestachelt war, durch solch schmerzensreiches Streben. Und die Schmerzempfindung von solcherlei Gestalt, Aggivessana, die sich in mir erhoben hatte, war nicht imstande, sich meines Geistes zu bemächtigen.
Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Ich will die Appanakaversenkung üben.‹ Da hielt ich, Aggivessana, Einatmen und Ausatmen durch Mund und Nase zurück. Wie ich da, Aggivessana, Einatmen und Ausatmen durch Mund und Nase zurückhielt, entstand durch die Winde, die durch die Gehörgänge hinausgingen, ein mächtiges Geräusch. Wie wenn ein Schmiedeblasebalg in Bewegung gesetzt wird und mächtiges Geräusch entsteht, so entstand, Aggivessana, wie ich das Einatmen und Ausatmen durch Mund und Nase zurückhielt, durch die Winde, die durch die Gehörgänge hinausgingen, mächtiges Geräusch. Da war, Aggivessana, meine Kraft angespannt … (wie oben bis:) ohne sich meines Geistes zu bemächtigen.
Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Ich will die Appanakaversenkung weiter üben.‹ Da hielt ich, Aggivessana, Einatmen und Ausatmen durch Mund, Nase und Ohren zurück. Wie ich da, Aggivessana … zurückhielt, schlugen heftige Winde gegen mein Haupt an. Wie wenn jemandem ein starker Mann mit einer scharfen Spitze das Haupt zerwühlte, so schlugen Aggivessana … Da war, Aggivessana, meine Kraft angespannt …
Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Ich will die Appanakaversenkung weiter üben.‹ Da hielt ich, Aggivessana, Einatmen und Ausatmen durch Mund, Nase, Ohren zurück. Wie ich da, Aggivessana … zurückhielt, erhoben sich in meinem Kopf heftige Kopfschmerzen. Wie wenn jemandem ein starker Mann mit einem festen Riemen das Haupt wie mit einer
Kopfbinde einschnürte, so erhoben sich, Aggivessana … Da war, Aggivessana, meine Kraft angespannt …
Da sagte ich zu mir, Agivessana: ›Ich will die Appanakaversenkung weiter üben‹ (wie oben) … schnitten mir heftige Winde in den Bauch. Wie wenn ein geschickter Rinderschlächter oder Rinderschlächtergeselle mit einem scharfen Schlachtmesser den Bauch eines Rindes zerschneidet, so … Da war, Aggivessana, meine Kraft angespannt …
Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Ich will die Appanakaversenkung weiter üben‹ (wie oben) … entstand heftiges Brennen in meinem Körper. Wie wenn zwei starke Männer einen schwächeren Mann hier und dort an den Armen ergriffen und ihn in einer Grube voll glühender Kohlen durch die Hitze quälten und peinigten, so … Da war, Aggivessana, meine Kraft angespannt … Und wie die Gottheiten mich sahen, sagten sie: ›Der Asket Gotama ist verschieden.‹ Einige Gottheiten aber sagten: ›Verschieden ist der Asket Gotama nicht, aber er ist im Verscheiden.‹ Und andere Gottheiten sagten: ›Verschieden ist der Asket Gotama nicht, und er ist auch nicht im Verscheiden. Der Asket Gotama ist ein Heiliger, und solches ist der Zustand eines Heiligen.‹ Da sagte ich zu mir, Aggivessana:
›Ich will anfangen, mich ganz und gar der Nahrung zu enthalten.‹ Die Gottheiten aber, Aggivessana, kamen zu mir und sagten: ›Fange nicht an, Verehrter, dich ganz und gar der Nahrung zu enthalten. Wenn du dich, Verehrter, ganz und gar der Nahrung enthältst, so wollen wir dir himmlischen Saft und Kraft durch die Hautporen einflößen; damit wirst du dich aufrecht erhalten.‹ Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Wenn ich gänzlich zu fasten behauptete, diese Gottheiten aber mir himmlischen Saft und Kraft durch die Hautporen einflößten und ich mich damit aufrecht erhielte, so wäre das eine Unwahrheit.‹ So wies ich, Aggivessana, jene Gottheiten zurück und sprach: ›Lasst es gut sein.‹
Jetzt beginnt er, geringe Nahrung zu sich zu nehmen, aber so knapp, dass er doch aufs äußerste erschöpft und abgemagert bleibt.
Wenn ich, Aggivessana, meine Bauchhaut fassen wollte, fasste ich mein Rückgrat, und wenn ich mein Rückgrat fassen wollte, fasste ich meine Bauchhaut: So haftete meine Bauchhaut am Rückgrat infolge dieser geringen Nahrungsaufnahme. Und wenn ich, Aggivessana, Kot oder Urin entlassen wollte, stürzte ich vornüber hin infolge dieser geringen Nahrungsaufnahme. Und um meinen Körper zu beleben, Aggivessana, rieb ich mir die Glieder mit der Hand. Wie ich mir da, Aggivessana, die Glieder mit der Hand rieb, fiel die Behaarung, deren Wurzeln verfault waren, mir vom Leib ab infolge dieser geringen Nahrungsaufnahme …
Da sagte ich zu mir, Aggivessana: ›Alle Asketen und Brahmanen in vergangenen Zeiten, welche durch (asketische) Behandlung entstandene schmerzhafte, scharfe, beißende Empfindungen gefühlt haben21: So weit höchstens sind sie gekommen und nicht weiter. Und alle Asketen und Brahmanen in künftigen Zeiten … so weit höchstens werden sie kommen und nicht weiter. Und alle Asketen und Brahmanen in der Gegenwart … so weit höchstens kommen sie und nicht weiter. Und doch erreiche ich durch diese scharfen Peinigungen nicht die übermenschliche Vollkommenheit, die volle Herrlichkeit edlen Wissens und Schauens. Der Weg zur Erleuchtung möchte wohl ein anderer sein.‹ Und ich sprach weiter zu mir, Aggivessana:
›Ich entsinne mich, wie ich bei den Feldarbeiten meines Vaters, des Sakya, im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaums gesessen habe, und wie ich da, von Lüsten mich abscheidend, von allen unreinen Wesenheiten mich abscheidend, in die mit Überlegung und Erwägung verbundene, aus Abgeschiedenheit geborene, von Befriedigung und Freude erfüllte erste Versenkung eingetreten bin und darin verharrt habe22. Dies möchte wohl der Weg zur Erleuchtung sein.‹ Da entstand in mir, Aggivessana, aus wachem Denken sich entwickelnd, die Erkenntnis: ›Dies allein ist der Weg zur Erleuchtung.‹ Und ich sprach zu mir, Aggivessana: ›Fürchte ich mich denn vor solcher Freude, die von Lüsten getrennt, von allen unreinen Wesenheiten getrennt ist?‹ Und ich sprach zu mir, Aggivessana: ›Ich fürchte mich nicht vor solcher Freude, die von Lüsten getrennt, von allen unreinen Wesenheiten getrennt ist.‹
Da sprach ich zu mir, Aggivessana: ›Solche Freude ist mit einem so aufs äußerste abgemagerten Körper nicht leicht zu erlangen. Ich will reichliche Nahrung zu mir nehmen, Reismus und sauren Schleim. Da nahm ich, Aggivessana, reichliche Nahrung zu mir, Reismus und sauren Schleim. Zu der Zeit, Aggivessana, warteten mein fünf Mönche, welche dachten:
›Die Wahrheit, die der Asket Gotama erkennt, die wird er uns mitteilen.‹ Als ich aber reichliche Nahrung zu mir nahm, Aggivessana, Reismus und sauren Schleim, da fielen die fünf Mönche von mir ab und gingen hinweg: ›Der Asket Gotama lebt im Überfluss, ist geistlichem Streben untreu geworden und hat sich dem Überfluss zugewandt.‹
So nahm ich, Aggivessana, reichliche Nahrung zu mir und kam wieder zu Kräften …«
Weiter wird erzählt, wie der Bodhisatta nunmehr körperlich gestärkt durch die vier Versenkungen hindurchgeht und zur höchsten Erleuchtung durchdringt. Den Bericht hierüber gebe ich weiter unten nach einer andern ähnlichen Version. Vorher schiebe ich noch einige Sätze aus einer zweiten Erzählung über die Zeit des vergeblichen Strebens vor Erlangung der Erleuchtung, sodann eine in eben dieser Zeit spielende Versuchungsgeschichte ein.
Buddha erzählt dem Vornehmsten seiner Jünger Sariputta:
So nun, Sariputta, stand es um meine Zurückgezogenheit: Da tauchte ich, Sariputta, in eine Wildnis hinein und verweilte dort. Sah ich einen Rinderhirten oder einen Hirten von Kleinvieh oder einen, der Gras oder der Holz holte, oder einen Waldarbeiter, so stürzte ich von Wald zu Wald, von Dickicht zu Dickicht, von Tal zu Tal, von Höhe zu Höhe. Und weshalb das? Damit sie mich nicht sähen, und damit ich sie nicht sähe. Wie eine Waldgazelle, Sariputta, wenn sie Menschen sieht, von Wald zu Wald, von Dickicht zu Dickicht, von Tal zu Tal, von Höhe zu Höhe stürzt, so auch ich, Sariputta, wenn ich einen Rinderhirten sah oder einen Hirten von Kleinvieh oder einen, der Gras oder der Holz holte, oder einen Waldarbeiter: Ich stürzte von Wald zu Wald, von Dickicht zu Dickicht, von Tal zu Tal, von Höhe zu Höhe. Und weshalb das? Damit sie mich nicht sähen und damit ich sie nicht sähe …
Und ich tauchte, Sariputta, in einen furchtbaren Wald hinein und verweilte dort. Und dies gehörte, Sariputta, zur Furchtbarkeit dieses furchtbaren Waldes: Wenn jemand, der die Begierden nicht von sich abgetan, in diesen Wald einging, so sträubte sich ihm überall sein Haar. In den kalten Winternächten nun, um die Achten23, in der Zeit der Schneefälle, in solchen Nächten, Sariputta, verweilte ich nachts im Freien, bei Tage aber im Walde. Und im letzten Sommermonat24 verweilte ich bei Tage im Freien, nachts aber im Walde. Und wie wenn mir etwas Alltägliches widerführe25, wurde mir, Sariputta, dieser Spruch offenbar, den zuvor niemand vernommen hatte:
»Verbrannt und erfroren,
Allein im schreckensreichen Wald,
Nackend, kein Feuer aufsuchend,
Heil’gem Streben der Weise lebt.«
Buddha spricht
»Wie dem Ringen ich mich hingab
Am Ufer der Neranjara
Und Versenkung mit Macht übte,
Nach Frieden trachtend und nach Heil,
Trat, sanftes Wort im Mund führend,
An meine Seite Namuci27:
›Mager, elend zu schaun bist du,
Der Tod, er ist dir nicht mehr fern.
Des Todes sind tausend Teile,
Ein Teil dem Leben nur gehört.
Lebe nur, besser ist’s leben.
Lebst du, so magst du Gutes tun.
Wenn du in Heiligkeit wandelst,
Wenn dem Feuer du Opfer bringst,
Wird reichen Lohn dein Tun finden.
All dein Ringen, was soll es dir?
Des Ringens Pfad ist schwer gangbar,
Führt schwer zum Ziel, ist mühereich!‹
Solch versuchendes Wort redend
Mara an Buddhas Seite stand.
Und wie so zu ihm sprach Mara,
Der Erhabne erwiderte:
›Leichtsinniger Gesell, Böser!
Du verfolgst deinen eignen Zweck!
Zu gewinnen ich nicht trachte
Selbst kleinsten guten Werkes Lohn.
Wer dem Lohn guten Werks nachstrebt,
Zu dem, Mara, du reden magst!
Mein ist Glauben, und Kraft mein ist;
Weisheit bei mir gefunden wird.
Der dem Ringen ich mich weihe.
Was fragst du nach dem Leben mich?
Hat ja doch selbst des Stroms Wasser
Auszutrocknen der Wind Gewalt.
Wenn ich ringend mich anspanne.
Wie sollte trocknen nicht mein Blut
Wenn all mein Blut mir austrocknet,
Galle vertrocknet samt dem Schleim,
Wenn mir das Fleisch hinwegschwindet,
Immer heller die Seele wird,
Immer fester des Geists Wachsein,
Und Weisheit und Versenkung steht.
…
Dein Heer, dem nicht im Kampf standhält
Der Weltkreis samt der Götterschar,
Nieder durch Weisheitskraft schlag ich’s,
Wie Stein das Tongefäß zerschlägt.
Alle Gedanken fest sammelnd,
Über mein Wollen herrschend stark,
Werd’ ich von Land zu Land wandern
Und leiten große Jüngerschar.
Die werden unentwegt strebend,
Erfüllend die Gebote mein,
Den Gang, den du verwehrst, gehen
Dorthin, wo sie von Leid erlöst.‹
Mara spricht
»Dem Erhabnen gefolgt bin ich
Sieben Jahre28 auf Schritt und Tritt
Nicht konnte Zugang ich finden
Zum Buddha dem allwachsamen.
Um den Stein, der wie Fett aussah,
Flog die Krähe voll Gier herum:
Hier werd’ ich leckern Fraß finden,
Ein guter Bissen winkt mir hier!
Den leckern Bissen nicht findend
Flog die Krähe hinweg von dort.
Wie die Krähe vom Stein abließ,
Wend’ ich mich ab von Gotama.«
Seinen Sinn überkam Kummer.
Die Laute seinem Arm entsank,
Und hinweg hob sich missmutig
Von jenem Ort der böse Geist.
Über den entscheidenden Vorgang selbst, die Erlangung der höchsten Erkenntnis, werden dem Buddha folgende Betrachtungen und folgende Erzählung zugeschrieben:
»Wie wenn. Brahmane, eine Henne Eier gelegt hat, acht oder zehn oder zwölf, und sorgfältig auf ihnen gesessen, sie durchwärmt, sie bebrütet hat: Wie würde dann das Küchlein, das zuerst mit seiner Krallenspitze oder mit dem Schnabel die Eierschale zerbricht und glücklich ans Licht kommt, zu nennen sein – das älteste oder das jüngste?«
»Es würde das älteste zu nennen sein, mein guter Gotama, denn es ist unter ihnen das älteste.«
»Ebenso nun. Brahmane, habe unter den in Nichtwissen versunkenen Geschöpfen, die im Ei stecken und davon umhüllt sind, ich des Nichtwissens Eierschale zerbrochen und habe allein in der Welt die höchste Buddhaschaft erworben, über der nichts andres ist. So bin ich. Brahmane, der älteste, der höchste in der Welt. Meine Kraft nun. Brahmane, war angespannt und zog sich nicht zurück; meine Wachsamkeit war rege und nicht zerstreut; mein Körper war still und nicht in Unruhe; mein Geist war gesammelt und auf einen Punkt gerichtet.
Da29 trat ich, Brahmane, von Lüsten mich abscheidend, von allen unreinen Wesenheiten mich abscheidend, in die mit Überlegung und Erwägung verbundene, aus Abgeschiedenheit geborene, von Befriedigung und Freude erfüllte erste Versenkung ein und verharrte in ihr.
Nach dem Zurruhekommen von Überlegung und Erwägung trat ich in die durch inneren Frieden und Einheitlichkeit des Geistes bezeichnete, von Überlegen und Erwägen freie, aus Sammlung geborene, von Befriedigung und Freude erfüllte zweite Versenkung ein und verharrte in ihr.
Nach dem Hinscheiden des Befriedigungsgefühls verharrte ich gleichmütig, in Wachsein und Bewusstheit, und empfand in meinem Körper ein Gefühl der Freude30, was die Edlen nennen: ›der Gleichmütige, Wachsame, in Freude weilende‹; so trat ich in die dritte Versenkung ein und verharrte in ihr.
Nach dem Verlassen von Freude und nach dem Verlassen von Schmerz, nach dem Untergang alles früheren Wohlgefühls und Leidensgefühls trat ich in die durch schmerzlose und freudlose Läuterung des Gleichmuts und Wachseins bezeichnete vierte Versenkung ein und verharrte in ihr.
Mit also gesammeltem Geist, mit geläutertem, reinheitsreichem, der von Flecken frei war, aller Schäden entledigt, geschmeidig, der Arbeit sich fügend, feststehend und unentwegt, wandte ich meinen Geist hin auf die Erinnerung und Erkenntnis meines früheren Daseins. So erinnerte ich mich an mannigfaltiges früheres Dasein: an eine Existenz, an zwei Existenzen, an drei … vier … fünf … zehn … zwanzig … dreißig … vierzig … fünfzig … hundert … tausend … hunderttausend Existenzen, an viele Weltalter der Zerstörung, an viele Weltalter der