Sonja Eismann lebt in Berlin, ist Mitherausgeberin des Missy Magazine und arbeitet als freie Autorin. Sie war schon als Kind mit ihren Eltern auf Anti-Atomkraft-Demos, hat noch nie in ihrem Leben ein motorisiertes Fahrzeug besessen und träumt schon lange von der autofreien Stadt. Sie reist am liebsten mit dem Zug und ärgert sich, wenn Flüge billiger sind als Zugtickets. Ihre siebenjährige Tochter weist sie jetzt schon zurecht, wenn sie mal den Müll nicht richtig trennt.

Nina Lorkowski ist Technikhistorikerin und hat sich in ihrer Forschung vor allem mit der Geschichte der Energienutzung privater Haushalte beschäftigt. Zurzeit ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin und diskutiert mit Studierenden darüber, wie sich unsere Konsumgesellschaft im Laufe des 20. Jahrhunderts verändert hat und welche Folgen das für Mensch und Umwelt hatte. Dabei lernt sie selbst jede Menge dazu, z. B. wie viele Rohstoffe eigentlich in einem To-go-Becher stecken – und hat deshalb immer ihren eigenen Thermobecher dabei.

Liebe Leserin, lieber Leser,

gibt es eigentlich irgendein Produkt, das noch nicht mit dem Schlagwort »nachhaltig« beworben wurde? Nachhaltige Unterwäsche, nachhaltige Autos, nachhaltige Bildungsangebote – da kann man schnell den Überblick verlieren. Und vor allem den Glauben an die Sinnhaftigkeit dieses Begriffs. Denn wenn auf einmal alles angeblich fair, öko und klimaneutral sein soll, warum sich dann noch selbst den Kopf darüber zerbrechen, wie man nachhaltiger leben und den nachkommenden Generationen eine einigermaßen intakte Welt überlassen kann? Für dieses Buch wollten wir uns jedoch genau von diesem »Hype« um ein Wort nicht abschrecken lassen. Stattdessen haben wir uns vorgenommen, ein wenig tiefer zu graben und herauszufinden, wie die verschiedenen Faktoren, die Nachhaltigkeit nach den meisten Definitionen ausmachen, miteinander in Beziehung stehen und wie sie sich in den verschiedensten Lebensbereichen konkret auswirken. Es ging uns dabei gerade nicht darum, unseren Leserinnen und Lesern vorzuschreiben, wie sie denn nun ganz »korrekt« leben sollen. Vielmehr wollten wir Zusammenhänge so darstellen, dass sich alle selbst ein Bild machen können. Dabei sind uns ziemlich viele erschreckende Fakten untergekommen und Dinge deutlich bewusst geworden, die wir sonst gern verdrängen. Andererseits haben wir aber auch mit tollen Leuten gesprochen, die uns angespornt haben, weiterhin kritisch zu bleiben – und trotzdem hoffnungsvoll.

Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen,

Sonja und Nina

Inhalt

Was ist »Nachhaltigkeit?«

Kapitel 1: Energie

Klimawandel und erschöpfte Ressourcen

Stromwirtschaft vs. Bürgerinteressen

Vom elektrischen Zigarrenanzünder zum Tablet

Atomstrom

Schornsteine zählen

Kapitel 2: Müll

Wir schwimmen im Müll

»Der Wandel zur Nachhaltigkeit wird die ganze Welt erfassen«

Plastiksuppe im Meer

Der am schnellsten wachsende Müllberg der Welt

Weniger ist weniger

Kapitel 3: Nahrung

Die Kuh und das Klima

Der hohe Preis von »billig«

Was jetzt: bio, fair, regional – oder alles zusammen?

Der unsichtbare Dauergast

Kann mein Teller die Welt retten?

Esst hässliches Gemüse!

Kapitel 4: Kleidung

Einkaufen, in den Schrank hängen – wegwerfen

13 Cent für ein T-Shirt

»Freiwillige Selbstverpflichtung ist nicht genug!«

Ein Kleidungsstück für ein ganzes Jahr

Kleider aus Plastikflaschen, Büchern und Milch

Kauf weniger, kauf besser

Kapitel 5: Mobilität

Jetzt bloß nicht stehen bleiben

Was uns antreibt

Die Zukunft der Automobilität

Freie Fahrt für alle!

Dinge auf Reisen

Fernreise oder Naherholungsgebiet?

Kapitel 6: Wohnen

Wie wir wohnen wollen

Luxusgut oder Grundrecht?

Wände, die sich bewegen und ihre Form ändern

Von Strohhäusern und Ökoeiern

Gemeinsam Wohnraum gestalten

Kapitel 7: Migration

Menschen in Bewegung

Über die Freiheit, sich weltweit bewegen zu können

Ohne menschliche Mobilität keine Entwicklung

Fern und doch so nah

»Mehr als eine Ausnahme«

Was ist »Nachhaltigkeit?«

Eine kleine Begriffsgeschichte

Hans Carl von Carlowitz war Vize-Berghauptmann im sächsischen Freiberg, wo man viel Holz für den Grubenausbau und als Brennmaterial für die Schmelzöfen benötigte. Als der Wald nicht mehr schnell genug nachwuchs und die »Holznot« ausgerufen wurde, veröffentlichte Carlowitz im Jahr 1713 seine Abhandlung »Sylvicultura oeconomica«. Hier wurde zum ersten Mal das Prinzip von Nachhaltigkeit als Grundsatz für den Umgang mit einer knappen Ressource formuliert. Es sollte nur so viel Holz geschlagen werden, wie nachwächst, um auch zukünftigen Generationen die Nutzung dieser Ressource möglich zu machen.

Heute wird Carlowitz’ Abhandlung als die erste grundlegende Definition von Nachhaltigkeit bezeichnet. Erst 1972 wurde der Begriff in einer Studie des Club of Rome wiederentdeckt und um eine globale Dimension erweitert: Wir haben nur diese eine Erde und wenn unsere stetig wachsende Weltbevölkerung so weitermacht wie bisher, droht der Kollaps. Eine neue Debatte über Umweltprobleme wurde entfacht und es wuchs ein Bewusstsein dafür, dass Eingriffe in die Umwelt nicht vor lokalen Grenzen haltmachen: dass z. B. Giftstoffe auf unseren Feldern von Vögeln in andere Erdteile getragen werden und die Abholzung des Regenwaldes unser Klima beeinflusst. Es wurde klar, dass die Auswirkungen von Rohstoffnutzung und Schadstoffemissionen verantwortlich für Hunger, Armut oder mangelhafte hygienische Bedingungen in den sogenannten Entwicklungsländern sind. In der Studie des Club of Rome wurde deutlich formuliert, dass es die Industriestaaten sind, also etwa 20 % der Weltbevölkerung, die maßgeblich diese Probleme auf den restlichen Erdteilen zu verantworten haben. Im 1997 verabschiedeten Kyoto-Protokoll wurde von den Vereinten Nationen das Ziel festgelegt, die Emission von Treibhausgasen so weit zu reduzieren, dass ein menschengemachter Klimawandel verhindert werden könne. Im Jahr 2000 legten die Vereinten Nationen Millenniumsziele vor, bei denen Armutsbekämpfung, Zugang aller Kinder zu Bildungseinrichtungen, Gleichstellung von Mann und Frau, Prävention von Krankheiten, Schuldenabbau, Entwicklungshilfe sowie Umweltschutzmaßnahmen zum Erhalt der Lebensgrundlagen der Menschen im Zentrum standen. 2015 wurden diese Ziele in der Agenda 2030 noch einmal aufgegriffen und erweitert. Auch wenn die tatsächliche Umsetzung dieser Ziele bisher eher bescheiden ist, so haben die internationalen Konferenzen den Begriff Nachhaltigkeit auf entscheidende Weise geprägt: Ökologische, soziale und ökonomische Aspekte müssen stets gemeinsam und mit gleichem Stellenwert berücksichtigt werden.

Unter diesen drei Aspekten lassen sich auch die Themen Energie, Müll, Nahrung, Kleidung, Mobilität, Wohnen und Migration betrachten: Unter welchen Voraussetzungen wird auch in Zukunft unser stetig wachsender Energiebedarf gedeckt werden können? Welche Auswirkungen haben unser Konsumverhalten und unsere ressourcenintensive Lebensweise global gesehen? Wie tragen wir dazu bei, dass Menschen in entfernten Ländern ihre Heimat verlassen müssen? In den einzelnen Kapiteln wird deutlich, dass unser Handeln in weltweiten Zusammenhängen steht und Folgen für Mensch und Umwelt hat. Um auch die Zusammenhänge zwischen diesen Themen zu verdeutlichen, befinden sich in jedem Kapitel Icons, die auf ein jeweils anderes Kapitel verweisen:

Am Ende stellt sich heraus, dass jeder von uns im Sinne von Nachhaltigkeit etwas tun kann, sei es beim bewussten Einkauf, auf dem täglichen Weg zu Schule und Arbeit oder indem wir an den richtigen Stellen mitreden und uns einbringen.

Kapitel 1: Energie

> Energiehunger und Klimawandel

> Energiewende und soziale Gerechtigkeit

> Atomstrom

> mit neuen Technologien in die Zukunft

Klimawandel und erschöpfte Ressourcen

Die Energiewende steht an

Beleuchtung, Transport, Güterproduktion – moderne Gesellschaften verbrauchen jede Menge Energie. Verbrauchen? Besagt nicht der Erste Hauptsatz der Thermodynamik, dass Energie nur umgewandelt, aber nicht verbraucht werden kann?

Das stimmt zwar, dennoch können wir von Energieverbrauch sprechen. Denn jede Umwandlung von Energie, z. B. die Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung und die Umwandlung der elektrischen Energie zum Antrieb eines Motors, ist jedes Mal mit Energieverlusten verbunden. Diese Energie verschwindet nicht, verpufft aber als nicht nutzbare Wärmeenergie.

Vor allem die Freisetzung von Treibhausgasen (insbesondere Kohlendioxid, aber auch Methan, Lachgas oder FCKW) stellt dabei ein großes Problem dar. Durch die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen kann die Atmosphäre viel mehr Sonnenenergie aufnehmen, das heißt, sie heizt sich auf, genauso wie ein Gewächshaus – deshalb wird dieses Phänomen auch »Treibhauseffekt« genannt. Durch den Einfluss der Menschen hat sich dieser Treibhauseffekt so sehr verstärkt, dass sich das Klima verändert. Die globale Durchschnittstemperatur hat sich in Bodennähe mittlerweile um 0,74 °C erhöht und es wird ein rapider Anstieg in den nächsten 100 Jahren erwartet.