Die drei ???® Kids
Band 60
Gespensterjagd
Mit Illustrationen von Jan Saße
KOSMOS
Umschlag- und Innenillustrationen von Jan Saße, Horgenzell
Umschlaggestaltung: Walter Typografie & Grafik GmbH, Würzburg
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2014, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-14522-7
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Da bist du ja endlich, Just«, rief Bob Andrews seinem Freund zu. »Ich warte hier schon seit zehn Minuten am Brunnen, und keiner kommt. Gleich fängt der Film an.« Justus Jonas stellte sein Rad ab. »Ja, ja. Peter ist doch auch noch nicht da. Außerdem läuft im Kino am Anfang sowieso nur Werbung.« In diesem Moment kam auch Peter Shaw auf den Marktplatz von Rocky Beach. Seltsamerweise war er völlig verschwitzt. »Tut mir leid, Leute. Aber ich musste erst noch meinen Vorderreifen flicken. Wahrscheinlich bin ich über den einzigen Nagel gefahren, der in ganz Kalifornien auf der Straße liegt.«
Die drei ??? hatten sich an diesem Nachmittag fürs Kino verabredet. Gut gelaunt bogen sie nun vom Marktplatz in eine der Nebenstraßen. Nach wenigen Metern standen sie vor dem MEGAMAX. Erst vor ein paar Wochen war das moderne Kino in Rocky Beach eröffnet worden. Links und rechts neben dem Eingang klebten übergroße Filmplakate. Als die Jungen die mächtige Empfangshalle betraten, war jedoch nicht viel los. Nur wenige Kinobegeisterte hatte es an diesem Nachmittag hierhergelockt. Die meisten Menschen waren bei dem schönen Wetter am Strand. Schließlich war Wochenende.
In der Halle des MEGAMAX duftete es nach Popcorn, und aus den großen Kinosälen dröhnte dumpfe Musik. Justus wühlte in seiner Hosentasche. »Okay, hier sind die dreißig Dollar, die wir gestern bei Onkel Titus auf dem Schrottplatz verdient haben. Das sollte für die Eintrittskarten, eine Monsterportion Popcorn und drei kalte Cola reichen.«
Bob nickte. »Für das Geld haben wir aber auch den ganzen Tag den Schrottplatz aufgeräumt. Ich habe immer noch Muskelkater.«
Peter lachte. »Muskelkater? Was ist das denn? Ihr solltet mehr Sport treiben, so wie ich. Wer einen Muskelkater bekommt, ist einfach nur untrainiert.«
»Ich trainiere lieber meine kleinen grauen Zellen im Kopf«, grinste Justus. »Mir reicht der Denksport. Und davon bekommt man auch keinen Muskelkater. Los, beeilen wir uns, sonst fängt der Film ohne uns an.«
Nachdem die Freunde sich Popcorn und Cola besorgt hatten, stellten sie sich an der Kinokasse an. Vor ihnen stand eine Gruppe jüngerer Mädchen, die sich nicht entscheiden konnten, welchen Film sie sehen wollten. Die Frau hinter dem Schalter wurde langsam ungeduldig. »Also, was ist nun, Mädels? Gleich fangen drei Filme an: Erstens: Total beknackt Teil IV. Zweitens: Die Katzenbande. Und dann noch: Klapperskelette in 3-D.«
Bob konnte sich eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen: »Ich würde euch die Katzenbande empfehlen. Klapperskelette soll echt gruselig sein. Und denkt dran: Bald ist Halloween, und dann träumt ihr schlecht.« Dabei stellte sich Bob ein wenig auf die Zehenspitzen, um größer zu wirken.
Eines der Mädchen blickte ihn kurz an und wandte sich dann an die Dame hinter der Kasse. »Okay, wir sehen uns Klapperskelette in 3-D an. Ich hoffe, das wird nicht wieder so eine langweilige Nummer wie Kopflose Geister im Nebel.«
Die Kassiererin reichte den Mädchen die Karten. »Keine Ahnung, wie der Film ist. Ich gehe nie ins Kino, ich sitze nur an der Kasse. Klapperskelette läuft im Saal Nummer eins. Die Nächsten bitte!«
Auch die drei ??? hatten sich vorgenommen, Klapperskelette anzusehen. Peter ärgerte sich. »Bob, hättest du nur deinen Mund gehalten. Jetzt sitzen wir mit den blöden Mädchen in einem Film.«
Zu den Eintrittskarten gab es jedoch noch eine Überraschung: Die Kassiererin überreichte ihnen einen Bogen mit Stickern. Darauf waren gruselige Zeichnungen mit Totenköpfen, Fledermäusen, Spinnen und einem hässlichen Gerippe zu sehen. »Bitte schön«, sagte die Frau. »Das ist eine Werbekampagne vom MEGAMAX. Die Sticker leuchten sogar im Dunkeln!«
Peter nahm den Stickerbogen in die Hand. »Na toll. Aber es passt wenigstens zu Halloween. Und was würde es geben, wenn wir uns für den Film Katzenbande entschieden hätten?«
Die Kassiererin griff in eine rosafarbene Kiste. »Das hier. Kleine Katzen aus Stoff, die ihr euch auf euer Federmäppchen nähen könnt. Die sehen doch wirklich süß aus, oder? Man kann sie auch sammeln und tauschen. Wollt ihr lieber diese haben als die Gruselsticker?«
Bob zog Peter schnell zur Seite. »Schluss jetzt«, zischte er. »Kätzchen für das Federmäppchen. Das hört sich schlimmer an, als in ein Taschentuch zu spucken und sich damit das Gesicht sauber zu wischen. Hoffentlich haben das die drei Mädchen nicht gesehen. Ich möchte mal wissen, was man bekommt, wenn man sich Total beknackt Teil IV ansieht.«
Die Kassiererin hatte das gehört. »Wenn man sich diesen Film anschaut, erhält man ein cooles Tattoo.« Grinsend griff sie in eine weitere Kiste und zog einen bunten Sticker mit Schriftzug heraus. »Hier, das kann man sich auf der Stirn anbringen.«
Peter las laut vor: »Ich bin total beknackt. Hä? Wer klebt sich denn so etwas freiwillig ins Gesicht?« Bob fing an zu lachen. »Na, jemand, der wirklich total beknackt ist. Vielleicht wäre das was für Skinny Norris? Bei unserem Erzfeind könnte ich mir das gut vorstellen.«
Justus musste bei dem Gedanken breit grinsen. »Und wenn Skinny damit vor dem Spiegel steht, könnte er nicht einmal lesen, was da steht, denn Spiegelschrift kann er garantiert nicht entziffern. Dabei gehört die Spiegelschrift zu den einfachsten Geheimschriften der Welt.«
Die drei ??? bekamen 3-D-Brillen, und gut gelaunt gingen sie zum Saal Nummer eins. Vor dem Eingang stand ein großer Mann und ließ sich die Karten zeigen. »Dann viel Spaß«, grinste er. »Aber nicht vor Angst in die Hose machen! Das sieht der Chef nicht gern.«
Saal Nummer eins war der größte im MEGAMAX. Doch der Raum war nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Justus warf einen Blick auf die Karten. »Wir sitzen ganz weit vorn. Das sind die billigen Plätze. Zu mehr hat das Geld nicht gereicht.« Peter hatte damit kein Problem. »Wieso? Ich sitze gern weit vorn. Dann sind die 3-D-Effekte noch cooler. Alles kommt aus der Leinwand direkt auf einen zu.«
Als sie Platz nahmen, endete gerade der letzte Werbefilm. Langsam wurde es still im Saal. Einige Reihen hinter ihnen saßen die Mädchen und teilten sich ebenfalls eine Monsterportion Popcorn. Dann begann der Film.
Doch leider wurde es nicht besonders spannend. Die Geschichte handelte von Skeletten aus Plastik, die von einem verrückten Professor zum Leben erweckt wurden. So schwärmten diese jede Nacht aus, um die Menschen zu erschrecken.
Justus schlürfte seine Cola. »Wer denkt sich nur so einen Blödsinn aus? Da würde sich ja nicht einmal Tante Mathilda gruseln.« Bob nahm auch einen Schluck Cola und musste aufstoßen. »Stimmt. Nur die 3-D-Effekte sind nicht schlecht. Wie Peter gesagt hat: Man denkt, die Klappermänner tanzen einem direkt vor der Nase.«
»Ruhe da vorn!«, schimpfte ein dicker Mann von hinten. »Das hier ist ein Kino und kein Kaffeekränzchen!«
Die drei ??? grinsten und griffen gleichzeitig in die Schachtel mit der Monsterportion Popcorn. Peter rückte seine 3-D-Brille gerade. »Es wirkt total echt. So, als könnte ich das Skelett anfassen.«
In der nächsten Szene wurde es auf der Leinwand für einen kurzen Moment stockdunkel, sodass man im Kinosaal seine Hand vor Augen nicht mehr sehen konnte. Furcht einflößende Musik ertönte. Plötzlich blitzte ein grelles Licht auf, und ein schauriges Gerippe erschien vor den Augen der Zuschauer. Peter war über den 3-D-Effekt so erstaunt, dass er neugierig seine Brille abnahm. Er wollte sehen, wie das gruselige Skelett, das ganz aus der Leinwand herauszutreten schien, ohne die spezielle 3-D-Brille wirkte. Plötzlich wurde er kreidebleich. Erschrocken presste er sich mit aller Kraft in den Kinosessel. »Just! Bob! Das gibt’s doch nicht! Das Skelett ist echt!«
Bob tippte sich an die Stirn. »Natürlich sieht das echt aus. Der Film ist ja auch in 3-D.«
»D…das weiß ich doch«, stotterte Peter. »Aber nehmt mal eure Brillen ab!«
Justus musste grinsen. »Vielleicht hättest du doch lieber in den Katzenfilm gehen sollen.« Als seine Freunde laut zu lachen anfingen, hatte Peter genug. Wütend riss er ihnen die Brillen von den Nasen. »Und? Seht ihr es nun?«
Justus und Bob starrten mit aufgerissenen Mündern auf die Leinwand. Vor ihnen schwebte leibhaftig das gruselige Skelett, und es schien, als würde es gleich zupacken. Entsetzt warf Justus die Arme in die Luft und verteilte dabei eine ganze Ladung Popcorn im Saal. Bob prustete in hohem Bogen seinen letzten Schluck Cola heraus und stieß dabei einen gellenden Schrei aus. Peter hingegen schnellte in die Höhe und flüchtete eine Sitzreihe nach hinten.
Verwundert sahen die anderen Kinobesucher die drei an. Die Mädchen begannen zu tuscheln und kicherten laut. Der dicke Mann stand entnervt auf. »Jetzt reicht es mir aber! Wenn ihr Theater machen wollt, dann geht draußen spielen! Ich will den Film sehen.«
Peter zeigte schlotternd zur Leinwand. »Dann nehmen Sie doch mal die Brille ab und sehen Sie sich das an!«
Noch immer tanzte das schreckliche Skelett furchterregend im Saal umher. Verwundert tat der Mann, was Peter sagte. Auch die anderen Zuschauer nahmen nun ihre Brillen ab. Und plötzlich schrien alle Kinobesucher gleichzeitig, sprangen auf und rannten erschrocken in Richtung Ausgang. Popcorn flog durch die Luft, und halb volle Colaflaschen rollten über den Boden. »Raus hier!«, brüllte der dicke Mann und sprang ungelenk über die Stuhlreihen. »Alle raus hier!« Panik brach aus. Auch Peter stürmte zur Tür. »Just! Bob! Mir nach!« Keiner wagte, sich umzudrehen. Alle wollten so schnell wie möglich weg.
Am Ausgang riss der dicke Mann die Tür auf, und helles Licht fiel in den dunklen Saal. Direkt hinter der Tür stand die Frau, die vorher an der Kasse gesessen hatte. »Ja, was ist denn hier los?«, rief sie in die Menge. Doch niemand antwortete ihr, alle stießen bloß entsetzte Schreie aus. Selbst als das Licht anging, beruhigten sich die Kinobesucher nicht.
Die Kassiererin war mit den Nerven am Ende. »Ich verstehe das nicht! Was ist denn passiert? Der Film muss ja schrecklich sein. Jetzt weiß ich, warum ich mir nie einen Gruselfilm ansehe.«
Als Bob an den Mädchen vorbeihetzte, konnte er sich trotz der Aufregung eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen: »Ich habe euch ja gewarnt.«
Eines der Mädchen blieb stehen und zeigte zwischen Bobs Beine. »Das musst du gerade sagen. Du hast dir ja vor Angst in die Hose gemacht.« Dann rannten die Mädchen weiter.
Bob sah verwundert an sich hinunter. »Oh nein!«, stöhnte er. »Das darf doch nicht wahr sein. Wie peinlich! Mir ist die ganze Cola über die Hose gelaufen.«
Der Kinonachmittag war ein für alle Mal erledigt. Bob versuchte genervt, sich seine Hose trocken zu reiben. »Ich gehe nie mehr ins Kino. Und wenn, dann garantiert in keinen Gruselfilm. Was war das eben nur?«
Justus Jonas knetete seine Unterlippe. »Ich würde sagen: Das war 3-D ohne Brille.«
Peter kannte sich mit der Technik recht gut aus, denn sein Vater arbeitete in Hollywood beim Film und war dort zuständig für die Spezialeffekte. »Es gibt einige Versuche, dass man im Kino 3-D ohne Brille sehen kann. Aber die Forscher sind noch nicht so weit. Und warum sollte man hier im MEGAMAX so etwas machen und jedem vorher eine Brille geben? Wenn ihr mich fragt, war das Skelett echt.«
Bob gab es auf, den Fleck auf seiner Hose zu trocknen. »Aber wie kommt ein echtes Skelett ins Kino?«
Justus knetete immer noch seine Lippe. »Das ist wirklich eine interessante Frage. Ein Rätsel ganz nach meinem Geschmack. Freunde, wir werden das herausbekommen.«
An der Kasse stand jetzt der dicke Mann und beschwerte sich lautstark bei der Kassiererin. »Ich frage mich, was das soll!«, schimpfte er. »Sind wir hier bei der Versteckten Kamera, oder was? Wer hat sich den Unsinn mit dem Skelett ausgedacht? Damit kann man Leute zu Tode erschrecken. Ich will den Chef sprechen!«
Die Kassiererin konnte ihm keine Antwort geben. Ihre hochgesteckten Haare hatten sich in der Aufregung gelöst und hingen ihr wirr ins Gesicht. Nervös griff sie nach dem Telefon. »Der Chef kommt gleich«, sagte sie schließlich. »Den können Sie alles fragen. Ich verkaufe hier nur die Tickets.«
Eine Minute später kam ein Mann im Anzug die Treppe herunter. »Was ist hier los?«, rief er durch die Halle. Der dicke Kinobesucher lief sofort auf ihn zu. »Hören Sie! Ich wollte einen Film sehen und keine Fahrt mit der Geisterbahn machen. Geben Sie mir mein Geld zurück!« Dann schilderte er, was sich im Kinosaal zugetragen hatte.
Der Kinobetreiber sah den Mann irritiert an. »Was erzählen Sie da, mein Herr? Wieso sollte plötzlich ein echtes Skelett aus der Leinwand treten? Aber egal. Bitte, Mrs Collins, erstatten Sie dem Herrn den Eintrittspreis.«
»Wie Sie wünschen, Mr Snyder, wie Sie wünschen.« Die Frau hatte wieder hinter der Kasse Platz genommen und gab dem Mann das Geld. Mister Snyder aber schob inzwischen alle, die sonst noch in der Empfangshalle waren, mit sanftem Druck zum Ausgang. »So, und jetzt gehen alle, die keinen weiteren Film sehen möchten, nach Hause. Ich möchte in meinem Kino keine Unruhe.«
Wenig später standen die drei ??? auf der Straße. Peter blickte noch einmal über die Schulter zum Kino. »Ich verstehe das einfach nicht. Was ist da passiert?« Verwirrt machten sie sich auf den Weg zurück zu ihren Rädern.
Doch als sie auf den Marktplatz kamen, stand rund um den Brunnen in der Mitte eine Traube von Menschen. Neugierig liefen die drei hin und drängelten sich durch die Menge. »Das gibt es doch nicht! Unglaublich! Verrückt!«, hörten sie mehrere Stimmen rufen. »Was ist das? Wieso schreitet die Polizei nicht ein?«
Dann endlich hatten sich die drei Freunde nach vorn durchgekämpft. Sie trauten ihren Augen nicht! In der Mitte des Brunnens thronte normalerweise die Bronzefigur von Fred Fireman. Dieses Denkmal hatte man einst zu Ehren eines tapferen Feuerwehrmannes aufgestellt, der vor vielen Jahren Rocky Beach vor einem fürchterlichen Brand bewahrt hatte. Sonst trug die Bronzefigur eine Uniform, und aus der Feuerwehrspritze sprudelte Wasser. Doch jetzt stand dort ein schauriges Gerippe mit Schlauch in der Hand. Nur der Feuerwehrhelm auf dem Totenschädel erinnerte noch an Fred Fireman.
Peter stand der Mund offen. »Was ist denn das?«, stotterte er. »Wie kommt das Skelett aus dem Kino plötzlich hierher? Das ist doch derselbe Geist, oder?« Niemand antwortete ihm.