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Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

 

Nr. 2220

 

Tote leben länger

 

Sie wird zum Symbol einer neuen Zeit – die Waringer-Akademie in Terrania

 

Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Im Jahr 1331 NGZ trifft die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstands auf eine weitgehend unvorbereitete Milchstraße: Niemand hat Perry Rhodans Warnung vor diesem Ereignis ernst genommen, selbst die Liga Freier Terraner hat nur einen Teil ihrer Ressourcen darauf verwandt.

Hoffnungsfroh stimmt dabei lediglich, dass die Wirren dieser Tage den Ausbruch offener Feindseligkeiten zwischen den galaktischen Großreichen der Arkoniden und der Terraner bis auf weiteres hinauszögern.

Terras Probleme sind allerdings keineswegs zu vernachlässigen: Perry Rhodan, der Terranische Resident, gilt als verschollen – im ominösen Sternenozean von Jamondi. Wie zum Ausgleich sind quasi aus dem Nichts fremde Lebewesen auf Terra erschienen, von denen niemand etwas zu wissen scheint, am allerwenigsten sie selbst.

Diesem ungelösten Rätsel gesellt sich ein vollkommen anders geartetes Phänomen bei: Gleichfalls wie aus dem Nichts bildet sich auf mysteriöse Weise um einen Mann namens Carlosch Imberlock ein Kult heraus, der nichts anderes verkündet als den Untergang.

Ein Mann und seine neue Aufgabe setzen dagegen positive Zeichen – denn für ihn gilt: TOTE LEBEN LÄNGER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Homer G. Adams – Das Finanzgenie baut auf T-Shirts und Tote.

Myles Kantor – Der Chefwissenschaftler begegnet einem Sarkophag.

Malcom S. Daellian – Ein Talent zwischen Leben und Tod.

Morgem Feburo – Der Bauleiter begibt sich in Lebensgefahr.

Roghard Shebenyer – Der Ressortleiter erlebt das Ende seiner Karriere.

1.

 

Nur Sekunden banger Hoffnung blieben ihm, kaum Zeit genug, um begreifen zu können, welches Drama sich in den Maschinenräumen abspielte. Dann die Explosion! Eine alles durchdringende, lähmende Helligkeit sprang von den Holos herab ...

Raus hier! Malcolms Gedanken kollabierten zu diesem einen Impuls.

Der Alarm war ebenso verstummt wie die vielfältigen Stimmen. Eine unheimliche Stille umgab ihn.

Raus hier!

Er sah nur noch den Glutball der grellen Entladung. Das Lodern hatte sich auf seiner Netzhaut eingebrannt.

Irgendwo in der Stille ein dumpfes Dröhnen. Es schwoll zum prasselnden Stakkato an – eine Serie weiterer ferner Explosionen.

»Ist da noch jemand?« Seine Stimme klang seltsam hohl.

Als niemand ihm antwortete, quoll ein bitteres Lachen über seine Lippen. Die anderen hatten das Schiff verlassen. Aber wenn er nicht versucht hätte, den durchgehenden Reaktor zu stoppen, wer dann? Eine Chance hatte er tatsächlich gehabt, eine winzig kleine Chance, und wären die Sensorprojektionen der Vorrangschaltung nicht unter seinen Fingern zerflossen ...

»Syntron ...!«

Der Bordrechner schwieg. Malcolm blinzelte hastig, ohne jedoch mehr erkennen zu können als zuvor. Es war nicht mehr gelungen, den Reaktor abzuschirmen. Im schlimmsten Fall tobte jetzt bereits ein Atombrand im Unterschiff.

Endlich eine leise Stimme, doch nicht viel mehr als ein Wispern, gerade noch zu verstehen. »Die Luftzusammensetzung verändert sich. Starker Ozongehalt und latente Giftstoffe ...« Das war der Pikosyn seines SERUNS.

Mit einer ruckartigen Bewegung klappte Malcolm den Folienhelm nach vorn und ließ ihn einrasten. Erst jetzt wurde er sich des beißenden Gestanks bewusst, der den Kontrollraum erfüllte. Tief atmete er die frische Anzugluft ein.

 

*

 

Das Feuer war überall, als würde sogar der Stahl rennen. Zähe Rinnsale tropften von den Wänden, und tief unten im Leib des Schiffs dröhnten immer neue Explosionen.

Die Hölle hatte sich aufgetan, das Fegefeuer, in dem verdammte Seelen unerträgliche Qual durchlitten. Ihr Heulen trieb ihn schier in den Wahnsinn und der Schmerz wurde unerträglich. Ein Metallsplitter hatte seinen Arm durchbohrt und ihn auf dem Boden festgenagelt.

Mit letzter Kraft versuchte er freizukommen. Sein gurgelnder Aufschrei hatte kaum mehr etwas Menschliches. Das verdrehte, glühende Stück Metall würde ihn umbringen, das wusste er; im Innern des SERUNS stieg der grässliche Gestank verbrannten Fleischs auf. Seines verbrannten Fleisches.

Er brüllte, ohne Atem zu holen.

Malcolm hasste diese Erinnerungen. Sie überfielen ihn jede Nacht von neuem. Seit Monaten schon. Und sie ließen sich nicht vertreiben.

Er gehörte zu jenen verdammten Seelen, die in der Hölle schmachteten und vergeblich auf Rettung hofften.

Obwohl seine Sinne schwanden, hörte er nicht auf, sich gegen den Splitter zu stemmen. Schatten bedrängten ihn. Sie waren ganz nahe – Schatten des Todes.

Er schrie, als sich ihre Finger tief in sein Fleisch bohrten und er hochgehoben wurde. Seinen Körper spürte er nicht mehr, nur noch Panik ... Aber auch sie verwehte im Nichts unergründlicher Schwärze.

Lebte er noch?

War er tot? – Er wusste es nicht.

Zeitlos trieb er durch die Ewigkeit. Bis er sich irgendwann seiner Existenz wieder bewusst wurde, eingesperrt, inmitten diffuser Helligkeit und doch so beengend wie ein winziger dunkler Raum. Ein Gefängnis, aus dem es kein Entkommen gab.

Wie ein ... Sarg?

Er hatte nie an ein Leben nach dem Tod geglaubt, in welcher Form auch immer. Aber jetzt kannte er die Hölle, und sie war schlimmer als jede menschliche Vorstellung.

Die aufkommende Müdigkeit machte seine Gedanken bleiern. Doch eines Tags würden sie wieder fließen wie Quecksilber, würde sein Geist sich zur Wehr setzen und das Gefängnis zerschmettern, auf dessen Grund er trübe schwamm. Dann würde vieles wieder wie früher sein.

Auf diesen Tag wartete er.

2.

 

Beim Blick auf die Zeitanzeige verdüsterte sich Myles Kantors Miene. Uhren hatten ihn stets fasziniert. Früher. Viele Leben schien das nun schon her zu sein. Jede einzelne war wie ein Schatten, der sich über Myles' Miene legte. Auch Sol verbarg sich hinter dunklen Wolken. Auf Terra spielte die Wetterkontrolle noch immer verrückt. Es war offensichtlich schwerer wieder in den Griff zu bekommen, als die Meteorologen anfangs behauptet hatten.

Unwillig wischte sich der Chefwissenschaftler der LFT mit dem Handrücken über den Mund. »Unnötige Aktionen ... Zeitverschwendung«, murmelte er im Selbstgespräch. »Jeden anderen Ort hätte ich als Treffpunkt verstanden, aber diese Klinik ...?« Sein Blick schweifte zurück zu dem schnellen Gleiter, mit dem er von Terrania Space Port aus nach Klein-Goshun geflogen war. Zu allem Überfluss hatte er nicht vor dem Gebäudekomplex landen dürfen, sondern war angewiesen worden, auf dem Areal außerhalb des umgebenden Parks niederzugehen. Energetische Durchflugsperren sorgten zudem dafür, dass niemand diese Bitte ignorierte.

Ein gewundener Weg führte zwischen Baumriesen hindurch. Hier gab es weder Transportbänder noch Sammelfahrzeuge. »Aber für die Sperre steht genügend Saft zur Verfügung.« Myles Kantors Ärger wuchs. Seit der Landung war er drauf und dran, Homer anzurufen und einen anderen Ort zu vereinbaren.

Ein neuer hastiger Blick auf die Zeitanzeige. Mit weit ausgreifenden Schritten näherte sich Kantor der Gebäudefront. Der auffrischende Wind peitschte ihm Nässe entgegen. Kantor wischte sich unwillig die Tropfen aus dem Gesicht.

Was tat er überhaupt hier? Auf dem Merkur potenzierten sich die Aufgaben. Das war wichtig. Dort wurde er gebraucht. In Volcan-Center wurde unter Ausnutzung aller Kapazitäten und rund um die Uhr an der Erforschung der eigenwilligen Strahlung gearbeitet, die Sol seit kurzem emittierte. Die ersten Ausfälle namhafter Kapazitäten waren quasi vorprogrammiert, und ausgerechnet in diesem Stadium zitierte Adams ihn nach Terra. Zitiert war genau der richtige Ausdruck. Nicht gebeten, geschweige denn nur angefragt.

Es regnete stärker. Myles schlug den Kragen hoch. Sein Ärger wurde dadurch nicht geringer. Für ein Wasser abweisendes Prallfeld über dem Weg reichte die Energie offensichtlich nicht, aber für die Gleitersperre. Und von Homer G. Adams war weit und breit nichts zu sehen. »Vor dem Haupteingang«, hatte er gesagt.

Ungeduldig trat Kantor von einem Fuß auf den anderen, kalkulierte in Gedanken die neuen Schichtpläne, Personalzuteilungen, Projekte. Unwillkürlich versteifte er sich, als er zwei Gestalten auf sich zukommen sah – doch es waren nur Medoroboter. Er wollte sie ansprechen, verpasste aber, halb in Gedanken versunken, den richtigen Moment und schaute ihnen nur wortlos hinterher.

»Fünf Minuten gebe ich dir noch, Homer«, murmelte er stockend im Selbstgespräch. »Ich habe meine Zeit nicht gestohlen.« Er fixierte den Haupteingang. Hinter den transparenten Torflügeln herrschte geschäftiges Treiben. Offensichtlich waren Roboter damit beschäftigt, Weihnachtsdekoration anzubringen. Weihnachten ... Zeit der Besinnung – von wegen!

»Entschuldige, Myles«, erklang es unvermittelt hinter ihm. »Ich wurde aufgehalten.«

»Ach«, machte der Wissenschaftler nur und winkelte den linken Arm an. Anklagend grell schimmerten die Holoziffern der Zeitanzeige über dem Handrücken.

In Adams' Blick blitzte es kurz auf. »Ich verstehe deinen Ärger. Trotzdem wirst du in Kürze einsehen, dass sich das Warten gelohnt hat.« Etwas wie Triumph schwang in seiner Stimme mit. »Ich habe ihn gefunden, Myles!«

Kantor verstand herzlich wenig. »Wen?«, wollte er wissen. »Wen hast du gefunden?«

»... den Leiter für die Waringer-Akademie! Es gibt keinen besseren!«

Für den Moment vergaß Myles Kantor sogar den anhaltenden Regen. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er auf den Residenz-Koordinator für Wirtschaft, Finanzen und Strukturwandel hinab. »Schön«, sagte er leise. »Aber ausgerechnet da drinnen, in einer Privatklinik? Wer ist es? Ein Mediziner?«

»Du kennst ihn!«

Der Ärger ließ Kantor verbissen reagieren. Der Leiter der Waringer-Akademie musste nicht nur eine starke Persönlichkeit sein, sondern vor allem ein technisches Allroundgenie; eine medizinische Koryphäe war mit Sicherheit die falsche Personalentscheidung. »Na schön. Ich warte.«

»Worauf?«, drängte Adams.

»Auf eine plausible Erklärung«, antwortete Myles Kantor gedehnt. »Das geht mir plötzlich zu schnell, nachdem sich wochenlang gar nichts getan hat.«

»Ich gäbe viel für deine Gedanken, Myles ... Der Mann ist erste Wahl!«

»Wer?«

Adams schüttelte den Kopf. »Noch nicht«, entgegnete er ausweichend. »Ich möchte, dass du mit mir gemeinsam das erste Gespräch führst. Und dass du deinen Einfluss geltend machst, den Mann zu überzeugen.«

»Dann weiß er also noch nichts davon?«, vermutete Kantor, während sie die Klinik betraten.

»So ist es – leider.« Was immer Homer G. Adams noch hatte hinzufügen wollen, es blieb unausgesprochen. Eine Medikerin kam ihnen im Laufschritt entgegen.

»Hoher Besuch«, stellte sie lächelnd fest. »Ich bin Dr. Kompar. Was kann ich für euch tun? Ihr wollt zur Klinikleitung?«

»Es geht lediglich um einen Patientenbesuch«, sagte Adams. »Zimmer 34! Wir brauchen seine Hilfe.«

Das Lächeln auf ihren Lippen gefror, ihr Blick schien die Besucher geradezu zu durchbohren. »Das kann nicht euer Ernst sein!«, brachte sie tonlos hervor.

 

*

 

In dreihundert Metern Höhe, auf dem schmalen, nur von einer fahlen Energiebalustrade gesicherten Gerüst, griff der Sturm mit aller Heftigkeit an.

Die Sicht reichte wegen des dichten Regens kaum noch bis zum Wohncenter, das wie der angrenzende See nach einem der größten terranischen Hyperphysiker benannt worden war: nach Prof. Dr. Arno Kalup. Trotz eines Zellaktivators war der Mann nicht einmal vierhundert Jahre alt geworden. Morgem Feburo hatte sich sagen lassen, dass Kalup schon im Jahr 2440 alter Zeitrechnung tödlich verunglückt und sein Aktivator zerstört worden war. Seit er das wusste, hielt er die relative Unsterblichkeit für noch weniger erstrebenswert als schon vorher. Die Furcht vor einem gewaltsamen Tod musste irgendwann jedes andere Gefühl überlagern. Zumindest glaubte er, dass es ihm so ergehen würde. Mit seinem Leben, wie es sich gestaltete, war er vollauf zufrieden.

Der Sturm schwoll allmählich zum Orkan an, der Regen peitschte nahezu waagerecht heran. Das waren miserable Bedingungen für die Endmontage der Tropfenspitze. Noch vor einem halben Jahr wäre das Zentralgebäude unter einen Schutzschirm gelegt worden, der jeden äußeren Einfluss fern gehalten hätte. Aber nun ...? Morgem Feburo hatte schnell gelernt, mit Halbheiten und Provisorien zurechtzukommen, was keinesfalls bedeutete, dass er sie mochte.

Unwillig schüttelte er sich die Nässe aus den Haaren, die im Nacken zu zwei dünnen, bis über die Schulterblätter fallenden Zöpfen geflochten waren, und hastete die Rundung entlang. Auf den glitschig gewordenen Planken sicheren Halt zu bewahren fiel ihm schwer, zumal ihn der Sturm jetzt von der Seite packte und nach innen drückte. Hundertzwanzig Meter durchmaß der Tropfen an der dicksten Stelle. Über die chromglänzende Außenhaut schoss der Regen in die Tiefe. Die Planken aus angeblich rutschsicherem Kunststoff waren Feburo suspekt. Die nach wie vor auftretenden Energieengpässe, der Ausfall von gut drei Viertel aller Spezialroboter, weil ihre Syntroniken bis heute nicht durch geeignete positronische Systeme ersetzt werden konnten – das alles führte auf den weit auseinander liegenden Baustellen zu derart vielen Kompromissen, wie er sie in seiner Zeit als Bauleiter bislang nicht erlebt hatte.

Er zog sich die Datenbrille wieder über die Augen. Ihre Polarisierung ließ die vielfältigen Verbindungsschächte, in denen die »Nervenfasern« des Bauwerks verliefen, wie ein Feuerwerk aus Lichtreflexen erscheinen. Die gleichzeitige Überlagerung und Abgleichung mit den Plänen durch spezielle Syntroniken gab es leider nicht mehr, das Beste, was er erhoffen konnte, war eine – weniger effiziente – Plausibilitätskontrolle.

Das Gerüst schwankte. Breitbeinig glich Feburo die heftigsten Erschütterungen aus.

Sein Blick suchte die Aufsatzkante des noch offenen Haupttropfens ab. Dort, wo bald die Spitze aufragen würde, befanden sich die Aussichtsterrassen mit Hunderten Sitzplätzen und dem Übergang zum zweiten, kleineren Tropfen.

Verrückte Konstruktion, dachte Feburo, als gäbe es nichts Wichtigeres. Trotzdem ... Selbst in den düstersten Stunden, wenn jegliche Bautätigkeit zu Problemen zu führen schien, war der Komplex eine Meisterleistung ästhetischer Architektur. Freilich wäre selbst mit den modernsten Baumaterialien das Konzept des Architekten nicht darstellbar, wenn die Antigravitationstechnologie nicht funktioniert hätte. Wenigstens sie versagt uns nicht den Dienst.

Das Gesamtgebäude – schon in einem frühen Planungsstadium als Regenbogen-Dom bezeichnet – durchmaß bis zu 450 Meter an der Basis und wirkte wie die Momentaufnahme fallender und aufschlagender Wassertropfen, ein ebenso filigranes wie beeindruckendes Bild. Erstarrte Natur. Dem Menschen untertan gemacht. Eine Struktur, die sich überall im Universum wiederfindet. Das war die offizielle Symbolik, und dieser hatte Morgem Feburo im Grunde nichts hinzuzufügen. Obwohl ihm bei der Splash Crown, wie einige seiner Mitarbeiter witzelten, immer zuerst in den Sinn kam, dass ohne Wasser Leben im menschlichen Sinn undenkbar war.

Er winkelte den linken Arm an. Das Funkmodul seines Multifunktionsarmbands aktivierte sich selbsttätig.

»Drei Anschlüsse sind matt«, stellte er fest. »Warum kümmert sich niemand darum?«

Die Antwort pflückte der tobende Sturm aus den Mikrolautsprechern und zerstreute sie, sodass nur noch Fetzen Feburos Ohren erreichten.

»Bitte wiederholen!« Der Bauleiter löste das knapp fingernagelgroße Zusatzmodul vom Armband und heftete es sich in die Ohrmuschel.

»Einige Schutzabdeckungen lassen sich nicht entfernen«, vernahm er. »Das Material ist teilweise molekular verschmolzen.«

»Sag das noch einmal!«, entfuhr es Feburo. »Ich kann mir nicht vorstellen ... Verdammt!«

Seine Verwünschung galt dem Schatten, der aus den tief hängenden Wolkenbänken fiel. Das spitz zulaufende obere Tropfenende wurde von zwei Space-Jets transportiert. Mindestens ein Dutzend Gleiter flogen Eskorte. Das Zusammenfügen der großen Bauteile erforderte Präzisionsarbeit und musste millimetergenau erfolgen. Wie leicht wäre es mit syntronischer Unterstützung!

Viel zu schnell näherte sich der Konvoi. Feburo nannte eine Kodezahl; das Armband zeigte die neu entstehende Verbindung an.

»Morgem Feburo spricht! Den Tropfen nicht aufsetzen! Andernfalls verlieren wir die Arbeit von Wochen.«

»Was ist los, Morgem?«

»Drei Anschlüsse sind blockiert, das ist los! Haltet die Höhe, aber unternehmt auf keinen Fall mehr!«

»Wie lange ...?«

»Ich weiß es nicht!« Feburo reagierte überreizt.

Beide Bauteile waren während der letzten Tage »vorbehandelt« worden. Nun blieb noch ein Zeitfenster von knapp 48 Stunden, um sie präzise nahtlos zusammenzufügen. Die gewählte Montagetechnik ließ die aufgelockerten Molekülgruppen ineinander greifen, wobei sie ihre kinetische Energie abgaben und unlösbar zusammenbuken. Schutzabdeckungen von Versorgungsanschlüssen würde danach niemand mehr entfernen können, und je nach ihrer Wichtigkeit würden Funktionsausfälle das Projekt beeinträchtigen. Morgem Feburo stieß eine neue Verwünschung aus. Verzögerungen waren das Letzte, was er im Bereich des Rainbow Dome haben wollte.

»Wo bleibt die Vollzugsmeldung?«, fauchte er ins Armband. Der Wind toste.

Lediglich ein undefinierbares Knistern antwortete ihm.

Der Regen hielt an. Feburo wischte sich die Nässe aus dem Gesicht. Über ihm schwebten die Space-Jets mit dem Gebäudeaufsatz, scheinbar unbeeindruckt von den Gewalten des Sturms, und ringsum tanzten die wesentlich schwächeren Gleiter wie ein Schwarm aufgescheuchter Insekten, hatten mitunter Mühe, nicht zusammenzustoßen.

Eine fahle Aura umspielte die präparierten Schnittflächen des Tropfens. Die »behandelten« Moleküle reagierten entweder auf den Regen oder auf das sich nähernde zweite Bauteil, vielleicht sogar auf beides zusammen. Feburo hätte die Materialprüfer fragen müssen, um das definitiv sagen zu können. Er war jedoch überzeugt davon, dass dieses unstete Glimmen den Armbandfunk störte.

Täuschte er sich, oder sanken die Space-Jets mit ihrer Last wieder tiefer? Morgem Feburo hob beide Arme, überkreuzte sie und winkte heftig ab. Wenn der Montagetrupp ihn durch die Regenschleier sehen konnte, musste die Geste reichen.

Er rannte los. An die zehntausend Arbeiter schufteten auf dem Areal der im Entstehen begriffenen Waringer-Akademie, hinzu kamen Roboter, Ingenieure und wissenschaftliche Berater. Eigentlich waren immer irgendwo Dutzende von Leuten anzutreffen – nur ausgerechnet jetzt und hier befand sich niemand in seiner Nähe.

Nach endgültiger Montage würde der zentrale Tropfen dreihundert Meter hoch sein. Er begann über der Zentralkuppel des Hauptgebäudes, symbolisierte den Aufschlag eines fallenden Tropfens: eine gleichermaßen nach oben und außen strebende kronenähnliche Architektur, sechzehn weit überkragende Zacken, von denen jeder an der Spitze einen kugelförmigen Nebentropfen trug. Und jeder dieser Nebentropfen hatte mit einem Durchmesser von sechzig Metern die Ausmaße einer Korvette.