Rembrandt – Eine Monografie
Mit 159 Abbildungen von Gemälden, Radierungen und Zeichnungen
Hermann Knackfuss
Inhalt:
Rembrandt – Lexikalische Biografie
Rembrandt – Eine Monografie
Rembrandt, Hermann Knackfuss
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849629625
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Eigentlich Rembrandt Harmensz van Ryn, holländ. Maler, geb. 15. Juli 1606 in Leiden als Sohn des Müllers Harmen Gerritsz, der nach seiner an einem Arm des Rheins gelegenen Mühle van Ryn genannt wurde, gest. 4. Okt. 1669 in Amsterdam, erhielt den ersten Unterricht durch den Maler J. van Swanenburgh und war dann sechs Monate lang Schüler von P. Lastman in Amsterdam. Aber schon sein erstes datiertes Bild, der heil. Paulus im Gefängnis (Stuttgart), von 1627, zeigt ihn auf eignen Wegen. Er war dann längere Zeit in Leiden selbständig tätig, siedelte jedoch Ende 1631 oder Anfang 1632 nach Amsterdam über. Hier erhielt er zahlreiche Bestellungen und konnte 22. Juni 1634 eine Gattin, die schöne und wohlhabende Saskia von Uylenburgh, heimführen. Es folgte nun für R. eine Reihe glücklicher Jahre; er arbeitete außerordentlich viel, wurde gut bezahlt und konnte seiner Lust am Sammeln von Bildern und Kunstgegenständen freien Lauf lassen. 1639 kaufte er ein Haus, das aber nie völlig von ihm bezahlt wurde und so eine der Quellen seiner Geldsorgen wurde. Diese wurden seit dem Tode Saskias (1642) immer drückender, zum Teil durch die veränderten Geschmacksverhältnisse der Zeit, die ihm sein Publikum entfremdeten, und durch den allgemeinen Rückgang des Wohlstandes, zum Teil durch seine kostspieligen Neigungen als Sammler. 1656 verschrieb er aus Vorsicht Haus und Hof seinem Sohn Titus; zwei Monate darauf wurde er für zahlungsunfähig erklärt und 1657–58 seine Sammlung für den niedrigen Preis von 5000 Gulden, das Haus für 11,000 Gulden verkauft, ohne dass dadurch die Gläubiger befriedigt werden konnten. R. lebte seitdem in stiller Zurückgezogenheit bei seiner Geliebten und Haushälterin Hendrickje Stoffels und seinem Sohn Titus, der jedoch schon ein Jahr vor ihm starb. Die Nachricht, dass er sich 1661–6218 Monate in London aufgehalten habe, ist wenig glaubhaft. Er wurde 8. Okt. 1669 begraben. 1852 ward ihm in Amsterdam ein Denkmal gesetzt. R. ist vielleicht der eigenartigste unter den großen Malern; ohne wissenschaftliche Vorbildung, ohne große Anleitung, erreichte er eine außerordentliche Höhe. Seine Stoffe sind meistens dem heimatlichen Leben entlehnt. Die derbste Figur im Volke gibt ihm Anlass zum Studium und gewinnt unter seiner Hand einen packenden Ausdruck charakteristischer Wirklichkeit, der durch einen poetischen Hauch verklärt wird. Er benutzte seine Studien nach dem Leben aber auch, wenn er Szenen aus dem Alten und Neuen Testament darstellte, ohne Rücksicht auf geschichtliche Treue, die aber gerade deshalb um so wirkungsvoller sind; denn sie geben die geistige und materielle Atmosphäre, in der R. lebte und dachte, mit der Wahrheit des Sittenbildes wieder. Sein Hauptmittel malerischer Wirkung ist das Helldunkel. Aus Schatten und Dunkelheit lässt er in scharfer Beleuchtung die charakteristischen Stellen des Bildes kraftvoll hervortreten. Oft ahnt man die Formen nur. Nichtsdestoweniger beachtet er auch das Kleinste und Unscheinbarste und entfaltet eben in dem scheinbar Zufälligen einen eigentümlichen Reiz. Seine Malweise hat im Laufe der Zeit stark gewechselt: zuerst malte er mit seinem Pinsel in hellem, oft hartem Lichte. Dieser ersten Periode gehören außer dem erwähnten Paulus von 1627 der Geldwechsler (1627, Berliner Museum), die Gefangennahme Simsons (1628, königliches Schloss in Berlin), die Verleugnung Petri, die Darstellung im Tempel und andre im Privatbesitz befindliche Bilder kleinen Formats an, die sich durch scharfe Betonung der Lokalfarben mit grellem Licht kennzeichnen. Das erste Hauptwerk seiner zweiten Periode, während der er mit Th. de Keyser wetteiferte, ist die »Anatomie des Dr. Tulp« (1632, im Museum des Haag). In dieser Zeit entstanden auch die meisten seiner Selbstbildnisse und die seiner Gattin Saskia. In der Zeit von 1637–42 kam auf seinen Bildern ein goldig-brauner Ton zur Herrschaft, der sich schließlich zu dem für R. charakteristischen »farbigen Helldunkel« entwickelte, das die Zeit bis etwa 1654 beherrschte. An der Spitze dieser Epoche steht sein zweites Hauptwerk, die sogen. Nachtwache (1642, im Reichsmuseum zu Amsterdam), in Wirklichkeit kein Nachtstück, sondern der Auszug der Amsterdamer Schützengilde zur Tageszeit, der Gipfelpunkt seiner Helldunkelmalerei in goldigen Tönen; seine Behandlung ist hier gleichweit von Ausführlichkeit und Skizzenhaftigkeit entfernt. Der Nachtwache vorausgegangen ist sein zweites Hauptwerk aus dieser Zeit, das Doppelbildnis des Mennonitenpredigers Claasz Ansloo und einer Frau, der er Trost zuspricht (1641, Berliner Museum). Mit der Zeit steigerte sich seine malerische Behandlung zu außerordentlicher Kühnheit, seine Farbe ging mehr ins Braune über. Das Hauptbild dieser Zeit sind die Staalmeesters, d. h. die Vorsteher der Tuchmachergilde, in lebhafter Unterhaltung an einem Tisch sitzend (1661, im Reichsmuseum zu Amsterdam). R. entlehnte den Stoff zu einer großen Anzahl von Bildern dem Neuen Testament. Er stellte die heilige Familie dar auf der Rast während der Flucht nach Ägypten (Berlin und im Haag) oder, in bescheidener Handwerkerhäuslichkeit, die Familie des Schreiners (Louvre), die Familie des Holzhackers (Kassel). Gleicherweise in das Alltagsleben hineingestellt sind die Heimsuchung (von 1640, London), Christus zu Emmaus (Louvre), der barmherzige Samariter. Pathetisch ergreifend wirkt R. in den Bildern der Münchener Pinakothek: Kreuzaufrichtung und Abnahme vom Kreuz, voll wunderbarer Lichtwirkung, Grablegung. Auferstehung und Himmelfahrt. In seinen Bildern aus dem Alten Testament herrscht ein merkwürdig phantastischer Zug; Modelle aus dem Amsterdamer Getto, in orientalische Kostüme aus Rembrandts Zeit gesteckt, sollen uns die Welt des alten Judentums veranschaulichen. Solcher Art sind: Abrahams Opfer (Petersburg, Eremitage); Jakob, seine Enkel segnend (Kassel); Simson, seinem Schwiegervater drohend (Berlin); Simson, bei seiner Hochzeit Rätsel aufgebend (Dresden); die Blendung Simsons (1636, Frankfurt a. M.) und das Opfer Manoahs (Dresden). Mit besonderer Vorliebe behandelte er die Geschichte des Joseph, des Daniel, der Susanna (die schönsten Beispiele in Berlin) und des Tobias (Brüssel, Herzog von Arenberg, Louvre, Berlin, Sir Frederick Cook in Richmond). Von rein geschichtlichen Bildern des Künstlers scheint sich nur eins erhalten zu haben: die Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis gegen die Römer (1662, im Nationalmuseum zu Stockholm). Der Mythologie entlehnte er dagegen häufig seine Stoffe, obwohl seine Auffassung, der antiken vollständig entgegengesetzt, durchaus eigentümlich ist und nur auf malerische Wirkung ausgeht. Solcher Art sind: Diana und Aktäon (Anholt), der Raub des Ganymedes (Dresden), Raub der Proserpina (Berlin) u. a. Das Motiv zur sogen. Danaë in der Eremitage zu St. Petersburg scheint dem Alten Testament entnommen zu sein.
Das Gebiet, auf dem R. unzweifelhaft am größten, ja unübertroffen dasteht, ist das Porträt; keiner vor ihm verstand es, dem menschlichen Kopf ein so individuelles Gepräge zu verleihen und so viel malerisches Interesse abzugewinnen. Meisterhafte Werke dieser Art befinden sich namentlich in der Eremitage zu Petersburg, in den Museen von Berlin, Kassel, Dresden, Wien und London sowie in englischem und französischem Privatbesitz. Er malte oft interessante Modelle in allen möglichen Stellungen und Kostümen, vorzugsweise Köpfe alter Männer, Juden mit buschigem Haupt- und Barthaar. Eine besondere Vorliebe hatte er für die Darstellung seines eignen Porträts; wir besitzen von ihm gegen 60 Selbstbildnisse, die uns sein Aussehen von etwa seinem 20. Lebensjahr bis kurz vor seinem Tode vergegenwärtigen. Auf einem berühmten Dresdener Bild von etwa 1636 bildete er sich ab, das Weinglas schwingend, mit seiner Frau auf dem Schoß. Von den zahlreichen Bildern der letzteren, die er gern in reichem Schmuck darstellte, befinden sich die hervorragendsten in Kassel und Dresden; das schönste Bild der Hendrickje besitzt der Louvre. Dazu kommen herrliche Bildnisse seines Vaters und seiner Mutter (das berühmteste von 1639, im Wiener Hofmuseum), seines Bruders, seiner Schwester und seines Sohnes Titus. Von den sonstigen bekannten Männern, die er porträtierte, seien der Arzt Ephraim Bonus (Amsterdam, Galerie Six), Nikolaus Bruyningh (Kassel), der Schreibmeister Coppenol (Lord Ashburton), Jan Six (Amsterdam, Galerie Six), der Prediger Swalmius (Antwerpen), der Advokat Tholing (Paris, Madame André), der Hofprediger Uytenbogaert (Mentmore, Lord Rosebery), von den Frauen die köstliche Frau Bas (Amsterdam, Reichsmuseum) genannt. Zu Rembrandts besten Leistungen im Porträtfach gehören auch die Schützen- und Regenten stücke, Porträtdarstellungen der Vorsteher einer Wohltätigkeitsanstalt, der Offiziere einer Schützengilde, der Zuhörer eines Professors mit diesem. Die Anatomie des Professors Tulp, die Nachtwache und die Staalmeesters sind bereits genannt worden. Auch auf seinen Landschaften, bei denen er nicht nur die flachen Gegenden seiner Heimat, sondern gern auch Berge darstellt, spielt die Beleuchtung die Hauptrolle. Herrliche Beispiele enthalten die Galerien von Berlin, Braunschweig, Oldenburg und Kassel. Die Zahl seiner nachweisbaren Gemälde, deren Einfluss die ganze Folgezeit beherrschte und noch heute nachwirkt, beläuft sich auf über 550. Eine wesentliche Ergänzung seiner künstlerischen Tätigkeit bilden seine Radierungen, die ebenso sehr den Höhepunkt der holländischen Radierkunst bezeichnen wie seine Bilder den der holländischen Malerei. Die Zahl der Blätter, die ihm mit einiger Sicherheit zugeschrieben werden können, beträgt ca. 250. Er entwickelte in ihnen eine ungeahnte Kraft der Charakteristik und erzielte durch sein Helldunkel großartige Wirkungen. Hervorzuheben sind: die drei Kreuze, Ecce homo, Christus die Kranken heilend (Hundertguldenblatt), Porträte Six, Haaring, Lutma, Tholing, dann die Landschaft mit den drei Bäumen. Die berühmtesten Sammlungen seiner Blätter besitzen Amsterdam, London (Britisches Museum), Paris (Nationalbibliothek), Wien (Albertina und Hofbibliothek), Berlin und Dresden (Sammlung des Königs Friedrich August 11.). Treffliche Stiche und Radierungen nach R. lieferten: Claessens, J. de Frey, J. G. Schmidt, Burnet, Den on, Unger, Massalow, Flameng, Kaiser, Waltner, Koepping u. a. Unter Rembrandts Schülern sind hervorzuheben: Gerard Don, Gerbrand van den Eeckhout, Philipp de Koninck, Govaert Flinck, F. Bol, Nicolaus Maes u. a. Vgl. Vosmaer, R., sa vie et ses œuvres (2. Aufl., Haag 1877); Michel, R., sa vie, son œuvre et son temps (Par. 1893); Knackfuß, Rembrandt (9. Aufl., Bielef. 1906); K. Neumann, Rembrandt (Berl. 1902); Bode und Valentiner (»R. in Bild und Wort«, das. 1906). Seine Gemälde gaben in Nachbildungen heraus: Bode (»R., beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde«, 1897–1906, 8 Bde.; daraus einzeln Hofstede de Groot, Die Urkunden über R., Haag 1906) und Rosenberg (»Klassiker der Kunst«, Bd. 2, 2. Aufl., Stuttg. 1906); seine Zeichnungen Lippmann mit Hofstede de Groot u. a. (bisher erschienen 8 Bde., Berl. u. Haag 1888–1906; vgl. dazu Hofstede de Groot, Rembrandts Handzeichnungen, Haag 1906). Kritische Kataloge und Nachbildungen seiner Radierungen: Blanc, L'œuvre de R. (Par. 1880, 371 Blätter); Dutuit, L'œuvre complet de R. (ca. 360 Blätter, das. 1883); Rovinski, L'œuvre gravé de R. (1000 Phototypien, Petersb. 1890); Singer, Rembrandts Radierungen in 402 Abbildungen (»Klassiker der Kunst«, Bd. 8, Stuttg. 1906). Vgl. v. Seidlitz, Kritisches Verzeichnis der Radierungen Rembrandts (Leipz. 1896); Hamann, Rembrandts Radierungen (Berl. 1906).
Selbstbildnis Rembrandts, gemalt um 1641. Im Buckinghampalast.
(Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.)
Rembrandts Gattin Saskia, gemalt um 1640. In der königl. Gemäldegalerie zu Dresden.
(Nach einer Originalphotographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.)
Abb. 1. Rembrandts Bildnis, zubenannt mit den drei Bartspitzen.
Radierung des Meisters aus seiner Jugendzeit.
Die holländische Malerei kann man füglich als ein Erzeugnis der staatlichen Selbständigkeit Hollands bezeichnen. Solange die Niederlande ein Ganzes bildeten, war von einer besonderen holländischen Kunst gegenüber der tonangebenden flandrischen nicht die Rede. Die Verschiedenheit des Erfolges aber, mit dem die nördlichen und die südlichen Provinzen aus dem langen, blutigen Kriege gegen die spanische Herrschaft hervorgingen, hatte eine ausgesprochene Verschiedenheit der Kunstentwickelung hier und dort zur Folge, wenn auch die Stammverwandtschaft sich niemals ganz verleugnete und namentlich in der Wesenseigentümlichkeit die flandrische und die holländische Malerei übereinstimmten, daß in der Farbe mehr als in der Form das Mittel dichterischen Ausdrucks gesucht und gefunden wurde. Das Jahr 1609, in welchem der Abschluß eines zwölfjährigen Waffenstillstandes thatsächlich die Anerkennung der sieben vereinigten Provinzen als eines selbständigen Staates in sich trug, war gewissermaßen das Geburtsjahr der holländischen Malerei, die sich nunmehr in höherem Maße als jemals irgend eine andere Kunst des christlichen Zeitalters als eine nationale gestaltete. Ein lebendiges Kunstbedürfnis war in diesen Provinzen von alters her vorhanden, und der hohe Wohlstand, der nach dem Waffenstillstandsabschluß so unglaublich schnell aufblühte und der selbst während der Wiederaufnahme der erst 1648 endgültig zum Abschluß gelangenden Freiheitskämpfe fortwährend zunahm, brachte naturgemäß eine Steigerung dieses Bedürfnisses mit sich. Aber der junge protestantische Freistaat hatte mit allem gebrochen, was bisher der Malerei die höchsten Aufgaben geboten hatte. Hier waren jetzt nicht mehr die Kirchen mit prunkvollen Altargemälden auszustatten, die Fürstenpaläste nicht mit üppigen Göttergeschichten und Thaten antiker Helden zu schmücken; es handelte sich darum, die behagliche bürgerliche Häuslichkeit durch künstlerische Zierde würdig zu verschönern und für Rathäuser und Gildehäuser Werke zu liefern, die frei von jeder Überschwenglichkeit das Wesen nüchterner und stolzer Bürgerlichkeit wahrten. Worin die Aufgabe bestand, die das neue Volk seinen Künstlern stellte, faßt ein französischer Schriftsteller sehr zutreffend in das Wort zusammen: „es verlangte, daß man ihm sein Abbild liefere“. Das ist in der That der Inhalt der holländischen Malerei: das ehrliche, wahrheitsgetreue Abbild von Land und Leuten und Dingen, die Wiedergabe der schlichten Wirklichkeit, wie die Heimat und die Gegenwart sie zeigten und im Künstlerauge sich spiegeln ließen, mag nun Bildnis, Genre, Landschaft, Tierstück oder Stillleben der Gegenstand des Gemäldes sein. Dieses ehrliche Abbilden der Wirklichkeit war ein großer Teil der Kunst des einen, der über zahlreiche ausgezeichnete Maler hoch emporragend als der größte holländische Maler dasteht; aber es war nicht seine ganze Kunst. Rembrandt wußte seine staunenswürdige Befähigung zu geistreich treffender Wiedergabe der Natur seinem eigenen freien Schaffensdrange dienstbar zu machen und fand in ihr das Mittel, den Gebilden seiner eigenwilligen und lebhaften, gelegentlich geradezu schwärmerischen Einbildungskraft eine Gestalt zu verleihen, die nicht nur seinem eigenen Wesen entsprach, sondern auch seine damaligen Landsleute unmittelbar ansprechen mußte. So offenbarte er sich, unterstützt durch eine großartige Vollkommenheit in der Beherrschung seines Handwerkszeuges, die ihn zu einem der allerbesten Maler und zum geistreichsten Radierer aller Zeiten machte, als einer der selbständigsten und eigengestaltigsten Künstler der Welt.
Abb. 2. Rembrandts Mutter. Radierung von 1628.
Rembrandts Elternhaus stand zu Leiden, am Weddesteeg in der Nähe des Weißen Thores (Wittepoort). Es war eine Mühle, Besitztum einer Familie, deren einer Zweig vom Rhein, das heißt von dem Mündungsarm des Flusses, der allein diesen Namen behält und der in mehreren Kanälen die Stadt durchfließt, den Zunamen van Ryn führte. Als das fünfte von sechs Kindern der Eheleute Harmen (Hermann) Gerritszoon (Gerrits oder Gerhards Sohn) van Ryn und Neeltje (Cornelia) Willemsdochter wurde am 15. Juli 1606 oder 1607 – die Jahreszahl steht nicht ganz fest – der Knabe geboren, der in der Taufe den ungewöhnlichen Vornamen Rembrandt erhielt und der daher, nach der damals in Holland und auch anderwärts verbreiteten Sitte, den Vornamen des Vaters dem eigenen hinzuzufügen, Rembrandt Harmenszoon (oder abgekürzt Harmensz) van Ryn hieß.
Abb. 3. Rembrandts Mutter. Radierung. Das Monogramm ist aus RH (Rembrandt Harmensz) und L (von Leiden) gebildet.
Während Rembrandts drei ältere Brüder zu handwerklichen Berufsarten erzogen worden waren, wurde ihm eine gewähltere Ausbildung zu teil. Er ward in eine Lateinschule geschickt und sollte später die Universität seiner Vaterstadt besuchen, „um, wenn er das Alter erreicht hätte, durch seine Wissenschaft der Stadt und dem Staate nützen zu können.“ Aber seine ausgesprochene Neigung und Begabung zur Malerei führte frühzeitig den Übergang zu diesem Beruf herbei. Jakob van Swanenburgh, ein sonst kaum bekannter Leidener Maler, wurde zuerst sein Lehrer; nachdem er dessen Unterricht drei Jahre lang genossen, wurde Rembrandt nach Amsterdam zu Pieter Lastman geschickt, von dem er nur sechs Monate lang unterrichtet worden sein soll. Beide Maler hatten, wie man es zu ihrer Zeit für unbedingt erforderlich hielt, in Italien studiert, und ihre Kunst ward von dem Bemühen, die Italiener nachzuahmen, beherrscht; Lastman war in Rom ein Schüler des Frankfurters Adam Elshaimer gewesen, der seinen fein gemalten Bildchen durch starke Lichtwirkungen – Lampen-, Feuer- und Mondschein – einen besonderen Reiz zu verleihen strebte. So untergeordnet die Stellung ist, welche Rembrandts Lehrer in der Kunstgeschichte einnehmen, unzweifelhaft hat der gelehrige Schüler aus ihren Unterweisungen großen Nutzen gezogen; von Lastman wurde er vermutlich auch in der Kunst des Radierens unterrichtet. Nach Leiden zurückgekehrt, bildete er selbst sich weiter, und man darf annehmen, daß sein eigener Trieb ihn auf das eingehende Studium der Natur in einer Weise hinwies, wie seine Lehrer es wohl schwerlich gethan hatten.
Abb. 4. Selbstbildnis Rembrandts mit stieren Augen. Radierung. (Auch unter der Bezeichnung „Der Mann mit dem beschnittenen Barett“ bekannt.)
Abb. 5. Kahlköpfiger Mann. Radierung von 1630.
Die ersten bezeichneten Gemälde des jungen Künstlers tragen die Jahreszahl 1627. Das eine derselben, „der Apostel Paulus im Gefängnis,“ befindet sich im Museum zu Stuttgart, das andere, „der Geldwechsler,“ im Museum zu Berlin. Beide Bilder besitzen keine hervorstechenden Reize; es sind glatt gemalte Jugendwerke, die den unbefangenen Beschauer recht kalt lassen; und dennoch kann man in ihnen schon diejenigen Eigenschaften gleichsam keimen sehen, welche Rembrandt später so groß gemacht haben: der tiefe, gedankenvolle Blick des gefangenen Apostels kündigt den zukünftigen Meister des seelischen Ausdruckes an, das kleine Berliner Bild zieht den Beschauer durch die von einer verdeckten Kerze in der Hand des Wechslers ausgehende malerische Helldunkelwirkung an, obgleich diese Wirkung hier noch mehr an die Bilder des Gerhard Honthorst, als an Rembrandts spätere Meisterwerke erinnert. Zwei kleine Gemälde biblischen Inhalts aus dem Jahr 1628, beide mit R H (Rembrandt Harmensz) und daran gehängtem L (als Hinweis auf des Künstlers Vaterstadt Leiden) bezeichnet, sind durch die zu Berlin im Jahre 1883 zu Ehren der silbernen Hochzeit des damaligen Kronprinzenpaares veranstaltete Ausstellung von im Berliner Privatbesitz befindlichen Werken alter Meister weiteren Kreisen bekannt geworden. Das eine, im Besitz Seiner Majestät des Kaisers, stellt Simsons Verrat durch Delila vor, das andere, im Besitz von Herrn Otto Pein, den Apostel Petrus zwischen den Knechten des Hohenpriesters; das letztere ist ein durch Feuer- und Kerzenlicht wirkungsvoll gemachtes Nachtstück. Noch auf einige andere Bilder ist in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit gelenkt worden, in denen man Erstlingsarbeiten des jungen Rembrandt erblicken zu dürfen glaubt, namentlich auf einige malerisch beleuchtete Studienköpfe (in Kassel, Gotha und an anderen Orten), die man für Selbstbildnisse des Künstlers hält. Rembrandt hat nämlich während seines ganzen Lebens sich selbst mit Vorliebe zu einem Gegenstand seines Studiums gemacht; mochte er eine Beleuchtung des menschlichen Antlitzes, einen Ausdruck, eine kleidsame Tracht studieren wollen, so fand er in seiner eigenen Person ein stets bereites und williges Modell, das zugleich wegen seiner kräftigen, offenen und ansprechenden Züge und seiner gesunden Farbe ein sehr dankbarer Gegenstand der Darstellung war. Daher die außerordentlich große Anzahl der gemalten und der in Kupfer geätzten Selbstbildnisse, die Rembrandt hinterlassen hat.
Abb. 6. Der Mann mit dem breitkrempigen Hut.
Radierung von 1630.
Das erste mit einer Jahreszahl bezeichnete Werk der Radiernadel Rembrandts, von 1628, macht uns mit der ehrwürdigen Erscheinung seiner Mutter bekannt. Dieses köstliche kleine Brustbild, so sprechend lebenswahr, so geistreich und zugleich so liebevoll hingezeichnet, ist ein vollendetes Meisterwerk, in der Ausführung ebenso unübertrefflich wie in der Auffassung (Abb. 2Abb. 3