Die drei ???® Kids
Band 4
Chaos vor der Kamera
Mit Illustrationen von Stefanie Wegner
KOSMOS
Umschlagillustration von Stefanie Wegner, Hamburg
Innenillustrationen von Stefanie Wegner
Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-15318-5
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Justus Jonas stand der Schweiß auf der Stirn. Seit Stunden wühlte er mit seinen beiden Freunden Bob und Peter im Schrott. Knietief standen sie inmitten von verrosteten Eisenteilen, kaputten Klimaanlagen und ausgedienten Computern. Die kalifornische Sonne brannte unerbittlich, und es war eigentlich ein denkbar schlechter Tag, um den Schrottplatz aufzuräumen.
»Wer noch mal Schrott zu meinem Schrott sagt, der soll mich kennenlernen«, rief ihnen Onkel Titus von der Veranda zu und lachte. »Das hier ist kein Schrott, das sind alles Wertstoffe!«
Den drei Freunden war das egal. Sie sortierten fleißig ausgediente Küchenmaschinen und stapelten Berge von alten Autoreifen übereinander. Viel Spaß machte es nicht, aber das war eine Möglichkeit, das Taschengeld aufzubessern – und Onkel Titus zahlte gut.
Peter Shaw zog seine dicken Handschuhe aus und wischte sich damit das Gesicht ab. »Wertstoffe! So ein Quatsch. Wer soll denn damit was anfangen können? Für mich ist das alles Gerümpel! Alter Plunder, den niemand mehr braucht. Kurz gesagt: Müll.« Mit diesen Worten trat er gegen eine alte Milchkanne.
In hohem Bogen flog sie durch die Luft und landete direkt in Bobs Händen. Bob Andrews war der Dritte im Bunde. Er rückte seine Brille zurecht und beäugte die Kanne.
»Mein lieber Peter«, erklärte er schmunzelnd. »Das, was du hier siehst, ist sicher kein vergammelter Blechklumpen. Nein, es könnte auch der historische Kaffeepott von Buffalo Bill sein. Millionen wert und unersetzbar.«
Peter, Bob und Justus mussten so laut lachen, dass Onkel Titus seine Zeitung weglegte und auf sie zukam.
»Also, Jungs«, sagte er beherrscht, »ihr braucht euch gar nicht über mich lustig zu machen. Erstens könnt ihr froh sein, dass ihr bei mir Geld verdient, und zweitens … zweitens könnte das wirklich der Kaffeepott von Buffalo Bill sein. Gib mal her, Bob!«
Justus war schneller und grabschte sich die Kanne. »Das glaube ich kaum«, erklärte er, nachdem er sie untersucht hatte. »Es sei denn, Buffalo Bill ist über 150 Jahre alt geworden.«
»Wie kommst du denn darauf, Just?«, fragte Peter erstaunt.
»Weil hier unten am Boden eine Jahreszahl eingestanzt wurde: 1981.«
Onkel Titus sah seinen Neffen herausfordernd an, dann legte er ihm die Hand auf die Schulter. »Na schön, du Meisterdetektiv. Sehen wir doch mal, ob du bei einem anderen Fall genauso scharf kombinieren kannst. Kommt mal mit, ich will euch was zeigen!«
Onkel Titus führte sie zu einer großen grünen Plane am Rande des Schrottplatzes. »Helft mir mal, das Ding wegzuziehen!«, sagte er und packte die Plane. Stück für Stück kam ein völlig zerstörtes Schrottauto zum Vorschein.
»Oh, Mann, wie ist denn das passiert?«, rief Peter entsetzt.
»Tja, das müsst ihr herausfinden. Der Wagen steht hier schon seit einer Ewigkeit herum. Wie ist es: Schafft ihr es, dem Autowrack sein Geheimnis zu entlocken?«
Diese Herausforderung mussten die drei ??? natürlich annehmen. Ein solches Rätsel war ganz nach ihrem Geschmack, denn schließlich waren unbeantwortete Fragen ihr Spezialgebiet.
»Gut, wir übernehmen den Fall«, sprach Justus mit ernster Miene, und Onkel Titus ging grinsend zurück auf die Veranda. Sofort machte sich das jüngste Detektivteam der Welt ans Werk, und sie begannen mit ihrer Untersuchung.
Die gesamte vordere Hälfte des Autos war völlig zusammengedrückt. Die Motorhaube lag wie eine Ziehharmonika gefaltet direkt vor der zersplitterten Windschutzscheibe.
»Das sieht aus, als sei der Wagen mit 100 gegen eine Wand geknallt.« Peter musterte das Wrack unbehaglich.
Bob warf vorsichtig einen Blick ins Innere. »Man kann nur froh sein, dass keiner im Auto saß.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Peter.
Justus sah von der anderen Seite in den Wagen. »Wahrscheinlich hat Bob das Gleiche entdeckt wie ich. Die Gurte sind alle zurückgerollt. Die Türen sind verschlossen, und der Schlüssel steckt nicht.«
»Vielleicht war das Ding ferngesteuert?«, überlegte Peter und rüttelte an der Tür.
Justus knetete seine Unterlippe und betrachtete die eingedrückte Vorderseite. »Wenn der Wagen gegen eine Wand gekracht ist, dann gegen keine aus Stein. Hier vorne kleben lauter Erdklumpen und vertrocknete Grasbüschel. Als ob das Ding vom Himmel auf eine Wiese gefallen ist.«
»Vom Himmel gefallen?«, wiederholte Bob ungläubig. »Dann ist es eindeutig ein UFO. Alles Unsinn mit den fliegenden Untertassen. Die Marsmenschen haben genau die gleichen Fahrzeuge wie wir.« Peter und er kringelten sich vor Lachen.
Justus fand das nicht lustig. »Werft lieber einen Blick auf die Handbremse. Die ist nicht angezogen, und der Ganghebel steht auf Leerlauf.«
»Stimmt, der Wagen konnte so einfach wegrollen«, stellte auch Peter fest.
Die drei ??? hockten sich auf eine alte Gasflasche und berieten. Vom Pazifik her kam eine leichte Brise und wehte angenehm kühl über den Schrottplatz. Nach einer Weile gingen die jungen Detektive zur Veranda und setzten sich zu Onkel Titus an den großen runden Tisch.
»Na, waren eure Untersuchungen erfolgreich?«, grinste er sie an.
Justus kräuselte die Stirn und begann: »Also, wir glauben, dass sich die Geschichte so zugetragen hat: Jemand stellte diesen Wagen an einer geneigten Straße ab. Er oder sie verschloss die Tür und ging einkaufen oder so was. Leider vergaß diese Person, die Handbremse zu ziehen und den Gang einzulegen. Das Auto begann zu rollen, donnerte die Straße runter und muss dann von einer Brücke oder so ähnlich direkt auf eine Wiese gefallen sein.«
»… aus mindestens fünf Meter Höhe«, ergänzte Peter.
Alle schauten gespannt auf Onkel Titus. Behutsam nahm dieser seine Brille ab und putzte sie umständlich. »Ich will mal so sagen: Meine Herren Kriminalinspektoren, die Sache könnte sich so zugetragen haben.«
»Was heißt hier könnte?«, rief Bob laut dazwischen.
»Na ja«, fuhr Onkel Titus fort. »Ich sagte ›könnte‹, weil ich selbst keine Ahnung hab, was da passiert ist. Der Wagen stand schon vor meiner Zeit hier.« Seine Mundwinkel zuckten belustigt, und schließlich musste er so laut lachen, dass er beinahe vom Stuhl fiel.
Justus war jetzt richtig aufgebracht: »Das ist unfair! Wir hatten von Anfang an keine Chance!«
Onkel Titus wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte, ihn zu beruhigen. »Sei mir bitte nicht böse, Justus. Vielleicht stimmt eure Geschichte ja? Und solange keiner das Gegenteil beweisen kann, entspricht sie der Wahrheit.«
In diesem Moment kam Tante Mathilda auf die Veranda und hielt einen duftenden Kirschkuchen in den Händen.
»Schluss mit den Geschichten, jetzt gibt es was zu essen!«, rief sie munter.
Sekunden später stopften sich alle drei mit Kuchen voll, und Justus sicherte sich gleich ein zweites Stück. »Das ist für mich Wahrheit«, lachte er mit vollen Backen und zeigte vergnügt auf den Kuchen.
Plötzlich hörten sie von der Straße ein lautes Reifenquietschen.
»Da hat jemand eine Vollbremsung gemacht«, vermutete Bob und blickte zum großen Eingangstor. Sie hörten, wie ein Wagen zurücksetzte, und kurz darauf hielt eine schwere Limousine direkt vor dem Wohnhaus. Eilig stiegen zwei Männer aus und zeigten aufgeregt auf den Schrottplatz. Einer der beiden, ein etwas dicklicher Mann mit weißem Hut, blickte zur Veranda und kam dann auf sie zu.
»Was wollen die denn hier?«, murmelte Tante Mathilda.
»Guten Tag. Mein Name ist Jerry Blake. Ich bin Produzent und Regisseur bei den Atlas Filmstudios in Hollywood. Zurzeit drehen wir den Actionfilm ›Gefährliche Stunts‹. Wir suchen dringend einen passenden Drehort für unsere wichtigste Szene. Mit einem Wort: Dieses Gelände hier passt wie die Faust aufs Auge. Was sagen Sie dazu?«
Tante Mathilda fiel fast die Kuchengabel aus der Hand. »Was, bitte, heißt das?«, fragte sie entgeistert.
»Es ist doch ganz einfach. Morgen früh rückt mein Filmteam an, und nach drei, vier Tagen ist die Sache im Kasten. Eigentlich sollte die Szene auf einer öffentlichen Müllkippe gedreht werden. Doch leider wurde die Genehmigung im letzten Moment zurückgezogen.«
Onkel Titus stand auf und ging auf ihn zu. »Was sind denn das für Szenen?«, fragte er neugierig.
Blake legte ihm die Hand auf die Schulter und deutete auf den Schrottplatz. »Also, die Sache läuft so ab: Genau hier vorn bauen wir eine Rampe. Über diese rast ein offener Jeep, fliegt 30, 40 Meter über den ganzen Schrott, explodiert und landet dahinten in dem Gerümpel. Ein echter Filmstunt eben.«
Onkel Titus’ Gesicht lief rot an: »Mister Blake, erstens ist das, was Sie hier sehen, kein Schrott, sondern Wertstoff und zweitens …«
In diesem Moment drückte ihm Jerry Blake ein Bündel Banknoten in die Hand.
»… und zweitens … und zweitens wollte ich schon immer bei Filmaufnahmen zugucken.«
»Titus, du wirst doch wohl nicht erlauben, dass bei uns brennende Autos durch die Luft fliegen!«, herrschte Tante Mathilda ihn an. Onkel Titus wurde nervös und umklammerte das Geldbündel.