Es ist schon spät. Nina ist bereits auf Papas Schoß eingeschlafen und schnorchelt leise vor sich hin, aber Paul und Sophie sind noch wach. Sie liegen in ihren Betten und hören gespannt zu, was Papa vorliest.
„Wird unser Baby auch zu Hause geboren werden?“, fragt Paul, als Papa die Geburtsgeschichte aus dem neuen Buch fertig gelesen hat.
„Ich denke schon“, sagt Papa leise. „Mama hat ja alle von euch zu Hause geboren.“
Leise klappt er das Buch zu und trägt Nina ins Schlafzimmer.
„Die Geschichte war so schön!“, sagt Paul und kuschelt sich in sein Kissen.
Aber Sophie schmollt. „Ich will auch bei Mama, Papa und Nina im Bett schlafen“, motzt sie.
„Echt?“, fragt Paul. „Neben Mamas kugelrundem Bauch ist es viel zu eng da drüben. Außerdem warst du es doch, die zu mir ins Kinderzimmer ziehen wollte, weil du nächstes Jahr in die Schule kommst und im Kindergarten auch schon alle ein eigenes Bett haben.“ „Hm“, bestätigt Sophie.
„Lass uns morgen einen Schneemann bauen!“, schlägt Paul vor, als er draußen die Schneeflocken sieht. „Lieber eine Schneefrau mit kugelrundem Bauch!“, antwortet Sophie und lacht. „Dann bis morgen!“, bestätigt Paul und zieht sich die Decke über beide Ohren.
Auch Sophie kuschelt sich in ihre Kissen. Schon bald fallen ihr die Augen zu und sie träumt von einem niedlichen, kleinen Baby, das sie im Arm hält.
Sophie ist fünf Jahre alt, geht in den Kindergarten und lässt sich von Papa und Paul am liebsten schöne Gute-Nacht-Geschichten vorlesen.
Paul ist zehn Jahre alt und geht in die fünfte Klasse. Am liebsten spielt er Fußball und auch ab und zu mit seinen kleinen Schwestern Sophie und Nina.
Nina ist drei Jahre alt und hängt immer an Mamas Rockzipfel. Das darf sie aber, denn schließlich ist sie ja noch klein.
Oma Hilde ist Papas Mutter. Sie ist schon ziemlich alt, aber dafür umso lustiger. Oft spielt sie mit Paul, Sophie und Nina Fußball und erzählt Geschichten.
Papa Robert freut sich schon sehr auf das Baby. Wenn Mama es möchte, massiert er ihr den Rücken und cremt ihren immer größer werdenden Bauch ein.
Mama Ellen ist schwanger und bekommt bald ihr viertes Kind. Dann sind die Sommerfelds eine richtige Großfamilie. Wie das wohl sein wird?
Endlich ist Weihnachten! Alle sind gerade dabei, ihre Geschenke auszupacken, als bei Mama die Wehen einsetzen.
„Oh, wie schön! Das Baby kommt endlich!“, freut sich Sophie. Oma telefoniert kurz mit Mamas Hebamme Andrea und sagt ihr, dass Mamas Wehen angefangen haben.
Nach der Bescherung werden Paul, Sophie und Nina von Papa ins Bett gebracht. „Erinnerst du dich noch an Ninas Geburt?“, fragt Paul seine Schwester, als er im Bett vor lauter Aufregung nicht einschlafen kann.
„Na klar“, sagt Sophie. „Wir haben damals alles verschlafen.“
Und tatsächlich: Auch diesmal kommt Mamas Baby mitten in der Nacht zur Welt. Als Paul am nächsten Morgen mit Sophie und Nina die Tür zum Schlafzimmer aufmacht, um Mama und das neue Baby zu sehen, wundert er sich.
„Unser kleines Weihnachtskind Emma ist da“, stellt Mama das Baby vor. Paul und Sophie schauen sich die kleine Emma an. Sie sieht wirklich süß aus, aber doch ein bisschen anders als andere Babys, denn sie hat zwischen ihrer Nase und der Lippe ein Loch.
„Das Baby sieht ganz anders aus, als ich es mir vorgestellt habe. Was hat Emma da am Mund?“, will Sophie wissen.
Oma und Papa schauen sich an.
„Emma hat eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte“, erklärt Mamas Hebamme Andrea. „Das heißt, dass ihre Lippe, ihr Kiefer und ihr Gaumen offen und nicht zugewachsen sind.“
Manchmal sieht das Baby genau so aus, wie man es sich vor der Geburt vorgestellt hat. Manchmal aber auch ganz anders. Wenn das Baby etwas hat, das man nicht alle Tage sieht, wenn es krank ist oder eine Behinderung hat, dann kann das sehr traurig machen. Das ist ganz normal.
Warst du auch schon mal traurig oder enttäuscht, weil du dir etwas vorgestellt hast, was dann ganz anders war?
„Und warum ist das so?“, fragt Paul.
„Warum manche Kinder so geboren werden, weiß niemand genau und es ist auch niemand schuld daran. Die Natur ist nicht immer perfekt und auch das ist normal“, erklärt Papa.
„Ist Emma denn krank?“, will Paul wissen.
„Nein, Emma ist, trotz ihrer Spalte, ganz gesund. Papa und ich waren nach der Geburt sehr glücklich, aber auch sehr besorgt und traurig, weil wir nicht wissen, wie es mit Emma und ihrem besonderen Mündchen weitergehen soll.“ Mama schnieft ein bisschen.
„Hat Emma Aua?“, fragt Nina.
Mama antwortet: „Nein, Kinder, Emma tut nichts weh. Ich habe schon mit dem Krankenhaus telefoniert. Emmas Lippen-Kiefer-Gaumenspalte wird dort in einigen Monaten operiert werden. Danach sieht man dann nur noch eine kleine Narbe.“
Nina krabbelt zu Mama ins Bett. Sie gibt Emma ein Küsschen auf ihre süßen Patschhändchen und freut sich. „Emma ist sooo niedlich!“ Sophie nickt: „Genau, Mama. Emma ist die schönste Schwester der Welt!“
Paul streichelt Emma ganz leicht über die Schulter und küsst sie auf die Nasenspitze. „Süße kleine Emma“, flüstert er. Emma schläft seelenruhig. Sie scheint die ganze Aufregung um ihren Mund gar nicht zu interessieren.
Nach der Geburt sind Haut- und Körperkontakt für Mutter und Kind sehr wichtig. Besonders dann, wenn das Baby nicht gleich gestillt werden kann. Die Phase des gegenseitigen Kennenlernens nennt man auch „Bonding“. Verschiedene Botenstoffe im Blut, sogenannte „Hormone“, fördern die Bindung und die Liebe zueinander. So kann sich eine Mutter schneller an das vielleicht besondere Aussehen ihres Kindes gewöhnen.
„Wird Emma denn überhaupt an der Brust trinken können?“, fragt Oma besorgt.