Über den Autor

Eugen Drewermann studierte Philosophie in Münster und Katholische Theologie in Paderborn; er habilitierte sich in Theologie und lehrte als Privatdozent; außerdem absolvierte er eine Ausbildung zum Psychoanalytiker und ist als Therapeut tätig. Wegen seiner kirchen- und religionskritischen Ansichten geriet er in Konflikt mit der katholischen Kirche, die ihm Anfang der 1990er-Jahre die Lehrerlaubnis entzog und ihn als Priester suspendierte. Eugen Drewermann publizierte zahlreiche Bücher und ist ein viel gefragter Redner und Kommentator.

Über dieses Buch

Eugen Drewermann spricht über die Säulen des Vertrauens, die Menschen verlässlich tragen können. Aber auch über die Geschichte, in der Menschen und Institutionen wie die Kirchen sich immer wieder als fehlbar und nicht vertrauenswürdig erweisen. Es gilt, dem menschenfreundlichen Gott, wie er sich uns in Jesus von Nazareth gezeigt hat und dem wir vertrauen können, auf der Spur zu bleiben.

»Man muss und darf mit Jesus lernen, sich ganz und gar in Gottes Hand zu geben, hoffend, dass jenseits der Schranke des Todes sein Himmel sich öffnet für uns alle und bestätigt, was Jesus von Gott als seinem Vater her in die Welt hat bringen wollen: eine Güte, die den Tod überwindet …« (Eugen Drewermann)

Vorwort

Magdalene Bußmann: Liebe Freundinnen und Freunde, wiewohl es noch eineinhalb Minuten zu früh ist, denke ich, können wir ruhig beginnen.

Liebe Freundinnen und Freunde von Publik-Forum, der Leserinitiative und alle Menschen, die hier versammelt sind, ganz herzlich willkommen. Lieber Herr Drewermann, dass ich Sie mal wieder hier seitens der LIP und im Namen aller Anwesenden ganz herzlich begrüßen darf, das freut mich. (Applaus) Sie begleiten und inspirieren unsere Arbeit seit Jahren nicht nur regelmäßig mit Vorträgen, wir hoffen und vertrauen auch heute wieder auf die herausfordernde und wegweisende Kraft Ihrer Worte.

Heute ist ein ganz besonderer Tag für Herrn Drewermann, denn er feiert heute seinen Geburtstag (Applaus), und was auch immer feiern bei Ihnen bedeuten mag, jedenfalls freuen wir uns, dass Sie trotz dieses Tages hier heute die Gelegenheit sich nehmen, zu uns zu sprechen. Ganz herzlichen Dank! (spontanes Geburtstagsständchen des Publikums »Viel Glück und viel Segen«; Applaus)

Wenn wir etwas geübt hätten, hätten wir es im Kanon geschafft, aber ich denke, es geht auch so, ja?

Herr Drewermann, vielleicht ist es für Sie auch eine kleine Genugtuung, dass Sie seit langer Zeit zum ersten Mal in einer katholischen Kirche sprechen dürfen, und das sogar in Ihrem Heimatbistum, dem Erzbistum Paderborn. (Applaus) Wir freuen uns, dass diese Veranstaltung mit Ihnen hier und heute ohne jede Zensur stattfinden kann. Unser Dank gilt insbesondere der Gemeinde St. Martin und ihrem Pfarrer Dr. Klaus Korfmacher, die dieses Forum der Begegnung, der Diskussion und der Gespräche im Rahmen des Kirchentages ermöglicht haben.

»Was für ein Vertrauen«, so lautet das Motto des Kirchentages. Wir haben es für unser Programmangebot leicht präzisiert und fragen: »Mensch, wem vertraust du?«, denn weltweit ist ein massiver Vertrauensverlust in politische, wirtschaftliche und auch kirchliche Autoritäten und Institutionen zu verzeichnen. Dieser geht meistens einher mit einem Verlust an ethischen Werten und Überzeugungen, die die Menschheit zusammenhalten könnten.

Kirchentage sind, oder sollte ich besser sagen, waren einmal Orte, die eine aktuelle Zeitansage vornehmen, Orientierung und Perspektive anbieten wollen auf der Grundlage der christlichen Botschaft, oftmals ungelegen, aber niemals bequem.

Herr Drewermann, wir vertrauen Ihnen, dass es Ihnen gelingen wird, uns einige Grundgedanken zur Menschheitsfrage »Mensch, wem vertraust du?« nahezubringen. Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer sagte unlängst über Sie und Ihr Wirken: »Eugen Drewermann ist ein von der Kirche verkannter Prophet unserer Zeit.« (Applaus)

Sie lehnen diese Bezeichnung für sich natürlich ab – trotzdem dürfen wir gespannt sein auf wegweisende, aufrüttelnde Worte Ihrerseits in der Tradition prophetischer Worte der großen Menschheitsreligionen.

Noch ein Wort in eigener Sache: Wir sind hier angewiesen, um unsere Veranstaltung durchzuführen, auch auf Ihre Spende, und am Ende der Veranstaltung würden wir Sie bitten, im Rahmen Ihrer Möglichkeit uns und unsere Arbeit mit einer Spende zu bedenken. Herzlichen Dank!

Teil I

Vortrag

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich sagen in der Sankt-Martins-Kirche in Dortmund, meine lieben Schwestern und Brüder! Es ist für mich wirklich ein großes Geburtstagsgeschenk, zu Ihnen sprechen zu dürfen über das, was mir am meisten bedeutet: die Botschaft Jesu und die Haltung des Vertrauens.

»Was für ein Vertrauen«?!

Die deutsche Sprache ist sonderbar. In der grammatikalischen Konstruktion sind Sätze der Bewunderung und der Infragestellung völlig gleich geformt, sodass es dem Leser oder dem Hörer überlassen bleibt, wie er betont und welch ein Zeichen er an das Ende des Satzes stellt.

Was für ein Vertrauen! Wer so betont, schreitet sicheren Fußes durch die Zeit dahin. Und genau so hören wir’s betont vom Kirchentag in Dortmund. Herr Laschet kommt und erläutert, dass in diesen Zeiten der Unruhe, der Wirren, des Zusammenbruchs und der Infragestellung das Vertrauen in die Institutionen so wichtig sei.

Herr Steinmeier kommt und erklärt, dass in diesen Zeiten des Umbruchs das Vertrauen in die Gesellschaft und in die Demokratie grundentscheidend sei. Und es gibt kirchlicherseits keinen Widerspruch.

Soll es aber wirklich dabei bleiben? Wir sprächen von Gott, um die staatlichen Institutionen zu stützen, um die bürgerliche Gesetzgebung wie etwas Heiliges mit der Mandorla zu umschmücken, und wir dürften gar nicht in diesem Sinne misstrauisch, skeptisch sein oder wir wären schon Verschwörungstheoretiker? Was eigentlich ist mit den staatlichen Institutionen gemeint?

Par exemple, die Institution der Bundeswehr! Ich muss gestehen, ich habe zu ihr nicht das mindeste Vertrauen, ganz sicher nicht in die Behauptung der Regierenden, sie würde eingesetzt, um Menschen zu helfen, zu retten und Frieden zu verbreiten. Oder: Die Institution der Nato! Ich habe überhaupt kein Vertrauen, dass ihre Ostausdehnung der Versöhnung ausgerechnet mit Russland dienen würde. Die Abschussrampen in Büchel und die Umstrukturierung der Atomwaffen zu taktisch einsetzbaren Massenvernichtungsinstrumenten, von denen Frau Merkel nichts zur Kenntnis nehmen will – ich habe keinerlei Vertrauen, dass weitere Aufrüstung die Zukunft retten könnte. Oder: Die Drohnenmorde, die von Ramstein aus geflogen werden – sollten sie wirklich unbekannt sein der eigenen Kanzlerin? Kein Unrecht gehe aus von deutschem Boden? – Keinerlei Vertrauen habe ich in all die militärischen Institutionen und in die Politik, die mit ihnen getrieben wird.

Oder: Der Überwachungsstaat.

Was macht die NSA, die CIA, der MAD, der BND? Was machen wir mit der simplen Tatsache, dass Sicherheit im Inneren heute vor allem durch das Ausgespähtwerden vonseiten der Überwachungsbehörden gewährleistet werden soll, sodass Sie keine Busstation, keinen Bahnhof, kein Hotel mehr betreten können, ohne ausgespäht zu werden, und dass Ihr Handy das sicherste Kontrollmittel ist, um noch nach einem halben Jahr Ihr Bewegungsprofil nachzeichnen zu können. Keine Persönlichkeitsrechte bestehen da mehr, die Demontage des Intimsten zur Auslieferung an die Allgemeinheit der Macht ist bestehende Routine.

Und ganz ähnlich verhält es sich international. Kein Vertrauen habe ich in die Behauptung, dass Africom (United States Africa Command) in Stuttgart der Entwicklungshilfe in einem notleidenden Kontinent mit über sechzig Millionen Flüchtlingen dient. Es dient mit Sicherheit der Planung geostrategischer Kriegseinsätze von Libyen über Mali, in Somalia, im Niger, im Sudan, im Kongo – wo Sie wollen.

Konkret: Sie haben in Ihrer Hosentasche mit dem Handy einen Akku, zu dessen Herstellung Coltan benötigt wird. Neunzig Prozent davon lagern im Kongo; also gehört der Kongo uns – die da unten können damit sowieso nichts anfangen; aber wir brauchen’s. Also werden wir Africom einsetzen zur Überwachung, zum Triggern der lokalen Machtverhältnisse, zum Umsturz für die Etablierung von uns genehmen Regierungen, die uns aus der Hand fressen.

Misstrauen aus Vertrauen – Luther zum Beispiel

Ist derlei wirklich auf einem Kirchentag zu sagen, der zu Vertrauen einlädt? Aber unbedingt! Weil das, was wir religiös mit Vertrauen meinen, nicht die Verlängerung der Endlichkeit ins Unendliche sein kann mit der Folge eines ewigen Weiter-so, bei dem sprichwörtlich die Krise als Chance zu begreifen ist, um mit neuen Mitteln die immer alten Fehler zu erweitern. Nötig ist ein Umbruch in allem. Doch dazu müssten wir den Satz der Bewunderung »Was für ein Vertrauen« anders betonen und mit Fragezeichen enden. Was für ein Vertrauen? Das ist eine kritische Frage. Es ist der Hammer, der endlich die Wand öffnet und das Pappmaché durchschlägt für eine gründlich andere Weltsicht.