Klaus W. Döhring
Handbuch Lehren und Trainieren in der Weiterbildung
Lektorat: Ingeborg Sachsenmeier
© 2008 Beltz Verlag · Weinheim und Basel
www.beltz.de
Herstellung: Klaus Kaltenberg
Umschlaggestaltung: glas ag, Seeheim-Jugenheim
Umschlagabbildung, Logos und Kapitelaufmacherseiten: Florian Mitgutsch, München
ebook: Druckhaus »Thomas Müntzer«
ISBN 978-3-407-36040-3
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Das Buch erschien früher im Deutschen Studien Verlag in acht Auflagen unter dem Titel »Lehren und Trainieren in der Weiterbildung«, bevor es zum Handbuch überarbeitet und ausgebaut wurde.
Um die Lesbarkeit des Textes zu erleichtern, wird im vorliegenden Handbuch auf die ständige sprachliche Differenzierung zwischen weiblicher und männlicher Form verzichtet. Auch wenn die männliche Schreibweise verwendet wird, sollen also die »Dozentinnen«, »Trainerinnen«, »Teilnehmerinnen« selbstverständlich immer mitgemeint sein.
Klaus W. Döring, Prof. Dr. phil., ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Technischen Universität Berlin mit den Schwerpunkten Betriebliche Bildung und Weiterbildung.
Homepage: www.kwdoering.de
Der Ausbau von »Lehren und Trainieren in der Weiterbildung« zum Handbuch erfolgte nach sorgfältiger Überlegung: Das in zehn Jahren in acht Auflagen erschienene Buch wurde komplett überarbeitet und erweitert. An der grundsätzlichen Situation der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung – dieses wichtigen Sektors der Personalentwicklung – hat sich wenig geändert. Aber: Unter dem Einfluss neuer technischer Möglichkeiten sind neue, die Lerner und deren Lernen noch zusätzlich belastende, eher negative didaktische Momente aufgekommen. War es früher der Aspekt der »Folienschleuderei«, der schlechthin als Kennzeichen einer »Didaktik von oben« gelten konnte, so ist dies heute die Marotte der PowerPoint-Präsentationen, die jeden vernünftigen Lehr-Lern-Zusammenhang bedroht. Heute »klickt« man sich einfach durch schwierige fachliche Zusammenhänge ohne Rücksicht darauf, ob denn die daraus sich ergebende psychomentale Belastung überhaupt zu so etwas wie einer lernenden Verarbeitung führen kann. Lehren verkommt hier zweifellos zu einer »Pädagogik der technisch von oben vorgegebenen Mitteilung« mit allen unerwünschten Konsequenzen für das Berufsverständnis und Berufsverhalten der Trainer und Dozenten sowie das Lernen, die Lerneinstellungen und die Handlungsbereitschaft der Teilnehmer.
Gegen derartige Tendenzen einer rücksichtslosen »Didaktik der Stoffhuberei« lehnt sich das vorliegende Handbuch auf. Es plädiert für einen Lehransatz »von unten« und rückt daher das Lernen und den Teilnehmer konsequent in den Mittelpunkt. Gefragt ist nämlich heute weniger, wie man einen bestimmten, fachlich zu generierenden »Stoffzusammenhang« in eine PowerPoint-Präsentation zu übersetzen hat, als vielmehr die Frage, welche lebendigen Begegnungen und Auseinandersetzungen mit spezifischen didaktischen Mitteln möglich sind, sodass unter Teilnehmern interessante Kommunikationen in Gang kommen und so etwas wie personenbezogene »Betroffenheit« entstehen kann, welche erst die Voraussetzung für die in berufsbezogenen Kontexten so notwendige Denk- und Handlungsbereitschaft schafft.
Denn erst dieses »Es geht mich etwas an« schafft dafür die einzig mögliche Voraussetzung seitens der Teilnehmer. Was nützen Mitteilungen, wenn sie nicht zu verantwortlichem Denken und Tun führen werden. Gesamtunternehmerisches Denken und Handeln heute zu Recht und mehr denn je in betrieblichen Handlungszusammenhängen eingefordert. Wie aber soll das entstehen und sich entwickeln können, wenn den Teilnehmern in den dafür vorgesehenen Qualifizierungsmaßnahmen ein für sie unentwirrbares und unverdauliches Knäuel von Informationen elegant – weil technisch perfekt vermittelt – serviert wird? Gar nicht zu reden von der eher abschreckenden und abweisenden Wirkung solchen Vorgehens, wo doch die Teilnehmer für den jeweiligen Zusammenhang angeblich gewonnen werden sollen.
Nein, so geht es nicht – so funktioniert das nicht! – Ein anderes Lernen ist gefragt. Eines, bei dem lebendige Menschen sich mit Kopf, Herz und Hand in sachrelevanten Begegnungen mit interessanten Fragen weitgehend selbstbestimmt auseinandersetzen können. Voraussetzungen dafür schaffen Trainer und Dozenten, die ein dem wissenschaftlichen Stand entsprechendes Lernverständnis aufgebaut haben, die darüber hinaus die »lebenswichtige« Technik der Stoffreduktion beherrschen und die schließlich über ein wenigstens minimales didaktisches Repertoire verfügen. Dazu möchte das vorliegende Handbuch seinen eigenen Beitrag leisten.
Das seminaristische Lernen innerhalb wie außerhalb betrieblicher Zusammenhänge, das in diesem Buch im Vordergrund steht, hat zu Recht Konkurrenz bekommen, weil die Enttäuschung über die geringen Effekte üblicherweise »von oben« ausgerichteter Seminare mit Mitteilungscharakter zu schwerwiegend und die Budgets vieler Betriebe umgekehrt immer kleiner geworden sind. Den Luxus folgenloser Veranstaltungen unprofessioneller Weiterbildung wollte und konnte man sich verständlicherweise einfach nicht länger leisten. So haben sich etwa die folgenden Lernformen in den letzten Jahren logischerweise und mit teilweisem Erfolg einen gewissen Platz in der betrieblichen Weiterbildung erobern können:
Verschiedene Formen arbeitsplatznahen Lernens.
Praxiszentriertes Lernen auf Coachingbasis.
Projektbezogenes Lernen im betrieblichen Arbeitszusammenhang.
Lernen in Prozessen von Qualitätsarbeit (»Qualitätszirkel«).
IT-basiertes Lernen im Selbstmanagement (Lernprogramme).
Lernen in Prozessen von »Open-Space-Prozeduren« (zum Beispiel Informationsmarkt-Methoden).
Verschiedene Formen des IT-basierten »Distant Learning«.
Lernen in verschiedenen Kontexten des sogenannten »Blended Learning« (Veranstaltungskombinationen von präsenz- und mediengestützem Lernen).
Das vorliegende Handbuch behandelt die immer noch am weitesten verbreitete Form der beruflichen Weiterbildung – nämlich das Lernen in seminaristischer Form, bei der die unterrichtliche Vorgehensweise die bei Teilnehmern bei Weitem beliebteste ist. Denn die meisten Teilnehmer haben Schwierigkeiten damit, zum Beispiel in »Einsamkeit und Freiheit« – auf sich allein gestellt – zu lernen. Der soziale Kontakt zu anderen, die motivierende Funktion der Lerngruppe, das (hoffentlich) vorbildlich wirkende Beispiel eines überzeugenden Dozenten, der sich als kompetenter Lernpartner in den Lernprozess einzubringen in der Lage ist – das und noch vieles andere bewirken, dass die meisten Lerner zum Beispiel mit dem Web-gestützten Lernen am Computer so ihre Schwierigkeiten haben. Sie wünschen sich lebendige Menschen um sich, bei denen man nachfragen, mit denen man lachen und diskutieren, gemeinsam frühstücken, Wein trinken und Erfahrungsaustausch betreiben kann.
Als Sozialwesen liebt der Mensch nun einmal die Geselligkeit – gerade auch bei einem so schwierigen Geschäft wie dem des berufsrelevanten Lernens. Gute seminaristische Lernprozesse mit einem motivierenden Sozialklima, mit reduzierter Stoffvermittlung, mit hinreichender Fall- und Aufgabenorientierung, mit viel Praxisbezug, mit reichlicher Gelegenheit zur eigenen Beteiligung, mit guter Verständlichkeit und viel, viel Spaß und Freude mit den anderen Teilnehmern – also mit zahlreichen Kommunikations- und Interaktionskontakten –, das stellt für die meisten Teilnehmer weiterhin ein unschlagbares Lernangebot dar. Unternehmen, die diese Lernform zugunsten der oben aufgeführten Alternativen im Begriffe sind, aus grundsätzlichen Erwägungen generell abzuschaffen, machen hier ohne Zweifel einen schweren Fehler. Viele Häuser rudern hier inzwischen auch schon wieder zurück, weil sie mit dem Unwillen ihrer Mitarbeiter über diese Reduzierung konfrontiert sind. Offensichtlich ist es doch besser, die Seminare professioneller zu machen, als sie etwa rigoros ganz abzuschaffen.
Dieser Gedanke wird auch gestützt durch die Lern(ziel)forschung: Sofern sowohl kognitive wie sozial-emotionale – also gefühlsmäßig bedeutende – als auch handlungsbezogene Lernziele verfolgt werden, braucht das Lernen nämlich einen starken Personenbezug mit viel Kommunikation und Interaktion.
Die meisten berufsrelevanten Lernerfordernisse erfüllen aber dieses Kriterium schon deshalb, weil eigentlich immer Werte wie beispielsweise »Verantwortung«, »Qualität« und »gesamtunternehmerisches Denken« mitgedacht, mitgelehrt und mitgelernt werden sollen – ganz gleichgültig, welche fachlichen Zusammenhänge jeweils aufgeworfen werden. Insofern setzen professionell ausgestaltete Seminare als Grundform betrieblichen Lernens der Weiterbildung nach wie vor – und auch weiterhin – alle Kriterien, die man an eine seriöse Lernform stellen muss.
Da Weiterbildung auch in Zukunft nicht nur das fachliche und überfachliche Wissen der Teilnehmer erweitern und ausbauen helfen, sondern vielmehr auch deren Einstellungen, Wertbezüge, Haltungen, Handlungsbereitschaften und Handlungskompetenzen verändern und erweitern soll, verknüpft sich in vielen Fällen die Unterrichtspraxis des Seminars mit handlungs- und praxisbezogenem Training. Gerade dies ist heute ein Kennzeichen moderner seminaristischer Lehrarbeit – und genau aus diesem Grunde auch wird im vorliegenden Werk das Training als grundständige Lehraufgabe im Zusammenhang mit Unterricht gesehen und behandelt.
Der Grundgedanke des vorliegenden Handbuches aber lässt sich als »Bild« des professionellen Dozenten und Trainers verdeutlichen: Wir stellen ihn uns heute nämlich als Dienstleister vor, der seine Tätigkeit nach didaktischen Gütekriterien primär als »Lehrer« ausrichtet und ausgestaltet. Diese aber ist nur vollgültig zu erbringen, sofern von dem Gedanken Abstand genommen wird, der Dozent oder Trainer habe in erster Linie ein Fachmann/eine Fachfrau – ein Spezialist eben – für ein bestimmtes Sachgebiet zu sein.
Das vorliegende Buch hält dagegen, dass Dozenten und Trainer in erster Linie Lernmanager, Lernberater und Lehrende zu sein haben. Sie sind demnach also primär Organisatoren für teilnehmerzentrierte Lernprozesse und erst in zweiter Linie betriebliche Superexperten. Experte zu sein ist eines – ein guter Lehrer zu sein ist ein ganz anderes. Das Problem der Experten sind nämlich die Stoffreduktion und die Empathie mit dem lernenden Teilnehmer. Die ständige Gefahr ist bei ihnen, dass die »zwanzigste« Einzelheit und das »fünfundzwanzigste« Detail wichtiger werden als die Frage, was vernünftigerweise erst einmal ausgeklammert werden kann, damit ein lernender Teilnehmer die Problemstellung aufnehmen und verarbeiten kann.
Damit sind solide Fachkenntnisse nicht etwa unwichtig. Aber sie sind auch nicht das entscheidende und alleinige Kriterium für die Auswahl der Dozenten und Trainer. Vielmehr werden heute die folgenden Kriterien an professionelle Lehrkräfte angelegt:
Ein ethisch motiviertes Interesse am Menschen.
Ein professionelles oder mindestens semiprofessionelles didaktisches Repertoire.
Ein einigermaßen entwickeltes soziales Grundverständnis und Verhaltensrepertoire.
Die fachdidaktische Fähigkeit zur Stoffreduktion auf Vollständigkeit.
Man mag sich nur ehrlich die folgende Frage beantworten und weiß, was hier im Kern gemeint ist: Wo lernt ein Teilnehmer mehr? – Bei einem Superexperten, der ein lausiger Lehrer ist, oder einem durchschnittlichen Fachmann, der eine einigermaßen professionelle Lehrkraft darstellt?
Die Sorge um die Zukunft des so wichtigen »quartären Sektors« der beruflichen Weiterbildung macht, dass ich diesem Werk so viel Erfolg und Verbreitung wie möglich wünsche. Es ist dies auch die Sorge um eine humane Ausgestaltung des Berufsalltags von Mitarbeitern in Unternehmen wie der der Unternehmen und deren Kultur selbst. Denn die Qualität der Lernkultur prägt die Unternehmenskultur auf das Nachhaltigste. Ja, man kann sagen, dass mit der Kultur des Lernens in einem Unternehmen ein Stellhebel für seriöse Entwicklung und humanen Umgang im Allgemeinen gegeben ist.
In dem Sinne gilt: »Sagt mir, wie ihr lernt, und ich sage euch, wie ihr denkt, lebt und arbeitet!«
Meinem Mitarbeiter, Thilo Wendland, ist es zu danken, dass dieses Handbuch in so kurzer Zeit überarbeitet und herausgebracht werden konnte. Trotz eigener Belastungen hat er viel Arbeit auf sich genommen und zu einem guten Ende geführt.
Berlin, im März 2008
Professor Dr. Klaus W. Döring
Dieses Handbuch wirbt für eine Qualitätsverbesserung der Lehre im quartären Bildungssektor der beruflichen Weiterbildung. Es will in erster Linie eine Hilfe sein für solche Dozenten und Trainer, die den dringenden Wunsch haben, ihre Lehrbefähigung grundlegend zu entwickeln oder zu erweitern.
Mit einiger Verzögerung hat die Qualitätsdebatte damit auch die »inneren« Prozesse der beruflichen Weiterbildung erreicht. Vielen Verantwortlichen ist inzwischen nämlich klar geworden, dass eine systemisch-organisatorische oder ausstattungstechnisch-mediale Ausgestaltung der Lehr-Lern-Verhältnisse allein keineswegs ausreicht, um grundlegende Verbesserungen für die Lernenden herbeizuführen. So gibt es denn auch inzwischen eine anerkannte Qualitätszertifizierung, von Zech und anderen entwickelt, die den Lernenden in den Mittelpunkt stellt – LQW® (= Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung). So garantieren auch die traditionellen DIN-ISO-9000-Zertifizierungen allein keineswegs dafür, dass die Qualität des Lernens durchgreifend verbessert wird.
Erfolg in dieser Hinsicht ist erst abzusehen, wenn die Dozenten und Trainer ihre ureigenste Domäne – das Lehren und Trainieren – professionell und teilnehmerzentriert ausgestalten können. Die unselige Praxis vieler Institutionen, sogenannte Fachspezialisten, also Fachleute ohne genuine didaktische Qualifikation, auf Teilnehmer der Weiterbildung »loszulassen«, hat sicher zu der eingetretenen Misere wesentlich beigetragen. Die Leidtragenden solcher Fehlentscheidungen sind dabei sowohl die Teilnehmer wie die fremdernannten Amateurdozenten und Laientrainer. Oftmals bringen sie viel guten Willen und Einsatz ein, scheitern dann aber an der Komplexität der didaktischen und methodischen Aufgaben, die es erforderlich machen, dass man sich ihnen kriterienorientiert und mit langem Atem stellt. Dieses Handbuch möchte dazu einen sowohl vergnüglichen wie praxisorientierten Einstieg anbieten.
Es will vor allem aber nicht dadurch langweilen, dass es eine umständliche Rekonstruktion von Theorien und Modellen der Allgemeinen Didaktik bietet. Denn: Die Diskussion um die bislang entwickelten wichtigsten neun Didaktikansätze ist für den praxisorientierten Dozenten in der Weiterbildung für seine konkrete Lehrarbeit nur begrenzt hilfreich. Zu diesen neun Didaktikansätzen gehören:
Bildungstheoretische Didaktik (Klafki und andere).
Lehrtheoretische Didaktik (Berliner Ansatz, Heimann und andere).
Kybernetische Didaktik (von Cube).
Bildungstechnologische Didaktik (Flechsig).
Systemtheoretische Didaktik (König/Riedel).
Konstruktive Didaktik (Hiller).
Kommunikative Didaktik (Schäfer/Schaller).
Materialistische Didaktik (Huiskens).
Curriculare Didaktik (Frey).
Es soll vielmehr in der folgenden Darstellung vor allem darum gehen, konkrete Probleme, die den Praktiker täglich bedrängen, so abzuhandeln, dass Lösungsmöglichkeiten in den Blick kommen und ein gangbarer Weg erkennbar wird. Praktiker beschäftigen beispielsweise folgende Fragen:
Zum Lernen
Was muss ich als Dozent über das menschliche Lernen wissen?
Wie lernen Erwachsene?
Was ist meine Rolle als Dozent und Trainer?
Zur Vorbereitung
Wie reduziere ich die Fülle meines Lehrstoffs?
Wie bereite ich meinen Unterricht/mein Training vor?
Wie formuliere ich meine Themen und Lernziele?
Wie konstruiere ich einen interessanten und abwechslungsreichen Unterrichts- und Trainingsverlauf?
Wie organisiere ich das Kennenlernen der Teilnehmer?
Wie sichere ich den Erfolg von Unterricht und Training?
Zur Lernorganisation
Wie beginne ich meinen Unterricht/mein Training?
Wie setze ich Medien ein?
Wie behandle ich einen abstrakten oder eher langweiligen Stoff?
Wie mache ich es, dass teilnehmerzentrierte Verfahren zum Zuge kommen können?
Wie wiederhole und übe ich?
Wie stelle ich gute Fragen?
Wie muss ich sprechen? Wie mich bewegen?
Wie beende ich den Unterricht?
Wie kontrolliere ich den Lern- und Trainingserfolg?
Wie erfahre ich, ob mein Unterricht/Training bei den Teilnehmern gut angekommen ist?
Zur Teilnehmerzuwendung (Zum Umgang)
Wie schaffe ich ein gutes Lernklima?
Wie löse ich Konflikte?
Wie gehe ich mit den Teilnehmern um?
Wie muss eine teilnehmerfreundliche Lernumgebung aussehen?
Was die folgende Darstellung also nicht sein will, wurde bereits angedeutet: eine vorwiegend im Abstrakt-Theoretischen verbleibende Erörterung vorliegender Didaktikansätze und deren mögliche Übertragung auf den Bereich der Weiterbildung. Vielmehr soll eine möglichst praktisch-pragmatisch gehaltene Orientierungshilfe zur Lösung der Hauptschwierigkeiten von Dozenten und Trainern in der Weiterbildung geboten werden, nämlich einen motivierenden, also
teilnehmerzentrierten,
abwechslungsreichen und vielseitigen,
interessanten und praxisorientierten,
aktivierenden und handlungsorientierten Lernprozess zu gestalten.
Da es bekanntlich nichts Praktischeres gibt als eine solide Theorie, soll und muss auch dieses Vorhaben theoretisch fundiert sein. Das in der Praxis vorkommende Problem muss erkennbar gemacht, von mehreren Seiten beleuchtet und mit Lösungshinweisen versehen werden.
Die Weiterbildung kennt die in der folgenden Tabelle aufgeführten verschiedenen Lehr-Lern-Formen mit einem jeweils unterschiedlichen Ausmaß von direkter Dozenten- oder Traineraktivität und -verantwortlichkeit. Bei diesen verschiedenen Lehr-Lern-Formen gehören Unterricht und Training zweifellos zu den am häufigsten verwendeten Formen. In ihnen hat ein Dozent und Trainer als dringlichstes Problem, anregende Lernverhältnisse zu schaffen, die die Teilnehmer zum Lernen motivieren können. Daher wird sich die Übersicht »Lehr- und Lern-Formen in der Weiterbildung« auf diese am häufigsten verwendeten und zugleich besonders problemreichen Grundformen des Lehrens und Lernens in der Weiterbildung beziehen.
Die genannte Konzentration auf Unterricht und Training lässt sich mit Blick auf die vorherrschende Praxis besonders nachdrücklich begründen. Es scheint nämlich so zu sein, dass Dozenten und Trainer derzeit
vorwiegend und einseitig einen instruierend-darbietenden Unterrichtstypus (vgl. die folgende Übersicht) bevorzugen, in dem der Dozent dominiert und in dem es primär nur um den systematischen Aufbau von Wissensbeständen geht (= Präsentation);
vorwiegend und einseitig die Lehr- und Sozialform des darbietend-entwickelnden Lehrgesprächs oder der Präsentationsform wählen, an der über längere unterrichtliche Zeiträume hinweg starr festgehalten wird und die oft gekoppelt ist mit einer sehr einseitigen Mediennutzung, wie zum Beispiel dem Overhead-Projektor (»Folienschleuder«) oder der PowerPoint-Präsentation;
vorwiegend und einseitig ihren Unterricht nach fachlichen Gesichtspunkten planen und durchführen, wohingegen didaktische Gesichtspunkte stark zurücktreten;
das Training didaktisch und methodisch zu monoton sowie zu wenig handlungs- und praxisorientiert durchführen.
Lehr- und Lern-Formen in der Weiterbildung | ||
Lernort |
Ausmaß direkter | |
Das traditionelle Selbststudium |
Privatbereich |
|
Bildungsinstitution |
||
Das interaktive Selbststudium mit Neuen Medien und Telekommunikationsmitteln (z.B. CBT) |
Privatbereich |
|
Betrieb |
||
Der Unterricht |
Bildungsinstitution |
|
Das (Arbeits-)Seminar |
Bildungsinstitution |
|
Das Rollen- und Planspielseminar |
Bildungsinstitution |
– |
Die Unterweisung |
Betrieb |
– |
Das Training |
Betrieb |
– |
Bildungsinstitution |
– | |
Die Arbeitsmoderation |
Betrieb |
– |
Bildungsinstitution |
– | |
Verschiedene Formen arbeitsplatz- |
Betrieb |
|
Praxiszentriertes Lernen auf |
Betrieb |
|
Projektbezogenes Lernen im betrieb- |
Betrieb |
|
Lernen in Prozessen von Qualitäts- |
Betrieb |
|
IT-basiertes Lernen im Selbst- |
Privatbereich |
|
Betrieb |
||
Lernen in Prozessen von |
Bildungsinstitution |
|
Verschiedene Formen des |
Bildungsinstitution |
|
Lernen in verschiedenen Kontexten des »Blended Learning« (= Veran- |
Bildungsinstitution |
|
* Erfa = Erfahrungsaustausch Ausmaß: = ohne; = gering; = mittel; = hoch |
Allen diesen Formen ist eigen, dass sie aufgrund fehlender Stoffreduktionstechniken zu »Stoffüberfrachtung« und »Stoffhuberei« neigen, weil der Teilnehmer dabei einfach nicht im Blick ist (Dozenten-/Trainer-Zentriertheit).
Unterrichtstypen in der Weiterbildung | |||
Typ |
Vorrangiges Ziel |
Form: |
Form: |
Einführender |
Übergreifende |
||
Instruierender |
Aufbau von |
||
Problemorientierter Unterrichtstyp |
Aufbau von |
||
Erarbeitender |
Eigenständige |
||
Wiederholender |
Vertiefung und |
Stellt man die Frage, womit diese Einseitigkeit vieler Dozenten und Trainer zu tun hat, so gibt es darauf vor allem zwei zentrale Antworten:
Selbstverständnis, Einstellungen und eigene Lernerfahrungen beziehen sich stets auf ein Unterrichts- oder Trainingsmodell, in dem das Fachliche einseitig dominiert (= »logotrope« Grundhaltung). Es wird gleichsam ständig verdrängt, dass Unterricht eine »Lern«-Veranstaltung für Teilnehmer ist, die bestimmte psychomentale (= geistig-seelische) Prozesse und Tätigkeiten absolvieren müssen, um sich des Gegenstandes zu bemächtigen. Demgegenüber ist der Unterricht oder das Training für sehr viele Dozenten und Trainer im Unterbewusstsein eine Veranstaltung, die »der Sache« und einer Institution zu dienen hat. Die Teilnehmer – als Erwachsene – gelten gleichsam als »alt und erfahren genug«, als dass sich der Dozent um sie und ihre Aneignungsprobleme kümmern müsste.
Neben diesem – über weite Strecken unbewussten – Lehr-Lern-Konzept vieler Dozenten spielt ein zweiter Punkt eine entscheidende Rolle: Die mangelhafte Qualifikation für das Didaktische und Methodische. Man wird in aller Regel Dozent und Trainer nicht wegen seiner unterrichtlichen Fähigkeiten, sondern weil man dafür fachlich herausragend geeignet erscheint. Über eine speziell didaktische Ausbildung dagegen verfügen nur wenige. Daher kann man sich auch nicht an optimalen eigenen Erfahrungen als Modellen/Vorbildern orientieren, da auch in anderen Bildungsinstitutionen – etwa der Schule oder Hochschule – ein Übergewicht des Fachlichen gegenüber dem Didaktischen herrscht. So fehlt es vielfach schlicht an möglichen und realisierbaren Alternativen zu einem Unterricht oder Training, in dem der Dozent nach alter Manier als »Einzelunterhalter« viel spricht und fragt, während die Teilnehmer vorwiegend nur zuhören oder zuschauen.
An dieser Stelle ist es sinnvoll, die Lehr-Lern-Formen »Unterricht« und »Training« kurz zu charakterisieren:
Während man in der Allgemeinen Didaktik unter Unterricht eine didaktische Organisationsform versteht, in der gruppenbezogene Lehr-Lern-Prozesse vor allem auf den Lernzielebenen
des Wissens (= Kognition) und
des Psychosozial-Mentalen (= Emotion), der Werte, Einstellungen, Haltungen
angestrebt werden, ist das Training eine entsprechende Organisationsform, in der auf praxisorientierte Weise vor allem folgende Lernzielebenen angestrebt werden:
das psychomotorisch-handlungsbezogene Können (= Konation/Verhalten) und
das psychosozial-mentale Empfinden und Werten (= Emotion, Einstellung, Haltung).
Das bedeutet, dass in beiden Organisationsformen alle drei Lernzielbereiche – Wissen, Sozialemotion, Handeln/Verhalten (allerdings in unterschiedlicher Gewichtung) – vorkommen (vgl. obige Abb.)!
Aus dieser Optik setzt sich das vorliegende Handbuch mit den folgenden fünf Ebenen der Dozenten- und Trainertätigkeit auseinander, die zwar als ausgrenzbare Teilbereiche voneinander zu unterscheiden sind, in der Praxis aber zusammenwirken und ineinandergreifen.
Es wird an dieser Stelle ausdrücklich auf den Beitrag »Professionalität und die Kompetenzproblematik des Dozenten und Trainers« (s. »Dozent und Trainer als Lehrer in der Weiterbildung und seine Kompetenzen«) hingewiesen. Dort wird im Modell der sogenannten Kompetenzwanne diese fünffache Kompetenzproblematik operationalisiert und auf die Praxis des Lehrens und Lernens hinorientiert.
Das vorliegende Handbuch ist gewissermaßen zweimal geschrieben worden. Im ersten Teil – »Unterrichten und Trainieren – Wie macht man das?« – wird der Gesamtzusammenhang für den Einsteiger in leicht verständlicher Form dargestellt.
Im zweiten Teil – »Bausteine und Materialien« – werden vertiefte Kenntnisse zu ausgewählten, zentralen Fragen einer Didaktik des Lernens mit Erwachsenen vermittelt, bevor am Ende des Buches schließlich drittens spezielle Literaturhinweise zu vier wichtigen Teilbereichen des vorliegenden Themas folgen.
Das vorliegende Handbuch verfolgt das durchaus anspruchsvolle Anliegen, »allen Beginnern« auf dem Felde des Lehrens und Lernens nahezubringen, welchen Spaß und welche erfüllende Freude erfolgreiche Lehrarbeit mit Erwachsenen bereiten kann. Die vielfältigen sozialen Begegnungen, die mannigfachen Hilfestellungen und Beratungssituationen, die dankbare Freude der Teilnehmer beim Lernerfolg als Ausdruck gelungener Lernpartnerschaft aber sind nur möglich, wenn die Lehrenden eher einen indirekten »Lehr-Lern-Weg« einschlagen, das heißt
die Teilnehmer viel selbst erarbeiten lassen,
Gesprächen und Diskussionen durch Stoffreduktion Raum schaffen,
für Rollenspiele, Planspiele, Simulationen, Projekt-, Partner- und Gruppenarbeit mehr Zeit geben als für die »ewigen« Lehrvorträge und Präsentationen, die »langweiligen Folienschleudereien« oder »öden PowerPoint-Orgien«.
Dozenten wollen ernst genommen werden – Teilnehmer aber auch! Unsere Teilnehmer sind keine Kinder, die fachlich gewindelt werden müssen. Sie sind auch nicht zu verwechseln mit den nach Atzung gierenden Vogelkindern, die im Nest sitzen und die Schnäbel aufsperren ... Auch wenn es Teilnehmer gibt, die Fernsehkonsumhaltungen in das Lernfeld einschleppen, also ihre »Schnäbel aufsperren« wollen – kein Dozent sollte darauf hereinfallen. Am Ende wird ihm seine Servierpraxis zu Recht anklagend vorgehalten und das »Serviertablett« zielgerichtet an den Kopf geworfen ... wiederum zu Recht.
Erwachsene Teilnehmer ernst nehmen heißt also, ihre Vorkenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten in das Lerngeschehen voll einzuarbeiten. »Lernen machen« heißt so verstanden primär, das »Ausatmen« zu organisieren – also Handlungen wie Sprechen, Spielen, Üben, Diskutieren, Zeichnen, Schreiben, Ausarbeiten, Vortragen, Vormachen, Simulieren usw. zu organisieren. Demgegenüber konzentrieren sich leider immer noch viele Dozenten und Trainer darauf, das »Einatmen« zu organisieren – primär also das Zuhören; sie halten dadurch ihre Teilnehmer für unmündig und schaffen es, dass rezeptives (= zuhörend-aufnehmendes) Verhalten zur häufigsten »Lerntätigkeit« der Teilnehmer wird. Zuhören jedoch ist gar keine Lerntätigkeit, mit ihr kann man bestenfalls etwas verstehen, nicht jedoch etwas lernen – aber das hatten wir ja schon ... (vgl. dazu die beiden Bausteine über Lernen im Teil 2!).
Zusammenfassung
Die vorliegende Darstellung will keine abstrakttheoretische Rekonstruktion und Diskussion der bislang entwickelten neun wichtigsten Didaktiktheorien bieten.
Übergreifendes Ziel ist vielmehr, dem Dozenten und Trainer eine auf die praktischen Probleme gerichtete Orientierungshilfe zu liefern, wie er ein motivierendes Lehr-Lern-Geschehen realisieren kann.
Von den übergreifenden Lehr-Lern-Formen in der Weiterbildung (traditionelles Selbststudium, interaktives Selbststudium mit Neuen Medien, Unterricht usw.) spielen in der vorliegenden Darstellung der Unterricht und das Training die zentrale Rolle.
Die Konzentration auf Unterricht und Training lässt sich erklären:
mit der Dominanz des »instruierenden Unterrichtstyps« in der traditionellen Erwachsenenbildung,
mit einseitiger Verwendung einer bestimmten Methode im Unterricht und bestimmten dominanten Medien (Folien, PowerPoint),
mit der einseitigen fachlichen Orientierung vieler Dozenten sowie
mit didaktischer Monotonie und zu geringer Handlungs- und Praxisorientierung vieler Trainingsabläufe.
Unterricht und Training erscheinen demzufolge besonders verbesserungswürdig und entwicklungsfähig zu sein.
Es wurde gezeigt, dass die genannte Einseitigkeit vieler Dozenten vor allem zwei Gründe hat: fehlende Grundeinstellung zu teilnehmerzentrierten Lernprozessen, mangelhafte didaktische Qualifikation, Zeitnot, Bequemlichkeit.
Dem wurde gegenübergestellt, dass ein guter Dozent und Trainer auf fünf Ebenen qualifiziert tätig zu werden hat: auf der mitmenschlich-sozialen, der personalen, der organisatorischen, der fachlichen und der methodisch-didaktischen Ebene. Entsprechend wird die vorliegende Darstellung die genannten fünf Qualifikationsebenen besonders berücksichtigen und betrachten.
Unterricht und Training unterscheiden sich als Lehr-Lern-Formen hinsichtlich ihrer Gewichtung der angestrebten Lernziele graduell voneinander: Unterricht hat seinen Schwerpunkt eher im kognitiven, Training eher im praktischen Handlungsvollzug. Jedoch: Auch Unterricht hat Handlungs-/Praxis-, auch Training hat Theorie-Anteile.
Wer von denen, die plötzlich Hals über Kopf als Dozenten oder Trainer mit Lehr- Lern-Prozessen konfrontiert wurden, hat sich nicht am Beginn schon gefragt: Bin ich dafür der oder die Richtige? – Kann ich das? – Was muss ich als Trainer und/oder Dozent für diese Tätigkeit eigentlich mitbringen? – Was sind die subjektiven Voraussetzungen für den pädagogischen Erfolg bei erwachsenen Lernern?
Zunächst: Wer sich solche oder ähnliche Fragen stellt, bringt bereits eine sehr wesentliche Voraussetzung in diese berufliche Tätigkeit ein: nämlich die, dass er sich darüber im Klaren ist, dass fachliche Kenntnisse und Kompetenzen allein den Erfolg als Pädagoge keinesfalls garantieren können und dass es einer Reihe pädagogischer-, psychologischer-, didaktischer Kenntnisse und Fähigkeiten bedarf, um als Dozent und Trainer in der Praxis zu bestehen. Da Sie zu diesem Buch gegriffen haben, ist wohl anzunehmen, dass Sie von dieser Voraussetzung ausgehen, zu der man Ihnen erst einmal nur gratulieren kann!
Lassen Sie sich das, was es nun zu klären gibt, auf zweifache Weise nahebringen: einmal mit dem folgenden kleinen Modell, zum anderen mit einigen Zusatzerklärungen. Es geht dabei um die in der Person des Dozenten und Trainers liegenden »Basisfaktoren der Teilnehmerzentriertheit und Lernpartnerschaft«.
Zunächst: »Basisfaktoren der Teilnehmerzentriertheit und Lernpartnerschaft« heißt, dass eine befriedigende und erfolgreiche Lehr-Lern-Arbeit in der Weiterbildung von Erwachsenen von einer Reihe von subjektiven Faktoren aufseiten des Dozenten und Trainers abhängen. Sie alle beziehen sich darauf, ob der jeweilige Dozent und Trainer in seinem Denken und Tun, seiner Grundhaltung, Einstellung und seinem didaktischen Handeln hinreichend auf die Teilnehmer als Lernpartner konzentriert ist oder nicht. Der Teilnehmer hat mit all seinen Fragen, seinen Voraussetzungen und Fähigkeiten im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen! Lehren und Trainieren sind nämlich Dienstleistungen für ihn.
Der Dozent und Trainer hat für den Teilnehmer da zu sein – und zwar in jeder denkbaren Beziehung. So wie der Kunde bekanntlich König ist, so ist der Teilnehmer der »Auftraggeber« für den Dozenten und Trainer. Dieser hat als »Lieferant« die bestehenden »Kundenwünsche« als grundlegende Voraussetzung seiner Arbeit zugrunde zu legen und für Qualität und »Kundenzufriedenheit« zu sorgen. Das kann er aber nur, wenn Teilnehmerzentriertheit und Lernpartnerschaft die beiden »Kreiselkompasse« darstellen, die sein Handeln und Tun bestimmen. Denn merke: Die Teilnehmer sind letztlich die Arbeitgeber …
Im Folgenden werden die sechs Aspekte des Modells »Bin ich der Richtige?« erläutert (s. auch die Abbildung unter »Bin ich der Richtige?«.
Der erste Faktor: Persönliches
Wie andere soziale Dienstleistungen setzen Lehren und Trainieren voraus, dass der jeweilige Trainer von seiner Persönlichkeit her für eine solche Tätigkeit geeignet ist. Ausschlusskriterien sind vor allem die folgenden sieben Merkmale:
Extrem autoritäre Persönlichkeitsstruktur.
Psychotische und schwerwiegende neurotische Persönlichkeitszüge (oft in Verbindung mit autoritären Persönlichkeitszügen).
Starke Neigung zu Rigidität (= Verhaltensstarrheit/-starrsinn).
Extreme Introvertiertheit.
Depressive Grundhaltung und prinzipielle Abneigung gegenüber anderen Menschen.
Markante Sprachstörungen wie etwa starkes Stottern oder auch andere Artikulationsprobleme.
Extrem dialektgebundenes Sprechen.
Niemand wird zu Lehrtätigkeiten gezwungen. Es ist auch nicht einzusehen, dass jemand, der von Haus aus unmusikalisch ist, ausgerechnet Sänger werden muss.
Lehren und Trainieren sind hoch spezialisierte Tätigkeiten wie andere auch, für die es gute wie weniger gute individuelle Voraussetzungen gibt. So wie auf diesem Gebiet Naturtalente vorkommen, so gibt es eben auch Menschen, die sich aus den genannten sieben Gründen für diese Tätigkeit von vornherein nicht so gut eignen und die – auch aus Eigenschutz – davor bewahrt werden sollten, andere Menschen beim Lernen anzuleiten, weil sie vielleicht selbst massive Hilfe benötigen.
Sieht man einmal von den bezeichneten Ausschlusskriterien ab, so kann jedem Anwärter für die Dozenten- und Trainertätigkeit nur Mut gemacht werden, denn das meiste an dieser Tätigkeit ist ja durchaus erlernbar. Sehr gute persönliche Voraussetzungen bringt mit, wer
eine optimistische Grundhaltung und Lebenseinstellung hat,
eine mäßige Extrovertiertheit besitzt,
eine positive Einstellung zum Umgang mit anderen Menschen hat,
eine gute Portion Humor besitzt,
über soziale Sensibilität und Empathie (Mitfühlen mit anderen) verfügt.
So kann denn die eigene Person, der eigene Charakter, einem Dozenten und Trainer entweder regelrecht im Wege stehen oder aber auch das Lehren und Trainieren wirksam unterstützen.
Der zweite Faktor: Soziales
Mit dem soeben aufgeführten Gesichtspunkt der sozialen Sensibilität und Empathie ist bereits ein zweiter Faktor zur Frage – »Bin ich der Richtige?« – aufgeworfen. Denn Lehren und Trainieren ist zuallererst soziales Handeln, das vom Dozenten und Trainer eine besondere Empfindsamkeit für das soziale Miteinander, für Lern- und Arbeitsklima, für Konflikte und ihre Bereinigung, für Teilnehmerbekräftigung und -motivierung verlangt.
Alles organisierte, institutionelle Lernen ist also diesbezüglich stark von der sozialen Kompetenz des Dozenten abhängig, mit Erwachsenen angemessen umzugehen. Gerade Erwachsene reagieren nämlich besonders empfindlich auf den angebotenen sozialen Zusammenhang beziehungsweise das jeweils herrschende soziale Klima, zumal wenn sie in der vermeintlich schwachen Rolle von Lernenden sind, die Hilfe brauchen.
Der dritte Faktor: Fachliches
Niemand kann erfolgreich als Dozent und Trainer wirken, der seine umfangreichen Fachkenntnisse unsortiert über seine Teilnehmer ausschüttet oder – um ein anderes Bild zu verwenden – seine Detailkenntnisse mit der Gießkanne gleichmäßig, aber intensiv über die Lernenden ausgießt. In den meisten Veranstaltungen der Weiterbildung passiert aber genau das. – Und warum? Weil der Dozent und Trainer
einen Denkfehler macht und
eine erlernbare Kompetenz zumeist (noch) nicht besitzt.
Der Denkfehler besteht darin, dass vielfach gemeint wird, man habe als Dozent und Trainer die Aufgabe, im Verhältnis 1:1 die eigenen Kenntnisse und Kompetenzen auf die Lernenden zu übertragen. Genau dies ist aber nicht die Aufgabe von Dozenten und Trainern! Vielmehr ist ihre Fachkompetenz notwendig, um die für die Teilnehmer wichtigen Kenntnisse und Fähigkeiten zielgerichtet und praxisorientiert auszuwählen. Fachkompetenz ist demzufolge Auswahl- und Reduktionskompetenz zugleich.
Das erlernbare Element in dieser Stoffmengengeschichte sind demzufolge die Stoffreduktionstechniken (s. »2. Baustein: Stofffülle und Stoffreduktion«). Jedem Dozenten und Trainer ist daher dringend zu empfehlen, als Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit diese Techniken zu erlernen, die ihm zugleich die Fähigkeit vermitteln, die ausgewählten Details (= Inseln) in größere Zusammenhänge einzubetten (= Fachlandkarten) sowie mit zwingenden Beispielen zu versehen (= Prototypen). Außerdem schaffen diese Techniken auf wundersame Weise eine wohltuende fachliche Ordnung.
Daher: Man kann also durchaus vollständig sein, ohne alle Details präsentieren zu müssen! Also: Reduktion auf Vollständigkeit!
Auf kaum etwas reagieren erwachsene Lerner positiver als auf eine reduzierte, übersichtliche und durch einleuchtende Beispiele konkretisierte Lehre. Zugleich fällt ein positives, rosiges Licht auf den Dozenten und Trainer, der sich damit auf wahrhafte Weise fachlich als versiert ausweist. Denn er zeigt, dass er weiß, was wirklich wichtig und was unwichtig ist und daher weggelassen werden kann. Er dosiert die Stoffmenge, führt die Teilnehmer Schritt für Schritt zum Lernerfolg und behält bei alldem die Übersicht, die er beispielsweise in Form von Fachlandkarten den Teilnehmern quasi als Fahrplan auf der »Lernreise« ständig gut sichtbar im Lehrsaal präsentiert, »Inseln« mit wichtigen Details sowie »Prototypen« merkfähiger Beispiele und Fälle runden ein solch positives didaktisches Bild ab.
Stattdessen benutzen manche Dozenten die ungebremste, unreduzierte »Wissensdusche« sogar bewusst, um vor den Teilnehmern mit ihrem Wissen zu renommieren, sich auf peinliche Weise als d i e herausragenden Fachleute zu präsentieren. Sie bieten ein Trauerspiel für eine unzureichende, unprofessionelle pädagogische Dienstleistung. Denn statt die Bedürfnisse und Lerninteressen der Teilnehmer konsequent in den Mittelpunkt zu stellen, geht es ihnen um ihr Eigenrenommee, ihr Ansehen und Prestige, somit quasi um ganz egoistische Interessen.
Der vierte Faktor: Organisatorisches
Zwar gilt der Satz »Organisation ist nicht alles«, jedoch in der Didaktik auch jener andere: »Ohne Organisation ist alles nichts!« Da didaktische Situationen in hohem Maße auf einer guten Organisation beruhen, sind chaotisch veranlagte oder zu Chaos neigende Dozenten und Trainer fehl am Platz. Es improvisiert sich nämlich als »Newcomer« nicht so leicht. Dabei bezieht sich der Faktor Organisation auf folgende Aspekte:
Organisation der Lehr-Lern-Ausstattung (Medien, Unterlagen und anderes mehr);
Organisation der unmittelbaren Rahmenbedingungen (dazu gehören beispielsweise Räume, Mobiliaraufstellung, Pausengestaltung, Essen und Trinken);
Organisation des sozialen und didaktischen Prozessablaufs (Gruppierung der Teilnehmer, Verlaufsgestaltung, Medienprozessorganisation, Zeitablauf und Ähnliches);
Organisation spezifischer Aspekte des Teilnehmerumgangs (bei Seminargestaltungen in Hotels zum Beispiel Freizeitaktivitäten).
Als Grundsatz kann gelten: Eine gute Organisation wird von den Teilnehmern als sehr positiv empfunden. Sie erleben, dass man sich um sie kümmert, dass der Dozent professionell agiert, und sie erfahren und erleben, dass eine gute Organisation die Lernprozesse begünstigt.
Der fünfte Faktor: Lernpsychologie und Didaktik
»Durch Zuhören kann man nichts lernen – nur etwas verstehen.« Dieser Satz, der sich im Laufe dieses Handbuches noch genauer klären wird, zeigt in aller Schärfe, worum es sich beim fünften Faktor handelt!
Es geht nämlich um professionelle Bedingungen, die der Dozent und Trainer für ein wirkliches Lernen schaffen muss. Bedingungen also, die ausdrücken, dass der Dozent ein professionelles Verständnis für menschliches Lernen hat und dass er in der Lage ist, vielfältige didaktische Bedingungen herzustellen, in denen eben nicht nur Zuhören möglich ist (vgl. dazu die beiden lerntheoretischen Bausteine in Teil 2, s. »Neues Lernen – Neues Lehren«).
Die Teilnehmer brauchen also ein interessantes – durch Methodenmix gekennzeichnetes – Lernumfeld, in dem sie dazu motiviert werden, aktiv und handelnd zu lernen, also schreibend, diskutierend, zeichnend, spielend, projektbezogen, nachahmend, simulierend, ausprobierend. Es ist dies ein Lernen, in dem zum Beispiel als Methoden eben nicht nur der Lehrvortrag und das »ewige« chartgestützte Präsentieren vorkommen. Vielmehr ist es ein Lernen mit einem interessanten Wechsel von Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit, mit Filmeinsatz, Simulations- und Rollenspiel, mit Probierhandlungen, mit Diskussionen und Gesprächen – kurz ein Lernen, das den ganzen Menschen packt und ihn – sozial eingebettet – mit auf die Lernreise nimmt.
Diese lernpsychologische und didaktische Grundlegung gehört mit zu den wesentlichen, ja, fundamentalen Aufgaben einer Lehrkraft. Denn die optimalen Bedingungen für das Lernen, die dadurch geschaffen werden, sind ja letztlich das Ziel jedes institutionellen Lehrens und Lernens schlechthin. Demnach sind grundlegende lernpsychologische und didaktische Kenntnisse vonnöten, wie sie in diesem Handbuch behandelt werden, ehe mit professionellem oder semiprofessionellem Lehren begonnen werden kann.
Der sechste Faktor: Qualitätsstreben
Wie in anderen Lebensbereichen auch, so trennt sich auch beim institutionell veranstalteten Lehren und Lernen aufseiten der Dozenten die »Spreu vom Weizen« allein durch das Merkmal »Qualitätsstreben«. Der fundamentale Wunsch, in allen Bereichen des beruflichen Tuns zum Wohle der Kunden – hier: der Lernenden – das Beste zu geben, kann freilich nur greifen, wenn dem Bestreben auch Fähigkeiten zur Seite stehen, die eine organisatorisch-didaktische wie menschlich-soziale und fachlich reduzierte Umsetzung überhaupt erst ermöglichen. Aber auch der Wunsch und die Motivation zur Qualität und die entsprechenden Fähigkeiten greifen erst, wenn diese auch durch entsprechende Handlungen – durch praktisches, professionelles Tun also – eingelöst werden. Qualitätsorientiertes didaktisches Handeln ist somit eines der grundlegendsten Qualifikationsmerkmale des Dozenten und Trainers in der Weiterbildung und ein Ausweis seiner professionellen Kompetenz.
Beginnen wir mit einer Frage:
Was ist der Unterschied zwischen Unterricht und Training, und wie wirkt sich dieser Unterschied auf die Lehrpraxis aus?
Nun, der Unterschied ist nicht so groß, wie Sie vielleicht auf den ersten Blick vermuten. Schauen Sie sich einmal in Ruhe die folgende Abbildung mit der Gegenüberstellung von Unterricht und Training an, und versuchen Sie, daraus den Hauptunterschied abzuleiten:
Sicher haben Sie herausgefunden, dass sowohl Unterricht wie auch Training jeweils Anteile an Theorievermittlung (= Wissen) sowie an der Fähigkeitenvermittlung (= Können) in unterschiedlicher Gewichtung haben beziehungsweise haben können. (So kann es sicher auch einmal Unterricht geben ohne jede Vermittlung von Fähigkeiten und umgekehrt Training ohne jede Theorievermittlung, was aber beides in der Praxis eher selten der Fall sein wird.)
Der Unterschied besteht also lediglich in einer verschiedenen Gewichtung:
Organisiere ich nun als Dozent und Trainer ein Geschehen, das Lehren und Lernen umfasst, bei dem bei überwiegender Wissensvermittlung auch einige Übungen oder praktische Anwendungen vorkommen, so bewege ich mich im Bereich Unterricht. Dominieren dagegen praktische Umsetzungen, Handlungsabläufe und Übungen und spielen die Theorie, das Wissen, die begründete Erklärung eine quantitativ eher nachgeordnete Rolle, so sind wir im Bereich Training.
Einem Unterricht, der ganz im Bereich der Theorie verharrt, fehlt mindestens ebenso viel wie einem Training, das aus puren praktischen Übungen besteht. In der Praxis werden beide Lernbereiche zwar oft entmischt nach dem Motto:
Erfahrene Fachleute ebenso wie die moderne Lernpsychologie aber bestätigen, dass diese Entmischung von Theorie und Praxis für das Lernen selbst eher schädlich und für die Sachverhalte fachlich fehlerhaft ist. Denn:
Theorie mit praktischer Umsetzung ist fundierter und sitzt überdies besser;
Praxis mit Theorie, Einsicht und Durchblick ist solider, stabiler und begründeter.
Also denn: Unterricht und Training haben vieles, wenn nicht das meiste gemeinsam. Beide unterscheiden sich nur durch Akzente, durch Gewichtungen.
Als Beispiel soll dazu die bekannte 4-Stufen-Methode der praktischen Unterweisung dienen, wie sie in Trainingsprozessen gut angewendet werden kann: Die Prozessstufen für das Lernen lauten hier:
Stufe 1: Vorbereitung |
Theoretische Grundlegung |
Stufe 2: Vormachen |
Praxis I (Beobachtung) |
Stufe 3: Nachmachen |
Praxis II (Ausführung) |
Stufe 4: Üben |
Praxis III (Wiederholung) |
Ohne die erste Stufe der Vorbereitung würde es dem Training ohne Zweifel mangeln
an theoretischer Einbettung und Fundierung,
an Kriterien für die Handlungsausführung sowie
an Beurteilungskriterien für die kritische Handlungsanalyse, das Ergebnis und seine Beurteilung also.
Umgekehrt ist es meist in Unterrichtsprozessen. Hier sieht der Weg einer 4-Stufen-Methode meist so aus:
Stufe 1: Problemdarstellung |
Theorie I: Fragen |
Stufe 2: Theoretischer Überblick und Details |
Theorie II: Mögliche Lösungshilfen |
Stufe 3: Erarbeitung einer theoretischen Lösung |
Theorie III: Theoretische Lösung |
Stufe 4: Praktische Anwendung und praktische Konsequenzen |
Praktische Ausführungen |
Im Unterricht ist das »Jetzt probieren wir das mal praktisch!« für die Lerner meist ein geradezu erlösendes Wort. – Man sieht daran, wie wichtig es für ihren Lernprozess ist, nicht in der Theorie stecken zu bleiben, vom »Ein-« zum »Ausatmen« zu kommen.
In der nun folgenden Praxisanleitung gehen wir davon aus, dass Sie ein erstklassiger Fachmann für – sagen wir –
»Projektmanagement« oder
»öffentliche Finanzwirtschaft« oder
»Führung und Zusammenarbeit« oder
»Rentenrecht« oder
»Allgemeines Polizeirecht« oder
»Grundlagen der EDV« oder
»Mitarbeitergespräche« oder andere Gebiete sind.
Der Dozent und Trainer – ein Fachmann für … Wir versichern Ihnen: Damit haben Sie zweifellos eine gute Grundlage, in der Weiterbildung zu bestehen! »Damit« – das bedeutet, dass Sie ein erstklassiger Fachmann, eine erstklassische Fachfrau sind. Die Frage ist jedoch: Reicht diese fachliche Qualifikation allein aus, Erwachsene in ein Sachgebiet einzuführen, sie darin zu unterrichten?
Der Dozent und Trainer – ein Fachmann für guten Unterricht? Die Tatsache, dass Sie zu diesem Buch gegriffen haben, zeigt, dass Sie wohl eher der Auffassung zuneigen, dass ein Dozent fachlich und didaktisch (!) befähigt sein muss. – Er sollte wissen, wie man interessant unterrichtet, wie man mit Erwachsenen umgeht und mit ihnen arbeitet. Darin sind wir also einig!
Der Dozent und Trainer – ein hilfreicher, kooperativer Lernpartner.