Vok Dams, Colja M. Dams

Code Rouge

Vok Dams, Colja M. Dams

CODE

ROUGE

Gesetze des Erfolgs für Events und Live-Marketing

Redaktion

VOK DAMS : ILM, Institut für Live-Marketing
KommunikationDirekt – Live-Marketing mit System

Wissenschaftliche Beratung und Mitarbeit

Professor Dr. Helmut Ebert

Vok Dams, Colja M. Dams

Gesetze des Erfolgs für Events und Live-Marketing

Markt- und Medieninformationen,

Frankfurt am Main 2008

www.fazbuch.de

Copyright

F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH Mainzer Landstraße 199 60326 Frankfurt am Main

Gestaltung/Satz

Umschlag

F.A.Z., Verlagsgrafik

Satz Innen

Nicole Bergmann, Nina Mündl

Vorwort

Wir lieben den Erfolg.

Den Erfolg unserer Kunden und unseren Erfolg.

Vor allem dann, wenn wir beides miteinander verbinden können.

Deshalb ist uns das Beste gerade gut genug.

So hinterfragen wir jede Strategie, jede Maßnahme,

jede Aufgabe und jedes Ergebnis.

Und wir fragen uns jedes Mal, was wir besser machen können,

wie wir Fehler vermeiden und Erfolge wiederholen können.

Wir lernen von und mit unseren Auftraggebern,

wir lernen aber auch aus unserer eigenen Erfahrung,

und wir setzen dieses Wissen bei der Realisierung unserer Aufgaben gezielt ein.

So lag es nahe, in Zusammenarbeit mit unserem Institut für Live-Marketing (VOK DAMS : ILM) die Ergebnisse unzähliger Konzepte und Projekte, kurz – die Summe unserer Erfahrungen auf ihre Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen, zu erfassen und weiterzugeben.

Eine Herausforderung, der wir uns als die Autoren gern gestellt haben. Geht es doch letztlich um die wissenschaftlich fundierte Systematisierung praxiserprobter Komponenten zu einem Erfolgssystem: KommunikationDirekt – Live-Marketing mit System.

Das Ergebnis ist CODE ROUGE,

Gesetze des Erfolgs für Events und Live-Marketing.

CODE ROUGE ist das Geheimnis des Erfolgs bei der direkten,

unmittelbaren und persönlichen Ansprache definierter Zielgruppen.

Ein Geheimnis, das wir gern mit unseren Kunden teilen.

Denn wir lieben den Erfolg.

Vor allem den Erfolg unserer Kunden, wenn wir daran beteiligt sind.

Vok Dams             Colja M. Dams

Danke

Das Zustandekommen eines Werkes wie CODE ROUGE hat mehrere Dimensionen.

Das jahrzehntelange Bemühen um Ordnungssysteme in der DirektKommunikation, die Bereitschaft unserer Kunden, mit uns neue Wege zu gehen, neue Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen, die vielen Mitarbeiter, die über Jahre mitgedacht, mitgearbeitet, mitgebangt, sich mit uns über Misserfolge gegrämt und über kleine und große Erfolge gefreut haben.

Ihnen allen gilt unser Dank.

Ein besonderer Dank gilt Klaus J. Pöhls, der als Freund, Berater und kritischer Sparringspartner die Vorbereitung dieses Buches begleitet und entscheidend mitgeprägt hat.

Unser Dank gilt auch und besonders Herrn Professor Dr. Helmut Ebert, der die wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitet, die wichtigsten Zusammenhänge hergestellt und mit unseren Erfahrungen und Zielsetzungen in Zusammenhang gebracht hat. Er unterstützte damit die Arbeit unseres VOK DAMS: ILM, Institut für Live-Marketing, das dieses Projekt verantwortlich umgesetzt hat.

Inhalt

I      Entwicklung der Live-Kommunikation

1  Von der Live-Kommunikation zum Live-Marketing

2  Neue Herausforderungen

3  Übersicht über die Entwicklungen des Live-Marketings

II     Erfolgskomponenten des Live-Marketings und die Vorteile ihrer systematischen Nutzung

1  Erfolgskomponenten des Live-Marketings

2  Vorteile der systematischen Nutzung von Erfolgskomponenten

III    Live-Marketing mit System

1  Der Weg zum Kunden

IV    Code Rouge: Das System KommunikationDirekt

1  Systemelemente

1.1  Aufbau des Systems

1.2  Leistung der Systemebenen und Module

1.3  Inhalte der Gesetze

2  Die Systeminhalte

2.1  Systemebene Strategie

S1:  Spielen, um zu gewinnen

S2:  Spielerischer Pragmatismus

S3:  Unbestechliche Konzeptklarheit

S4:  Strategischer Opportunismus

S5:  Funktionale Kreativität

2.2  Systemebene Psychologie

P1:  Ansteckendes Lächeln

P2:  Gleiche Wellenlänge

P3:  Fundamentales Vertrauen

P4:  Ausstrahlende Faszination

P5:  Gewinnendes Entgegenkommen

2.3   Systemebene Sprache

Sp1:  Sprich, damit du erkannt wirst

Sp2:  Höre heraus, was nicht gesagt wird

Sp3:  Verstehe, was gemeint ist

Sp4:  Sprich zur Sache

Sp5:  Äußere, was einen überzeugenden Eindruck macht

2.4  Systemebene Konzeption und Kreation

K1:  Kreiere klare und einfache Botschaften

K2:  Sprich Herz und Verstand an

K3:  Sprich alle Sinne an

K4:  Schaue mit dem Verstand

K5:  Sei stimmig nach außen und innen

K6:  Kenne die Wege (zu) deiner Zielgruppe

K7:  Gehe auf die Seite der Zielgruppe

K8:  Gehe in das Gedächtnis der Zielgruppe

K9:  Nutze die Kraft des Unbewussten

K10:  Tue das Richtige zur richtigen Zeit

V     Code Rouge: Die Systemanwendung

1  Von Systembausteinen zu effizienter Live-Kommunikation: Die praktische Arbeit mit System

1.1  Beispiel 1: Die „sprechenden“ Fahrzeuge – persönliche Dialoge

1.2  Beispiel 2: Eine neue Strategie der Kundenorientierung –eindrucksstarke Geschichten (Storytelling)

1.3  Beispiel 3: Corporate Training Workshop – überzeugendes Schauspiel

2  Von Systembausteinen zu ganzheitlichen Live-Marketing-Strategien: Vernetzung

VI    Code Rouge: Die Praxis der Live-Kommunikation in Geschichte und Gegenwart

1  Beispiele aus Geschichte und Gegenwart

1.1  Mythos J. F. Kennedy: Politischer Wert von Individualisierungsstrategien

1.2  Zeiterlebnis Romantik: Strukturierungswert der Wagner-Festspiele

1.3  Zweitausend Jahre Kirche: Sicherungswert der Inszenierungskompetenz

2  Chancen und Verantwortung von Live-Marketing und Live-Kommunikation

VII     Ausblick in die Zukunft

Literatur

Die Autoren

Einleitung

Warum ist Live-Marketing in der heutigen Erlebniswirtschaft („experience economy“) unverzichtbar? Wie lässt sich mit Hilfe von Live-Marketing der Kampf um Aufmerksamkeit – die neue Währung des 21. Jahrhunderts – gewinnen? Wie kann man die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten, die Live-Marketing bietet, nutzen, um Unternehmen und Marken in das Wahrnehmungsfeld von Zielgruppen zu rücken, zu markieren, zu emotionalisieren und im kollektiven Gedächtnis zu verankern? Was sind die Erfolgskomponenten des Live-Marketings, und auf welche Weise tragen diese dazu bei, anonyme Beziehungen zwischen Marken und Menschen in individuelle Vertrauensbindungen zu transformieren? Was kann Live-Marketing von der Inszenierungskunst der Kirche, dem ältesten „global player“ in unserem Kulturkreis, lernen? Das sind viele wichtige Fragen, auf die wir Ihnen im Folgenden eine Antwort geben möchten.

Zuallererst stand für uns jedoch eine Kernfrage im Raum: Was ist zu tun, um Aufgaben genauer zu erfassen, Ergebnisse präziser zu definieren und vor allem, um Erfolge planbar und wiederholbar zu machen? Die Beantwortung dieser Frage war deshalb dringlich, weil die Zukunft mehr Effektivität und mehr Effizienz in allen Bereichen des Live-Marketings fordert, nicht zuletzt weil die Bedeutung dieser neuen Disziplin im Gesamtmarketing-Mix seit Jahren kontinuierlich steigt.

Unsere Antwort lautet: Mehr Effizienz und bessere Ergebnisse sind nur möglich, wenn wir über entsprechende Methoden verfügen und diese systematisch anwenden und die Ergebnisse überprüfen. Wir müssen aus diesem Grund unsere Wissensbasis verbreitern und systematisch und vernetzt denken. Erst dann können Kreativität und Fantasie auf Basis dieser Kenntnisse praktische und ökonomische Lösungen finden und zum Beispiel gezielt den Wirkungsgrad von Darstellungen erhöhen und einen nachhaltigen positiven Eindruck erzeugen.

Unsere Aufforderung zu systematischem Denken und zielorientiertem Handeln hat ab heute einen neuen Namen: Code Rouge. Der Ausdruck „Code“ bezieht sich auf das System, auf die Gesetze des Erfolgs.

Die Farbbezeichnung „Rouge“ symbolisiert die Dynamik der Systemanwendung und die Zielorientierung über alle Projektphasen hinweg, vom Briefing über die Analyse, die Strategie- und Konzeptentwicklung bis hin zur kreativen, technischen und organisatorischen Umsetzung.

Live-Marketing-Maßnahmen sind immer „Premieren“, Inszenierung und Realisierung fallen zusammen. Es gibt daher keine zweite Chance für einen positiven ersten Eindruck. Auch aus diesem Grund sind systematisches Denken und methodisches Vorgehen bei der Maßnahmen-und Strategieentwicklung unverzichtbar.

Nachhaltig erfolgreiche Live-Kommunikation mit homogenen Zielgruppen lebt von klaren, anschaulichen und relevanten Botschaften. Die Ansprache muss individuell sein, auf Sympathie stoßen, informieren, emotionalisieren und die Teilnehmer involvieren, d. h. ihre innere Beteiligung an Handlungen stärken. Für uns ist es ein Anliegen, ein tieferes Verständnis für das zu entwickeln, was Zielgruppen wirklich bewegt und welche Zeichencodes von ihnen benutzt werden. Nur dann lassen sich Markencodes an Zielgruppencodes anschließen. Die strategischen Botschaften von Unternehmen und Marken müssen immer auch in ihrer emotionalen Bedeutung für die Zielgruppe dargestellt werden Aus all dem folgt für uns, dass wir mehr darüber wissen müssen, wie Zielgruppen Reize (Input) wahrnehmen, welchen Sinn sie ihnen zuschreiben, wie sie den Input bewerten und mit welchen anderen Daten sie ihn verknüpfen. Last but not least ist es wichtig zu wissen, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen Wahrnehmungsergebnisse gespeichert, abgerufen und in Verhaltensprogramme übersetzt werden.

Aus den in Jahrzehnten gesammelten praktischen Erfahrungen und aus dem Wissen über Gesetze hocheffizienter Kommunikation ist das System KommunikationDirekt hervorgegangen: der Kern von Code Rouge. Mit dem System KommunikationDirekt wollen wir vorangehen bei der Entwicklung strategischer und systematischer Ansätze im Live-Marketing. Dazu haben wir das erfolgsrelevante Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen gebündelt und in einen neuen Gesamtzusammenhang gestellt.

Code Rouge ist kein „How-to-do“-Buch, dessen Empfehlungen im Verhältnis eins zu eins umgesetzt werden können. Code Rouge ist vielmehr ein „How-to-think“-Buch für kreative Anwender. Schließlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass das System „KommunikationDirekt“ ein offenes System für effiziente Live-Kommunikation ist. Es ist lernfähig und in der steten Auseinandersetzung mit praktischen Aufgaben erweiterbar. Es gibt dem Denken eine neue Richtung und zeigt Wege auf, wie man den Herausforderungen der „experience economy“ gerecht werden kann. Gesetzeswissen, Erfahrungswissen und funktionale Kreativität verschmelzen zum Code Rouge. Wer diesen Code beherrscht, ist in der Lage, die erfolgskritischen Register zu ziehen, und ist für die Zukunft gerüstet.

Wir wünschen Ihnen viele Anregungen für die eigene Arbeit mit „Code Rouge“.

„Das größte Problem in der Kommunikation ist die Illusion, sie hätte bereits stattgefunden.“

George Bernhard Shaw

Begriffsklärung

Live-Marketing

Abgeleitet aus der klassischen Marketingdefinition definieren wir „Live-Marketing“ als „die aktive und systematische Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten im Bereich der direkten und persönlichen Zielgruppenansprache.“

Live-Marketing ist organisatorisch eigenständig, aber inhaltlich eingebunden in den Gesamtauftritt und die Gesamtziele eines Unternehmens. Zielgruppen sind Mitarbeiter, Kunden, Presse, Anwender oder Systempartner wie Händler, Lieferanten oder Kapitalgeber. Wichtige Ziele des Live-Marketings sind emotionale Markenführung, Image-Management, Teambuilding, Motivation und Identifikation, Markenbindung, Reputation und Vertrauen bzw. Verbesserung von Beziehungen zwischen Unternehmen und ihren Zielgruppen.

Direkte Wirtschaftskommunikation

Ein Unterbereich von Live-Marketing ist die „Direkte Wirtschaftskommunikation“. Sie „umfasst alle Maßnahmen des Informationsaustausches unterschiedlicher Interessengruppen unter dem Aspekt wirtschaftlichen Nutzens und zielgerichteter Marktaktivitäten, bezogen auf die direkte unmittelbare Ansprache definierter Zielgruppen“.

Event-Marketing und Marketing-Events

Event-Marketing und Marketing-Events sind wesentliche Bestandteile der direkten Wirtschaftskommunikation, wobei Event-Marketing eine Disziplin darstellt, Marketing-Events hingegen als deren Instrument verstanden und eingesetzt wird. Beide sind dabei elementare Bestandteile des Live-Marketings.

I

Entwicklung der Live-Kommunikation

1  Von der Live-Kommunikation zum Live-Marketing

Die Inszenierung von Events und Themenwelten (Brand-Worlds) war die Antwort der 1980er Jahre auf einen Wertewandel, der die Konsumenten immer freizeit- und erlebnisorientierter werden ließ. Der Versorgungskonsum wich dem Erlebniskonsum. Gleichzeitig wuchs der Wunsch nach mehr Dialog, Service und Unterhaltung. Hinzu kam ein wachsender Werbedruck, auf den die Konsumenten mit Vermeidungsverhalten reagierten. Das Marketing war gefordert, neue Instrumente jenseits der klassischen Massenmedien zu entwickeln.

Ganz entscheidend aber war Folgendes: Plötzlich fanden sich die Produkte auf gesättigten Märkten wieder, die sich von konkurrierenden Produkten hinsichtlich Qualität und Funktion nicht mehr unterschieden. War die Bezeichnung „Marke“ bis dahin noch etwas, das Produkte und Dienstleistungen „markierte“ und auszeichnete, konnte fortan „Marke“ nur noch bedeuten, Produkte und Dienstleistungen mit emotionaler Bedeutung aufzuladen, so dass sie Teil der Alltagskultur wurden, ins Langzeitgedächtnis eingingen und verhaltensrelevant wurden. Die Marke wandelte sich von einem Unterscheidungszeichen für Qualität zu einem kulturellen Zeichen, aufgeladen mit emotionaler Bedeutung (vgl. Hering/Schuppener/Sommerhalder 2004).

Die Erfindung des Erlebnismarketings war die Antwort auf den Paradigmenwechsel der „Marke“ vom Unterscheidungszeichen für Qualität zum Kulturzeichen für emotionale Bedeutungen.

Folgerichtig stellte das Erlebnismarketing die Faszinationsenergie von Geschichten und Mythen in den Dienst der Marketingziele, um global im Kampf um Aufmerksamkeit, Image und Reputation zu bestehen. Wie imagerelevant das unmittelbare Markenerlebnis ist, zeigen Beispiele, in denen die Übergabe eines Autos zu einem kulturellen Erlebnis wird. Shopping Malls werden mit Hilfe der Architektur als Konsumkathedralen in Szene gesetzt. Kultisch inszenierte Lebenswelten werden intensiver wahrgenommen als die Realität, der es an Verdichtung der Ereignisse und Prägnanz des Themas fehlt. Ob Zukunftsforscher Rolf Jensen, Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz oder Managementexperte Tom Peters, sie alle stimmten darin überein, dass die Wertschöpfung in Zukunft ganz entscheidend von Produkt-Storys, von Erlebnisqualitäten und von der Einbindung der Waren in Themenwelten abhängig sein würde, wobei der Konsument immer mehr zum Prosumenten und zum Mitentwickler und Ideengeber werden wird.

Obwohl dem Erlebnis- und Event-Marketing damit die Zukunft zu gehören schien, stellte sich schnell heraus, dass das Erlebniskonzept Schwächen hatte, die in der Folge immer deutlicher zutage traten: Events blieben meist isolierte Einzelaktionen. Sie wurden weder mit anderen Events noch mit anderen Kommunikationsmaßnahmen abgestimmt. Auch waren sie oft nicht mit der Unternehmenskommunikation vernetzt bzw. auf die Marketingziele bezogen. Der Corporate Identity und dem Corporate Design entsprach keine Event Identity bzw. kein Event Design (vgl. Bruhn 1997, zit. n. Erber 2005: 24).

Erlebnisse sind kein Selbstzweck. Ausdieser Erkenntnis folgte der Ruf nachstrategischem Live-Marketing als Antwort auf die Schwächen des Erlebnismarketings.

Auf Unternehmensseite kamen eigenständige Event-Abteilungen auf, die aber nicht an das Marketing oder an den Vertrieb angebunden waren. Sie verfügten nicht über strategische Vorgaben und hatten keine eigenen Etats. Die durch Erlebnismarketing erzielten Effekte blieben auch deshalb oberflächlich, weil es an authentischen, nachvollziehbaren und einzigartigen Konzepten mangelte. Die Logik des Steigerungswettlaufs im Sinne eines „schneller, höher, weiter“ führte zur Selbstaufhebung der Inhalte. An diesem Punkt wurde erkannt, dass dem Erlebnismarketing eine strategische Komponente hinzugefügt werden musste.

Info-Motion, Emotion Engineering, Processing Events, hinter diesen und anderen Begriffen stand der Versuch, den strategischen Anspruch und den konzeptionellen Ansatz des Live-Marketings und der Live-Marketing-Formate deutlich zu machen. Wirtschaftliche Events als Formate von Live-Marketing sind vor allem: Ausstellungen, Messen, Kongresse, Konferenzen, Road-Shows, Kick-off-Meetings, Motivationsveranstaltungen, Incentive-Reisen, Händlerpräsentationen, Ausstellungen, Seminare, Jubiläen, Festakte/Galas, Aktionärsversammlungen, Aktionen am Point of Sale, Tage der offenen Tür, Produktpräsentationen.

Die zu entwickelnden Konzepte mussten und müssen zum Image eines Unternehmens und zur Positionierung eines Produktes passen und das Live-Marketing kompatibel sein mit dem Kommunikationskonzept des Unternehmens. Der Kreativität wurde ein Ziel gesetzt und das Potential erkannt, das in der Kombination von Live-Marketing-Maßnahmen mit anderen Kommunikationsinstrumenten steckt. Das bedeutet, dass ein Event als eigenständiges Kommunikationsinstrument mit einer spezifischen Aufgabe zum Einsatz kommt, aber abgestimmt mit anderen Instrumenten den strategischen Marketingzielen des Unternehmens dienen und mit der allgemeinen Marken- und Kommunikationspolitik des Unternehmens übereinstimmen muss. Das Internet eröffnet zum Beispiel die Möglichkeit der synchronen Event-Berichterstattung und die Möglichkeit der elektronischen Teilnahme am Event. Die immer stärkere Einbindung von Events in die langfristige Unternehmensstrategie, die synergetische Verbindung mit anderen Kommunikationsinstrumenten und -aufgaben im Rahmen der Unternehmenskommunikation, führten zu einer deutlichen Aufwertung des Marketingaspektes von Events und anderen Formen der unmittelbaren und direkten Zielgruppenansprache. Diese Aufwertung wird im Begriff „Live-Marketing“ deutlich.

2  Neue Herausforderungen

Das Geschäftsfeld Live-Marketing hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und deutlich an Bedeutung in der gesamten Wirtschaftskommunikation gewonnen. Deshalb muss die Frage gestellt werden, ob das erlebnisorientierte strategische Live-Marketing den neuen Anforderungen gewachsen ist. Was aber sind die neuen Herausforderungen?

Informationen in gesättigten Märkten tendieren zur intelligenten Verdichtung (Wer nicht auf den Punkt kommt, wird vergessen), zur globalen Verbreitung (Wer glaubt, etwas geheimhalten zu können, irrt), zur Vermehrung (Wer glaubt, mehr hilft mehr, hat nicht verstanden, dass man – wenn alle schreien – schweigen muss, um gehört zu werden) und zur Beschleunigung (Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben) (vgl. Münch 1991). Die Informationsbeschleunigung ist Grund dafür, dass viele Entscheider den Nutzen von Multimedia in der schnellen und gezielter einsetzbaren Information sehen. Zu bedenken ist allerdings auch, dass die persönliche Kommunikation umso wichtiger wird, je technisierter die Kommunikation wird.

Die Konsumenten fordern mehr Exklusivität, Interaktivität und Individualität. Das hängt auch damit zusammen, dass die Einheitlichkeit großer Zielgruppen abnimmt und die Allgemeingültigkeit tradierter Verhaltensnormen und Rituale immer weniger vorausgesetzt werden kann. Die Verbraucher werden unberechenbarer. Es kommt zu einer Aufsplitterung in Szenen. Jedes Event muss individuell der jeweiligen Zielgruppe und dem Zeitgeist angepasst werden. Lifestyle-Märkte sind „fuzzy and extremely volatile“ (P. Drucker).

Die kulturelle Entwicklung, bedingt durch den globalen und immer schnelleren kommunikativen Austausch und die Vernetzung der Menschen untereinander, schafft ständig neue Auditorien (vgl. Rorty 1991). Global agierende Firmen müssen mit Menschen kommunizieren, die aus ganz unterschiedlichen Kulturen stammen (vgl. Hofstede 1991 u. Saee 2005). Praxistaugliche Instrumente zur Planbarkeit und Kontrolle des Erfolgs in einem hochdynamischen und multikulturellen Umfeld sind dringend erforderlich.

Händler haben selbst in der letzten Phase eines Verkaufsgespräches nicht mehr die volle Kontrolle über die Kommunikation. Der Kunde greift zum Handy und holt sich Informationen von einem guten Freund. Auch die Produzenten sind nicht mehr die alleinigen Meinungsmacher. Meinungen werden permanent zwischen Produzenten und Konsumenten ausgehandelt. Aus Konsumenten werden Koproduzenten, Mitentwickler und Ideenlieferanten.

Der Verschleiß von Symbolen, Ideen und Themen wird immer größer, weil sich immer mehr Wettbewerber in einem heiß umkämpften Markt bewegen. Alles ist schon einmal da gewesen. Markencodes unterscheiden sich nicht und bedienen oft immer die gleichen Klischees. Die Bedeutung von Worten und Inszenierungen geht gegen Null. „Schmuck“ und „Herz“ stehen für Liebe. Firmen, die keine fünf Jahre am Markt tätig sind, verkaufen ihre Geschichte als „Saga“. Die Glaubwürdigkeit bleibt auf der Strecke.

Die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen muss genau beobachtet und registriert werden. Denn auf Bewegung folgt Gegenbewegung. Der Triumph des immer Größeren und Aufgebauschten wird abgelöst von einer Sympathie für das Kleine und Echte. Eine neue Bescheidenheit tritt auf den Plan. Nicht mehr der Besitz einer einzelnen Sache ist wichtig, sondern wichtig ist, was diese Sache für ein größeres Ganzes bedeutet. Bescheidenheit kommt von „Bescheid wissen“, d. h. Zielgruppen und hier allen voran Jugendliche haben ein Gespür dafür entwickelt, ob eine Inszenierung authentisch ist oder nicht. Die Inszenierung muss ihrem Publikum sozusagen „zwischen den Zeilen“ zu erkennen geben, dass sie weiß, was dieses weiß.

Die Respekterwartungen der Menschen steigen. Sie wollen gefragt sein und mitreden. Das hat zur Folge, dass die strikte Trennung in Redner und Zuhörer aufgebrochen wird. Auch die Vorstellung von einer strikten Trennung zwischen rationalen und emotionalen Formen der Zielgruppenansprache ist nicht mehr haltbar. Die reine Rationalität wirkt immer existenzbedrohlich. „Informationsangebote und -strategien ohne Wert- und Gefühlsverankerungen sind tot, weil sie keine Energie für Entscheidungsprozesse mit Verhaltensrelevanz vermitteln“ (Bergler 2004: 1). Reale und virtuelle Welt verschmelzen zu einer Einheit. Soziale Kommunikations- und Informationsplattformen im Unternehmen nehmen an Bedeutung zu. Sie werden den Alltag mehr als heute beherrschen. Die Medienwirklichkeit absorbiert die Lebenswelt (vgl. Bolz/Bosshart 1995: 71).

Der Druck, wirtschaftlich zu denken und zu arbeiten, nimmt zu. Effektivität und Messbarkeit sind das Gebot der Stunde, um im Markt zu bestehen. Die Optimierungspotentiale in den Bereichen der strategischen Planung, der integrierten Unternehmenskommunikation und des kommunikativen Designs von Inszenierungen sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Soziografische Daten über Zielgruppen helfen, diese zu identifizieren („targeting“), aber um Zielgruppen zu überzeugen, muss man viel mehr über sie wissen, als diese Daten verraten. Man muss wissen, wie Zielgruppen denken, wie sie fühlen, wie sie kommunizieren und welche Medien sie wann zu welchen Zwecken bevorzugen.

Früher ging es vor allem darum, das Live-Marketing technisch zu beherrschen, die Frage nach den Inhalten und der Vernetzung mitder Unternehmensstrategie und -kommunikation stand an zweiter Stelle. Dann wurde die Bedeutung der Dramatisierungs- und Inszenierungskompetenz für den Erfolg erkannt. In Zukunft entscheidet die Zielgruppenanpassungsdimension über Erfolg und Misserfolg. Das heißt, Live-Marketing muss die Sprache der Kunden sprechen und an das anschließen, was den Kunden wichtig ist.

Neue Strategien auf der Grundlage überzeugender Analyseansätze undeines vertieften Kommunikationsverständnisses sind gefragt, um die spezifischen Vorteiledes Live-Marketings souveränauszuspielen und das Synergiepotential von Live-Marketing-Instrumenten im Rahmen der Unternehmenskommunikationvoll auszuschöpfen. Das bedeutet, dass alle notwendigen Maßnahmen vernetzt werden müssen, um für Unternehmen eine einheitliche Event-Kultur zu schaffen, die zur vorherrschenden Unternehmenskultur und Philosophie passt.

Das bedeutet auch, eine auf den Anspruch des Unternehmens, auf seine Marketingstrategie und Produktpositionierung ausgerichtete Event-Strategie zu entwickeln. Die Geschlossenheit und Glaubwürdigkeit des Auftritts, die Klarheit der Aussage, das Niveau der Inszenierung und die Qualität der Begegnung werden zu entscheidenden wertebildenden Faktoren.

Eine Marke existiert nur, wenn sie in das kollektive Gedächtnis eingeht und relevant für die Identität und Lebenswelt von Zielgruppen ist.

Nur so können in Analogie zum USP-Denken („unique selling proposition“) auch „unique experience propositions“ aufgebaut werden, deren Nutzen gemeinsam mit dem Kunden definiert wird und von denen bekannt ist, was sie den Kunden im Vergleich mit anderen Nutzenangeboten wert sind. „Thinking beyond“ – das ist der Anspruch, dem sich das Live-Marketing heute stellen muss: eine unternehmerische Herangehensweise mit ganzheitlichem Kommunikationsverständnis und Beratungskompetenz auf wissenschaftlicher Grundlage. Nur so können auf der Basis einer klar definierten Strategie alle notwendigen Maßnahmen vernetzt werden, um eine unverwechselbare und zur Unternehmenskultur und Philosophie passende Event-Kultur zu schaffen.

3  Übersicht über die Entwicklungen des Live-Marketings

Zusammenfassend werden wir nun die wesentlichen Entwicklungen des Live-Marketings vorstellen. Das neue Verständnis von Kommunikation ist dabei ein wesentlicher Bestandteil des Systemdenkens, das die dritte Phase der Entwicklung im Live-Marketing charakterisiert.

1) Event-Marketing als Teil des Erlebnismarketings.

2) Event-Marketing wird als ein Kommunikationsinstrument gesehen, das mit anderen Instrumenten Teil des Live-Marketings ist.

3) Marketing und Kommunikation gehen eine qualitative Verbindung auf einem wesentlich höheren Anspruchsniveau ein.


Grafik 1: Entwicklungen des Live-Marketings

II

Erfolgskomponenten des Live-Marketings und die Vorteile ihrer systematischen Nutzung

1  Erfolgskomponenten des Live-Marketings

Marken zu positionieren hat weniger mit Produkten zu tun, sondern viel mehr mit der Gedankenwelt von Konsumenten(vgl. Pine/Gilmore).

Pine/Gilmore (1999) haben gezeigt, dass in einer „experience economy“ derjenige eine Schlüsselrolle innehat, der in der Lage ist, Marken und Unternehmen mit zielgruppengemäßen Erlebnis- und Erfahrungswerten auszustatten bzw. Marken und Unternehmen mit einer Projektionsfläche (vgl. Ebert 2007a) zu versehen, auf der sich die Vorstellungskraft der Konsumenten entfalten kann. Dabei kommt es darauf an zu verstehen, dass das Profilieren und Positionieren weniger mit Marken und Unternehmen an sich zu tun hat als mit Marken und Unternehmen in der Gedankenwelt der Konsumenten bzw. Zielgruppen.

Grafik 2: Die Entwicklung wirtschaftlicher Angebote nach Pine/Gilmore (1999: 6).

Live-Marketing kann vor dem Hintergrund dieser von Pine/Gilmore (1999) aufgezeichneten Entwicklung geradezu eine Führungsrolle übernehmen, denn wenn es darum geht, starke und nachhaltige Eindrücke zu erzeugen, kann kaum ein Kommunikationsinstrument mit der kommunikativen Kraft des Live-Marketings konkurrieren. Diese kommunikative Durchschlagskraft beruht auf einem ganzen Bündel allgemeingültiger Erfolgsfaktoren (siehe Grafik 3, S. 31).

Der von uns propagierte Live-Marketing-Ansatz zeichnet sich auch durch das Denken in Strategien, Konzeptionen, Prozessen und (sozialen) Bedeutungen aus. Live-Kommunikation ist Eindrucks- und Erlebnismanagement, und Eindrucks- und Erlebnismanagement ist das Management von Zeichen und Bedeutungen („semiotic engineering“).

Die Organisationsleistung zeichnet sich durch die perfekte Beherrschung der Logistik aus, durch die Koordination und Organisation der Teamleistung, die Kernkompetenz im Bereich des Live-Marketings1 sowie durch die Organisationswerte, sprich durch die Integration gesellschaftlicher Werte in die Firmenwerte. Ein Beispiel dafür ist unser Beitrag zum Klimaschutz, indem wir alle Events hinsichtlich ihrer CO2-Emissionen kontrollieren können.

Die Zielgruppenansprache muss direkt und individuell sein sowie zur Zielgruppe passen (soziale Kongruenz) und anschlussfähig an die Zielpräferenzen (Erwartungen) der Teilnehmer und deren rezeptive Fähigkeiten sein. Letzteres bedeutet, dass die Vermittlung von Botschaften dann als angenehm empfunden wird, wenn „Metaphorik, Symbolik, Format, Stil und dramatischer Ablauf ungefähr dem Niveau der Media Literacy des Zuschauers entsprechen“ (Gundlach 2007: 92).

Die Gestaltungsspielräume betreffen Inszenierung, Szenographie, Inhalte und Formen sowie sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichengebrauch. Wichtig ist, bei allem zu prüfen, was durch Aufgabe, Gesetz, Auflagen o. a festgelegt ist und welche Elemente im Rahmen des Zielführenden frei wählbar sind.

Wer Zielgruppen zum Beispiel ein Spaßerlebnis bereiten will, muss wissen, was diese unter „Spaß“ verstehen.

Die Aufmerksamkeitssicherung ist ebenfalls wichtig für den Erfolg von Events und „kann über die Faktoren Neuigkeitsgrad, die verschiedenen Arten der Dramaturgie, den Spannungsaufbau und die Relevanz des Themas für die Zielgruppe geleistet werden.

Der Faktor Glaubwürdigkeit wird über die Dimensionen Überzeugungsqualität (Persuasion, Argumentation, Verständlichkeit usw.), Authentizität (Echtheit), Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) und Kongruenz (hier: Kongruenz von Inhalt und Form) definiert.

Die Erlebnisqualität wird durch das Angebot des Außeralltäglichen, Einmaligen, Intensiven und Nachhaltigen gesichert. Die Begegnungsqualität ist persönlich (zum Beispiel frei von Klischees und Abstempelungen), verbindlich und ermöglicht die Kommunikation innerhalb einer Zielgruppe sowie zwischen einer Zielgruppe und anderen Zielgruppen bzw. der Öffentlichkeit.

Die Vermittlungsqualität definiert sich über die rationale, emotionale, polysensuelle und narrative („Storytelling“) Zielgruppenansprache. Die Aktivierungsqualität ist mitverantwortlich für die nachhaltige Verarbeitung und Verankerung von Informationen und Botschaften. Über sie entscheiden Aktionen, besondere Formen des Involvements – das heißt der Grad der inneren Beteiligung an einer Handlung –, Verdichtungsformen der Kommunikation wie Rituale und ein bewusst geplantes Zeitregiment, dem sich die Teilnehmer je nach Art des Events unterwerfen, weil es Teil eines Erfüllungsschemas aus Vorbereitung und Vollendung ist (vgl. Kap. VI, 1.2).

Rückkoppelungsprozesse betreffen Dialog und (thematische) Feedbackschleifen, Interaktionsmöglichkeiten, Formen der Partizipation (zum Beispiel Event-Mitgestaltung) und Resonanzphänomene wie Meinungsbildung (Internet-Community, Blogs). Rückkoppelungsprozesse helfen nicht nur, die Zielgruppenansprache immer effizienter zu gestalten, sondern sie schaffen überhaupt erst eine geteilte Wirklichkeit im Sinne einer Selbstverständigung von Sender und Empfänger über das, was der Fall ist oder sein soll.

Der Erfolgsfaktor Strategische Vernetzung betrifft die Systembausteine und meint: Live-Kommunikation ist vernetzt mit der Unternehmenskommunikation, sie spielt eine immer wichtigere Rolle bei der Gestaltung der Kundenbeziehungen, sie ermöglicht mittels Meta-Kommunikation die Definition der Ist- und Soll-Beziehung zwischen einem Unternehmen und seinen relevanten Zielgruppen. Schließlich betrifft die Vernetzung die Abstimmung taktischer Maßnahmen im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie, die über einen längeren Zeitraum laufen kann.

Nicht zuletzt ist der Unternehmens- bzw. Markenfit ein erfolgsrelevanter Faktor, denn jedes Event muss im Sinne von Event Identity, Event Culture, Event Design und Event Language auf die entsprechende Brand oder Corporate Identity usw. einzahlen, um die Wiedererkennbarkeit zu sichern und um Synergiepotentiale optimal zu nutzen.

Grafik 3: Erfolgsfaktoren des Live-Marketings (Ebert 2007c)


1  Wer über die Kernkompetenz im Bereich des Live-Marketings verfügt, verfügt auch über die organisatorische Kompetenz. Aber nicht jeder, der über die Organisationskompetenz verfügt, besitzt die Live-Marketing-Kompetenz.

2  Vorteile der systematischen Nutzung von Erfolgskomponenten

Eine Vielzahl von Erfolgsfaktoren sorgt für die besondere kommunikative Durchschlagskraft von Live-Marketing-Maßnahmen. Die Frage ist nun, wie man diese Faktoren systematisch für die Konzeption und Kreation nutzen kann. Wir brauchen also zum einen Klarheit darüber, was wir unter einer systematischen Herangehensweise verstehen, und wir müssen die Kluft zwischen Zielformulierung und Zielerreichung durch folgerichtige Ableitungen überwinden.

Doch bleiben wir zunächst bei unserer Frage, was einen systematischen Ansatz im Live-Marketing auszeichnet. Betrachten wir den Wirkungsaspekt von Kommunikation. Die wichtigste Wirkung einer systematischen Herangehensweise besteht darin, den Erfolg aus dem Bereich des Zufälligen herauszuholen und ihn planbar und wiederholbar zu machen. Das geht nur mit klar definierten und überprüfbaren Zielen. Dabei ist ein Gedanke ganz wesentlich: Das Kerngeschäft des Live-Marketings ist das Management von definierten Eindrücken auf wissenschaftlicher Grundlage. Es geht darum, die Vorstellungen und Gefühle von Zielgruppen zu beeinflussen. Nachhaltigkeit kann hier nicht durch Einzelaktionen erreicht werden, sondern nur dadurch, dass Live-Marketing-Kommunikation und Unternehmenskommunikation synergetisch aufeinander bezogen werden.

Die systematische Betrachtung endet natürlich nicht auf der Seite des „Produzenten“ von Eindrücken oder Erlebnissen. Wichtig ist, homogene Zielgruppen anzusprechen. Zielgruppen sind für uns immer auch soziale Subsysteme. Die Mitglieder einer Zielgruppe haben gemeinsame Erwartungen, Interessen. Sie stehen in einer bestimmten Beziehung zueinander, sprechen die gleiche Sprache und teilen zumindest partiell die Art und Weise, wie sie die Dinge um sich herum sehen und bewerten (Lebenswelt). Kurz, ihre Reaktion auf Kommunikationsangebote des Live-Marketings ist nicht zufällig, sondern innerhalb eines bestimmten Rahmens vorhersehbar und damit berechenbar. Schließlich – wir kommen zurück auf den Planungsgedanken – sollte ein systematisches Herangehen es ermöglichen, aus den Reaktionen der Zielgruppe zu lernen. Das heißt, ein wie auch immer geartetes System für die Gestaltung von Live-Marketing-Maßnahmen muss offen und lernfähig sein. Auch aus diesem Grund sprechen wir von der Notwendigkeit eines doppelten Rückkoppelungsprozesses.

Eine systematische Herangehensweise holt den Erfolg aus dem Bereich des Zufälligen heraus und macht ihn wiederholbar.

Kommunikation stößt immer auch Kommunikation an, d. h. es wird Resonanz unter den Mitgliedern einer Zielgruppe erzeugt. Ein klassisches Beispiel für solche Prozesse der Resonanz oder Wechselwirkung ist die Bildung der öffentlichen Meinung. Es erfolgt aber auch ein Feedback der Teilnehmer, das wichtige Informationen darüber enthält, wie sie eine Veranstaltung erlebt haben. Dieses Feedback kann expliziter oder impliziter Natur sein. Auf jeden Fall ist diese Information für die Wirkungsanalyse von größter Bedeutung. Die Ergebnisse der Auswertung des Feedbacks müssen bei der nächsten Maßnahme berücksichtigt werden.

Nach diesen Vorüberlegungen, die auf die Praxis des systematischen Vorgehens zielen, stellt sich nun die Frage, was ein System ist. In einem System stehen alle Teile miteinander in einer geordneten Verbindung. Das heißt: Ein System hat eine Struktur. Was eine Struktur ist, kann man sich am besten dadurch klar machen, dass man das Ganze verändert, wenn man ein Teil verändert. Ständen die Elemente eines Systems nicht in einer geordneten Beziehung zueinander, könnte man ein Element entfernen, ohne dass dies Auswirkungen auf den Rest hat. Ein einfaches Beispiel ist das System unserer Schulnoten. Wir haben uns an ein 6er-System gewöhnt, das von „sehr gut“ bis „ungenügend“ reicht. Würde man beschließen, die Note „ungenügend“ abzuschaffen, hat das Auswirkungen auf die restlichen Noten. Denn der Anwendungsbereich der Note „gut“ oder „mangelhaft“ ist nun nicht mehr identisch mit dem Anwendungsbereich der 6er-Skala. Um es ein wenig pathetisch zu formulieren: Alle Teile eines Systems sind an ein gemeinsames Schicksal gebunden. Nüchterner gesagt, sie stehen in einem funktionalen Gesamtzusammenhang. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.