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Das Buch

Kommissar Dühnforts dritter Fall führt ihn in die Kunstszene. In einer leerstehenden Brauerei im Süden Münchens wird die Leiche einer Frau gefunden. Man hat sie ausbluten lassen und ihr den Kopf abgetrennt. Farbspuren am Torso legen nahe, dass der Täter malt.

Vicki Senger, die Frau, die die Tote entdeckt hat, ist eine 22-Jährige mit bewegter Biographie: Vater unbekannt, Mutter früh verstorben, im Heim aufgewachsen. Ihre erste Liebe kam bei einem Unfall ums Leben. Inzwischen hat Vicki ihr Leben im Griff und betreibt als Hobby »urban exploring«: Sie fotografiert in verlassenen Gebäuden und Industrieruinen.

Bei ihren Ermittlungen stoßen Dühnfort und sein Team auf einen ähnlichen Mord, der sechs Jahre zuvor in Düsseldorf verübt wurde. Damals verdächtigte man einen Studenten der Kunsthochschule, der heute als der Maler Carne sein Kindheitstrauma mit brutalen Schlachthausdarstellungen zu verarbeiten sucht. Zwei weitere Männer geraten ebenfalls ins Visier der Ermittler: René Fuhrmann, ein Schönheitschirurg, und Jobst Wernegg, der eine wohltätige Stiftung leitet. Sie sind befreundet und sammeln beide altmeisterliche Vanitasgemälde.

Auch Vicki geht die Tote nicht aus dem Kopf. Auf einem der Fotos, die sie in der Brauerei gemacht hat, entdeckt sie einen Hinweis, der mit dem Mord zu tun haben könnte. Ohne die Polizei einzuschalten, beginnt sie zu recherchieren …

Die Autorin

Inge Löhnig hat Graphik-Design studiert und sich nach einer Karriere als Art-Directorin in verschiedenen Werbeagenturen selbständig gemacht. Heute lebt sie als Graphik-Designerin und Autorin mit ihrer Familie bei München. So unselig schön ist der dritte Kriminalroman in der Serie mit Kommissar Dühnfort.

Die Website der Autorin: www.inge-loehnig.de

Von Inge Löhnig sind in unserem Hause bereits erschienen:

Die Kommissar-Dühnfort-Serie:
Der Sünde Sold
In weißer Stille
So unselig schön
Schuld währt ewig
Verflucht seist du
Deiner Seele Grab
Nun ruhet sanft
Sieh nichts Böses

Außerdem:
Gedenke mein
Mörderkind

Inge Löhnig

 

SO UNSELIG SCHÖN

Kriminalroman

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List Taschenbuch

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Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

ISBN 978-3-8437-0066-5

Neuausgabe im List Taschenbuch
List ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Juni 2017
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011
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E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Für Henrik.

Gleich Würmern wimmelnd ist ins Hirn gedrungen

Die Teufelsschar, die uns zerstören muss,

Wir atmen, und ein unsichtbarer Fluss,

Der Tod, strömt klagend hin durch unsre Lungen.

 

Charles Baudelaire

PROLOG

Das Licht des Tages fiel durch das Atelierfenster auf eine Leinwand und beleuchtete, wie durch ein seidenes Tuch gefiltert, gleichmäßig und weich, eine zierliche, mit Erdbeeren gefüllte Porzellanschale, die am Rande des Bildes im Hintergrund verschwamm. Das Rot einiger Beeren schälte sich aus den umbrafarbenen Schatten, drängte sich ins Licht. Die Spitze eines Pinsels näherte sich und tupfte einen Hauch von Zinkweiß über mit Siena abgedunkelte Bereiche und verlieh so den Früchten Plastizität.

Der Maler trat einen Schritt zurück, kniff die Augen ein wenig zusammen und prüfte, ob die erwünschte Wirkung erzielt war, indem er sie mit der Vorlage auf der anderen Staffelei verglich.

Perfekt.

Seine Schultern waren nach zwei Stunden Arbeit verspannt, er legte Pinsel und Palette beiseite und reckte sich. Genug für heute. Sorgfältig säuberte er die Malutensilien, holte dann Glas und Flasche aus einem Schrank in der Ecke, schenkte sich einen Grappa ein, kehrte zur Staffelei zurück und betrachtete das noch unvollendete Gemälde.

Der Geruch des Getränks vermischte sich mit den Ausdünstungen von Ölfarbe und Malmittel. Mit einem Schluck leerte er das Glas, fühlte ein Brennen in Mund und Kehle und einen Augenblick später im Magen.

Die Schale voller Erdbeeren war ihm gut gelungen, und die Entscheidung, nur die Früchte zu zeigen und auf die Darstellung der Blüten zu verzichten, erwies sich als richtig. Schließlich schrieb Ovid in seinen Metamorphosen von den zwanglos gewachsenen Speisen, von denen die Menschen des Goldenen Zeitalters sich ernährt hatten, und nicht von den Vorstufen ihrer Entstehung, den Blüten, die außerdem für Reinheit standen. Und Reinheit war in diesem Gemälde so fehl am Platz wie eine Hure im Kloster.

Das Goldene Zeitalter. Der Garten Eden. Das Paradies. Die Erdbeeren waren ein Symbol dafür. Ein winziges Detail am Rande, ebenso wie die Tulpen, die sich gleichfalls im Bildhintergrund versteckten. Zeichen kostbarer Schönheit und Vergänglichkeit angesichts des Todes. Nichtigkeiten, nette Spielereien. Nur jene, die ihre Bedeutung kannten, wären in der Lage, in diesem Gemälde zu lesen, seine wahre Botschaft zu entschlüsseln. Aber niemand würde es je zu Gesicht bekommen.

Er schenkte sich einen weiteren Grappa ein, schaltete die Musikanlage an und setzte sich in den abgewetzten Ledersessel, der in einigem Abstand zur Staffelei stand.

Während er trank, einem Streichquartett von Henryk Górecki lauschte und das Licht allmählich silbrig wurde, sich die Dämmerung herabsenkte und sich das im Werden begriffene Bild in Schatten hüllte, bis nur noch der marmorweiße, noch nicht ausgearbeitete weibliche Torso im Zentrum der Leinwand im Zwielicht schimmerte, fragte er sich wieder einmal, warum er diese Bilder malte. Ihre ihm tiefen seelischen Frieden gebende Wirkung war ihm ein Rätsel. Und wie immer, wenn er versuchte die Ursache dafür zu ergründen, begann er zu frösteln, erschien es ihm, als irre er durch Nebel wie ein Kind, das sich verlaufen hatte.

Kälte breitete sich in ihm aus. Mit einem weiteren Schluck aus dem Glas vertrieb er sie, lehnte den Kopf in den Nacken.

Seit die Unruhe ihn erneut ergriffen und er vor einigen Wochen diese Vase gekauft hatte, diesen Sarg aus Kristall, wusste er, dass es wieder so weit war, worauf es hinauslaufen würde.

Er schloss die Augen, verfolgte, wie die Musik sekündlich an Tempo gewann, Fahrt aufnahm, wie sie von einem leisen, traurigen Celloton zu einem unheilschwangeren Brausen anschwoll, zu einem dem Abgrund entgegeneilendem Jagen wurde, über dem dennoch ab und an ein hoher, hoffnungsvoller Ton schwebte, sich zu behaupten versuchte, obwohl es keine Rettung gab.