Inhalt

  1. Titel
  2. Zu diesem Buch
  3. Widmung
  4. Besetzungsliste der THIRDS-Reihe
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  16. 12
  17. 13
  18. Glossar
  19. Die Autorin
  20. Charlie Cochet bei LYX
  21. Impressum

CHARLIE COCHET

THIRDS

Verlassen & Verloren

Roman

Ins Deutsche übertragen
von Silvia Gleißner

Zu diesem Buch

Nachdem das Team um Sloane und Dex den Kopf einer Terroristengruppe unschädlich gemacht hat, kehrt noch immer keine Ruhe in New York ein. Im Gegenteil: Die Straßen der Stadt sind gefährlicher denn je. Zwar ist der ORDEN VON ADRASTEIA führerlos, aber das macht ihn nur noch aggressiver. Hinzu kommt, dass eine Gruppe von Therianern Jagd auf die Mitglieder macht. Und während Dex und Sloane alles daran setzen, ihre verbotene Beziehung geheim zu halten, eskaliert die Situation: Ein Mitglied der THIRDS scheint die Feinde des Ordens mit Informationen zu versorgen, und sie müssen den Verräter unter ihren Kameraden suchen. Schon bald steht wesentlich mehr auf dem Spiel als ihre Liebe …

Für all die wundervollen Leute in meinem Leben, die mich inspiriert haben und mir Unterstützung und Zuspruch zukommen ließen. Für all die wundervollen Freunde, die ich auf dieser irren Reise gefunden habe, meine fantastischen Betaleserinnen, weil sie mir treu bleiben – und für euch, die Leser: Danke.

Besetzungsliste der THIRDS-Reihe

(Die folgenden Mitwirkenden sind über die gesamte THIRDS-Reihe zu finden. Manche werden jedoch in anderen Bänden eingeführt. Die Liste wird noch länger werden.)

Destructive Delta

Sloane Brodie: Defense-Agent. Teamleader. Jaguar-Therianer.

Dexter J. Daley, »Dex«: Defense-Agent, menschlich. Früher Detective bei der Human Police Force, Mordkommission. Älterer Bruder von Cael Maddock. Adoptiert von Anthony »Tony« Maddock.

Ash Keeler: Defense-Agent. Experte für Zugangstaktiken und Nahkampf. Löwen-Therianer.

Julietta Guerrera, »Letty«: Defense-Agentin, menschlich. Waffenexpertin.

Calvin Summers: Defense-Agent, menschlich. Scharfschütze.

Ethan Hobbs, »Hobbs«: Defense-Agent. Sprengstoffexperte und Bombenentschärfer. Hat zwei ältere Brüder: Rafe und Sebastian Hobbs. Tiger-Therianer.

Cael Maddock: Recon-Agent. Technikexperte. Jüngerer Bruder von Dex. Adoptiert von Anthony Maddock. Geparden-Therianer.

Rosa Santiago: Recon-Agentin, menschlich. Vermittlerin in Krisensituationen und Sanitäterin.

Kommandierende Offiziere

Lieutenant Sonya Sparks: Lieutenant von Unit Alpha. Puma-Therianer.

Sergeant Anthony Maddock, »Tony«: Sergeant von Destructive Delta, menschlich. Adoptivvater von Dex und Cael.

Gerichtsmediziner

Dr. Hudson Colbourn: Leitender Gerichtsmediziner von Destructive Delta. Wolf-Therianer.

Dr. Nina Bishop: Gerichtsmedizinerin von Destructive Delta, menschlich.

Agenten anderer Einheiten

Ellis Taylor: Teamleader von Beta Ambush. Leoparden-Therianer.

Levi Stone: Teamleader von Beta Pride. Weißer Tiger-Therianer.

Rafe Hobbs: Teamleader von Alpha Ambush. Ältester der Hobbs-Brüder. Tiger-Therianer.

Sebastian Hobbs, »Seb«: Agent bei Theta Destructive. Tiger-Therianer.

Osmond Zachary, »Zach«: Agent bei Alpha Sleuth in Unit Beta. Hat sechs Brüder, die für die THIRDS arbeiten. Braunbär-Therianer (Grizzly).

Andere wichtige Mitwirkende

Gabe Pearce: Sloanes menschlicher Ex-Partner bei Destructive Delta. Im Dienst getötet.

Isaac Pearce: Gabes älterer Bruder, menschlich. Detective bei der Human Police Force.

Louis Huerta »Lou«: Ex-Freund von Dex, menschlich.

Bradley Darcy: Barkeeper und Eigentümer von Bar Dekatria. Jaguar-Therianer.

Austen Payne: Squadron-Spezialagent (SSA) von Destructive Delta. Geparden-Therianer.

Angel Reyes: Mitglied des Ordens. Früheres Mitglied der Westward-Creed-Bande.

Extremistische Gruppen und Gangs

Orden der Adrasteia: Gruppe von Menschen, die gegen Therianer kämpfen. Hat einen hauptsächlichen Anführer.

Ikelos-Koalition: Aus unregistrierten Therianern bestehende Bürgerwehr, die den Orden bekämpft. Hat einen Anführer und einen Stellvertreter.

Westward Creed: Aus Menschen bestehende Schlägerbande, die während der Unruhen im Jahre 1985 wahllos therianische Bürger angriff. Die Mitglieder wurden festgenommen, weil sie den Tod mehrerer Therianer verursachten, doch aufgrund »fehlender« Beweise wieder auf freien Fuß gesetzt. Insgesamt acht Mitglieder, von denen aber nur fünf Mitglieder des Ordens wurden: Angel Reyes, Alberto Cristo, Craig Martin, Toby Leith, Richard Esteban, Larry Berg, Ox Perry, Brick Jackson.

1

»Er haut ab.«

Dex nahm seinem Partner die taktische Weste ab und gab sie an seinen Bruder im BearCat weiter. »Meinst du?« Er spähte aus einem der ballistischen Fenster des BearCat, aber um diese Zeit mitten in der Nacht konnte er rein gar nichts erkennen. Vor allem, da ihr kleiner Freund inmitten der Begrünung im Central Park gut getarnt war. Denn Hobbs hatte es irgendwie geschafft, ihr schwarzes taktisches Fahrzeug so in einer in Dunkelheit gehüllten Baumgruppe zu platzieren, dass Dex sich vorkam, als hätte ihn ein schwarzes Loch eingesaugt – auch nicht gerade hilfreich. Das musste er seinem therianischen Teamkameraden allerdings lassen: Wenn es sein musste, konnte Hobbs den BearCat noch auf einer verdammten Fahnenstange parken. Vielleicht fiel es ihm ja leicht, riesengroße Fahrzeuge zu steuern, weil er selbst ein riesengroßer Therianer war. Das Grünflächenamt wäre mächtig angepisst, wenn man dort herausfand, dass sie abseits der Straßen unterwegs gewesen waren.

»Er haut jedes Mal ab.« Als Nächstes schnallte Sloane seinen Beinriemen ab und gab ihn Dex, der ihn prompt an Cael weiterreichte. Sein Bruder schnaubte, nahm die Sachen aber, ohne groß zu fragen. Zweifellos war ihm klar, dass Dex ihn damit ärgern wollte. Hach ja, die Vorteile, wenn man mit der Familie arbeitete.

Rosa saß auf der Bank, sah amüsiert zu und überprüfte dabei ihr PSTC-Kit, während Hobbs vorn in der Kabine den Fahrersitz in Beschlag genommen hatte und seinen Partner mit der blonden Stachelfrisur nervte. Calvin reinigte übellaunig auf dem Beifahrersitz das Zielfernrohr seines Scharfschützen-Betäubungsgewehrs.

Dex hatte keine Ahnung, wieso Calvin ein solches Gesicht zog. Es würde ihn nicht überraschen, wenn es etwas mit seinem besten Kumpel neben ihm zu tun hätte. Entweder registrierte Hobbs Calvins schlechte Laune gar nicht, oder er ignorierte sie absichtlich. Wenn man bedachte, dass er nur Zentimeter von der Mündung des Betäubungsgewehrs entfernt saß, wäre es wahrscheinlich in Hobbs’ Interesse, sich zu benehmen.

Damals, als Hobbs bei dem Bombenanschlag auf das Therianer-Jugendzentrum verletzt worden war, hatte Dex die beiden im Krankenhaus beim Knutschen erwischt. Das war eine Mordsüberraschung für ihn gewesen, und es hatte ihr merkwürdiges Verhalten davor erklärt. Danach hatte sich die Lage zwischen den beiden rasch wieder normalisiert. Halbwegs. Wäre Dex jemand, der gerne wettete, würde er sagen, dass genau hier das Problem lag. Hobbs machte weiter, als wäre nichts gewesen, während Calvin gehofft hatte, dass sich eben doch etwas verändert hätte. So viel hatte Calvin jedenfalls Dex im Krankenhaus anvertraut. Was auch immer Sache war, Dex hoffte, dass die beiden bald eine Lösung fanden.

Letty prüfte die Magazine ihrer verschiedenen Waffen. Und Ash … Dex hatte keine Ahnung, wo zur Hölle Ash war. Wieder eine ganz normale Schicht für Destructive Delta.

Sloane zog die Stiefel aus, und als er aufstand, um sein Uniformhemd auszuziehen, musste Dex einfach noch mal einen Versuch starten: »Also, so gern ich dir auch dabei zusehe, wenn du dich nackig machst, Partner, wünschte ich doch, du würdest wenigstens noch mal darüber nachdenken …«

»Nein.«

»Mann, das übrige Zeugs von dir ist schon schwer genug«, jammerte Dex und hob die Arme, um die verschiedenen Teile der taktischen Ausrüstung zu demonstrieren, die daran hingen. Das schwerste Stück war das PSTC-Kit, das er zur Versorgung seines Partners nach dessen Rückwandlung mitführte.

»Meine Sneaker lasse ich nicht weg.«

Dex ließ die Arme wieder sinken. »Sie sind nicht mal von der Regierung ausgegeben!«

Sloane zuckte mit den Schultern. »Ist mir egal.«

»Du musstest in den letzten vier Monaten schon zwei Paar nachkaufen.«

Sloane hielt mitten im Aufknöpfen seines Hemdes inne und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Und wessen Schuld ist das?«

»Es war ein Unfall.« Dex blinzelte unschuldig. Der Gesichtsausdruck seines Partners verriet ihm, dass der ihm das nicht abkaufte. Verdammt. Man sollte doch meinen, wenn man der heimliche Geliebte des Teamleaders war, würde einem das wenigstens den Bonus verschaffen, mit mehr Dingen durchzukommen als andere. Doch in Dex’ Fall bedeutete es, dass er sogar nur mit weniger durchkam, weil Sloane ihn weit besser kannte als jeder andere – ausgenommen seine Familie – und liebend gern seine Seifenblasen zum Platzen brachte.

»Im Sinne von: Du hast meine Sneakers versehentlich von der Brooklyn Bridge fallen lassen?«

Dex gab sein Bestes, beleidigt dreinzuschauen. »Was willst du damit andeuten? Es war windig.«

»Schon komisch, dass nichts anderes davongeweht wurde«, brummelte Sloane, zog sein Hemd aus und warf es Dex über den Kopf. Der kam sich wie ein Kleiderständer vor. Und das Gekicher des übrigen Teams war auch nicht gerade hilfreich. Zu seinen Füßen war ein lautes Bumm zu hören, und Dex nahm das Hemd von seinem Kopf, um einen Schuh aufzuheben.

»Schuhgröße 47, Mann!« Dex wedelte mit dem riesigen schwarzen Schuh vor Sloanes Gesicht herum. »Irgendwo auf dem Hudson nutzt eine Ente deinen anderen Schuh gerade als Schwimmhilfe.«

»Enten können von allein schwimmen.«

»Ja, aber ihre kleinen Beinchen müssen doch müde von der vielen Bewegung werden.« Dex wackelte mit Zeige- und Mittelfinger, um Entenfüße zu simulieren. Sein halb nackter und sündhaft sexy Geliebter hob die Hand, um jeden weiteren Protest zu unterbinden. Dex wünschte, der Truck wäre jetzt leer, damit er sich ein wenig auf seinen Jaguar-Partner stürzen könnte.

»Etwas dagegen, wenn ich diesen inkongruenten Austausch über Wassergeflügel jetzt mal stoppe, damit wir unseren Typen fassen können?«

Dex unterdrückte ein Lächeln. »Ooh, da hat jemand wieder Online-Scrabble mit Cael gespielt. Wie viele Punkte hat dir inkongruent denn gebracht?«

Als Sloane nicht antwortete, wandte Dex sich an seinen Bruder.

»Vierzehn«, soufflierte Cael fröhlich, was ihm einen finsteren Blick von Sloane einbrachte.

Dex schüttelte den Kopf. »Bei Words With Friends wären es zwanzig gewesen.«

»Woher …«

Rosa unterbrach Sloane, indem sie auf den großen Überwachungsmonitor der Konsole zeigte, der ihre Zielperson mittels Infrarotvideo im Auge behalten hatte. »Sieht so aus, als hätte Sloane recht. Cabron ist als Therianer unterwegs.«

»Der Striptease ist beendet«, erklärte Sloane und drückte den großen Knopf auf der Seitentafel im BearCat. Daraufhin fuhr der Sichtschutz herunter, damit er sich ungestört fertig ausziehen und wandeln konnte.

Da er nun seiner Lieblings-Peepshow beraubt war, wandte Dex sich an seinen Bruder, der irgendwie abwesend dreinsah. Vor ein paar Wochen hatte es angefangen, und so langsam machte Dex sich Sorgen.

»Welche Art Therianer ist unser Freund denn?«, fragte Dex. Als sein Bruder keine Antwort gab, stieß er ihn an. »Alles okay?«

»Ja, mir geht’s gut. Austen Payne ist ein Gepard.«

Dann hatte sein Bruder ihn also gehört? Und was beschlossen? Ihn zu ignorieren? »Cael …«

Cael schüttelte den Kopf, und seine ernste Miene verriet Dex, dass sein Bruder gerade nicht in der Stimmung war, sich mitzuteilen. Dex hatte eigentlich noch ein wenig nachbohren wollen, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, räumte er ein. Irgendwas war los mit Cael, und das schon, seit dieser mit Hobbs nach dem Bombenanschlag im Krankenhaus gewesen war. Aber egal, was es auch war, es musste etwas mit Ash zu tun haben. Der hatte sich heute Morgen krankgemeldet, was offenbar in den etwa zwanzig Jahren, seit er nun für die THIRDS arbeitete, erst zum zweiten Mal vorgekommen war. Außerdem war Cael in letzter Zeit unkonzentriert, mit seinen Gedanken immer woanders, und das war nicht nur für ihn selbst gefährlich, sondern auch für den Rest des Teams. Oh ja, Dex würde sich definitiv mit seinem kleinen Bruder unterhalten müssen.

Doch vorerst richtete er seine Aufmerksamkeit auf Rosa. »Also, dann erzähl mir doch mal was über diesen Austen.«

»Ist ein aalglatter kleiner Bastard«, meinte Rosa, lächelte aber dabei. »Und blitzschnell.«

»Ist das deine professionelle Meinung?«, neckte Dex sie und erntete dafür ein paar liebevolle Kraftausdrücke auf Spanisch. »Wie zur Hölle will Sloane ihn dann erwischen?«

Wenn ein Geparden-Therianer nicht gefasst werden wollte, dann wurde er auch nicht gefasst. Es sei denn, er machte einen ganz blöden Fehler. Rosa hatte recht: Sie waren verdammt schnell, sowohl in menschlicher als auch in Tierform. Dex erinnerte sich an all die Male, die er als Kind versucht hatte, schneller zu rennen als sein Bruder. Doch er schaffte es nie auch nur annähernd, ihn einzuholen, obwohl Dex älter war und längere Beine hatte – zumindest als Mensch. Das einzige Problem für Geparden-Therianer war die Entfernung. Sie konnten ihre hohe Geschwindigkeit nur auf kurzen Sprints halten. Wenn Austen losrannte, konnte Sloane ihn trotzdem zu fassen kriegen, sobald der Kerl ermüdete. Aber wer konnte schon wissen, wohin er bis dahin gerannt war?

»Sloane wird ihm nicht nachrennen«, antwortete Rosa, und in ihren Augen stand ein boshaftes Glitzern. »Er wird ihn jagen. Keiner schleicht sich so an wie unser Teamleader.«

»Wem sagst du das«, brummte Dex. Der Mann hatte die schlechte Angewohnheit, völlig lautlos ein Zimmer zu betreten und Dex jedes Mal zu Tode zu erschrecken. Es war einfach nicht richtig, dass ein Kerl von Sloanes Größe auch in menschlicher Gestalt beim Gehen kein Geräusch machte. Er war wie ein sexy Ninja.

Apropos sexy Ninjapartner: Der Sichtschutz fuhr hoch, und Dex ging vor dem riesigen Panther in die Hocke und sagte leise: »Sei vorsichtig.« Sloanes schimmernde Bernsteinaugen starrten ihn an, und Dex beäugte ihn skeptisch. Der Blick war ihm vertraut. »Tu es nicht. Nein …« Eine breite Zunge wie Sandpapier leckte vom Kinn bis zum Ohr über sein Gesicht.

»Verdammt! Genau ins Ohr! Jedes verdammte Mal.« Man sollte meinen, er hätte dazugelernt, nach den ersten paar Dutzend Malen, als sein Partner ihn abgeleckt hatte, um ihn zu ärgern. »Das war – wie üblich – extrem unangenehm. Vielen Dank auch. Ich weiß das zu schätzen.«

Dex stand auf, wischte sich mit dem Ärmel über Gesicht und Ohr und ignorierte das Glucksen seiner Kameraden hinter ihm. Letty öffnete eine der hinteren Türen des BearCat, doch der Panther musste sich noch schnell an Dex’ Beinen reiben, um seine Markierung zu hinterlassen – als wäre die nicht schon überall an Dex’ Körper –, bevor Sloane aus dem Wagen sprang. Dex ging zu der Konsole, wo sein Bruder Sloane verfolgte. Er sah zu, wie sein therianischer Partner lautlos auf einige Büsche zutrabte, bevor er in den Schatten verschwand. Dex hätte schwören können, dass sein Partner etwas am Hinterlauf hatte. Nun ja, das würde er erst erfahren, wenn Sloane zurückkam. »Bist du sicher, dass Sloane es schafft, ihn zu erwischen?«

»Das schafft er immer«, brummte Cael.

»Wieso rennt Austen dann davon?«

Cael zuckte die Schultern. »Ich denke, es gefällt ihm.«

»Was meinst du mit ›es gefällt ihm‹?«

Sein Bruder bekam rote Bäckchen. Oh-oh. Den Blick kannte Dex. Cael kaute auf seiner Unterlippe herum, und Dex wartete, während sein Bruder sich das süße Köpfchen zerbrach, ob er es ausspucken sollte, oder nicht. »Austen steht auf Sloane.«

Dex beäugte seinen Bruder, und ein wortloser Dialog entspann sich zwischen ihnen, bei dem Cael ihm ein Schulterzucken und ein entschuldigendes Lächeln schenkte. Interessant. Dex verzog das Gesicht, sagte aber nichts weiter. Er ging zur Bank und quetschte sich zwischen Rosa und Letty. Für ihn gab es jetzt nicht viel zu tun, außer abzuwarten und ein paar Infos aus seinen Teamkameraden herauszuquetschen.

»Ist dieser Austen zuverlässig?«, fragte Dex. »Und wie kommt es, dass ich jetzt zum ersten Mal von ihm höre?«

Letty schlang ihren Arm um den von Dex, und er lächelte. Darauf, dass Rosa und Letty ihn wieder auf den Boden der Tatsachen holten, konnte er sich immer verlassen. Beide waren brutal ehrlich und direkt, aber es kam immer von Herzen und mit den besten Absichten. Manchmal schien es, als wären sie die Einzigen mit funktionierenden Beziehungen. Rosa war glücklich mit ihrer langjährigen Freundin verbunden, und Letty war glücklich mit welchem heißen Typen auch immer, der ihr im jeweiligen Monat Gänsehaut machte. Diesen Monat war es ein Feuerwehrmann aus Brooklyn, der an allen richtigen Stellen Grübchen hatte.

»Austen ist gut«, meinte Letty. »Ist praktisch damit aufgewachsen, für uns zu arbeiten, dank Sloane. Er hat den Burschen vor Jahren gefunden, als der noch ein Kind war, und ihm einen Job besorgt. Ich weiß die Geschichte nicht mehr genau, aber ich bin sicher, Sloane erzählt sie dir, wenn du ihn danach fragst. Austen ist ein THIRDS SSA – Squadron-Spezialagent. Und du hast noch nicht von ihm gehört, weil er, technisch gesehen, gar nicht existiert. Diese Jungs arbeiten nicht vom Büro aus. Man braucht eine Zugangsberechtigung von ganz oben, um überhaupt Zugriff auf eine Akte mit seinem Namen darauf zu bekommen. Jede Einheit hat ihren eigenen Spezialagenten. Da sie auch als vertrauliche Informanten fungieren, müssen sie unauffällig bleiben. Austen war weg, um irgendeinen Job für Lieutenant Sparks zu erledigen. Er hat irre Fähigkeiten. Ihn zu sehen oder mit ihm zu reden geht nur, wenn er es will.«

»Sloane kommt zurück. Und er hat Austen dabei«, rief Cael über die Schulter.

»Das ging schnell.« Dex sprang auf und beschloss, seinen Partner draußen zu treffen, für den Fall, dass Austen beschließen würde, nicht mehr in den Truck steigen zu wollen. Da Dex keinerlei Erfahrung mit dem Agenten hatte, gab es auch keinen Anhaltspunkt, wie Austen reagieren würde. Manchmal verhielten Therianer sich kooperativ, bis sie sich dem großen, furchterregenden schwarzen Fahrzeug näherten. Der Gedanke, in einen Käfig zu steigen, gefiel ihnen gar nicht, und Dex konnte ihnen das nicht verdenken.

Dex sprang hinaus und lief auf seinen Partner zu, als ihm auffiel, dass Sloane komisch lief. Doch erst als er näherkam, konnte Dex sehen, warum.

»Oh Shit!« Dex krümmte sich vor Lachen, während Sloane heranhinkte, als wäre er betrunken. Der an sich bedrohliche Anblick von Austen zwischen Sloanes Kiefern wurde völlig zunichtegemacht dadurch, dass sein Partner versuchte, dabei eine Socke vom Hinterlauf loszubekommen. »Oh, mein Gott, ich kriege keine Luft mehr«, keuchte Dex mit Lachtränen in den Augen.

Sloane schnaubte, schüttelte weiter seinen Hinterlauf und hüpfte dabei auf den anderen drei Beinen. Dex dachte schon, dass Rosa ihm bald Sauerstoff verabreichen müsste. Er hatte recht gehabt. Da war etwas am Hinterlauf seines Partners gewesen, als er den Truck verlassen hatte. Wie Sloane eine Socke übersehen konnte, entzog sich Dex’ Kenntnis, aber es war das Witzigste, was Dex je gesehen hatte. »Hochhalten!« Dex schaffte es, sich lange genug zusammenzureißen, um hinter seinem Partner her zu joggen, der stehen blieb und das Bein ausstreckte. Grinsend zog Dex die Socke ab. »Okay.« Zum Dank erhielt er ein Schnauben.

Unwillkürlich tat Dex der Geparden-Therianer leid, der da zwischen Sloanes tödlichen Kiefern baumelte. Der Gepard erinnerte ihn viel zu sehr an Cael. Austen war klein, schlank, und seinem fast gelangweilten Ausdruck nach zu urteilen war er es eindeutig gewohnt, von Sloane herumgeschleift zu werden. Er hatte die Vorderpfoten gekreuzt, als würde er gerade chillen, und versuchte nicht einmal abzuhauen. Dex wurde klar, dass Austen Sloane vertraute. Jeder andere Therianer hätte sich längst in die nicht vorhandenen Hosen gemacht.

Als sein Partner den Truck erreichte, ließ er Austen los und fauchte. Austen quiekte und stupste mit der Nase gegen die von Sloane, woraufhin der die Ohren flach anlegte und ein Brüllen von sich gab. Dass Austen darauf erschreckt reagierte, war nicht überraschend. Wäre das Ganze ein Comicfilm, wären ihm sicher die schwarzen Flecken abgefallen.

Mit gesträubtem Fell sprang Austen umgehend in den Truck, Sloane hinterher. Dex folgte den beiden und schloss die Türen. Der Sichtschutz fuhr herunter, und Austen wandelte sich als Erster, während Sloane geduldig neben Dex sitzen blieb und darauf wartete, dass er an die Reihe kam.

Da Rosa Erfahrung mit Geparden-Therianern hatte – immerhin war ihr Partner einer –, wandte sie bei Austen PSTC an und versorgte ihn mit einem Satz Kleidung, zur Verfügung gestellt von den THIRDS. Die reichte sie ihm, sobald er stark genug war, den Arm hinter dem Sichtschutz auszustrecken. Ein tiefes Grollen später verschwand Rosa hinter dem Schirm.

Während sie dem SSA half, wieder menschliche Funktionstüchtigkeit zu erlangen, setzte sich Dex auf den schmalen Einzelsitz neben dem Waffenkäfig. Sloane ließ postwendend seinen Kopf auf Dex’ Schoß sinken, um sich an den Ohren kraulen zu lassen, und Dex tat ihm den Gefallen und lächelte, als er das tiefe, kettensägenartige Schnurren hörte und es an seinem Bein vibrieren spürte.

»Wenigstens sieht man es bei dir nicht, wenn er seine Haare überall auf dir verteilt.« Calvin warf seinem Tigerpartner einen vorwurfsvollen Blick zu.

Hobbs setzte sich stirnrunzelnd auf. Er streckte die Hand aus und zupfte leicht an Calvins blondem Schopf. »Ich haare nicht.«

Calvin protestierte. Hobbs nickte, ganz offensichtlich anderer Meinung. Dex sah den beiden belustigt zu, wie sie sich stritten, auch wenn Calvin dabei fast der Einzige war, der redete. Schon faszinierend, wie viel Hobbs nur mit Gesichtsausdruck und Handbewegungen ausdrücken konnte.

Ein schlanker, sehniger junger Therianer, geschätzt Mitte zwanzig, kam hinter dem Sichtschutz hervor und gähnte ausgiebig. Er wuschelte sich durchs dunkle Haar, trottete zur Bank und ließ sich mit einem breiten Grinsen neben Letty plumpsen. Trotz seines deplatzierten Outfits sah der Typ aus, als wäre er ein Rockstar, der nach irgendeinem Auftritt gerade erst aus dem Bett gekrochen war.

Dex blieb keine Zeit, den Agenten näher zu mustern, bevor Sloane hinter dem Sichtschutz verschwand. Inzwischen machte sich keiner mehr Gedanken darüber, dass Dex seinem Partner folgte. Alle nahmen an, nach fast einem Jahr enger Zusammenarbeit mache es Sloane nichts mehr aus, dass sein Partner ihn nach der Wandlung nackt sah. Natürlich hatten sie keine Ahnung, dass Dex und Sloane eine Menge mehr taten als nur zusammenzuarbeiten, und dass der Anblick seines nackten Partners für gewöhnlich zu unanständigeren Dingen führte, wenn sie allein waren.

Sobald Sloane sich gewandelt hatte, begann Dex mit dem PSTC. Er hoffte, dass Sloane die Infos, nach denen er suchte, zügig von Austen bekam, welche auch immer das waren. Sloane brauchte eine kräftige Mahlzeit mit jeder Menge Fleisch und Kohlehydraten, wenn er wieder voll zu Kräften kommen wollte. Nachdem die Kraftriegel und das Gatorade verputzt waren, half Dex Sloane in die Uniform. Nicht lange danach war Sloane wieder auf den Beinen. Er zwinkerte Dex zu und versetzte ihm einen spielerischen Klaps auf den Hintern, bevor er auf den Knopf für den Sichtschutz drückte.

»Wieso bist du abgehauen, Austen?«, fragte Sloane und setzte sich auf den Sitz, von dem Dex zuvor aufgestanden war. »Wieder mal.«

Ihm gegenüber sah Austen Sloane blinzelnd an. »Was meinst du mit wieso? Weil ihr Kerle verdammt Furcht einflößend seid, deshalb. Ich weiß nie, wer hinter mir her ist. Im Moment rennen so viele Riesenkerle mit Knarren durch die Gegend, und dann sogar noch größere Therianer mit scharfen Zähnen, die mir die zarten Knochen brechen könnten. Außerdem sind wir Geparden von Natur aus ängstlich, weißt du.« Er sah zu Cael auf und hielt ihm die Faust zur Bestätigung hin. »Hab ich recht, Bro?«

Cael sah ihn finster an.

»Alter«, flüsterte Austen heiser. »Du lässt mich im Angesicht des fitten Jaguars hängen? Das ist nicht cool.«

Mit einem Brummen stieß Cael mit der Faust gegen die von Austen, woraufhin der breit grinste.

»Wir kleinen Raubkatzen müssen zusammenhalten.«

»Fertig mit Kontakte pflegen?«, fragte Sloane.

»Jep. Was kann ich für dich tun, Agent Broody?«

Dex biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszuprusten, als er den Spitznamen hörte. Klang wie etwas, das auch ihm einfallen könnte. Und es beschrieb seinen sexy Partner auf jeden Fall bis aufs i-Tüpfelchen.

»Ich schätze, du willst dir mein Angebot für eine private Trainingseinheit nicht noch mal überlegen?«

Cael hatte keine Witze gemacht: Austen stand tatsächlich auf Sloane. Dex versuchte immer noch, aus dem Typen schlau zu werden. Ein Teil von ihm wollte den vorlauten Geparden mögen; der andere nicht, rein aufgrund der Tatsache, dass der seine schmuddeligen kleinen Pfoten an Sloane legen wollte. Der Typ machte gar keinen Versuch zu verbergen, dass er sich zu dem größeren Feliden hingezogen fühlte. Andererseits war Austen nicht der Erste, der in den Teamleader von Destructive Delta verknallt war. Dex hatte schon jede Menge Gerede im Büro gehört, von sowohl männlichen als auch weiblichen Agenten, die sich zu seinem Partner hingezogen fühlten, auch wenn sich ihm nie jemand näherte. Verdammt, wäre Dex ihm nicht als Partner zugeteilt worden, hätte er Sloane als außerhalb seiner Liga einsortiert. Zudem hatte sein sexy Partner eine spezielle Ausstrahlung an sich, die jeden warnte: »Annäherung auf eigene Gefahr«.

Austen drehte sich zu Dex um und schien ihn zum ersten Mal zu bemerken. Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, stutzte dann kurz und lehnte sich zu Dex vor. »Verdammt. Nun guck sich mal einer diese babyblauen Äuglein an. Willst du mich deinem neuen heißen Partner nicht vorstellen, Broody Bear?«

»Das ist Agent Daley. Und ich habe dir gesagt, wenn du mich noch einmal so nennst, dann trete ich dir in den Hintern. Hast du mir überhaupt mal zugehört?« Doch es war, als hätte Sloane gar nichts gesagt.

»Tja hallo, Agent Daley. Du bist ein ganz schöner Glückspilz. Destructive Delta hat feine Agenten.« Er schaute Hobbs an und grinste breit. »Und damit meine ich wirklich fein

Du lieber Gott, das war ja, als wäre der Typ läufig. Hobbs lächelte scheu, bevor er den dezent finsteren Blick seines Partners bemerkte und den Blick auf seine Hose senkte, um da irgendwelchen Staub abzustreifen, der wahrscheinlich überhaupt nicht vorhanden war.

Sloane lehnte sich zurück und verschränkte die Finger vor dem Bauch. Er streckte die langen Beine vor sich aus und überkreuzte sie an den Knöcheln. »Muss ich dich kastrieren lassen?«

Daraufhin zuckte Austen derart zusammen, dass er fast von der Bank purzelte. »Das ist nicht lustig, Mann. Über so was sollte man keine Witze machen.«

Sloane ließ ein boshaftes Grinsen sehen. »Wer sagt denn, dass ich Witze mache?«

»Verstehe. Also, das Übliche dann. Na schön, dann lege ich mal los. Im Moment wird es hässlich da draußen. Ich habe keinerlei Sympathie für diese Bastarde vom Orden, aber was die Koalition mit denen anstellt, ist schon ziemlich krass. Diese Kerle sind nicht zimperlich. Ich meine, die machen Jagd auf die Menschen, schnappen sie sich, prügeln sie windelweich und lassen sie dann irgendwo zurück, wo man sie sehen kann, als Warnung an die anderen. Das ist dann für gewöhnlich der Moment, in dem irgendwer euch ruft.«

»Schon Glück gehabt beim Aufspüren der Koalition?«, fragte Sloane.

Austen schüttelte den Kopf. »Ich konnte nicht nahe genug herankommen. Diese Kerle sind anders als der Orden. Die sind ausgebildet. Keine offizielle Regierungsausbildung, aber so, als hätte jemand mit einer solchen Ausbildung ihnen die Grundlagen beigebracht. Sie wissen, wie man sich versteckt hält. Überall, wohin sie gehen, haben sie zwei Mitglieder in Tierform dabei, die jeden aufspüren, der dumm genug sein könnte, ihnen zu folgen. Und bevor du fragst: Es sind nie die zwei selben Therianer. Wenn ihr also ihre Klassifizierung durch eure hübschen Computer jagt, beschert euch das wahrscheinlich einen Treffer für jeden therianischen Agenten in eurer Organisation.«

»Na, toll.«

»Tut mir leid. Ich weiß, das ist alles eine große Wagenladung voll nichts. Aber ich kann bestätigen, dass ihr tatsächlich einen Verräter in euren Reihen habt.«

Mist. Nicht, dass sie das nicht schon gewusst hätten, aber es noch von jemand anderem bestätigt zu bekommen, machte es doppelt beschissen. »Woher weißt du das?«, fragte Dex.

»Wie gesagt: Diese Jungs wurden nicht offiziell ausgebildet. Aber jemand mit solch einer Ausbildung hat ihnen gezeigt, wie der Hase läuft. Ein Agent. Es gibt zwei männliche Therianer, die die Koalition anführen. Einer von ihnen kommuniziert mehrmals am Tag mit jemandem und gibt dessen Befehle weiter. Ich habe einige Male beobachtet, wie er angerufen wurde und direkt danach seinem Team befohlen hat, sich zurückzuziehen. Sekunden später tauchten dann THIRDS-Agenten auf.«

Sloane nickte bestätigend. »Kannst du irgendeinen von denen identifizieren?«

»Nein. Sie tragen schwarze Masken, die Kopf und Hals bedecken. Die Sorte, die taktische Teams unter den Helmen tragen, sodass man keine deutlichen Gesichtszüge erkennen kann. Den Anführer habe ich nur einmal gesehen. Na ja, nur die Statur. Der Kerl ist ein verdammter Riese. Er hatte eine dieser schwarzen Masken auf, ein schwarzes Hemd mit langen Ärmeln und eine kugelsichere Weste darüber an und schwarz-graue Tarnhosen. Kein Wunder, dass die Presse dauernd meint, sie wären von den THIRDS, so wie die ausgestattet sind. Nach allem, was wir wissen, könnte eure Ratte dort dabei sein, aber keine Chance, das herauszufinden. Die sind nie auch nur eine Sekunde unaufmerksam. So langsam habe ich das Gefühl, dass die ihre Identitäten niemandem preisgeben, nicht mal untereinander.«

»Was ist mit Namen?«, fragte Dex. »Sie müssen sich doch mit irgendwas rufen, oder?«

Austens Stirnrunzeln versprach nichts Gutes. »Sie benutzen Zahlencodes, wie eins-elf und dreiundzwanzig-sechsundzwanzig. Viel Spaß dabei, herauszufinden, was zur Hölle die bedeuten.«

Sloane nickte Cael zu, der die Zahlen in die Notizen auf seinem Tablet aufnahm. Zweifellos würde Cael noch einen Algorithmus in Themis eingeben, um herauszufinden, worauf sich die Zahlen bezogen. Das würden sie sich später näher ansehen, obwohl Austen nicht unrecht hatte. Die Möglichkeiten waren unzählbar.

»Irgendeine Idee, wie viele es sind?«

Wieder schüttelte Austen den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele sind. Wann immer ich sie sehe, dann in Gruppen von fünf, höchstens sechs Leuten. Ich könnte nicht sagen, wie viele Gruppen es gibt, aber wenn ihr mal die Zeitpunkte von Vorfällen mit Örtlichkeiten in den Stadtbezirken gegencheckt, bekommt ihr vielleicht eine grobe Ahnung davon. Man kann ja nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, richtig?« Sloane nickte Austen anerkennend zu, woraufhin der breit grinste. »Siehst du, ich bin nicht nur hübsch.«

»In Ordnung«, antwortete Sloane schmunzelnd, bevor er die nächste Frage stellte. »Irgendwas über den Orden?«

»Ich habe ein paar Köder dazu ausgeworfen. Falls jemand anbeißt, lasse ich es dich wissen.«

Sloane stand auf und streckte Austen die Hand hin. »Gute Arbeit. Kontaktiere mich, falls du irgendwas Neues hast.«

»Darauf kannst du wetten.«

»Und nächstes Mal«, meinte Sloane warnend, aber mit einem neckenden Unterton, »versuch nicht abzuhauen.«

Austen schlenderte zur Tür des BearCat, drehte sich um und zwinkerte Sloane zu. »Och, wieso sollte ich mir die Chance entgehen lassen, von einem heißen Agenten verfolgt zu werden?« Er salutierte, öffnete dann eine der Türen und sprang hinaus. Bevor Dex blinzeln konnte, war er zwischen den Bäumen verschwunden. Rosa hatte recht gehabt. Der Typ war schnell, sogar als Mensch.

»In Ordnung, Leute. Es war ein langer Tag. Fahren wir zurück ins Hauptquartier. Hobbs, bring uns hier raus und halte unterwegs an einem Drive-in. Ich bin am Verhungern.« Sloane ließ sich neben Rosa auf der Bank nieder, und Dex setzte sich neben ihn. Sie schnallten sich an, und Hobbs fuhr sie aus dem Park.

Dex registrierte, dass sein Partner sich nach hinten an die gepolsterte Wand des Trucks lehnte und dann abrupt wieder vorbeugte. Rosa und Letty plauderten miteinander und bemerkten nichts, und Cael saß hinter der Konsole, auch wenn er ins Leere starrte. Wenn Dex nun so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er nie sah, dass Sloane sich wie alle anderen an die Wand lehnte.

Dex beugte sich zu seinem Partner hinüber und fragte leise: »Hey, alles okay?«

Sloanes Lächeln fuhr Dex direkt in die Lendengegend. »Ja, wieso?«

»Weil du dich plötzlich von der Wand abgestoßen hast.«

»Ist dir aufgefallen, hm?«

»Ja.« Wenn es seinen Partner betraf, entging Dex nicht viel, sei es im Job oder privat. Sie gingen zwar noch nicht lange offiziell miteinander aus, aber sie trafen sich bereits seit fast acht Monaten regelmäßig. In der Zeit hatten sie eine ganze Menge zusammen durchgestanden.

Sloane schien über Dex’ Beobachtung nachzudenken, bevor er antwortete: »Mir wird dabei immer übel.«

»Reisekrankheit?« Nicht möglich. Wenn sein Partner unter Reisekrankheit litt, dann hätte Dex das doch sicher längst bemerkt.

Sloane schüttelte den Kopf und lehnte sich an Dex. »Es fühlt sich zu sehr wie dieser Stuhl an.«

Stuhl? Was für ein Stuhl würde Sloane Übelkeit verursachen? Dann blitzte ein Bild in seinem Kopf auf, und Dex zuckte zusammen. Ach, richtig. Dieser Stuhl. Jahrelang war Sloane auf einen gepolsterten Stuhl geschnallt worden, in dieser Forschungseinrichtung für Therianer der ersten Generation, während Wissenschaftler ihm und zahllosen anderen Therianerkindern Gott weiß was antaten, um mehr über sie zu erfahren. Dex konnte nur vermuten, was die Regierung Sloane alles hatte durchleiden lassen, und er sah genug Schmerz in den Augen seines Partners, um zu wissen, dass es schrecklich gewesen war.

Dex hatte erst kürzlich seine Erfahrung mit diesem abscheulichen Stuhl gemacht, und obwohl er überzeugt war, dass sich das nicht mit dem vergleichen ließ, was Sloane durchgemacht hatte, fiel es ihm immer noch schwer, es zu vergessen. Er war mit Knöcheln, Handgelenken und Kopf an den medizinischen Stuhl gefesselt worden. Es war das Letzte, was er von jenem Tag in der Einrichtung noch wusste, bevor Isaac Pearce ihm eine Nadel in den Hals gejagt und ihn wie eine Marionette an seinen Fäden hatte tanzen lassen, während Dex bereitwillig mitgemacht hatte.

Instinktiv rieb Dex über die kleine, inzwischen verheilte Narbe am Bein. Hätte Sloane ihn nicht angeschossen und damit außer Gefecht gesetzt, hätte Dex genau das getan, was dieser Bastard Isaac von ihm gewollt hatte: Er hätte erst einen unschuldigen Mann und dann sich selbst getötet. Noch Monate später konnte er sich an nichts davon erinnern, sosehr er es auch versuchte. Er wusste nur das, was Sloane ihm erzählt hatte. Es frustrierte ihn total.

»Dex?«

Dex riss sich aus seinen Gedanken und sah, dass Sloane ihn besorgt musterte. »Bei dir alles okay?«

»Tut mir leid. War nur am Nachdenken. Mein nächster Termin beim Zahnarzt sollte interessant werden.«

Sloanes Miene wurde weicher, und er tätschelte Dex am Bein und ließ seine Hand ein paar Sekunden länger als nötig dort ruhen. »Es wird leichter.«

»Danke.«

Fünf Minuten später hielten sie am Drive-in eines Fast-Food-Restaurants an, und Dex dankte Austen im Stillen dafür, dass er Sloane gezwungen hatte, sich zu wandeln. Die einzigen Gelegenheiten, zu denen sein Partner sich etwas annähernd Ungesundes gönnte, waren nach der Wandlung, wenn sein Therianerkörper nach Fleisch und jeder Menge Kalorien verlangte.

Hobbs wartete geduldig, während Dex auf seinem Schoß saß, dem Lautsprecher gegenüber, und die Bestellung des Teams durchgab. Diese bestimmte Fast-Food-Kette bot Postshift-Menüs mit Riesenburgern an, die jedes menschliche Herz in die Flucht schlagen würden. Dex gab alle Bestellungen durch und wandte sich dann an Hobbs.

»Was möchtest du, Großer?«

Hobbs zeigte auf eines der Spezialmenüs für Therianer mit einem Angus-Beef-Burger, der aussah, als wäre er so groß wie Dex’ Kopf.

»Kriegst du. Cal?«

»Kein Hunger«, brummte Calvin. Dex drehte sich zu Calvin um, der brütend aus dem Fenster sah. Dann wandte er sich wieder Hobbs zu und runzelte die Stirn. Hobbs schüttelte den Kopf, deutete dann auf die reguläre Auswahl für Menschen und hielt vier Finger hoch.

»Also Nummer vier.« Dex gab die Bestellung auf, während Calvin hinter ihm protestierte.

»Verdammt, Ethan. Ich sagte: kein Hunger.«

Aus dem Augenwinkel sah Dex, wie Hobbs Calvin einen Blick zuwarf, der sagte, er solle keinen Blödsinn erzählen. Bei näherem Nachdenken konnte Dex sich auch nicht erinnern, dass Calvin irgendwas gegessen hätte, als sie früher am Tag angehalten hatten, um sich Mittagessen zu holen. Man hatte sie gerufen, weil Mitglieder der Koalition gesichtet worden waren, doch wie Austen schon bemerkt hatte: Bis sie dort ankamen, waren die längst verschwunden.

»Na, schön«, grummelte Calvin, holte dann sein iPhone und Kopfhörer aus einer seiner Taschen und steckte sich die Kopfhörer in die Ohren. Dex rutschte von Hobbs’ Schoß, damit der zum nächsten Fenster fahren konnte.

»Was fehlt ihm denn?«, fragte Dex Hobbs leise. »Ihr zwei habt euch noch nicht ausgesprochen?«

Hobbs schüttelte den Kopf und machte ein bekümmertes Gesicht, doch ansonsten »sagte« er nichts weiter. Er deutete nur nach vorn, um Dex zu zeigen, dass die Warteschlange sich vorwärts bewegte. Er war eindeutig nicht in der Stimmung, sein Herz auszuschütten.

»Okay, aber falls du mit jemandem reden willst, dann kommst du einfach zu mir.« »Reden« war ein relativer Begriff, wenn es um Hobbs ging, doch inzwischen hatte Dex gelernt, dass Hobbs mit wenigen bis gar keinen Worten genauso mühelos kommunizieren konnte wie die meisten Leute mit ganzen Gesprächsrunden. Dex genoss Hobbs’ Gesellschaft. Das Schweigen war nie unbehaglich, und obwohl Dex wusste, dass er selbst zu der Sorte Mensch gehörte, die zu viel redete, schätzte er Hobbs’ gelassene Natur.

Nachdem sie ihr Essen entgegengenommen hatten, parkte Hobbs den BearCat hinter einer Reihe leerer Parklücken, und alle beschäftigten sich mit ihrem Essen. Dex bemerkte, dass Hobbs die Hand ausstreckte und den Kopfhörer, der ihm am nächsten war, aus Calvins Ohr zog. Das brachte ihm einen finsteren Blick ein, aber Hobbs grinste breit. So eine Art schiefes Schuljungenlächeln, bei dem man nur schwer sauer bleiben konnte. Dex war froh, dass auch Calvin dagegen nicht immun war und das Stirnrunzeln des blonden Agenten verschwand, bevor er loslachte. Dann nannte er seinen Freund liebevoll einen Arsch und klaute ihm ein paar Pommes.

»Also, wie lange feiert dein Bruder schon diese Vor-Geburtstagsparty-Partys?«, fragte Sloane Cael.

»Seit seiner Kindheit.«

»Und Maddock hat da mitgemacht?«

»Na, wir reden hier von Dex. Besser nachgeben und den Ritt mitmachen, als zu versuchen, ihm etwas, das er will, abzuschlagen. Oder irre ich mich da?« Cael lächelte wissend.

Sloane ließ gespielt beschämt den Kopf hängen. »Nein.«

»Du bist so was von geliefert«, meinte Rosa und gab ein boshaftes Lachen von sich.

»Vielen Dank, Rosa. Ich weiß das zu schätzen.«

»Willkommen in meiner Welt«, warf Cael ein.

Dex winkte ihnen zu. »Ihr habt schon gemerkt, dass ich genau hier sitze. Aber ich genieße es, zu hören, wie wundervoll ihr mich alle findet.«

»Wohl eher, für was für eine Nervensäge wir dich halten«, meinte Cael schnaubend.

»Aber ich bin eine reizende Nervensäge. Gebt es zu. Guckt doch mal diese Grübchen an.« Dex deutete auf seine Wangen und grinste.

Sloane lachte, bevor er sich wieder fing. »Mist. Ich bin echt geliefert.«

Rosa, Cael und Letty lachten über Dex’ Mätzchen, und Dex beugte sich über Sloane, um seine Ehre zu verteidigen, als er spürte, wie Sloanes Hand unter seine Pobacke glitt und zudrückte. Dex zuckte zusammen und sah seinen Partner blinzelnd an. Mit einem sündigen Grinsen beugte Sloane sich zu Dex und flüsterte ihm zu:

»Ich bin vielleicht geliefert, aber du bist heute Nacht derjenige, der flachgelegt wird.«

Dex lehnte sich zurück und gab sich alle Mühe, seine Erektion in den Griff zu kriegen, die ihm Sloanes grollende Drohung beschert hatte. Bastard. Er wusste genau, dass sie noch zurück zum Hauptquartier fahren, duschen und sich umziehen mussten, bevor sie nach Hause fahren konnten. Es würde mindestens noch zwei Stunden dauern, bis Sloane seiner Drohung Taten folgen lassen konnte. Dex redete sich ein, das sei schon okay. Damit blieben ihm zwei Stunden, um sich etwas auszudenken, wie er sich an seinem Geliebten rächen konnte. Schon der Gedanke ließ Dex grinsen. Oh ja, Sloane war auf jeden Fall geliefert.