Sven Böttcher
Quintessenzen
Überlebenskunst
für Anfänger
LUDWIG
Sven Böttcher
Quintessenzen
Überlebenskunst
für Anfänger
LUDWIG
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Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München
Umschlagillustration: Cross One
Satz: Leingärtner, Nabburg
ePub-ISBN 978-3-641-09128-6
V002
2011 Für Lisa (1993)
2018 Für Emma (2000)
2020 Für Katharina (2002)
Inhalt
Vorwort
Der Sinn des Lebens
Das eine Glück
Zeit
Tod
Sei unnatürlich
Kosmos A bis Atom
Energie
Bewegung!
Wechselstoff
In unseren Kreisen und Kugeln
Elementares Wegdenken
Nicht funktioniert nicht
Götterglauben
J.C.
Jetzt
Wachstum: Freie Platzwahl
Natur A (die da draußen)
Natur B (die da drin)
Wasser
Licht
Gesundheit
Lebensmittelpunkte 1–3
Energiro
Leben ist Lernen?
Ziele
Angst
Vergleichsweise
Selbstgespräche
Skepsis
Erzähl dich um
Handeln und Entscheiden
Große Erwartungen
Das ¾ Leben
Überzeugungsarbeit
Geld
Meide Experten
Aufmerksamkeitsrelation
Vom Starken zum Schwachen
Hauptdarsteller
Arme Vögel
Lieben & Verlieben
Verlieben
Liebe A (wahre)
Liebe B (für den Hausgebrauch)
Heirate dich selbst
Kinder
Megaphonbauen für Seelen
Sitzenbleiber
Schlag und Schicksal
Selbstmitleid für Anfänger
Die Ich-Arena 2
WeltverÄndererbesserer 3
Smart Reset
Untergang
Infinite Matrioschka (als Ruhekissen)
Dank
Register
Vorwort
Gibt es überhaupt Autoren, die für viele Menschen schreiben? Selbstredend gibt es Autoren, die von vielen Menschen gelesen werden, aber heißt das auch, dass sie für viele Menschen schreiben? Denken Autoren in dem Moment, in dem sie sich zurückziehen und im Wortsinn exklusiv zu schreiben beginnen, an ihre Leser? Plural? Mehrere? Alle? Wohl kaum. Gut, es gibt sicher welche, die insgeheim Redner sind oder Popstars, mit Bühnen unter den Füßen und Menschenmassen vor sich, aber in der Regel machen wir das doch nicht für gesichtslose Massen im Halbdunkel – sondern als Einzelanfertigung. Von einem, mir, für einen. Oder eine. Meist kennen wir sogar seinen oder ihren Namen. Des Menschen, dessen Herz wir mit unserer Geschichte erreichen wollen, den wir unterhalten wollen, amüsieren oder bewegen, oder dem wir etwas vermitteln, worüber er oder sie auch tatsächlich etwas erfahren will. Und schreibend gehe ich davon aus, dass dieser eine Leser im Moment des Lesens meiner Gedanken ebenso konzentriert ist wie ich im Moment der Niederschrift. So sind Leser und Autor, Autor und Leser, allein und doch zu zweit, unter sich und miteinander, exklusiv verbunden – und das erstaunlicherweise sogar in jenem Ausnahmezustand, in dem der Schreibende 10 oder 1 000 Menschen gleichzeitig seine Gedanken vorliest. Schreiben und Lesen sind keine Events. Geschrieben wird exklusiv, gelesen auch.
Erst nachdem ich das begriffen hatte, wusste ich, dass dieses Buch, das Sie jetzt in den Händen halten, tatsächlich gedruckt werden kann – in einer höheren Auflage als der ursprünglich vorgesehenen von drei Exemplaren. Obwohl es ja tatsächlich exklusiv nur für einen einzelnen Menschen geschrieben worden war, beziehungsweise für einen einzelnen Menschen mal drei, nämlich meine drei Töchter. Die es weder gemeinsam lesen sollten noch einander vorlesen, sondern gelegentlich, bei Interesse und/oder Bedarf, allein. Ich brauchte tatsächlich eine ganze Weile bis zur Einsicht, dass es immer nur einen Leser dieses Buches geben würde, ganz gleich, ob nun nur dreimal oder viermal oder n-mal.
Die eigentliche Entstehungsgeschichte der Quintessenzen ist rasch erzählt: Ende 2007 hatte ich Lisa, meiner ältesten, damals 14-jährigen Tochter versprochen, in gebotener Kürze noch alles Wesentliche über das Leben, das Universum und den ganzen Rest aufzuschreiben, für sie und ihre jüngeren Schwestern. Für alle Fälle, vor allem für den Fall, dass ich in allen noch kommenden entscheidenden Momenten ihres Lebens unentschuldigt fehlen würde. Die Aussicht fanden wir beide unaussprechlich, konnten aber dennoch die Augen nicht vor der unerfreulichen Tatsache verschließen, dass man mir gerade auf dem Notfallkrankenhausbett vermittelt hatte, mit etwas Pech werde mein nächster Multiple-Sklerose-Schub mein letzter sein. Die Prognose war nicht sonderlich gewagt. Ich hatte vorher zwei Jahre lang alle paar Monate einen von diesen ominösen Schüben gehabt, hatte, meist doppelt sehend, kaum mehr aus der Horizontalen gefunden. Ich war längst in gesundheitlicher wie materieller Hinsicht ruiniert und nun wegen eines massiven neuen Entzündungsherdes auf Höhe des zweiten Halswirbels gelähmt an Händen, Füßen und Beinen sowie einigen nicht unwichtigen inneren Organen. Erwischte der unweigerlich bevorstehende nächste MS-Schub jene Nervenverbindungen, mittels derer mein Gehirn Herz- und Lungenfunktion steuerte, hatte ich wirklich lausige Karten. In diesem Wissen um die wahrscheinlich sehr begrenzte mir noch verbleibende Zeit beschloss ich, nebenwirkungsreiche Therapieversuche einzustellen und stattdessen noch ein paar wesentliche Kleinigkeiten zu ordnen und zu erledigen, vor allem die Quintessenzen. Sowie trotz des Totalverlustes an Perspektiven und sämtlichem materiellen Gedöns seelenruhig zu bleiben und ansonsten alles zu ändern, was zu ändern in meiner Macht stand, um wider ärztliches Erwarten gesund oder wenigstens wieder etwas gesünder zu werden. Auf den gut gemeinten chemotherapeutischen Rat der Fachleute konnte ich dabei nicht hören, wohl aber auf meine innere Stimme. Was sich, am Rande bemerkt, als richtig erwies, jedenfalls bis heute, denn auf dem von mir gewählten eigenen Weg sind mir gegen alle Wetten weitere schwere oder gar fatale Schübe erspart geblieben, bis heute, fünf Jahre nach der eindeutigen, aber eindeutig falschen Prognose.
Ende 2008 waren die Quintessenzen dann in erster brauchbarer Fassung fertig und so konnte ich tatsächlich immer wieder und weiter gründlich am Einzelstück arbeiten und herumfeilen und das Ergebnis im Mai 2011 überreichen, manuell in Leinen gebunden und rechtzeitig zu Lisas achtzehntem Geburtstag. Womit (nicht nur) diesbezüglich im Grunde alles gesagt und getan war.
Allerdings hatten sich auf dem mehrjährigen Weg vom Versprechen zum fertigen Buch ein paar Verpflichtungen ergeben, denn ich hatte von Anfang an meine Texte auf einer zunächst vollständig privaten Webseite ins Netz gestellt und meinen Vertrautenkreis gebeten, mir ergänzend, korrigierend und kritisierend beizustehen, was etliche dieser Freundinnen und Freunde dann auch taten. Weshalb ich 2011 deren freundliche Bitten um jeweils ein eigenes Exemplar schlechterdings nicht zurückweisen konnte. Und eigentlich auch nicht die geäußerten Bitten um Zweitexemplare zum Weitergeben an Freundesfreunde oder deren gerade volljährig gewordene Kinder. Was dann allerdings bedeutet hätte, dass ich circa zehn Pakete elfenbeinfarbenes Papier, 50 Leineneinbände und mindestens zwei neue Tonerkartuschen benötigt hätte. Sowie reichlich Nerven, denn das beidseitige Bedrucken geht bei meinem Drucker gewohnheitsmäßig schief, außerdem wellt sich das Papier wegen der Hitzeentwicklung, was dann im Leinenverbund nicht schön aussieht – und es kostet Zeit. Wovon ich zu wenig habe, ebenso wie Nerven, von letzteren sogar qua Attest.
Weshalb ich Ende 2011, nach der banalen Erkenntnis von oben (dass ich das Werk durch Vervielfältigung nicht wertmindere oder zerstöre) statt zwanzig zunächst bloß vier zusätzliche Exemplare produzierte und an vier Verlage schickte, die in der Vergangenheit bereits das eine oder andere Buch von mir veröffentlicht hatten. Mit der Frage, ob sie mir die Druckerei abnehmen könnten – sofern sie den Inhalt des Buches für vorzeigenswert hielten. Alle vier hielten ihn für vorzeigenswert, einer sogar für schön, wichtig und ökonomisch vertretbar. Was mich freute. Und immer noch freut. Und wenn ich Glück habe, bleibe ich mit dieser Freude nicht allein.
In Lisas Exemplar, dem ersten, stand ein anderes Vorwort. Eines, das nun wirklich nicht teilbar ist, jedenfalls nicht ganz. Vier kurze Absätze daraus aber konnte ich nicht umformulieren und will sie auch nicht ersatzlos weglassen. Weshalb sie den Abschluss dieser Einleitung bilden sollen, inklusive des gelegentlichen »Du«, an dem Sie sich bitte weder hier noch im weiteren Verlauf stören. Sollten Sie es für despektierlich halten, weil wir zwei uns doch gar nicht kennen, lesen Sie es bitte als »Sie«, denn es ist so oder so respektvoll gemeint, jederzeit.
»Eine Quintessenz gestatte mir vorneweg. Es fehlen auf den folgenden Seiten fast alle knackigen Sinnsprüche im Stile von ›Sei dir selbst treu‹, ›Höre auf deine innere Stimme‹ und ›Alles wird gut, wenn du weißt, was du willst und weißt, wen du darum bitten musst‹. Der Wohlklang solcher Sinnsprüche ist wertlos, solange wir nicht wissen, was oder wer das ›Ich, Dir, Dich, Selbst‹ im Kern all dieser Aussagen überhaupt ist. Deshalb hat vor allem anderen zu stehen unser Bemühen um Selbsterkenntnis oder wenigstens Annäherung an die Antwort auf die Frage ›Wer ist das, ich, oder: Wer soll das sein?‹
Natürlich haben die Spitzfindigen doppelt recht: a) sind wir nur dann ganz frei, wenn wir uns ganz kennen, b) kennen wir uns nie ganz, denn wir sind und bleiben gefangen in unserer eigenen Biographie. Wohl aber sind wir frei, uns diesem ›Ich‹ zu nähern und je unerschrockener wir diese Reise antreten, desto besser.
Ideale Abflughäfen sind immer Zäsurpunkte wie der, an dem du dich gerade befindest, da du die Schule verlässt, dich auf Neuland zubewegst, auf neue Menschen, neue Ideen, neue Aufgaben, ein neues Umfeld, denn dort kennt niemand das ›Ich‹, das du mit dir trägst, und es wird überhaupt niemandem auffallen, solltest du dich ›neu erzählen‹ und jene Teile dieses ›Ich‹ zurücklassen, die du unbewusst oder bewusst ohnehin als fragwürdig, störend oder hinderlich empfandest. Mit dem Wegfall des vertrauten Umfeldes fallen nun nämlich auch haufenweise nie ausgesprochene Erwartungen weg, fremde wie eigene, und diese Chance solltest du nutzen. Zwar haben wir auch später im Leben immer wieder Gelegenheit, ganz neu anzufangen, aber oft sind die Umstände weniger erfreulich als jetzt, drum wohnt dem endgültigen, qua School’s out! prima zu bejubelnden Übergang aus Kindheit und Jugend zum Erwachsenenleben im Besonderen der vom alten Hesse beschworene Zauber inne.
Deshalb diese paar hoffentlich hilfreichen Anmerkungen zu diesem, jenem und dem ganzen Rest, verbunden mit einem Wunsch: Möge Licht auf all deine Wege scheinen, dein ganzes Leben lang, das du im sicheren Wissen lebst, aufgehoben zu sein im wunderbaren Kosmos und unter den schützenden Schwingen der Götter (ganz gleich, welche Namen du ihnen gibst).«