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Küssen ist die beste Medizin
Roman
Aus dem Amerikanischen von Barbara Alberter
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Deutsche Erstveröffentlichung
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Only Yours
Copyright © 2011 by Susan Macias Redmond erschienen bei: HQN Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Daniela Peter
Titelabbildung: pecher und soiron, Köln
Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86278-793-7
www.mira-taschenbuch.de
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
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1. KAPITEL
Der absolut perfekte Vormittag war für Montana gelaufen, als eine Bratwurst, ein vierjähriger Junge und ein Mischlingshund namens Fluffy aufeinandertrafen. Eigentlich hatte alles recht gut angefangen. Montana hatte sich in den Kopf gesetzt, die fast einjährige Fluffy – eine Kreuzung aus Golden Retriever und Labrador – in ein Ausbildungsprogramm für Therapiehunde aufzunehmen. Sicher, Fluffy war quirlig und tollpatschig, hatte obendrein die Angewohnheit, alles zu fressen, was nicht niet- und nagelfest war, und war schlicht und ergreifend viel zu fröhlich. Aber sie besaß ein großes Herz. Selbst wenn Fluffy also – um es klar zu sagen – eine Niete sein mochte, Montana weigerte sich, ihr das vorzuwerfen. Schließlich wusste sie aus eigener Erfahrung, was es hieß, sein Potenzial nie ganz ausschöpfen zu können und ständig das Gefühl zu haben, nicht gut genug zu sein. Darin war sie Expertin, und Fluffy sollte nicht leiden wie sie. Falls das ein bisschen viel auf ein unschuldiges Tier projiziert sein mochte – na und? So etwas kann vorkommen.
Also führte Montana an einem schönen Sommermorgen Fluffy in Fool’s Gold aus … oder besser gesagt, sie wurde von Fluffy ausgeführt.
„Denk an etwas Beruhigendes“, beschwor Montana den Hund und hielt die Leine fest in der Hand. „Therapiehunde sind ruhig. Therapiehunde wissen, was Zurückhaltung bedeutet.“
Fluffy schenkte ihr ein Hundelächeln und hätte mit ihrem ständig wedelnden Schwanz fast eine Mülltonne umgeworfen. Zurückhaltung gehörte nicht zu Fluffys Vokabular, und wirklich ruhig war sie selbst dann nicht, wenn sie schlief.
Später warf Montana sich vor, sie hätte es kommen sehen müssen. Dieser spezielle Vormittag läutete das erste Wochenende der Sommerferien ein. Obendrein fand ein Stadtfest statt, weshalb die Straßenverkäufer schon seit Tagen damit beschäftigt waren, ihre Stände aufzubauen. Obgleich es noch früh war, lag bereits der Duft von Bratwürstchen und Barbecues in der Luft. Die Bürgersteige waren voller Menschen, und Fluffy zog ständig an der Leine hin zu den Kindern, die im Park spielten. Ihre Signale waren eindeutig, auch sie wollte spielen.
Etwas weiter vorn kaufte eine Mutter eine Bratwurst, die sie ihrem kleinen Sohn reichte, der ungeduldig danach griff. Bevor er jedoch dazu kam, hineinzubeißen, hatte er Fluffy entdeckt und hielt ihr lächelnd sein Essen entgegen. Ausgerechnet in diesem Augenblick war Montana durch die neue Schaufensterauslage der Buchhandlung Morgan’s Books abgelenkt und lockerte versehentlich ihren Griff an der Leine. Fluffy machte einen Satz nach vorn, die Leine rutschte Montana aus der Hand, und damit brach das Chaos aus.
Aus sicherer Entfernung mochte der kleine Junge es für eine gute Idee gehalten haben, sein Würstchen anzubieten, als aber der vierzig Kilo schwere Hund auf ihn zugestürmt kam, ließ er es schreiend fallen und versteckte sich schnell hinter seiner Mutter. Die arme Frau hatte den Anfang der Begegnung verpasst. Alles, was sie sah, war ein offenbar durchgeknallter Hund, der direkt auf sie und ihren Sohn zugeschossen kam. Sie kreischte.
Montana lief hinter Fluffy her und befahl ihr, stehen zu bleiben, was genauso erfolgreich war, wie der Erde zu befehlen, sich langsamer zu drehen.
Die Mutter hob ihren kleinen Jungen auf und ging hinter einem Limonaden-Stand in Deckung. Ohne aus dem Tritt zu geraten, schnappte Fluffy sich die Wurst, verschlang sie in einem Rutsch und lief weiter, offenbar dem Ruf der Freiheit folgend.
Montana eilte ihr nach, wobei ihr die neuen Sommersandalen, die sie eine Woche zuvor gekauft hatte, in die Füße schnitten. Sie wusste, sie musste Fluffy einfangen. Der Hund war süß, aber nicht besonders gut ausgebildet. Montanas Chef Max Thurman hatte klar und deutlich gesagt, dass Fluffy als Therapiehund nicht zu gebrauchen war. Sollte er von dem heutigen Desaster Wind bekommen, würde er darauf bestehen, den Hund aus dem Programm auszuschließen.
Fluffy war sehr viel schneller als Montana und bald schon außer Sichtweite. Auf dem Weg durch die Straßen der Stadt folgte sie der Spur aus Kreischen und Schreien, wich einem Erdnussverkäufer mit seinem rollenden Stand aus und konnte nur knapp einen Zusammenstoß mit zwei Männern auf Fahrrädern verhindern. Als sie um eine Ecke bog, sah sie gerade noch einen Schwanz durch die automatische Eingangstür eines hohen Gebäudes entschwinden.
„Oh nein!“, hauchte Montana und blickte zu dem Krankenhaus hinauf. „Nicht das. Alles, nur nicht das!“
Sie rannte weiter, wobei ihr bei dem Gedanken schauderte, was Fluffy in einem solchen Gebäude alles anstellen konnte. Große Hundepfoten und glatte Fußböden waren keine glückliche Kombination. Sie hechtete die sechs Stufen zum Eingang hinauf und stürzte hinein, um sogleich die Spur der Verwüstung zu sehen, die Fluffy hinter sich hergezogen hatte.
Ein Wäschewagen war vor die Wand geknallt, davor lag Bettwäsche auf dem Fußboden. Grinsend deutete ein kleines Mädchen im Rollstuhl den Flur hinunter.
Als Montana zu den Aufzügen kam, stieß sie gleich auf mehrere Leute, die sie bereitwillig darüber informierten, dass dort tatsächlich ein Hund hineingelaufen war. Sie beobachtete die Anzeige, stellte fest, dass ein Aufzug im vierten Stock angehalten hatte, sprang in den nächsten und fuhr nach oben.
Sowie die Tür aufging, hörte sie auch schon das Geschrei. Ein umgestoßener Stuhl lag neben weiterem Bettzeug und mehreren Krankenakten auf dem Boden. Weiter vorn befand sich eine Doppeltür – der Eingang zur Station für Verbrennungsopfer. Auf mehreren Anzeigetafeln wurde detailliert erklärt, wer und was Zuritt zu diesem Bereich der Klinik hatte und wer und was nicht. Ein freudiges Bellen sagte ihr, dass Fluffy sämtliche dort angeschlagenen Regeln verletzt hatte.
Da ihr nichts Besseres einfiel, folgte Montana dem Laut und stieß die Tür auf. Ein Stück weiter versuchten mehrere Krankenschwestern, den fröhlich über den Flur tobenden Hund einzufangen, während Fluffy ihr Bestes gab, sie alle gleichzeitig abzulecken. Als Montana sie rief, drehte sie sich um und schoss auf sie zu, während im selben Moment ein Arzt aus einem der Zimmer trat.
Fluffy gab sich wirklich alle Mühe, stehen zu bleiben. Montana konnte sehen, wie die Hundepfoten kämpften, jedoch auf dem glatten Fußboden keinen Halt fanden. Fluffy geriet ins Rutschen, senkte den Hintern, stemmte die Vorderpfoten auf den Boden und rutschte so im Sitzen weiter. Dabei pflügte sie den Arzt um, der stolpernd gegen Montana stieß.
Besagter Arzt war mindestens fünfzehn Zentimeter größer und sehr viel schwerer als Montana. Seine Schulter krachte ihr so vor die Brust, dass es ihr den Atem verschlug. Beide gingen sie zu Boden, das heißt, sie flogen ein Stück, bevor sie auf dem sehr harten Boden landeten und sein Körper auf ihrem aufschlug.
Benommen blieb Montana liegen. Sie bekam keine Luft. Alles, was sie noch fühlen konnte, war ein schweres Gewicht auf ihr und eine warme Zunge, die ihr freiliegendes Fußgelenk abschleckte.
Der Mann rollte sich von ihr herunter und kniete sich neben sie.
„Sind Sie verletzt?“, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. Schließlich gelang es ihr wieder, Luft zu holen. Fluffy rückte näher und setzte sich. Auf einmal wirkte sie völlig ruhig und wohlerzogen, ein Trick, auf den Montana nicht hereinzufallen gedachte.
Der Mann beugte sich vor und strich mit seinen großen Händen und langen Fingern einmal von oben nach unten über Arme und Beine und tastete dann ihren Hinterkopf ab. Seine Berührung war unpersönlich, dennoch war das mehr Zärtlichkeit, als Montana seit Monaten erlebt hatte. Bevor sie herausfinden konnte, ob es ihr gefiel, schaute sie ihm ins Gesicht.
Er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Rauchgrüne Augen, umrahmt von dunklen Wimpern. Ein perfekt geschnittener Mund, dazu ein kräftiges Kinn. Seine Wangenknochen …
„Nichts verletzt“, stellte er fest und wandte sich ab, um mit jemandem zu sprechen, der hinter ihm stand.
Bei dieser Bewegung konnte sie die andere Hälfte seines Gesichts sehen, wo dicke rote Narben aus seinem Hemdkragen herauswuchsen und sich über die linke Seite seines Halses, den linken Kiefer und die Wange ausbreiteten. Sie schraubten sich spiralförmig nach oben und bildeten ein wildes Muster, das seine Haut auf eine Art verzog, die schmerzhaft aussah.
Montana hatte das Gefühl, dass ihr der Schock anzusehen war, aber der Arzt schien nichts davon zu bemerken. Stattdessen griff er nach ihrer Hand und zog sie auf die Beine.
„Schwindlig?“, fragte er sie kurz angebunden.
„Nein“, brachte sie jetzt, da sie wieder atmen konnte, heraus.
„Gut.“ Er trat einen Schritt auf sie zu. „Was zum Teufel ist in Sie gefahren? Was sind Sie für eine unverantwortliche Idiotin, die zulässt, dass so etwas passiert? Man müsste Sie verhaften und wegen versuchten Mordes anklagen. Haben Sie eigentlich eine Ahnung, welche Krankheitserreger dieser Hund mit sich herumschleppt? Welche Sie an sich tragen? Das hier ist die Isolierstation für Verbrennungsopfer. Diese Patienten sind sehr anfällig für Infektionen und leiden Schmerzen, die Sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen können.“
Sie trat einen Schritt zurück. „Es tut mir leid“, setzte sie an.
„Glauben Sie etwa, dass hier irgendwer auch nur im Geringsten daran interessiert ist, ob es Ihnen leidtut? Ihre Gedankenlosigkeit ist kriminell.“
Montana konnte den Zorn in jedem einzelnen seiner Worte spüren. Noch beängstigender als das, was er sagte, war jedoch die Art, wie er es sagte. Er sprach nicht laut und kraftvoll, sondern mit einer Kälte, die bewirkte, dass sie sich klein und dumm vorkam.
„Ich hatte nicht …“
„Gedacht“, unterbrach er sie. „Ja, das liegt auf der Hand. Ich möchte bezweifeln, dass Sie überhaupt einmal über irgendetwas groß nachdenken. So, und jetzt verschwinden Sie.“
Plötzlich war es Montana überaus peinlich. Ihr war bewusst, dass weitere Angehörige des Krankenhauspersonals sich in der Nähe herumtrieben und zuhörten.
Sie wusste, es war schlimm, dass Fluffy so durchs Krankenhaus getobt war, aber schließlich war es auch wieder nicht so, als hätte sie das geplant.
„Es war ein Unfall“, erklärte sie und reckte das Kinn.
„Das ist keine Entschuldigung.“
„Ich nehme an, Sie machen nie einen Fehler.“
In seinen graugrünen Augen blitzte es höhnisch. „Haben Sie sich schon einmal verbrannt? Haben Sie mal eine heiße Pfanne berührt oder den Brenner am Herd? Wissen Sie noch, wie sich das anfühlt? Dann stellen Sie sich das auf einer großen Fläche Ihres Körpers vor. Der Heilungsprozess dauert lange, und auch das, was wir hier tun, um ihn zu unterstützen, ist schmerzhaft. Auf dieser Station kann eine Infektion tödliche Folgen haben. Daher ist es bei dieser Auseinandersetzung völlig irrelevant, ob auch ich einmal Fehler mache.“
Es wäre sinnlos, ihm zu sagen, dass ihre Arbeit gleichfalls von Bedeutung war. Montana kam häufig mit ihren Therapiehunden ins Krankenhaus. Diese Therapiehunde halfen den Patienten, gesund zu werden. Vor allem Kindern. Aber Montana hatte den Verdacht, dass speziell diesem Mann das herzlich egal sein dürfte.
„Sie haben recht“, sagte sie langsam. „Es gibt keine Entschuldigung für das, was heute hier vorgefallen ist. Es tut mir leid.“ Er verzog den Mund. „Raus hier.“
Seine totale Ablehnung verblüffte sie. „Wie bitte?“
„Sind Sie taub? Raus hier. Verschwinden Sie. Nehmen Sie Ihren verdammten Hund mit und lassen Sie sich nie wieder hier blicken.“
Montana war bereit, zuzugeben, dass sie einen Fehler gemacht hatte, und die Schuld auf sich zu nehmen. Aber ihre Entschuldigung derart zu ignorieren war schlicht ungehobelt. Selbst wenn sie Mist gebaut hatte, hieß das noch längst nicht, dass sie auch ein schlechter Mensch war.
„Sind Sie Arzt?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort auf diese Frage längst kannte.
Die Augen des Mannes verengten sich zu Schlitzen. „Ja.“ „Vielleicht sollten Sie mal daran denken, den Stock aus Ihrem Arsch zu entfernen. Dann wird es Ihnen leichter fallen, so zu tun, als wären Sie auch ein Mensch, was Ihren Patienten höchstwahrscheinlich bei der Genesung helfen könnte.“
Damit hob sie Fluffys Leine auf, übersah die Tatsache, dass der Hund dem Arzt die Hand leckte, und stolzierte hoch erhobenen Hauptes aus der Station.
Auf dem Weg zurück zum Hundezwinger hielt sie die Leine in der Hand. Aber so gut sie Fluffy jetzt auch festhielt, es änderte nichts an der Tatsache, dass sie beide gewaltig Mist gebaut hatten. Montana liebte ihre Arbeit. Sie hatte lange gebraucht, um herauszufinden, was sie mit ihrem Leben anstellen wollte. Es machte ihr großen Spaß, die Hunde auszubilden und im Krankenhaus mit Kindern oder im Altersheim mit Senioren zu arbeiten. Obendrein hatte sie an allen fünf Grundschulen in der Stadt ein Leseprogramm initiiert.
All das könnte sie nach dem Vorfall von heute verlieren. Wenn die Leiterin der Krankenhausverwaltung bei Max anrief und Montana Hausverbot im Krankenhaus erteilte, würde ihr Chef sie feuern, denn ein großer Teil ihrer therapeutischen Arbeit fand dort statt. Wenn sie nicht mehr ins Krankenhaus gehen konnte, war sie für ihn kaum noch von Nutzen. Und was dann?
Sie wusste, dass sie allein dafür verantwortlich war. Max hatte klargestellt, dass Fluffy für das Programm nicht taugte, aber Montana hatte dem Hund noch eine Chance geben wollen.
Schon ihr ganzes Leben war Montana anders gewesen als andere. An ihren guten Tagen sagte sie sich, sie sei halt ein wenig schusselig. An ihren schlechten Tagen … nun ja, die Worte, die sie dann benutzte, waren sehr viel schlimmer als das.
Letztendlich aber spielte es keine Rolle, wie sie es nannte, anscheinend hatte sich bis heute nicht viel daran geändert. Nach wie vor war sie nicht in der Lage, einmal etwas wirklich richtig zu machen.
Binnen weniger Minuten war auf der Intensivstation die Ordnung wiederhergestellt. Simon Bradley verbannte die Eindringlinge aus seinem Kopf und setzte seine Visite fort. Die letzte Patientin an diesem Morgen war die, um die er sich die größten Sorgen machte. Die neunjährige Kalinda Riley war zwei Tage zuvor eingeliefert worden, nachdem der Gasgrill der Familie explodiert war. Kalinda war die Einzige, die dabei verletzt worden war.
Sie hatte Verbrennungen erlitten, die mehr als vierzig Prozent ihres Körpers bedeckten. Gestern hatte er sie operiert. Falls sie überlebte, wäre das nur die erste von vielen Operationen, und für den Rest ihres Lebens würde ihre Existenz durch die Verbrennungen geprägt. Er musste es schließlich wissen.
Ihre Eltern waren am Boden zerstört und hatten Angst. Sie wollten Antworten von ihm, die er ihnen nicht geben konnte. Erst in den nächsten Wochen würde sich zeigen, ob das kleine Mädchen überleben oder sterben würde. Simon rätselte nicht gern herum oder stellte Vermutungen an, aber dem Druck, der auf seiner Brust lastete, konnte er sich nicht entziehen.
„Dr. Bradley.“
Er lächelte Kalindas Mutter an. Mrs Riley war noch keine dreißig und wahrscheinlich hübsch, wenn sie nicht ganz blass vor lauter Angst und Sorgen war. Kalinda war ihr einziges Kind.
„Sie war ganz still“, fuhr die Mutter fort.
„Wir stellen sie ruhig, während sie heilt.“
„Eben war ein Hund hier.“
Simon verspannte sich. „Das wird nicht wieder vorkommen.“
Mrs Riley legte ihm eine Hand auf den Arm. „Sie hat die Augen aufgeschlagen, als sie den Tumult hörte. Dann wollte sie das Hündchen sehen.“
Simon wandte sich Kalindas Zimmer zu. Das Kind sollte nicht so wach sein. Er wollte sie untersuchen und ihre Medikation überprüfen.
„Hat sie etwas davon gesagt, dass sie Schmerzen hat?“, fragte er.
Später würde man ihr beibringen, mit ihren Beschwerden umzugehen. Das war das Wort dafür. Beschwerden. Nicht Qualen, Tortur oder Leiden, was passendere Bezeichnungen für eine schwere Verbrennung waren. Später würde sie bestimmte Atemtechniken, Meditationen und Visualisierungen erlernen. Vorläufig jedoch mussten Medikamente sie über Wasser halten. „Sie hat gesagt, sie würde das Hündchen gern im Arm halten.“
Er holte tief Luft. „Das war ein achtzig Pfund schwerer Köter, der in einem Krankenhaus nichts zu suchen hat.“
„Oh.“ Mrs Riley stiegen die Tränen in die Augen. „Wir hatten einen Hund. Einen kleinen Yorkie. Sie ist vor ein paar Monaten gestorben. Ich weiß, dass Kalinda sie schrecklich vermisst. Dabei fällt mir ein, dass ich mal etwas über Therapiehunde gelesen habe. Glauben Sie, das könnte helfen?“
Sie war eine Mutter, die ihr Kind liebte und alles tun würde, um ihm zu helfen und zu verhindern, dass es litt. Simon hatte das schon hundert Mal erlebt. Die große Liebe, die Eltern für ihre Kinder aufbrachten, erstaunte ihn immer wieder aufs Neue. Vielleicht, weil er sie selbst nie erfahren hatte.
Simon würde lieber Glas schlucken als ein schmutziges Tier auf seiner Station für Brandverletzte dulden, aber er wusste auch, dass die Heilkräfte des menschlichen Körpers sich oft aus unerwarteten Quellen speisten. Wenn Kalinda überleben sollte, bedurfte es schon eines mittelgroßen Wunders.
„Ich will sehen, was ich herausfinden kann“, versprach er und ging zum Zimmer seiner Patientin.
„Ich danke Ihnen.“ Tapfer lächelte Mrs Riley ihn durch die Tränen hindurch an. „Sie sind großartig.“
Er hatte sehr wenig getan. Die Chirurgie war ein erlerntes Handwerk, und die Gabe, die er diesen Fertigkeiten hinzufügte, war mit einem Preis verbunden, aber es war ein Preis, den er gerne zahlte. Er lebte für seine Patienten, um sie so weit wie menschenmöglich zu heilen. Anschließend zog er weiter. Zu der nächsten Tragödie. Dem nächsten Kind, dessen Leben durch das Zündeln einer Flamme in einem einzigen Lichtblitz auf den Kopf gestellt worden war.
„Du wirst deswegen nicht ins Gefängnis kommen“, stellte Max Thurman nachdrücklich fest.
„Sollte ich aber. Er hat recht. Was da passiert ist, war kriminell.“
Montana hatte fast eine Stunde lang Zeit gehabt, sich selbst zu geißeln, und jede Sekunde davon hatte sie genutzt. Ihr Wagemut angesichts des aufgebrachten Arztes war verflogen und ihr war kaum mehr geblieben als das Gefühl, alles vermasselt zu haben, und zwar so schlimm vermasselt wie überhaupt irgend möglich.
„Ganz schön dramatisch, was?“, fragte Max mit einem amüsierten Funkeln in den dunklen Augen. „Du nimmst das alles viel zu ernst.“
„Fluffy ist durch ein Krankenhaus gepest. Sie ist darin herumgerast, hat ein paar Rollwagen umgestoßen und ist schließlich auf der Verbrennungsstation gelandet.“
„Ich will damit nicht sagen, dass wir wild gewordene Tiere durch eine sterile Einrichtung rennen sehen wollen, aber es war ein Unfall, und der Verwaltungsleiterin zufolge ist kein Schaden entstanden. Du musst das alles ein wenig in die richtige Perspektive rücken.“
Sie saßen im Büro, einem hellen Raum an der Rückseite des Hauses, das Max gehörte. Auch die Gehege und Trainingseinrichtungen befanden sich auf seinem Grundstück. Montana war nicht besonders gut darin, beurteilen zu können, wie viel Land genau ein Hektar ausmachte, aber sie würde schätzen, dass Max mehr als ein paar davon besaß. Fest stand, sie brauchte gut drei Minuten mit dem Wagen von der Straße bis zu seinem Haus, was im Winter eine Herausforderung sein konnte.
„Du hättest diesen Arzt mal sehen müssen …“, murmelte sie und dachte dabei vor allem an seine Kälte. „Der war mehr als wütend.“
„Dann entschuldige dich doch.“
„Bei ihm?“ Den Kerl wollte sie nie wiedersehen. Das wäre jedenfalls das Beste für alle Beteiligten. „Aber du könntest doch die Verwalterin noch mal anrufen und ihr sagen, dass es mir wahnsinnig leidtut.“
Um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. „Das nenne ich mal ein sehr reifes Verhalten.“
„Du kennst sie doch.“
„Du genauso.“
„Sie steht auf dich.“ Bei allen Besprechungen, die sie miteinander hatten, konnte die Verwalterin gar nicht aufhören, Max anzustarren.
Montana fand, dass er ziemlich gut aussah, wenn auch – na ja – ein wenig alt. Er hatte stahlgraue Haare, markante Gesichtszüge und stechend blaue Augen. Groß und langgliedrig sah er aus wie ein Mann, der mit allem fertig wurde, und auch wenn er schon fast sechzig war, wirkte Max nicht nur jünger, sondern verhielt sich auch so.
„Wenn es dir so wichtig ist, musst du sie selbst anrufen“, erklärte er Montana. „Sie weiß, dass es ein Unfall war.“
„Dr. Stock-im-Arsch nicht“, murrte sie, allerdings ohne allzu viel Energie. Max hatte recht. Sie sollte schon selbst anrufen. „Ich werde mal ein bisschen mit den Hunden arbeiten und dabei versuchen, meinen Mut zusammenzunehmen“, sagte sie und verließ das Büro.
Draußen ging sie einfach quer über die große grüne Rasenfläche. Im Osten konnte sie die Berge sehen, die hoch in den blauen Himmel hinaufragten.
Max’ Anwesen lag am Stadtrand von Fool’s Gold, das in die Ausläufer der Sierra Nevada eingebettet war. Südlich von Reno und östlich von Sacramento gelegen war es eine schöne Landschaft mit mehreren Weingütern. Mitten im Stadtzentrum befand sich ein großer See, und nur wenige Meilen weiter die Straße hinauf konnte man im Winter Ski fahren.
Montana liebte ihre Stadt und sie liebte ihren Job. Sie wollte weder das eine noch das andere verlieren. Nicht, dass ihr jemand die Stadt nehmen könnte, aber trotzdem … Sie fühlte sich leicht angreifbar, denn trotz der Unterstützung, die sie von Max erfuhr, bedrückte sie, was Fluffy angestellt hatte. Besser gesagt, wovon sie Fluffy nicht hatte abhalten können.
Sie erreichte das große Freigehege, wo die Therapiehunde tagsüber frei herumlaufen, spielen oder auch nur in der Sonne dösen konnten. Als sie das Tor aufmachte, kamen sofort ein paar von ihnen angelaufen, um sie zu begrüßen, und sie verteilte kleine Streicheleinheiten und Umarmungen. Schließlich schaute sie Fluffy tief in die glücklichen braunen Augen.
„Max hat recht“, informierte sie den Hund. „Du bist als Therapiehund nicht zu gebrauchen.“
Fluffy wedelte mit dem Schwanz.
„Wir werden ein schönes Heim mit Kindern für dich finden. Mit Kindern wirst du dich gut verstehen. Die haben genauso viel Energie wie du.“
Sie wollte noch mehr sagen und hätte dem Hund gern erklärt, dass es nicht seine Schuld war; dass man manchmal etwas ausprobieren musste, um überhaupt herausfinden zu können, dass es einem nicht besonders gut lag. Aber bevor sie dazu kam, hörte sie einen Wagen vorfahren. Sie durchquerte das Freigehege und war überrascht, die Bürgermeisterin der Stadt aus dem Wagen steigen zu sehen.
Marsha Tilson war schon Bürgermeisterin in Fool’s Gold gewesen, da war Montana noch gar nicht geboren. Sie war eine warmherzige, fürsorgliche Person, die in ihrem Leben auf vieles verzichtet hatte, um dem Ort zu dienen.
„Ich hatte gehofft, dich hier zu finden“, rief sie, als sie Montana entdeckte. „Hast du einen Augenblick Zeit?“
„Natürlich.“
Montana verließ das Gehege und ging zu ihr. Die ältere Frau trug ein elegantes Kostüm und Perlen. Trotz der leichten Brise saß ihr weißes Haar perfekt. Im Unterschied dazu kam Montana sich ein bisschen schlampig vor, denn ihr Sommerkleid war letztes Jahr schon außer Mode gewesen und die Sandalen hatte sie vorhin im Auto sofort ausgezogen. Ihre Füße waren von den neuen Sandalen gezeichnet, und ein paar rot geschwollene Stellen versprachen, sich später in Blasen zu verwandeln.
„Hier im Zwinger haben wir ein Besprechungszimmer“, fuhr sie fort. „Reicht das? Oder sollen wir lieber zu Max ins Haus hochgehen?“
„Das Besprechungszimmer reicht völlig.“
Marsha folgte ihr über den Weg in das große Gebäude, das mit einem Büro, einem kleinen Badezimmer, einem Besprechungsraum, einer Kochnische und am Ende des Flurs mit großen Türen ausgestattet war, die zu den Gehegen führten.
„Möchtest du etwas trinken?“, fragte Montana, nachdem sie das Besprechungszimmer betreten hatten. An dem ovalen Tisch hatten zwölf Personen Platz, obwohl sich nur selten einmal so viele Leute zu einer Konferenz einfanden. „Wir haben Mineralwasser, aber ich kann auch einen Kaffee machen.“
„Nein danke, ich möchte nichts.“
Marsha wartete, bis Montana einen Stuhl herausgezogen hatte, bevor sie sich ihr gegenübersetzte.
„Du wirst dich wahrscheinlich fragen, weshalb ich hier bin“, begann die ältere Frau.
„Um mir Lotterielose zu verkaufen?“
Marsha lächelte. „Ich brauche deine Hilfe bei einem besonderen Projekt.“
Montanas erste spontane Reaktion waren Fluchtgedanken. Ein paar Monate zuvor hatte die Bürgermeisterin ihre Schwester Dakota gebeten, ihr bei einem besonderen Projekt behilflich zu sein. Das lief darauf hinaus, dass Dakota bei einer Realityshow als Vermittlerin zwischen der Stadt und dem Produzenten arbeiten musste. Dabei hatte Dakota die Liebe ihres Lebens getroffen, hatte ein Kind adoptiert, war schwanger geworden, hatte sich verliebt und inzwischen auch verlobt. Alles in allem eine sehr aufregende Zeit. Doch so viel Aufregung wollte Montana gar nicht in ihrem Leben haben.
Aber auch wenn es sie nervös machte, sich ein weiteres besonderes Projekt vorzustellen – davonlaufen kam überhaupt nicht infrage. Montana war eine Hendrix und gehörte somit zu den Gründerfamilien der Stadt. So etwas verpflichtete.
„Wie kann ich helfen?“, fragte Montana, wohl wissend, dass ihre Mutter stolz auf sie wäre.
Marsha beugte sich zu ihr vor. „Es gibt da einen Arzt, der für eine Weile unsere Stadt besucht. Ein begabter Chirurg. Er ist brillant, ein wenig schwierig, aber was er für die Menschen tun kann … Simon Bradley hat sich auf Patienten spezialisiert, die Verbrennungen erlitten haben. Darüber hinaus arbeitet er auch in der normalen plastischen Chirurgie. Wir werden ihn fast drei Monate lang hier haben. So macht er das … er reist von einem Ort zum anderen, vollbringt Wunder und zieht dann weiter. Ich will, dass er bleibt. Er wäre ein großer Gewinn für die Stadt.“ Montana runzelte die Stirn. „Hört sich wunderbar an, aber was kann ich dazu beitragen?“ Sie nahm an, dass Marsha wohl kaum von ihr erwartete, sich selbst Verbrennungen zuzufügen, um dem guten Doktor näherzukommen. Zweifellos war er der Typ, der …
Spontan fuhr sie hoch und wollte aufspringen, zwang sich aber, sitzen zu bleiben. Plötzlich empfand sie die Luft im Raum als leicht stickig. Gern hätte sie sich gesagt, dass das unmöglich sein konnte. Kein Mensch konnte so viel Pech haben. Aber sie wusste es besser.
„Du, ähm, hast gesagt, er ist neu in der Stadt?“, fragte sie.
„Ja. Er ist jetzt etwa eine Woche hier.“
Montana schluckte. „Hast du ihn schon kennengelernt?“
„Ja. Wie gesagt, er ist nicht gerade besonders redselig, aber er hat eine Begabung.“
„Hat er auch eine Narbe im Gesicht? Nur auf einer Seite?“
„Oh. Du kennst ihn.“
„Nicht wirklich. Aber ich hatte heute Morgen einen Zusammenstoß mit ihm. Buchstäblich.“
Montana erklärte, was geschehen war. Anstatt jedoch schockiert zu sein, musste Bürgermeisterin Marsha lachen.
„Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen“, gestand sie kichernd. „Ich nicht, allenfalls, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst.“ Montana seufzte. „So gern ich auch helfen würde, du siehst, warum ich die falsche Person bin.“
Marsha wurde wieder ernst. „Nicht wirklich.“ Sie beugte sich vor. „Du bist absolut die beste Person, die mir dazu einfällt.“
Montana wäre fast vom Stuhl gefallen. „Wieso das?“
„Das ist so ein Bauchgefühl. Besser kann ich es nicht erklären. Ich habe Dr. Bradley kennengelernt, und er hat etwas.“
„Ja, einen Stock im Arsch“, murmelte Montana leise. „Er ist jetzt schon wütend auf mich. Wäre dir nicht jemand ohne so eine unglückliche Vorgeschichte lieber?“
„Ich will dich. Sei einfach so normal und charmant wie immer. Freunde dich mit ihm an. Zeig ihm die Stadt, nimm ihn vielleicht mal mit nach Hause, damit er deine Familie kennenlernt. Hilf ihm zu erkennen, dass Fool’s Gold ein wundervoller Ort ist, in dem man gut leben kann.“
Die Bürgermeisterin richtete sich auf. „Ich brauche dich, Montana, und dasselbe gilt für die Stadt.“
Montana hätte gern noch weitere Gründe ins Feld geführt, um klarzustellen, warum das ein Fehler war, aber die Bürgermeisterin hatte die magischen Worte bereits gesprochen. In Fool’s Gold gehörte es zum guten Ton, der Stadt und seinen Bewohnern etwas zurückzugeben. Wenn man um etwas gebeten wurde, sagte der gute Bürger Ja. Selbst dann, wenn er es in Wirklichkeit absolut nicht wollte.
„Ich werde mit ihm reden“, versprach sie daher. „Aber wenn er mich dann immer noch nicht ausstehen kann, wirst du dir jemand anderen suchen müssen.“
Beim besten Willen konnte sie sich nicht vorstellen, unter welchen Umständen Dr. Simon Bradley sich wünschen könnte, Zeit mit ihr zu verbringen. Von daher hatte ihr Versprechen auch nicht ganz so viel Gewicht.
„Einverstanden“, sagte die Bürgermeisterin und stand auf. „Wenn der gute Doktor nichts mit dir zu tun haben will, werde ich jemand anderen suchen.“
Auch Montana stand auf und gemeinsam gingen sie zur Tür.
„Ich freue mich, dass du dir die Haare wachsen lässt“, sagte Marsha. „Das macht es so viel leichter, zu erkennen, welcher Drilling wer ist. Ich selbst habe zwar nicht das geringste Problem, euch drei auseinanderzuhalten, aber ich habe Klagen gehört.“
Lachend fasste Montana an ihre Haare, die schon halb den Rücken hinunterreichten. „Im Ernst? Die Leute haben sich beklagt?“
„Du hast ja keine Ahnung, womit ich mich tagtäglich herumschlagen muss.“
Montana begleitete sie hinaus. „Letztes Jahr waren meine Haare dunkel. Das hätte doch helfen müssen.“
„Hat es auch, aber mir gefällt dein natürlicher blonder Farbton besser.“ Während sie sprach, musterte die Bürgermeisterin ihr Gegenüber nachdenklich. „Ich frage mich, ob Simon wohl auf Blondinen steht.“
Abwehrend hob Montana die Hände. „Wie weit genau soll ich eigentlich gehen, um ihn davon zu überzeugen, in der Stadt zu bleiben?“
Wieder lachte Bürgermeisterin. „Deine Tugend musst du nicht opfern, falls es das ist, was du wissen willst.“
Tugend wie in … Tugend? Na, der Zug war bereits vor einigen Jahren abgefahren, aber Montana hatte nicht vor, das mit einer Frau zu diskutieren, die alt genug war, um ihre Großmutter zu sein.
„Ich werde mein Bestes geben“, sagte sie stattdessen.
„Das ist alles, worum ich dich bitte.“
Nachdem die Bürgermeisterin gefahren war, kehrte Montana ins Freigehege zurück und arbeitete mit den Hunden. Max war ein großer Anhänger von regelmäßiger Bestärkung. Von Therapiehunden wurde erwartet, dass sie sich gut zu benehmen wussten und gut ausgebildet waren. Daher arbeitete Montana zweimal am Tag mit den Hunden, die sich noch in der Ausbildung befanden, und die erfahreneren Mitglieder des Teams ließ sie ein paar Mal in der Woche eine Abfolge unterschiedlicher Übungen durchlaufen.
Aber die Arbeit mit den Hunden bedeutete auch, dass sie über die ungewöhnliche Bitte der Bürgermeisterin nicht nachdenken musste. Montana wusste, sie würde ihr Bestes geben müssen, hatte jedoch buchstäblich keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte. Wahrscheinlich wäre es ein guter Anfang, bei besagtem Mann Abbitte zu leisten.
Gegen Mittag ging sie ins Haus, um Max Bescheid zu sagen, dass sie zum Lunch in die Stadt fuhr und in einer Stunde wieder zurück wäre. Als ihr Boss sie sah, grinste er.
„Rate mal, wer angerufen hat.“
„Die Lottozentrale? Ich habe zwanzig Millionen Dollar gewonnen?“
Max lachte. „Nicht ganz. Dr. Simon Bradley hat mir gesagt, er würde gern heute Nachmittag vorbeikommen.“
Schlagartig war Montana der Appetit vergangen, und sie musste sich sehr anstrengen, um nicht vernehmbar zu wimmern. „Warum?“
„Er will mit dir reden.
„Mit mir reden oder mich steinigen?“
„Er hat gesagt, reden. Vielleicht war er gar nicht so sauer, wie du geglaubt hast.“
Oh, der war mehr als sauer, dachte Montana auf dem Weg zum Auto. Die Frage war nur, was er sich als Bestrafung für sie ausgedacht hatte.