Emily  Brontë

Sturmhöhe

Roman

Aus dem Englischen von Gisela Etzel

 

Impressum

Titel der Originalausgabe
Wuthering Heigths

 

Die Übersetzung wurde anhand des Originals von Ilka Saal und Gerhard Wolf durchgesehen, ergänzt und behutsam modernisiert.

 

ISBN 978-3-8412-0066-2

 

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, 2010

Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Copyright © Aufbau Media GmbH, Berlin, 2005

 

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Inhaltsübersicht

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

XXI.

XXII.

XXIII.

XXIV.

XXV.

XXVI.

XXVII.

XXVIII.

XXIX.

XXX.

XXXI.

XXXII.

XXXIII.

XXXIV.

 

Emily Bronte,

Ausschnitt aus einem Gemälde ihres Bruders

Branwell Bronte.

I.

1801. – Ich bin soeben von einem Besuch bei meinem Hauswirt zurückgekehrt – dem einsiedlerischen Nachbarn, mit dem ich mich nun abgeben muß. Wirklich, dies ist ein prächtiges Land! In ganz England, glaube ich, hätte ich keine andere Gegend gefunden, die so völlig dem Getriebe der Gesellschaft entrückt ist. Für den Misanthropen ein wahres Eden! Und Mr. Heathcliff und ich sind so recht ein passendes Paar, diese Einsamkeit miteinander zu teilen. Ein kapitaler Kerl! Wie argwöhnisch er die schwarzen Augen zusammenkniff, als ich bei ihm vorritt, und wie mißtrauisch er die Hände tiefer in die Jackentaschen bohrte, als ich meinen Namen nannte! Das gewann ihm gleich mein Herz, wovon er freilich nichts ahnen mochte.

»Mr. Heathcliff?« fragte ich.

Er nickte.

»Mr. Lockwood, Ihr neuer Mieter«, stellte ich mich vor. »Ich gebe mir die Ehre, mein Herr, Sie sobald als möglich nach meiner Ankunft aufzusuchen, um die Hoffnung auszusprechen, daß ich Sie in meinem beharrlichen Bemühen, Thrushcross Grange als Wohnsitz zu erlangen, nicht etwa belästigt habe; ich hörte gestern, Sie hätten daran gedacht –«

»Thrushcross Grange gehört mir«, unterbrach er mich ausweichend. »Würde niemandem erlauben, mich zu belästigen, soweit ich es verhindern könnte –. Treten Sie ein!«

Das »treten Sie ein« war mit zusammengepreßten Zähnen gemurmelt worden und drückte den Gedanken aus: »Geh zum Teufel!« Selbst das Tor, an dem er lehnte, ließ seinen Worten keine einladende Bewegung folgen. Und dieser Umstand, glaube ich, veranlaßte mich, der Aufforderung Folge zu leisten. Ich fühlte Interesse für einen Mann, der noch unzugänglicher zu sein schien, als ich selbst es war.

Als er sah, daß die Brust meines Pferdes sich gegen das Tor preßte, zog er eine Hand hervor und öffnete. Dann ging er mürrisch vor mir die Allee hinauf. Als wir den Hof betraten, rief er: »Josef, nimm Mr. Lockwoods Pferd und bring Wein herauf«.

Aha, da haben wir anscheinend das gesamte Dienstpersonal, schloß ich aus diesem bündigen Auftrag. Kein Wunder, daß zwischen den Pflastersteinen Gras wächst und daß nur das liebe Vieh für das Beschneiden der Hecken sorgt.

Josef war ein ältlicher, nein, ein alter Mann; sehr alt vielleicht, obschon stark und sehnig. »Gott helf uns!« murmelte er leise und sichtlich mißvergnügt, als er mir vom Pferd half. Dabei sah er mich mit so sauerer Miene an, daß ich mitleidig vermutete, er bedürfe, um sein Mittagessen zu verdauen, tatsächlich göttlicher Hilfe und sein frommer Ausruf habe zu meiner unerwarteten Ankunft keine Beziehung.

Wuthering Heights, Sturmheidhof, heißt Mr. Heathcliffs Wohnort; der Name soll den atmosphärischen Tumult bezeichnen, dem dieser Ort bei stürmischem Wetter ausgesetzt ist. Einen reinen, stärkenden Luftzug müssen sie dort in der Tat haben. Man kann sich die Gewalt des um die Ecken des Gutshofs blasenden Nordwinds vorstellen, wenn man die schiefe, geduckte Haltung der paar verkümmerten Föhren, die hinter dem Haus stehen, betrachtet und die Reihe dürrer Dornbüsche, die alle ihre Glieder nach einer Richtung drehen, als erbettelten sie Almosen von der Sonne. Glücklicherweise hatte der Baumeister Voraussicht genug, ein festes Haus aufzurichten. Die schmalen Fenster sind tief in die Mauern eingelassen und die Hausecken sind mit gewaltigen Ecksteinen verteidigt.

Ich blieb ein Weilchen auf der Schwelle stehen, um die reichen Ornamente der Vorderseite, die besonders verschwenderisch das Haupttor umrahmten, zu betrachten. Über dem Portal entdeckte ich unter einer Vielzahl zerbröckelnder Greife und schamloser kleiner Buben die Jahreszahl 1500 und den Namen Hareton Earnshaw. Ich hätte gern einige Fragen gestellt und den Eigentümer um eine kurze Geschichte des Ortes gebeten, aber seine Haltung an der Tür schien mein schleuniges Eintreten oder gänzliches Verschwinden zu erwarten, und ich hatte keine Lust, seine Laune zu verschlimmern – wenigstens nicht ehe ich das Hausinnere besichtigt hatte.

Ein Schritt brachte uns – nicht etwa in den Flur, sondern geradewegs in das Wohnzimmer, das hier meistens »Diele« genannt wird. Es dient für gewöhnlich sowohl als Küche wie als Wohnraum. Aber auf Wuthering Heights hatte die Küche sich wohl in einen anderen Teil des Hauses zurückziehen müssen, denn ich vernahm tief aus dem Inneren Stimmengeplapper und das Klirren von Küchengeräten; auch bemerkte ich hier am großen Herd keine Spuren des Kochens, Bratens oder Backens, und an den Wänden hingen keine kupfernen Pfannen und blechernen Siebe. Eine Wand allerdings erstrahlte in prächtigen Lichtreflexen; hier türmte sich auf einem riesigen eichenen Büfett Reihe über Reihe zinnerner Schüsseln, zwischen denen silberne Kannen und Becher standen, bis zur Decke empor. Diese war nie getüncht worden: ihre gesamte Balkenstruktur bot sich nackt den forschenden Blicken dar, ausgenommen dort, wo ein mit Haferbroten und Schweineschinken hoch beladenes Hängebrett sie verbarg. Über dem Kamin hingen mehrere herkömmliche alte Flinten und einige Reiterpistolen; auf dem Sims standen als einziger Schmuck drei bunt bemalte Blechbüchsen. Den Fußboden bildeten glatte weiße Steinfliesen. Die einfachen hochlehnigen Stühle waren grün gestrichen. Ein oder zwei schwarze Lehnsessel verbargen sich im Schatten. In einem Bogen unter dem Büfett lag eine riesige rehfarbene Pointer-Hündin, umringt von einer Schar quiekender Jungen. Und weitere Hunde streckten sich auf anderen Lagerplätzen aus.

Der Raum samt Einrichtung hatte durchaus nichts Auffallendes, nur hätte er einem schlichten Bauern von steifer Haltung und stählernen Gliedmaßen, der in Kniehosen und Stulpenstiefeln seiner Arbeit nachgeht, gehören sollen. Solch einen Bauern, behäbig im Armstuhl sitzend, den schäumenden Bierkrug vor sich auf dem runden Tisch, kann man zwischen den Heidhügeln im Umkreis von fünf, sechs Meilen überall finden, wenn man nur rechtzeitig nach Tisch aufbricht. Mr. Heathcliff aber steht in zu seltsamem Kontrast zu seiner Behausung und Lebensweise. Er ist dem Äußeren nach ein schwarzer Zigeuner, nach Kleidung und Manieren ein Edelmann; das heißt, ein Edelmann wie die anderen Gutsbesitzer auch: ziemlich ungepflegt vielleicht, auch ziemlich mürrisch, und doch infolge seiner aufrechten und wohlgebildeten Figur nicht übel wirkend. Möglich, daß manche Leute ihn etwas dummstolz finden, mir sagt eine innere Stimme, daß er das nicht ist. Ich fühle vielmehr instinktiv: seine Zurückhaltung entspringt einem Widerwillen gegen übermäßige Gefühlsäußerungen – gegen gegenseitige Freundlichkeitsbezeigungen. Gewiß wird auch er lieben und hassen, aber im geheimen; würde man ihn jedoch wiederlieben oder -hassen, so würde er das wahrscheinlich als Impertinenz betrachten.

Nein, ich gehe doch zu weit. Ich bedenke ihn zu freigebig mit meinen eigenen Attributen. Wenn Mr. Heathcliff sich einer oberflächlichen Bekanntschaft gegenüber reserviert verhält, so mag er ganz andere Gründe dafür haben, als ich im gleichen Falle hätte. Mein Charakter ist, wie ich hoffe, ziemlich einzigartig. Meine liebe Mutter pflegte zu sagen, ich würde nie ein behagliches Heim haben; und erst letzten Sommer bewies ich mich eines solchen vollkommen unwürdig.

Während ich am Meeresstrand einen sonnigen Monat genoß, brachte mich der Zufall in die Gesellschaft eines berückenden Geschöpfes: in meinen Augen eine Göttin – solange sie mich beachtete. Ich sprach meine Liebe niemals aus; dennoch – wenn Blicke reden könnten, so hätten die meinigen selbst einem Idioten verraten, daß ich bis über die Ohren verliebt war. Sie verstand mich schließlich und schickte Antwort: den denkbar süßesten aller Blicke. Und was tat ich? Ich bekenne es schamvoll: ich zog mich frostig in mich selbst zurück, wie eine Schnecke, – mehr und mehr nach jedem Augenaufschlag; bis endlich die arme Unschuld ihren eigenen Sinnen nicht mehr traute und, über ihren vermeintlichen Irrtum ganz niedergeschmettert und verwirrt, ihre Mutter überredete, das Feld zu räumen. Dies mein seltsames Benehmen brachte mich in den Ruf mutwilliger Herzlosigkeit; wie unverdient, weiß allein ich zu beurteilen.

Ich setzte mich in der Nähe des Herdes auf einen Stuhl, demjenigen gegenüber, dem sich mein Hauswirt zuwandte, und wollte eine Gesprächspause durch den Versuch, die Hundemutter zu streicheln, ausfüllen; sie hatte ihre Kinderstube verlassen und schlich mit gekräuselter Oberlippe und fletschenden Zähnen hinten um meine Beine herum. Meine Liebkosung veranlaßte sie zu einem langen Knurren.

»Sie täten besser, den Hund in Ruh zu lassen«, grollte Mr. Heathcliff und versetzte dem Tier sogleich einen Fußtritt. »Sie ist nicht gewöhnt, verhätschelt zu werden. Ist kein Schoßhündchen.« Dann wandte er sich einer Seitentür zu und rief wieder: »Josef!«

Josef antwortete aus den Tiefen des Kellers mit unverständlichem Gemurmel, kam aber nicht herauf. So tauchte sein Herr zu ihm hinunter und ließ mich mit der rauflustigen Hündin und einem Paar grimmiger zottiger Schäferhunde allein, die gemeinsam alle meine Bewegungen mißtrauisch überwachten. Ich hatte keine Lust, die Bekanntschaft ihrer Raubtiergebisse zu machen, und saß daher still. Da ich aber annahm, daß sie mimische Beleidigungen nicht bemerken würden, begann ich unglücklicherweise dem Trio Fratzen zu schneiden, und irgendein Ausdruck meines Gesichtes irritierte Madame derart, daß sie plötzlich in Wut ausbrach und auf meine Knie sprang. Ich schüttelte sie ab und beeilte mich, den Tisch zwischen uns zu rücken. Dies Vorgehen brachte die ganze Bande auf die Beine: ein halb Dutzend vierfüßiger Feinde, jeder Größe und jeden Alters, sprang aus verborgenen Winkeln in die Mitte des Raumes. Meine Absätze und Rockschöße bildeten ihre Angriffspunkte. Die größeren Streiter wehrte ich, so gut ich konnte, mit dem Schüreisen ab, doch war ich gezwungen, laut um den Beistand eines der Hausbewohner zu rufen, damit der Friede wiederhergestellt werde.

Mr. Heathcliff und sein Diener erstiegen die Kellertreppe mit empörender Langsamkeit. Ich glaube nicht, daß sie es um eine Sekunde eiliger hatten als sonst, obwohl im Wohnzimmer ein wahrer Sturm tobte. Glücklicherweise war ein Wesen aus der Küchenregion schneller: eine resolute Person mit hochgeschürztem Kleid, nackten Armen und feuergeröteten Backen stürzte, eine Bratpfanne schwingend, in unsere Mitte und machte von dieser Waffe und ihrer Zunge so ausgiebigen Gebrauch, daß der Aufruhr wie mit einem Zauberschlag sich legte und nur sie zurückblieb, hochatmend wie das Meer im Sturm. Da betrat ihr Herr die Szene.

»Was zum Teufel ist denn hier los?« fragte er, mich in einer Weise fixierend, die ich nach dieser ungastlichen Behandlung nur schlecht vertragen konnte.

»Ja zum Teufel, was wohl!« brummte ich. »Ihre Bestien sind ja wie besessen, Herr; Sie könnten einen Fremden ebensogut mit einer Brut von Tigern allein lassen!«

»Um Leute, die keine Gegenstände anfassen, kümmern sie sich nicht«, bemerkte er, stellte die Flasche vor mich hin und rückte den Tisch wieder an seinen Platz. »Es ist gut, daß die Hunde wachsam sind. – Ein Glas Wein gefällig?«

»Nein, danke.«

»Doch nicht etwa gebissen, wie?«

»Wenn ich es wäre, so wäre es dem Beißer übel ergangen.«

Heathcliffs Antlitz erheiterte sich zu einem Grinsen.

»Nun, nun«, sagte er, »Sie sind aufgeregt, Mr. Lockwood. Hier, trinken Sie ein Glas Wein. Gäste sind in diesem Haus so außerordentlich selten, daß ich und meine Hunde, wie ich gern zugebe, sie kaum zu empfangen verstehen. Auf Ihr Wohl, Herr!«

Ich verneigte mich und erwiderte den Tost, denn ich begann einzusehen, daß es albern war, wegen des schlechten Betragens von ein paar Kötern verdrießlich zu sein. Außerdem war ich nicht geneigt, den alten Gesellen auf meine Kosten noch weiter zu amüsieren. Er – wahrscheinlich einsichtsvoll erkennend, wie unklug es sei, einen guten Mieter zu kränken – mäßigte etwas seine lakonische Art und kam auf eine Sache zu sprechen, die, wie er meinte, von Interesse für mich wäre. Er brachte das Gespräch auf die Vor- und Nachteile meines gegenwärtigen Aufenthaltsortes. Er behandelte dies Thema sehr gewandt, und ehe ich heimkehrte, fühlte ich mich ermutigt genug, für morgen einen zweiten Besuch zu planen. Er selbst wünschte offenbar keineswegs, nochmals durch mich belästigt zu werden; ich werde dessen ungeachtet hingehen. Es ist erstaunlich, wie gesellig ich mir vorkomme im Vergleich zu ihm.

II.

Neblig und kalt setzte der gestrige Nachmittag ein. Ich hatte so halb und halb die Absicht, ihn am warmen Ofen meines Arbeitszimmers zu verbringen, anstatt über Hügel und Moor nach Wuthering Heights zu traben. Als ich jedoch nach Tisch (notabene – ich speise um ein Uhr; die Haushälterin, eine redliche Frau, die als Erbstück mit dem Haus alt geworden, konnte oder wollte meinen Wunsch, gegen fünf Uhr zu dinieren, nicht verstehen) – als ich also nach Tisch mit diesem Vorhaben die Treppe hinaufstieg und das Zimmer betrat, fand ich dort eine Dienstmagd, die, von Besen und Kohleneimern umgeben, vor dem Feuer kniete und höllischen Staub und Rauch aufwirbelte, indem sie die Flammen durch fortwährendes Nachschütten von Kohlen erstickte. Dieser Anblick trieb mich augenblicklich wieder zurück. Ich nahm meinen Hut, und nach einem Gang von vier Meilen erreichte ich Heathcliffs Gartentor, gerade noch rechtzeitig, um den ersten flaumigen Flocken eines Schneetreibens zu entkommen.

Auf dieser kalten Hügelhöhe war die Erde vom Frost hartgefroren, und die Luft ließ mich an allen Gliedern beben. Da es mir nicht möglich war, die Kette zu lösen, sprang ich über den Zaun, rannte die gepflasterte und mit Stachelbeersträuchern eingefaßte Allee hinauf und pochte um Einlaß, bis meine Knöchel schmerzten und die Hunde heulten. Aber es war vergeblich.

»Nichtswürdige Insassen!« stieß ich in Gedanken hervor, »für eure grobe Ungastlichkeit verdient ihr gänzliche Isolierung von der Menschheit. Zumindest würde ich nicht auch noch während des Tages meine Tür verriegelt halten. Aber was kümmert es mich. Ich werde auch so hineinkommen.«

Entschlossen ergriff ich die Klinke und rüttelte heftig daran. Josefs saures Gesicht blickte aus einem der runden Stallfenster.

»Wat ’s los?« schrie er. »De Här is drunnen uf der Schafweid. Geht ’nunner, wann ’r mit ihm sprechen wollt.«

»Ist niemand im Haus, um die Tür zu öffnen?« rief ich als Antwort.

»Da is niemand als die Fraa, un die macht nit uff, und wann ’r Eich bis in d’ Nacht abschinnen dut.«

»Warum? Können Sie ihr denn nicht sagen, wer ich bin? He, Josef?«

»Ich bedank mich davor! Ich will nix damit z’ dun han«, brummte er und zog den Kopf zurück.

Es begann stärker zu schneien. Ich erfaßte die Klinke, um einen neuen Versuch zu machen, als ein junger Mann ohne Rock, eine Mistgabel schulternd, hinten im Hof erschien. Er rief mir zu, ihm zu folgen, und nachdem wir eine Waschküche und einen gepflasterten Vorraum durchschritten hatten, auf dem sich ein Kohlenschuppen, ein Brunnen und ein Taubenhaus befanden, erreichten wir schließlich das große, warme, liebenswürdige Gemach, in dem man mich gestern empfangen hatte. Es glühte herrlich im Glanz eines mächtigen Feuers, das aus einem Berg von Holz, Torf und Kohlen hervorloderte. Und nahe dem Tisch, der mit einem reichlichen Nachtmahl besetzt war, bemerkte ich zu meiner Freude die »Fraa«, eine Persönlichkeit, deren Existenz ich bisher durchaus nicht vermutet hatte. Ich verbeugte mich und wartete, da ich annahm, sie würde mich auffordern, Platz zu nehmen. Sie lehnte sich jedoch in ihren Stuhl zurück und sah mich an – und blieb regungslos und stumm.

»Rauhes Wetter!« bemerkte ich. »Ich fürchte, Mrs. Heathcliff, die Tür leidet unter der nachlässigen Aufmerksamkeit Ihrer Dienstboten: ich hatte es schwer, mich bemerkbar zu machen.«

Sie öffnete nicht den Mund. Ich starrte sie an – wie sie mich; wenigstens ruhten ihre Blicke auf mir, kühl und gleichgültig und verwirrend.

»Setzen Sie sich«, sagte der junge Mann barsch. »Er wird bald kommen.«

Ich gehorchte; und ich räusperte mich und rief die niederträchtige Juno, die bei dieser zweiten Begegnung die äußerste Spitze des Schwanzes zu bewegen geruhte, gewissermaßen zum Zeichen, daß sie meine Bekanntschaft anerkannte.

»Ein schönes Tier!« begann ich wieder. »Gedenken Sie sich von den Kleinen zu trennen, gnädige Frau?«

»Sie sind nicht mein«, sagte die liebenswürdige Wirtin, abweisender als selbst Heathcliff geantwortet hätte.

»Ah, dies sind Ihre Lieblinge?« fuhr ich fort, mich nach einem dunklen Kissen wendend, auf dem, wie mir schien, junge Katzen lagen.

»Merkwürdige Lieblinge!« sagte sie verächtlich.

Unglücklicherweise war es ein Haufen toter Kaninchen. Ich räusperte mich nochmals und rückte näher zum Feuer, meine Bemerkung über das schlechte Wetter wiederholend.

»Sie hätten nicht herkommen sollen«, sagte sie, indem sie sich erhob und nach den bemalten Büchsen auf dem Kaminsims langte.

Sie hatte bisher im Schatten gesessen, jetzt erst hatte ich einen klaren Anblick ihrer Gestalt und ihres Gesichtes. Sie war schlank und anscheinend noch sehr jung: eine herrliche Figur und das entzückendste kleine Gesicht, das ich je gesehen hatte; feine Züge, sehr blond; flachsfarbene, nein goldene Locken, lose auf den zarten Hals niederfallend, und Augen, die, wenn sie freundlich geblickt hätten, unwiderstehlich gewesen wären. Zum Glück für mein empfängliches Herz schwankte ihr Ausdruck nur zwischen Verachtung und einer Art Verzweiflung, die für diese jungen Augen außerordentlich befremdend war.

Die Büchsen waren fast unerreichbar für sie. Ich machte eine Bewegung, ihr zur Hilfe zu kommen. Sie drehte sich zu mir um, zornig wie ein Geizhals, dem jemand den Vorschlag gemacht hat, ihm ein wenig beim Zählen seines Geldes zu helfen.

»Ich brauche Ihre Hilfe nicht«, fuhr sie mich an, »ich kann sie allein herunterholen.«

»Ich bitte um Verzeihung!« beeilte ich mich zu erwidern.

»Hat man Sie zum Tee gebeten?« fragte sie, vor ihr sauberes schwarzes Kleid eine Schürze bindend, und beugte sich mit einem Löffel Teeblätter über den Topf.

»Ich würde mich freuen, eine Tasse zu bekommen«, antwortete ich.

»Hat man Sie eingeladen?« wiederholte sie.

»Nein«, sagte ich lächelnd, »aber Sie sind ja die geeignete Person, dies nachzuholen.«

Sie warf Tee und Löffel fort, nahm ihren Stuhl wieder ein und runzelte die Stirn und schob die Unterlippe vor, wie ein Kind, das weinen will.

Nun stellte sich der junge Mann, der sich inzwischen einen arg fadenscheinigen Rock übergeworfen hatte, vor dem Feuer auf und blickte mich von der Seite an, als bestände zwischen uns eine tödliche Feindschaft. Mir kamen Zweifel, ob er nur ein Dienstbote sei. Seine Kleidung war ordinär, und seine Sprechweise entbehrte völlig jener Überlegenheit, die Mr. und Mrs. Heathcliffs Benehmen zeigte. Seine dicken braunen Locken waren rauh und ungepflegt, sein Bart verwildert und seine Hände gebräunt, wie diejenigen eines gewöhnlichen Arbeiters. Dennoch war sein Benehmen frei, fast hochmütig, und er bezeigte der Dame des Hauses keine dienstbotenhafte Aufmerksamkeit. In Ermangelung klarer Beweise für seine Stellung schien es mir geraten, sein seltsames Betragen nicht zu bemerken, und fünf Minuten später befreite mich das Eintreten Heathcliffs zumindest teilweise aus meiner unbehaglichen Situation.

»Sie sehen, mein Herr, ich bin meinem Versprechen gemäß gekommen!« rief ich munter; »und ich fürchte, das Wetter wird mich für eine halbe Stunde hier festhalten, falls Sie mir für diese Zeit Unterkunft gewähren können.«

»Halbe Stunde?« sagte er, die weißen Flocken von seinen Kleidern schüttelnd. »Sollte mich wundern, wenn Sie Lust hätten, durch den dicken Schneesturm zu wandern. Wissen Sie, daß Sie Gefahr laufen, sich in den Sümpfen zu verirren? Selbst Leute, die mit den Mooren hier gut bekannt sind, verlieren an solchen Abenden häufig den Weg. Und ich kann Ihnen sagen, es besteht vorläufig keine Aussicht auf einen Wetterumschlag.«

»Vielleicht könnte einer Ihrer Leute mich führen und bis zum Morgen auf Thrushcross Grange bleiben – könnten Sie einen entbehren?«

»Nein, keinen.«

»O – –. Nun gut, dann muß ich mich eben auf meinen eigenen Spürsinn verlassen.«

»Hm!«

»Gibt’s bald Tee?« fragte der mit dem schäbigen Rock und wandte seinen grimmigen Blick von mir zu der jungen Dame.

»Soll er welchen haben?« fragte sie, sich an Heathcliff wendend.

»Mach ihn schon fertig, hörst du!« war die grobe Antwort, die mich zusammenfahren ließ. Der Ton, in dem dies gesagt wurde, verriet ein wahrhaft böses Naturell. Ich sah mich nicht weiter veranlaßt, Heathcliff einen prächtigen Kerl zu nennen.

Als die Vorbereitungen beendet waren, lud er mich mit einem »Nun, Herr, rücken Sie Ihren Stuhl heran« ein. Und wir alle, einschließlich des bäurischen Jünglings, setzten uns zu Tisch. Es herrschte finsteres Schweigen, während wir aßen und tranken.

Ich dachte, wenn ich diese Wolke heraufbeschworen habe, so muß ich einen Versuch machen, sie wieder zu vertreiben. Sie konnten doch nicht alle Tage so grimmig und stumm dasitzen: so übellaunig diese Menschen auch sein mochten, schien es mir doch undenkbar, daß sie dies böse Stirnrunzeln alltäglich zur Schau trugen.

»Es ist merkwürdig«, begann ich also, während ich mir eine zweite Tasse Tee einschenken ließ, »es ist merkwürdig, wie die Gewohnheit unseren Geschmack und unsere Anschauungen beeinflussen kann. Viele könnten nicht begreifen, daß ein so völlig von der Welt abgeschlossenes Leben, wie Sie, Mr. Heathcliff, es führen, noch Freude bieten könne. Trotzdem wage ich zu sagen, daß Sie, umgeben von Ihrer Familie und an der Seite Ihrer liebenswürdigen Gefährtin, dieser gute Geist über Ihr Herz und Heim …«

»Meine liebenswürdige Gefährtin!« unterbrach er mich mit einem diabolischen Grinsen. »Wo ist sie – meine liebenswürdige Gefährtin?«

»Mrs. Heathcliff, Ihre Gattin, meine ich.«

»So, ja – o, Sie wollen andeuten, daß ihr Geist gewissermaßen als Engel Wuthering Heights bewacht, wenn auch ihr Leib dahingegangen ist. Habe ich Sie recht verstanden?«

Meinen Irrtum gewahrend, versuchte ich, ihn wiedergutzumachen. Ich hätte sehen können, daß ein zu großer Altersunterschied zwischen den beiden bestand, um es glaubhaft erscheinen zu lassen, daß sie Mann und Frau seien. Er war ungefähr vierzig, ein Alter, in dem der Mann sich selten der Täuschung hingibt, daß ein junges Mädchen ihn aus Liebe heirate. Der Traum ist dem Greisentum aufgespart.

Sie sah nicht älter aus als siebzehn.

Dann fiel mir blitzartig ein: der Tölpel an meiner Seite, der seinen Tee aus der Untertasse schlürft und sein Brot mit ungewaschenen Händen ißt, könnte ihr Mann sein – Heathcliff junior selbstredend. Da hat man die Folgen des Lebendigbegrabenseins. Sie hat sich an diesen Bauern weggeworfen aus purer Unkenntnis dessen, daß bessere Männer existieren! Wie schade – hoffentlich werde ich nicht die Veranlassung werden, daß sie ihre Wahl bereut. Diese letzte Betrachtung klingt vielleicht etwas dünkelhaft; sie ist es nicht. Mein Nachbar erschien mir beinahe abstoßend. Dagegen wußte ich aus Erfahrung, daß ich ziemlich anziehend war.

»Mrs. Heathcliff ist meine Schwiegertochter«, sagte Heathcliff, meine Vermutung bestätigend. Dabei warf er ihr einen sonderbaren Blick zu – einen Blick voll tiefsten Hasses; es sei denn, daß seine Augen nicht wie die Augen anderer Menschen die Sprache der Seele sprachen.

»Ah gewiß, jetzt verstehe ich: Sie sind der glückliche Besitzer dieser gütigen Fee«, bemerkte ich, mich meinem Nachbar zuwendend.

Der Bursche wurde blutrot und ballte die Faust. Er schien handgreiflich werden zu wollen. Doch faßte er sich schnell wieder und beruhigte den Sturm in seinem Inneren durch halblaute Verwünschungen gegen mich, die ich jedoch nicht beachtete.

»Kein Glück in Ihren Mutmaßungen, Herr«, sagte mein Gastgeber; »keiner von uns hat das Vorrecht, Ihre gute Fee sein eigen zu nennen; ihr Mann ist tot. Ich sagte, sie sei meine Schwiegertochter, so muß sie also meinen Sohn geheiratet haben.«

»Und dieser junge Mann hier ist –«

»Nicht mein Sohn, gewiß nicht.«

Heathcliff lächelte wieder, als sei es doch ein zu kühner Scherz, ihm die Vaterschaft über diesen ungeschlachten Bären zuzumuten.

»Mein Name ist Hareton Earnshaw«, grollte der andere, »und ich möcht Ihnen raten, ihn zu achten!«

»Ich habe keine Mißachtung gezeigt«, war meine Antwort, während ich heimlich über die Würde lachte, mit der er sich vorstellte.

Er heftete den Blick auf mich, länger als mir daran lag, ihn zu erwidern, denn ich fürchtete in Versuchung zu kommen, ihm entweder ein paar herunterzuhauen oder meine Heiterkeit laut werden zu lassen. Ich begann, mich in diesem liebenswürdigen Familienkreis unaussprechlich überflüssig zu fühlen.

Das körperliche Wohlbehagen, das der warme Raum bereitete, ging völlig in der unerquicklichen Stimmung unter, die diese Menschen zu verbreiten wußten. Ich beschloß, mich wohl zu hüten, ein drittes Mal dieses Dach über meinem Haupt zu haben.

Als die Mahlzeit beendet war und niemand ein Wort der Unterhaltung hatte, trat ich ans Fenster, um nach dem Wetter zu sehen. Ein trauriger Anblick: schon war es schwarze Nacht da draußen, und Himmel und Hügel verschmolzen im wilden Wirbel von Wind und Schnee.

»Es scheint mir ganz unmöglich, jetzt ohne Führer heimzufinden«, konnte ich mich nicht enthalten auszurufen. »Die Wege werden schon begraben sein; und selbst wenn sie schneefrei wären, so könnte ich doch kaum einen Schritt weit sehen.«

»Hareton, treib die Schafe in den Scheunenschuppen; wenn sie über Nacht im Gehege bleiben, werden sie einschneien«, sagte Heathcliff.

»Was soll ich tun?« fuhr ich in wachsender Besorgnis fort.

Meine Frage blieb unbeantwortet, und als ich mich umblickte, gewahrte ich nur Josef, der den Hunden den Futternapf brachte, und Mrs. Heathcliff, die sich über das Feuer beugte und sich damit unterhielt, ein Bündel Streichhölzer abzubrennen, das vom Kaminsims gefallen war, als sie die Teebüchse wieder hinaufstellte. Nachdem der erstere seine Schüssel niedergesetzt hatte, blickte er sich forschend im Zimmer um und krächzte dann mit heiserer Stimme:

»Wie kennt ’r doch nur so faul da rumstehen, wo die annern all fort sin! Aber ’n Tunichgut seid ’r – un rede nutzt nit, bessern tut ’r Eich nit, aber zum Satan geht ’r, grad wie Eire Mutter z’vor.«

Im ersten Moment glaubte ich, daß diese Beredsamkeit mir gelte, und da ich ohnedies wütend war, ging ich auf den alten Schurken los, um ihn hinauszuwerfen. Mrs. Heathcliff jedoch verblüffte mich durch die Worte, die sie dem Mann erwiderte.

»Du elender alter Heuchler!« entgegnete sie. »Fürchtest du nicht, bei lebendigem Leibe vom Teufel geholt zu werden, wenn du so leichtsinnig seinen Namen anrufst? Ich warne dich davor, mich nochmals zu reizen, sonst werde ich ihn um die Gunst ersuchen, dich schleunigst abzuholen. Da, schau nur her«, fuhr sie fort, ein großes dunkles Buch vom Wandbrett nehmend; »ich will dir zeigen, wie weit ich in der schwarzen Kunst fortgeschritten bin. Bald werde ich’s euch gründlich zu kosten geben! Es war nicht Zufall, daß neulich die rote Kuh verreckte, und auch dein Rheumatismus ist schwerlich als göttliche Heimsuchung zu betrachten.«

»O Gottlosigkeit!« stöhnte der Alte. »Herr, erlöse uns vom Übel!«

»Er wird dich nicht erlösen, Josef. Du bist längst ein Verworfener. Pack dich jetzt, oder ich werde dir Schlimmes antun. Ich werde euch alle in Wachs und Ton verwandeln, und der erste, der den Kreis, den ich um mich ziehen werde, überschreitet, wird – ich sage nicht, was mit ihm geschehen wird, aber du wirst ja sehen. Geh! Mein Auge ruht auf dir!«

Die kleine Hexe gab bei diesen Worten ihren schönen Augen einen möglichst boshaften Ausdruck, und zitternd vor Entsetzen und angstvoll betend eilte Josef hinaus. Ich vermutete, sie habe sich aus Langeweile einen Scherz mit ihm gemacht; nun wo wir allein waren, bestrebte ich mich, sie für meine Lage zu interessieren.

»Mrs. Heathcliff«, sagte ich ernst, »Sie werden entschuldigen, daß ich Sie störe. Ich wage es, weil jemand, der so schön ist wie Sie, unzweifelhaft auch ein gutes Herz hat. Also bitte, geben Sie mir einige Anhaltspunkte, mit deren Hilfe ich den Heimweg finden kann. Ich weiß ebensowenig, wie ich nach Hause finden soll, als Sie wissen würden, nach London zu gelangen.«

»Nehmen Sie den Weg, den Sie gekommen sind«, antwortete sie, während sie es sich in einem Lehnstuhl bequem machte, eine Kerze anzündete und das große Buch aufschlug. »Der Rat ist kurz, aber so gut, als ich ihn geben kann.«

»Wenn Sie nun aber erfahren würden, man habe mich tot in einem Sumpf oder in einer Schneewehe gefunden, würde Ihr Gewissen Ihnen da nicht zuflüstern, daß das zum Teil Ihr Verschulden sei?«

»Wieso? Ich kann Sie ja nicht begleiten. Die würden mich nicht bis zur Gartenmauer gehen lassen.«

»Sie? Es täte mir leid, wenn Sie in solcher Nacht um meinetwillen auch nur die Schwelle überschreiten müßten!« rief ich. »Ich möchte, daß Sie mir den Weg sagen, nicht, daß Sie ihn zeigen; oder daß Sie Mr. Heathcliff veranlassen, mir einen Führer mitzugeben.«

»Wen? Da ist er, Earnshaw, Zillah, Josef und ich. Wen möchten Sie haben?«

»Gibt es denn keine Knechte hier?«

»Nein; es gibt weiter niemand.«

»So bin ich gezwungen zu bleiben.«

»Das mögen Sie mit Ihrem Gastgeber abmachen. Mich geht das nichts an.«

»Und hoffentlich wird Ihnen diese Erfahrung eine Lehre sein, keine voreiligen Wanderungen mehr zu unternehmen«, scholl Heathcliffs harte Stimme vom Kücheneingang herüber. »Was Ihr Hierbleiben anbetrifft, so merke ich an, daß ich für Besucher keine Unterkunft geschaffen habe. Wenn Sie bleiben, müssen Sie mit Hareton oder Josef das Bett teilen.«

»Ich kann hier im Zimmer auf einem Stuhl schlafen«, entgegnete ich.

»Nein, nein! Ein Fremder ist ein Fremder, sei er arm oder reich. Es paßt mir nicht, irgendwem zu gestatten, sich hier herumzutreiben, wenn ich ihn nicht überwachen kann!« sagte der ungezogene Kerl.

Nach dieser Beleidigung war meine Geduld erschöpft. Mit einem Ausruf des Widerwillens schritt ich an ihm vorbei in den Hof, wobei ich in meiner blinden Hast mit Earnshaw zusammenstieß. Es war so dunkel, daß ich das Ausgangstor nicht sehen konnte, und während ich danach suchte, überhörte ich eine weitere Probe ihres höflichen Benehmens zueinander. Zunächst schien der junge Mann sich meiner annehmen zu wollen.

»Ich werde mit ihm bis an das Ende des Parks gehen«, sagte er.

»Du wirst mit ihm zur Hölle gehen!« schrie sein Herr – das heißt, ich vermutete, daß der Alte zu ihm in diesem Verhältnis stand. »Und wer soll nach den Pferden sehen, he?«

»Das Leben eines Menschen ist wichtiger als die einmalige Vernachlässigung der Pferde; jemand muß gehen«, äußerte Mrs. Heathcliff, freundlicher als ich erwartet hatte.

»Nicht, wenn du es befiehlst!« gab Hareton zurück. »Wenn du so um ihn besorgt bist, solltest du lieber den Mund halten.«

»So wünsche ich dir, daß sein Geist dich verfolgen möge, wenn der Mann im Moor den Tod findet. Und ich wünsche, daß Mr. Heathcliff nie einen anderen Mieter bekommen möge, bis Thrushcross Grange eine Ruine ist!« entgegnete sie scharf.

»Jeh, jeh, sei verwünscht«, murmelte Josef, dem ich mich genähert hatte.

Er saß in Hörweite und molk beim Schein einer Laterne die Kühe. Ohne viel Umstände ergriff ich die Laterne und eilte dem nächsten Ausgang zu, indem ich ausrief, daß ich sie morgen zurückschicken würde.

»Här, Här, er stehlt sich unser Lantern!« schrie der Alte, mich verfolgend. »Heh, Pack an! Heh, Hunde! Heh, Wolf! Faßt ’n, faßt ’n!«

Als ich die Zauntür öffnete, sprangen mir zwei haarige Ungeheuer an den Hals, rissen mich nieder und löschten das Licht, während ein schallendes Gelächter von Heathcliff und Hareton meiner Wut den Gipfel aufsetzte. Glücklicherweise schienen die Bestien nur gewohnt zu sein, sich herumzurekeln und zu gähnen und allenfalls mit dem Schwanz zu wedeln, denn sie bezeigten keine Lust, mich bei lebendigem Leibe zu zerreißen; aber sie duldeten auch nicht, daß ich mich erhob, und ich war genötigt, still zu liegen, bis es ihren niederträchtigen Herren gefallen würde, mich zu befreien. Als das geschehen war, befahl ich, bebend vor rasendem Zorn, den Halunken, mich sofort hinauszulassen, bei Gefahr ihres Lebens, falls sie mich noch eine Minute zurückhielten – und äußerte noch einige zusammenhanglose Drohungen, die stark nach König Lear klangen.

Meine maßlose Aufregung löste bei mir heftiges Nasenbluten aus; und noch immer lachte Heathcliff, und noch immer schimpfte ich.

Ich weiß nicht, wie diese Szene geendet hätte, wenn nicht eine Person zur Stelle gewesen wäre, die vernünftiger war als ich und wohlwollender als mein Wirt. Dies war Zillah, die stämmige Haushälterin, die herbeigelaufen kam, um nach der Ursache des Aufruhrs zu sehen. Sie glaubte, man habe mich gewaltsam angegriffen, und da sie nicht wagte, sich gegen ihren Herrn zu wenden, gebrauchte sie ihre Zungenfertigkeit dem jüngeren Schurken gegenüber.

»Na, Mr. Earnshaw«, schrie sie, »ich bin nur neugierig, was Sie als nächstes anstellen werden! Sollen wir auf unserem Grund und Boden die Leute ermorden? Nein – der Dienst in diesem Haus ist nichts für mich. Sehn Sie nur den armen Menschen; er erstickt ja! – Nun! Nun! Kommen Sie, ich werd’ Ihnen helfen! So, so; halten Sie still.«

Mit diesen Worten goß sie mir einen Napf Eiswasser in den Nacken und zog mich in die Küche. Mr. Heathcliff, der nach seinem Heiterkeitsanfall schnell wieder in die alte Grämlichkeit verfiel, folgte uns.

Ich fühlte mich scheußlich elend, schwindlig und schwach. Es blieb mir daher nichts anderes übrig, als ihn für diese Nacht um Unterkunft zu bitten. Er gebot Zillah, mir ein Glas Branntwein zu geben, und begab sich dann ins innere Gemach. Die Magd kam den Anordnungen ihres Herrn nach und führte mich, als ich mich ein wenig erholt hatte, in mein Nachtquartier.