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Autor

George Raymond Richard Martin wurde 1948 in New Jersey geboren. Sein Bestseller-Epos Das Lied von Eis und Feuer wurde als die vielfach ausgezeichnete Fernsehserie Game of Thrones verfilmt. George R. R. Martin wurde u. a. sechsmal der Hugo Award, zweimal der Nebula Award, dreimal der World Fantasy Award (u. a. für sein Lebenswerk und besondere Verdienste um die Fantasy) und dreimal der Locus Poll Award verliehen. 2013 errang er den ersten Platz beim Deutschen Phantastik Preis für den Besten Internationalen Roman. Er lebt heute mit seiner Frau in New Mexico.

Science-Fiction von George R. R. Martin bei Penhaligon:

Die Flamme erlischt

Planetenjäger

Sturm über Windhaven

Wild-Cards-Romane und -Anthologien, herausgegeben von George R. R. Martin, bei Penhaligon:

WILD CARDS. Die erste Generation

Vier Asse

Der Schwarm

Der Astronom

WILD CARDS. Die zweite Generation

Das Spiel der Spiele

Der Sieger der Verlierer

Der höchste Einsatz

WILD CARDS. Jokertown

Die Cops von Jokertown

weitere Bände in Vorbereitung

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GEORGE R. R. MARTIN

NIGHTFLYERS

Die Dunkelheit zwischen den Sternen

ROMAN

Deutsch von Maike Hallmann

Die Originalausgabe erschien 1980 unter dem Titel »Nightflyers« in der Anthologie »Binary Star 5« bei Bantam / Dell, New York.

Dieser Kurzroman ist außerdem in der Anthologie »Traumlieder 2. Erzählungen« im Heyne-Verlag erschienen.

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Copyright der Originalausgabe © 1980 by George R. R. Martin

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2018 by Penhaligon in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: © Isabelle Hirtz, Inkcraft, nach einer Originalvorlage von David G. Stevenson

Umschlagillustration vorne: © Larry Rostant

Umschlagillustration hinten: © David Palumbo

Illustrationen: © 2018 by David Palumbo

HK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-24300-5
V002

www.penhaligon.de

Als Jesus von Nazareth sterbend am Kreuz hing, passierten die Volcryn den Schauplatz seiner Todesqualen in weniger als einem Lichtjahr Entfernung auf ihrem Weg in die Ferne.

Als die Feuerstürme auf der Erde wüteten, segelten die Volcryn nahe Alt-Poseidon mit seinen namenlosen, unbefischten Meeren. Als die Entwicklung des interstellaren Antriebs den Staatenbund der Erde in das Bundesimperium verwandelte, waren die Volcryn in die Randbezirke des Hrangan-Systems eingedrungen. Die Hranganer erfuhren nie etwas davon. Wie wir waren sie Kinder einer der kleinen, hellen Welten, die um weit verstreute Sonnen kreisen, und sie scherten sich kaum um das, was sich durch die Leere dazwischen bewegte, und noch weniger wussten sie überhaupt davon.

Der tausendjährige Krieg entbrannte, und die Volcryn glitten hindurch, unwissend, unberührt, sicher und geborgen dort, wo niemals Feuer brennen. Später wurde das Bundesimperium zerschmettert und ausgelöscht, die Hranganer verschwanden beim großen Zusammenbruch in der Dunkelheit, aber für die Volcryn änderte sich nichts.

Als Kleronomas mit seinem Forschungsschiff von Avalon aufbrach, kamen die Volcryn auf weniger als zehn Lichtjahre an ihn heran. Kleronomas entdeckte vieles, aber die Volcryn entdeckte er nicht. Nicht damals und nicht, ein ganzes Leben später, bei seiner Rückkehr nach Avalon.

Als ich drei Jahre alt war, war Kleronomas längst Staub, so fern und tot wie Jesus von Nazareth, und die Volcryn befanden sich nahe Daronne. Zu jener Zeit wurden die feinsinnigen Crey eigenartig, saßen da und starrten mit leuchtendem, flackerndem Blick zu den Sternen empor.

Als ich erwachsen war, hatten die Volcryn Tara hinter sich gelassen, befanden sich inzwischen außerhalb der Reichweite selbst der Crey, noch immer auf dem Weg immer weiter aus der Galaxis hinaus.

Und heute bin ich alt und werde immer älter, und bald werden die Volcryn Tempters Schleier durchstoßen, der wie schwarzer Nebel zwischen den Sternen schwebt. Und wir folgen ihnen, folgen ihnen durch das schwarze Nichts, wo niemand ist, durch die Leere, durch das immerwährende Schweigen jagen wir sie, meine Nightflyer und ich.

Langsam arbeiteten sie sich durch die durchsichtige Röhre, die Orbitalstation und Schiff verband, zogen sich mit den Händen durch die Schwerelosigkeit.

Melantha Jhirl, die Einzige von ihnen, die sich in der Schwerelosigkeit geschickt und ohne sichtliches Unbehagen bewegte, hielt kurz inne und betrachtete den gescheckten Ball unter ihnen – Avalon, majestätische Weiten aus Jade und Bernstein. Sie lächelte und glitt rasch und anmutig an ihren Begleitern vorbei die Röhre entlang. Sie alle hatten bereits Sternenschiffe bestiegen, aber nie auf diesem Weg. Die meisten Schiffe dockten direkt an der Station an – das Schiff, das Karoly d’Branin für diese Mission gechartert hatte, war dafür zu groß und zu eigenwillig geformt. Es ragte hoch auf, drei eierförmige Gebilde hintereinander, darunter im rechten Winkel zwei größere Kugeln, zwischen denen der zylinderförmige Antrieb untergebracht war. Alles war durch lange Röhren miteinander verbunden. Das Schiff war weiß und schmucklos.

Melantha Jhirl kam als Erste durch die Luftschleuse. Die anderen strampelten nach und nach hinterher, bis endlich alle an Bord waren; fünf Frauen und vier Männer, allesamt Wissenschaftler, ihre Persönlichkeiten so unterschiedlich wie ihre Spezialgebiete. Als Letzter kam der junge, zerbrechlich wirkende Telepath Thale Lasamer an Bord. Er warf den anderen, die sich unterhielten und darauf warteten, dass es weiterging, nervöse Blicke zu. »Jemand beobachtet uns«, sagte er.

Das Außenschott hatte sich hinter ihnen geschlossen, die Röhre zur Orbitalstation war fort, und die Tür ins Innere des Schiffs glitt auf. »Willkommen auf meiner Nightflyer«, erklang eine sanfte Stimme.

Doch es war niemand da.

Melantha Jhirl trat in den Gang. »Hallo«, sagte sie und schaute sich fragend um. Karoly d’Branin folgte ihr.

»Hallo«, antwortete die sanfte Stimme. Sie kam aus einem Lautsprecher unterhalb eines dunklen Bildschirms. »Ich bin Royd Eris, Kapitän der Nightflyer. Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Karoly, und heiße auch die anderen herzlich willkommen.«

»Wo stecken Sie?«, verlangte jemand zu wissen.

»In meinem Quartier, das die Hälfte des an die lebenserhaltenden Systeme angeschlossenen Sektors einnimmt«, antwortete Royd Eris’ Stimme liebenswürdig. »In der anderen Hälfte finden Sie eine Kombination aus Speisesaal, Bibliothek und Küche, zwei sanitäre Anlagen, eine Doppelkabine und eine kleinere Einzelkabine. Wer dort nicht unterkommt, wird mit einem Schlafnetz in den Frachträumen vorliebnehmen müssen, fürchte ich. Die Nightflyer ist als Frachter konzipiert, nicht als Passagierschiff. Wie dem auch sei – ich habe alle notwendigen Gänge und Schleusen geöffnet, für Luft, Wasser und Beheizung ist gesorgt. Ich dachte mir, so werden Sie es wohnlicher finden. Ihre Ausrüstung und Ihr Computersystem sind bereits in den Frachträumen untergebracht, aber ich versichere Ihnen, es steht noch ausreichend Platz zur Verfügung. Am besten, Sie richten sich ein und treffen sich dann im Aufenthaltsraum zum Essen.«

»Gesellen Sie sich zu uns?«, erkundigte sich die missmutige, stets leicht verkniffene Psi-Expertin Agatha Marij-Black.

»In gewisser Weise«, sagte Royd Eris, »in gewisser Weise.«

Der Geist erschien, als sie beim Essen saßen.

Den Aufenthaltsraum hatten sie ohne Schwierigkeiten gefunden, nachdem sie die Schlafnetze aufgehängt und ihre persönlichen Besitztümer untergebracht hatten. Es war der größte Raum in diesem Sektor. An einem Ende befand sich die voll ausgestattete und mit Vorräten reich bestückte Küche, am anderen fanden sie mehrere gemütliche Sessel vor, zwei Lesegeräte, einen Holotank und eine Wand voller Bücher, Aufnahmebänder und Kristalldatenchips. In der Mitte befand sich ein Tisch mit zehn Gedecken.

Dampfend wartete eine leichte Mahlzeit auf sie. Die Wissenschaftler machten es sich am Tisch gemütlich, lachten und unterhielten sich, jetzt in sehr viel besserer Stimmung als bei ihrer Ankunft.

Der Schwerkraftsimulator des Schiffs war eingeschaltet, was sehr zu ihrer Behaglichkeit beitrug; die Unannehmlichkeiten ihres schwerelosen Übergangs waren bald vergessen.

Schließlich waren alle Plätze belegt bis auf den am Kopf der Tafel.

Dort erschien der Geist.

Alle Gespräche verstummten.

»Hallo«, sagte die Erscheinung, das schimmernde Abbild eines schlanken jungen Mannes mit hellen Augen und weißem Haar. Seine Kleidung war zwanzig Jahre hinter der Zeit zurück; ein weites pastellblaues Hemd, das sich an den Handgelenken ballonartig weitete, dazu eine weiße Hose mit integrierten Stiefeln. Sie konnten durch ihn hindurchsehen, und seine Augen schienen sie gar nicht wahrzunehmen.

»Ein Hologramm«, sagte Alys Northwind, die kleine, stämmige Xenotechnikerin.

»Royd, Royd, ich verstehe das nicht«, sagte Karoly d’Branin und starrte den Geist an. »Was soll das? Warum eine Projektion? Werden Sie sich nicht persönlich zu uns gesellen?«

Der Geist lächelte schwach und hob einen Arm, um auf die Wand zu deuten. »Mein Quartier liegt auf der anderen Seite dieser Wand«, erklärte er. »Bedauerlicherweise gibt es keine Verbindungsschleuse zwischen den beiden Hälften dieses Bereichs. Ich verbringe einen Großteil meiner Zeit allein und lege großen Wert auf meine Privatsphäre. Ich hoffe, Sie alle verstehen und respektieren dieses Bedürfnis. Dessen ungeachtet werde ich Ihnen ein aufmerksamer Gastgeber sein. Hier im Aufenthaltsraum kann meine Projektion Ihnen Gesellschaft leisten. Überall sonst im Schiff können Sie, wenn Sie irgendetwas brauchen, über das Kommunikationssystem mit mir Kontakt aufnehmen. Bitte – setzen Sie Ihr Mahl fort und nehmen Sie Ihre Unterhaltungen wieder auf. Ich höre Ihnen mit Freuden zu. Es ist lange her, dass ich Passagiere an Bord hatte.«

Sie gaben ihr Bestes. Aber der Geist am Kopf der Tafel dämpfte die Stimmung merklich, und den Rest ihrer Mahlzeit verzehrten sie hastig und schweigsam.

Seit die Nightflyer in den interstellaren Raum eingetreten war, beobachtete Royd Eris seine Passagiere.

Schon nach wenigen Tagen hatten sich die Wissenschaftler an die körperlose Stimme aus den Lautsprechern und die holografische Erscheinung im Aufenthaltsraum gewöhnt, aber nur Melantha Jhirl und Karoly d’Branin verhielten sich ihm gegenüber wirklich ungezwungen. Das spürbare Unbehagen der anderen hätte sich sicher noch verstärkt, wenn sie gewusst hätten, dass er sie nie aus den Augen ließ. Immer und überall beobachtete er sie. Selbst in den sanitären Anlagen hatte er Augen und Ohren.

Er schaute zu, wie sie arbeiteten, aßen, schliefen und kopulierten; unermüdlich lauschte er ihren Gesprächen. Binnen einer Woche kannte er sie, alle neun, mitsamt ihren schmutzigen kleinen Geheimnissen.

Die Kybernetikerin Lommie Thorne unterhielt sich mit ihren Computern und schien sie menschlicher Gesellschaft vorzuziehen. Ihr Verstand arbeitete schnell und effektiv, sie hatte bewegliche, ausdrucksvolle Gesichtszüge und einen knabenhaften Körperbau. Die meisten ihrer Kollegen fanden sie offenbar anziehend, aber sie schätzte es nicht, berührt zu werden. Sie paarte sich nur einmal, mit Melantha Jhirl. Lommie Thorne trug Oberteile aus geschmeidigen gewebten Metallfäden und hatte am linken Handgelenk ein Implantat, über das sie sich direkt mit dem Computer verbinden konnte.

Der Xenobiologe Rojan Christopheris war streitlustig und mürrisch, seine Verachtung für die Kollegen verhehlte er kaum, und er trank zu viel. Er war groß und hässlich und ging immer leicht gebeugt.

Die beiden Linguisten, Dannel und Lindran, traten vor den anderen als Paar auf, hielten ständig Händchen und einander den Rücken frei. Wenn sie allein waren, stritten sie erbittert miteinander. Lindran hatte einen bissigen Humor und traf Dannel bevorzugt dort, wo es wirklich wehtat, indem sie scheinbar scherzhaft über seine fachliche Kompetenz spottete. Sie hatten ein reges Sexleben, alle beide, aber nicht miteinander.

Agatha Marij-Black, die Psi-Expertin, war eine Hypochonderin mit starken Neigungen zur Depression, die sich in der Enge der Nightflyer verstärkten.

Die Xenotechnikerin Alys Northwind aß ständig und wusch sich nie. Ihre kurzen Fingernägel hatten stets tiefschwarze Ränder, und in den ersten zwei Wochen wechselte sie nicht ein einziges Mal ihren Overall – sie streifte ihn nur ab, wenn sie mit jemandem in die Kiste stieg, und zog ihn gleich danach wieder an.