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Zum Buch

Wir nehmen ständig Einfluss auf andere Menschen: im Klassenzimmer, in der Teamsitzung oder in den sozialen Medien. Und wir werden beeinflusst – meist unbewusst und mehr als uns lieb ist. Doch was bestimmt, ob andere Einfluss auf Ihr Verhalten nehmen und auf das, woran Sie glauben? Da gelingt es einem Unternehmer, Investoren zu überzeugen, Milliarden in ein windiges Biotechnologie-Start-up zu stecken – einem Arzt jedoch nicht, seinen Patienten zu einer wichtigen Impfung zu bewegen. Was entscheidet also, ob Sie das Denken anderer beeinflussen oder ob Sie überhört werden?

Anhand eigener psychologischer, neurowissenschaftlicher und verhaltensökonomischer Forschungen belegt Tali Sharot, dass wir dieses Wechselspiel kaum durchschauen: Allzu oft sind wir steinzeitlichen Instinkten und Reflexen unterworfen – und daher zum Scheitern verdammt, wenn wir andere zu etwas bewegen wollen. Doch Sharot zeigt auch, wie wir andere Menschen positiv beeinflussen können und wie uns das Verständnis des Gehirns dabei hilft: ein ebenso spannender wie unterhaltsamer neuer Blick auf die Grundlagen unseres Verhaltens.

Zur Autorin

Tali Sharot wurde an der New York University in Psychologie und Neurowissenschaft promoviert und ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie der University of London. Sie ist Leiterin des dortigen Affective Brain Lab, das untersucht, wie Affekte und Emotionen unsere Wahrnehmungen und unser Verhalten beeinflussen. Ihre weiteren Forschungsschwerpunkte sind Gedächtnis, Optimismus und Entscheidungsfindung. 2012 erschien Das optimistische Gehirn: Warum wir nicht anders können, als positiv zu denken.

Tali Sharot

DIE MEINUNG DER
ANDEREN

Wie sie unser Denken und Handeln bestimmt –
und wie wir sie beeinflussen

Aus dem Englischen von Susanne Kuhlmann-Krieg

Siedler

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Die englischsprachige Originalausgabe erscheint 2017 unter dem Titel
»The Influential Mind. What the Brain Reveals About Our Power to Change Others« bei Henry Holt and Company, New York, einem Imprint von Macmillan Publishers.

Erste Auflage
Mai 2017

Copyright © 2017 by Tali Sharot
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Siedler Verlag,
München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Rothfos + Gabler, Hamburg
Satz: Ditta Ahmadi, Berlin
Grafik: Peter Palm, Berlin
ISBN 978-3-641-18111-6
V001

www.siedler-verlag.de

Für Josh

Inhalt

VORWORT
Eine Pferdespritze
Ein erstaunlicher wie rätselhafter Fall von Beeinflussung

KAPITEL 1
Können Beweise an Überzeugungen rütteln?
Über die Macht der Bestätigung und die Ohnmacht von Zahlen

KAPITEL 2
Wie wir uns überreden ließen, nach den Sternen zu greifen
Die unglaubliche Kraft von Emotionen

KAPITEL 3
Motiviert Angst zum Handeln?
Vergnügt voran oder vor Angst gelähmt?

KAPITEL 4
Machtgewinn durch Loslassen
Das Vergnügen, etwas tun zu können, und die Angst vor Kontrollverlust

KAPITEL 5
Was wollen Menschen wirklich wissen?
Der Wert von Information und die Bürde des Wissens

KAPITEL 6
Was passiert mit unserem Denken, wenn Gefahr im Verzug ist?
Der Einfluss von Stress und die Fähigkeit, ihn zu überwinden

KAPITEL 7
Warum stehen Babys auf iPhones?
Die Macht sozialen Lernens und das Streben nach Einzigartigkeit

KAPITEL 8
Ist »einstimmig« so beruhigend, wie es klingt?
Wie sich einer unklugen Menge kluge Antworten abgewinnen lassen

AUSBLICK
Die Zukunft
Ihr Geist in meinem Körper?

ANHANG

Dank

Stichwortverzeichnis

Anmerkungen

Register

VORWORT
Eine Pferdespritze
Ein erstaunlicher wie rätselhafter Fall von Beeinflussung

Sie und ich haben etwas gemeinsam. Vielleicht haben Sie sich nie die Zeit genommen, darüber nachzudenken, vielleicht denken Sie auch an nichts anderes. Sie tun es als Partner, Elternteil oder Freund. Ob Sie Arzt, Lehrer, Vermögensberater, Journalist oder Manager sind, oder ob Sie irgendeinen anderen Beruf ausüben.

Wir haben gemeinsam, dass wir ständig Einfluss auf andere Menschen nehmen. Wir lehren unsere Kinder, nehmen unsere Patienten an die Hand, beraten unsere Kunden, helfen unseren Freunden und halten im Internet unsere Follower auf dem Laufenden. Wir tun das, weil jeder von uns über ganz eigene Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt, die andere möglicherweise nicht haben. Aber wie gut beherrschen wir dieses Tun wirklich?

Mir scheint, dass die Menschen, die am meisten zu sagen hätten, oder die den besten Rat geben können, nicht notwendigerweise den größten Einfluss haben. Die jüngere Geschichte ist voll rätselhafter Begebenheiten: vom Unternehmer, der Investoren dazu bringt, Milliarden in ein windiges Biotechnologieunternehmen zu stecken, bis zum Politiker, der seine Bürger nicht dazu bringen kann, sich für die Zukunft des Planeten einzusetzen. Was also entscheidet, ob Sie das Denken anderer beeinflussen oder ob Sie überhört werden? Und was entscheidet, ob andere Einfluss auf Ihr Verhalten nehmen und darauf, woran Sie glauben?

Diesem Buch liegt die Annahme zugrunde, dass Ihr Gehirn Sie zu dem macht, der Sie sind. Jeder Gedanke, der Ihnen jemals durch den Kopf gegangen ist, jedes Gefühl, dass Sie je gespürt, jede Entscheidung, die Sie getroffen haben, wurde von aktiven Neuronen in Ihrem ureigenen Gehirn geschaffen. Trotzdem gehört Ihr Gehirn, das da hoch oben auf Ihrer Wirbelsäule sitzt, Ihnen nicht ganz allein. Es ist das Ergebnis eines Codes, der seit Jahrmillionen ab-, um- und neu geschrieben wurde. Wenn wir diesen Code und seine Beschaffenheit verstehen, werden wir die Reaktionen anderer Menschen besser vorhersehen können und begreifen, warum manche herkömmlichen Ansätze, andere Menschen zu beeinflussen, scheitern, während andere erfolgreich sind.

Während der letzten zwanzig Jahre habe ich in meinem Labor menschliches Verhalten untersucht. Meine Kollegen und ich haben Dutzende Experimente durchgeführt, um herauszufinden, was Menschen dazu bringt, Entscheidungen zu revidieren, Überzeugungen zu wechseln und ihre Erinnerungen umzuschreiben. Wir haben Anreize, Gefühle, Kontexte und soziale Umgebungen systematisch manipuliert und dann unseren Probanden ins Gehirn geschaut, ihre körperlichen Reaktionen aufgezeichnet und ihr Verhalten dokumentiert. Es hat sich gezeigt, dass so manche Strategie, von der die meisten glauben, dass sie andere dazu bringt, ihr Denken und Handeln zu verändern, nicht funktioniert. Mein Anliegen mit diesem Buch ist es, die systematischen Fehler aufzuzeigen, die wir machen, wenn wir versuchen, Menschen zum Umdenken zu bewegen, und zu klären, was in jenen Fällen passiert, in denen es uns gelingt.

Ich kehre hierfür zunächst vor meiner eigenen Tür und berichte, wie ich um ein Haar dazu gebracht worden wäre, meine jahrelange wissenschaftliche Ausbildung über Bord zu werfen – und zwar durch einen Mann, dessen unerwartet großer Einfluss gerade viele Menschen aus der Fassung gebracht hat.

Am Abend des 16. September 2015 saß ich ab etwa acht Uhr in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa und verfolgte auf CNN das zweite Fernsehduell zu den Vorwahlen der Republikaner für das Rennen um das Präsidentenamt 2016. Der Wahlkampf gehörte schon jetzt zu den interessantesten der Geschichte und war voll unerwarteter Wendungen und Überraschungen. Außerdem erwies er sich als fesselnde Studie über das Wesen des Menschen. In der Ronald Reagan Presidential Library im kalifornischen Simi Valley trafen elf republikanische Bewerber aufeinander, darunter zwei der führenden Kandidaten der Partei, der Kinderneurochirurg Ben Carson und der Immobilien-Tycoon Donald Trump. Irgendwann im Laufe der Diskussionen um Steuern und Einwanderungsgesetze kam das Gespräch auf Autismus.

»Dr. Carson«, begann der Moderator, »Donald Trump hat öffentlich mehrfach einen Zusammenhang zwischen Impfstoffen – Impfstoffen gegen Kinderkrankheiten – und der Entstehung von Autismus hergestellt, wogegen die medizinische Welt vehement zu Felde zieht, wie Sie wissen. Sie sind Kinderneurochirurg. Sollte Mr. Trump nicht aufhören, so etwas zu behaupten?«

»Nun, lassen Sie es mich so sagen«, antwortete Dr. Carson, »es gab zahlreiche Studien dazu, und keine einzige hat gezeigt, dass zwischen Impfungen und Autismus irgendein Zusammenhang besteht.«

»Sollte er aufhören zu behaupten, dass Impfstoffe Autismus hervorrufen?«, fragte der Moderator.

»Ich habe es ihm gerade erklärt. Er kann es nachlesen, wenn er möchte. Ich glaube, er ist ein intelligenter Mensch und wird die richtige Entscheidung treffen, wenn er sich mit den harten Fakten vertraut gemacht hat«, sagte Dr. Carson.

Auch wenn ich mit Dr. Carson nicht immer einer Meinung bin, so musste ich ihm in diesem Punkt recht geben. Zufällig kannte ich die einschlägige Literatur – nicht nur als Neurowissenschaftlerin, sondern auch als Mutter zweier Kleinkinder, damals zweieinhalb Jahre und sieben Wochen alt. Ich war deshalb vollkommen erstaunt über meine Reaktion auf das, was Trump als nächstes sagte.

»Ich möchte darauf antworten«, erklärte Trump. »Autismus ist zu einer Seuche geworden … Er ist komplett außer Kontrolle geraten … Sie nehmen dieses wunderbare kleine Baby und verpassen ihm eine Spritze – ich meine, sie sieht aus, als sei sie für ein Pferd gemacht und nicht für ein Kind. Und wir hatten so viele Fälle … Leute, die für mich arbeiten. Neulich erst, da wurde ein zwei, vielleicht zweieinhalb Jahre altes süßes Kind zum Impfen gebracht … und eine Woche später bekam es irre hohes Fieber, wurde sehr, sehr krank und jetzt ist es Autist.«1

Meine Reaktion darauf kam prompt und direkt aus meinem Bauch. In meinem Kopf entstand das Bild einer Krankenschwester, die mit einer Pferdespritze auf mein kleines Kind losgeht, und das Bild ließ mich nicht los. Dass ich sehr genau wusste, dass die Spritze, die zum Impfen verwendet wird, viel, viel kleiner ist, spielte keine Rolle – ich geriet in Panik.

»O nein«, dachte ich. »Was, wenn mein Kind krank wird?« Dass mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, schockierte mich. Dennoch regierte mit einem Schlag die Angst, ein Gefühl, das allen Eltern nur allzu vertraut ist.

»Aber wissen Sie«, erklärte Dr. Carson, »Tatsache ist, dass wir extrem gut dokumentierte Belege dafür haben, dass Autismus nichts mit Impfungen zu tun hat.«

Egal. Belege, von mir aus. Dr. Carson hätte hundert Studien anführen können, und es hätte den Sturm in meinem Kopf nicht gebremst. Ich war ganz und gar eingenommen von dem Monstrum von Nadel, das mein Kind ganz sicher krank machen würde.

Das alles entbehrte jeglicher Logik. An einem Pult stand ein Neurochirurg und Kinderarzt, der mit von Experten begutachteten medizinischen Studien und jahrzehntelanger klinischer Praxis ausgestattet war; am anderen ein Geschäftsmann, dessen Argumente sich auf eine einzige Beobachtung und sein Bauchgefühl reduzierten. Und trotzdem überzeugte mich ungeachtet meiner vielen Jahre an medizinischer Ausbildung Letzterer. Warum?

Ich wusste sehr wohl, warum. Und eben diese Erkenntnis brachte mich zurück auf den Boden der Realität.

Während Carson an den »zerebralen« Teil meines Selbst appellierte, zielte Trump auf den Rest. Und er tat das nach allen Regeln der Kunst – der Kunst, um die es in diesem Buch geht.

Trump machte sich mein Bedürfnis nach Kontrolle zunutze und meine Furcht davor, diese zu verlieren. Er präsentierte mir den Fehler eines anderen und schürte Emotionen, die es schafften, das Aktivitätsmuster meines Gehirns mit seinem zu synchronisieren, und in mir die Bereitschaft weckten, seinen Standpunkt zu teilen. Und schließlich warnte er vor den schlimmen Folgen, die es haben würde, wenn man sich seinem Rat verschlösse. Wie ich in diesem Buch ausführen werde, ist das Erzeugen von Angst oftmals kein sonderlich geeignetes Mittel, jemanden auf seine Seite zu ziehen; tatsächlich ist es in den meisten Fällen weit wirksamer, Hoffnungen zu wecken. Unter zwei Bedingungen wirken Ängste allerdings sehr gut: wenn das, was Sie zu erreichen versuchen, Untätigkeit ist und wenn derjenige, den Sie vor sich haben, bereits von Angst ergriffen ist. In diesem Fall waren beide Kriterien erfüllt, da Trump sich gegen das Impfen stark machte und sein Zielpublikum – frischgebackene Eltern – geradezu klassische Nervenbündel sind.

Dass ich wusste, wie Trump mein Denken beeinflusste, ermöglichte mir, innezuhalten und die Situation neu zu bewerten. Ich würde meine Meinung nicht ändern – mein kleiner Sohn würde seine Impfungen erhalten, genau wie seine Schwester vor ihm. Aber ich fragte mich, wie viele junge Eltern sich durch seine Argumente wohl überzeugen ließen. Ich dachte auch darüber nach, was geschehen wäre, wenn Dr. Carson es besser verstanden hätte, die Nöte, Sehnsüchte und Emotionen der Menschen anzusprechen – statt davon auszugehen, dass sie schon die richtige Entscheidung treffen würden, wenn sie die Fakten erst einmal kannten.2 Dr. Carson sprach zu Millionen und verpasste eine einmalige Gelegenheit, etwas zu bewirken. Wir alle kennen solche Gelegenheiten; Sie sprechen meist vielleicht nicht zu Millionen, aber tagtäglich zu anderen Menschen: zu Hause, bei der Arbeit, online, offline.

Tatsächlich haben Menschen ein Faible dafür, Informationen zu verbreiten und ihre Meinung kundzutun. Sie können das täglich online beobachten: An jedem einzelnen Tag werden vier Millionen neue Blogeinträge geschrieben, 80 Millionen Fotos auf Instagram hochgeladen und 616 Millionen Tweets ins Netz gestellt – das sind 7130 Tweets pro Sekunde! Hinter jedem Tweet, Post und hochgeladenen Foto steht ein Mensch wie du und ich. Warum verbringen Millionen Menschen tagtäglich Millionen kostbarer Augenblicke damit, Informationen zu teilen?

Es scheint, als sei bereits die Gelegenheit, andere am eigenen Wissen teilhaben zu lassen, Lohn genug. Eine Untersuchung der Harvard University kam zu dem Schluss, dass Menschen sogar bereit sind, auf Geld zu verzichten, um anderen ihre Meinung zu übermitteln.3 Nun reden wir hier nicht über wohlformulierte Einsichten: Es geht um die Meinung einzelner Menschen zu trivialen Fragen wie der, ob Barack Obama Wintersport mag oder ob Kaffee gesünder ist als Tee. Eine Untersuchung mit bildgebenden Verfahren zeigte, dass das Belohnungszentrum im Gehirn stark aktiviert wird, sobald Menschen Gelegenheit bekommen, die Perlen ihrer Weisheit mit anderen zu teilen. Wir werden von einer Welle des Wohlbehagens erfasst, wenn wir unsere Gedanken teilen, und das bringt uns dazu zu kommunizieren. Es ist ein eleganter Schachzug des menschlichen Gehirns, denn es sorgt dafür, dass Wissen, Erfahrungen und Ideen nicht mit demjenigen zu Grabe getragen werden, der sie als Erster hatte, und dass wir als Gesellschaft von den geistigen Erzeugnissen vieler profitieren.

Damit es dazu kommt, reicht Teilen allein natürlich nicht: Wir müssen eine Reaktion provozieren, also das erzeugen, was Steve Jobs einmal als »Delle im Universum« bezeichnet hat. Jedes Mal, wenn wir unsere Meinungen und unser Wissen mit anderen teilen, geschieht das mit dem Vorsatz, den oder die Betreffenden zu beeinflussen. Die beabsichtigte Veränderung muss keineswegs groß sein. Vielleicht besteht unser Anliegen darin, Bewusstsein für ein soziales Thema zu schaffen, vielleicht wollen wir Verkaufszahlen erhöhen, die Art und Weise verändern wie Menschen Kunst oder Politik betrachten, die Ernährung unseres Kindes verbessern, die Wahrnehmung anderer in Bezug auf uns selbst steuern, Menschen darüber aufklären, wie die Welt sein könnte, die Produktivität unseres Teams steigern; vielleicht wollen wir aber auch nur unseren Partner dazu bringen, weniger zu arbeiten und mit uns in Urlaub in die Tropen zu fahren.

Hier beginnt das Problem: Wir gehen diese Aufgabe aus dem Inneren unseres eigenen Ichs heraus an. Wenn wir versuchen, Einfluss zu nehmen, haben wir zu allererst uns selbst im Blick. Wir bauen auf das, was wir einleuchtend finden: unseren geistigen Zustand, unsere Sehnsüchte und Ziele. Aber natürlich wollen wir das Verhalten und die Überzeugungen desjenigen beeinflussen, den wir vor uns haben. Dazu müssen wir verstehen, was in seinem Kopf vor sich geht, und uns an dem Funktionieren seines Gehirns orientieren.

Nehmen wir beispielsweise Dr. Carson. Ein ausgebildeter Arzt und Wissenschaftler wie er lässt sich von Daten überzeugen, die belegen, dass Impfungen nicht zu Autismus führen. Er ging deshalb davon aus, dass besagte Daten auch jedermann sonst überzeugen würden. Menschen sind aber nicht so gemacht, dass sie auf Informationen leidenschaftslos reagieren. Zahlen und Statistiken sind nötig und wunderbar, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, aber sie reichen nicht aus, um Überzeugungen zu ändern, und sind so gut wie nutzlos, wenn es darum geht, zum Handeln anzuspornen. Das gilt unabhängig davon, ob Sie eine einzelne Person oder viele zu überzeugen versuchen – einen ganzen Saal mit potenziellen Investoren oder nur Ihren Lebenspartner. Denken Sie an den Klimawandel; Berge von Daten deuten darauf hin, dass Menschen eine Rolle bei der Erderwärmung spielen, dennoch glauben fünfzig Prozent der Bevölkerung nicht daran.4 Denken Sie an die amerikanische Politik: Keine Zahl wird einen eingefleischten Republikaner davon überzeugen, dass ein demokratischer Präsident die Nation vorangebracht hat, und umgekehrt. Wie steht es mit unserer Gesundheit? Hunderte Untersuchungen zeigen, dass Sport gut für uns ist und dass die Menschen das auch glauben; trotzdem bringt dieses Wissen wenig, wenn es darum geht, Leute aufs Laufband zu scheuchen.

Tatsächlich macht uns der Tsunami an Informationen, der täglich über uns hereinbricht, mitunter sogar weniger empfänglich für die Aussagekraft von Daten, denn wir haben uns längst daran gewöhnt, mit einem einzigen Mausklick Belege für wirklich alles zu bekommen, woran wir glauben möchten. Und so werden unsere Überzeugungen durch unsere Wünsche und Sehnsüchte geformt. Genau jene Beweggründe und Gefühle sind es, die wir ansprechen müssen, wenn wir etwas verändern wollen – sei es bei uns selbst oder bei anderen.

In diesem Buch beschreibe ich unsere natürlichen Reflexe, die unsere Versuche steuern, andere zu beeinflussen – jene Verhaltensweisen, in die wir automatisch verfallen, wenn wir die Überzeugungen und das Verhalten anderer zu verändern suchen. Viele dieser Automatismen – angefangen bei dem Versuch, Menschen durch Angstmacherei zum Handeln zu bewegen, über das sture Beharren darauf, dass der andere unrecht hat, bis hin zu dem Versuch, die Kontrolle an sich zu reißen – vertragen sich nicht damit, wie unser Verstand arbeitet. Die Hauptaussage dieses Buches lautet, dass jeder Versuch, die Meinung von anderen zu beeinflussen, nur dann erfolgreich sein wird, wenn er sich mit den Elementen verträgt, die unser Denken maßgeblich steuern. Jedes Kapitel wird sich auf einen von sieben entscheidenden Faktoren konzentrieren – unser vorhandenes Grundrepertoire an Überzeugungen (der sogenannte Überzeugungs-Bias),5 unsere Emotionen, Anreize, die uns zum Handeln veranlassen, unsere vorhandene oder nicht vorhandene Handlungsmacht, unsere Neugier, unsere Gemütslage und »die anderen« – und erläutern, wie der betreffende Faktor dem Versuch, Einfluss zu nehmen, hinderlich oder förderlich sein kann.

Machen wir uns mit diesen Faktoren vertraut, sind wir, anders als jemand, der das nicht tut, imstande, unser Verhalten kritisch zu beurteilen – unabhängig davon, ob wir beeinflusst werden oder selbst Einfluss auf andere nehmen wollen. Die meiste Zeit über werde ich die Position desjenigen vertreten, der Einfluss zu nehmen versucht, aber auch die Beziehung von der anderen Seite betrachten und die Perspektive desjenigen schildern, auf den Einfluss ausgeübt wird. Was geht in seinem Kopf vor, wenn er die Meinung eines anderen Menschen hört? Denn natürlich werden Sie, wenn Sie die eine Seite der Medaille verstanden haben, die andere ebenfalls besser verstehen.

Wir haben noch eine Menge Forschung zu leisten, bis wir die Faktoren, die unser Denken beeinflussen, voll und ganz durchschauen, aber das Teilwissen, über das wir bereits verfügen, ist schon jetzt von unschätzbarem Wert. Weiß man beispielsweise, wie der Bewegungsapparat mit dem Belohnungssystem gekoppelt ist, erkennt man unschwer, wann Menschen eher durch Zuckerbrot und wann durch die Peitsche zu motivieren sind. Wenn man weiß, wie Stress auf das Gehirn wirkt, liegt es auf der Hand, warum Menschen auf negative Nachrichten nach einem Terroranschlag so immens überreagieren.

Im gesamten Buch schalten wir unablässig zwischen den Korridoren Ihres Gehirns, in dem Neuronen miteinander kommunizieren, und den Korridoren meines Labors hin und her, in dem ich die Reaktionen von Körper und Geist meiner Probanden untersuche. Wir machen darüber hinaus Ausflüge in die Ferne, besuchen ein Krankenhaus an der Ostküste der Vereinigten Staaten, das es binnen eines Tages geschafft hat, seine Belegschaft von totaler Gleichgültigkeit in Bezug auf das Sterilisieren der Hände bei der Arbeit auf knapp neunzig Prozent Einhaltung der Regeln zu bekommen, außerdem ein Altenheim in Connecticut, in dem sich die Gesundheit der Bewohner dadurch beträchtlich verbesserte, dass man ihnen das Gefühl gab, einen Teil ihres Lebens kontrollieren zu können, lernen ein Mädchen im Teenageralter kennen, das unwissentlich bei vielen Tausend Leuten psychosomatische Reaktionen hervorrief, und etliches mehr. Meine Frage lautet jedes Mal: warum? Warum zeigte die eine Strategie Wirkung, eine andere hingegen nicht? Warum reagieren wir auf John, aber nicht auf Jake? Wenn Sie wissen, was Menschen dazu bringt, so zu reagieren, wie sie es tun, sind Sie in der Lage, den jeweiligen Herausforderungen zu begegnen, die sich Ihnen tagtäglich stellen.