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Cover und Satz: Isabella Starowicz

E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
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Inhalt

Vorwort

Widmung

Ich erzähle anderen nicht gerne meine Zores – nicht einmal mir selber!

Prüfet alle und behaltet den Besten!

Das sind die Zores in der Welt: Einer hat nix, ein anderer Geld!

Im Wort sterben steckt erben

Ein totes Huhn legt keine Eier!

Scheiden bringt Leiden!

Meschugge darf man sein, aber nicht verrückt!

Die Feministin

Intime Gespräche

Ein Delikatessengeschäft

Meschuggene Zwei- und Vierbeiner

Im Fußballsport zeigt sich der Charakter

Essen und Trinken sind die drei (!) schönsten Dinge im Leben

Der Onkel Jolesch

Rolls-Royce gegen Cadillac – das ist Brutalität!

Kantor werden ist nicht schwer – Kantor bleiben aber sehr!

Kulissentratsch

Ein gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen!

Bretter, die angeblich die Welt bedeuten!

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Ein Flug 1. Klasse

Gelobt sei die Schlagfertigkeit!

Das Leben ist ein Traum! Weck mich nicht auf …

Mein Freund Joschi Kohn

Ein meschuggener Autor

Vorwort

In ein paar Zeilen beschreiben, was Topsy Küppers, diese unverwechselbare, hinreißende Künstlerin, so alles gemacht hat? Da wäre es leichter nachzudenken, was sie eigentlich nicht gemacht hat.

Indes: Sie hat gelebt, geliebt, geschauspielt, getanzt, gesungen, gedichtet, Regie geführt, Theater geleitet und, und, und, ja eben, Bücher geschrieben. Krimis und Menschengeschichten. Gerade wieder ein neues, in dem sie – wie könnte es bei ihr anders sein – vom Leben und vom Lieben erzählt. Aus jedem runden Jubelgeburtstag macht sie ein Fest, oder besser, wird für sie ein Fest gemacht. Man will sie einfach feiern, ihr Lächeln sehen, ihre unveränderte Stimme hören, sich von ihrer Ausstrahlung betören lassen. Die Topsy eben, die Küppers, je nachdem, wie nahe man ihr als Mitglied des großen Fanklubs kommen durfte. Und dann hört man schnell Worte wie zeitlos, diszipliniert, einzigartig, vorbildhaft, unwiderstehlich – Lobeshymnen, die sie über sich ergehen lässt, auch wenn ihr der Rummel nicht behagt. Da ist es ihr schon lieber, auf Öl »Gedanken« zu formulieren, die sie weitergeben möchte, mit denen sie auch andere zum Mitdenken anregen will. Denn das ist doch wohl auch der Kern, das Geheimnis ihrer großen »Kleinkunst«: Auf dem Umweg über die Unterhaltung Substanzielles zu vermitteln, unaufdringlich, oft nicht gleich bemerkt. Mit ihrem absoluten Gehör für falsche Töne will sie ihr Publikum zu einer neuen Herzensmelodie führen, einem neuen, verbindenden Klang der Solidarität und Empathie. Und deshalb geht man nach einem Abend mit ihr im Theater, nach einem Gespräch, nach einer Lesung auf der Bühne, anders nach Hause, ein wenig nachdenklicher, ein wenig friedensbereiter, ein wenig menschlicher, als man hingekommen ist.

»Topsy ist ein Zauberwort, und jeden trägt ihr Zauber fort«, habe ich einmal nach einem solchen Abend im Tagebuch vermerkt. So war es damals. So ist es heute. Und so wird es, hoffentlich, noch viele Jahre bleiben.

Masel tov!

Peter Marboe1

Widmung

Wissen Sie es noch nicht? – Töchter haben immer recht!

Als ich meiner geliebten Tochter das Manuskript dieses Buches vorlegte, sparte sie nicht mit Lob und Anerkennung.

»Und?«, fragte ich, wissend, dass bei ihr Kritik obligatorisch ist.

»Mütterlein«, flüsterte sie sanft ins Telefon, »Du musst ZORES erklären, nicht jeder kennt dieses jiddische Wort.«

»Damit hast du recht«, antwortete ich. »Einer schreibt, es bedeutet Schwierigkeiten. Ein anderer sagt große Probleme, und wieder eine meint …«

»Schon klar, Mütterlein, aber was sagst du?«

»Ach«, seufzte ich, »Zores bedeutet:

Je suis in der Rue de la Kack!«

Sie lachte herzlich, und deshalb sind diese Zores SANDRA KREISLER gewidmet!

Ich erzähle anderen nicht gerne meine Zores2 – nicht einmal mir selber!

Das Leben ist ein Traum – weckt mich nicht auf! Das dachte ich, als mein Buch »Nix wie Zores!« ein Verlag wohlwollend annahm.

Mit unverbindlichem Lächeln erklärte mir mein Lektor, dass meine Leserschaft von mir auch ganz persönliche Erfahrungen erwarte. Oh! Tun sie das? Fragte ich mit überraschtem Augenaufschlag? Weil ich aber eine harmoniesüchtige Person bin, krame ich in meinem neunzigjährigen Gehirnkastl, und notiere für Sie, für Dich, für Euch ganz spontane, unfrisierte Lebensweisheiten.

Erlebnisse oder Begegnungen mit anderen Menschen erzählen oder schildern, ist eine Begabung, die vielen Autoren abhandengekommen ist. Ich probiere es trotzdem, denn es sind Situationen, die man nicht erfinden kann. Jeder definiert den Begriff ZORES anders. Einer schreibt: »Schwierigkeiten!« Ein anderer sagt: »Große Probleme!«

Meine Freundin Margot Mendelsohn sagte vor vielen Jahren zu mir: »Man kann nicht früh genug anfangen, Altwerden zu üben!« Also übte ich, »alt zu werden …«

Wenn man sein Leben auf der Bühne verbracht hat, kommen automatisch dichterische Aussprüche in den Sinn.

Zum Beispiel, wenn Grillparzer seine Sappho sagen lässt: »Ach, die Gewohnheit ist ein lästig Ding! Selbst an Verhasstes fesselt sie!«

Also lernte ich, mich zurückzulehnen, um das verhasste politische und gesellschaftliche Treiben zu beobachten.

Man schmeichelt mir: »Sie sehen wunderbar aus!«

»Danke, Sie auch!«, antworte ich höflich. Ach, du liebe Zeit! Ich weiß doch, wie ich aussehe.

Mein Gesicht ist von einem Netz von Falten überzogen. Madame Plissee, die Vielfältige, das wäre jetzt die richtige Rolle für mich!

Auf meinem Handrücken tummeln sich Altersflecken und mein Fuß zeigt Anzeichen von einem Hallux.

Ich nehme diese Alterssignale bewusst, aber nicht verzweifelt auf.

Sie zeigen nur: Ich habe gelebt – gelacht – geliebt!

Vor vielen Jahren fing ich an, in meinem Herzen einen Vorrat an glücklichen Gedanken zu speichern. Einfach, um mich zu wappnen. Wann immer ich mit Gehässigkeiten, Lügen und Intrigen konfrontiert war oder bin, öffne ich meine kleine Herzkammer und kann lächeln, was immer auch gerade passiert.

Ich liebe die Werke von Michel de Montaigne! Irgendwo sagt er: Wer im Alter ohne Schmerzen ist, hat die Pflicht, glücklich zu sein!

Alt werden ist kein Verdienst. Es ist eine Gnade. Ich erinnere an die heute fast hundertjährigen Menschen, die in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten Hunger sowie schreckliche, körperliche und seelische Qualen erleben mussten.

Ein Leben ohne Leid gibt es nicht. Aber wie kann man sich aufrichten? Mit Alkohol? Mit Drogen? Mit Globuli? Mit sinnvollen Therapien? Mit sinnlosen Affären? In den Buchhandlungen stapeln sich Ratgeber für alle Lebenslagen, die ich nach dem österreichischen Sprichwort »Hilft’s nix, schadt’s nix« einordne.

Wie ich einem schönen Inder hörig wurde!

Anfang der 1960er-Jahre war ich am Züricher Schauspielhaus engagiert. Es war ein eisiger Winter. Der Zürichsee zugefroren, die Vorstellungen waren gefährdet, und das halbe Ensemble erkältet. Ich war es gewöhnt, schwanger, fiebrig, mit Muskel- oder seelischen Schmerzen aufzutreten, aber diesmal war meine Nase verstopft und meine Stimme so gut wie unhörbar.

Mein wunderbarer Kollege Harry Tagore riet mir, einen Mann namens Yesudian zu kontaktieren, einen Inder, der Hatha Yoga lehrte. Skeptisch folgte ich seinem Ratschlag, für den ich ihm bis heute dankbar bin.

Der Yogi, übrigens ein bildhübscher, junger Mann, sprach Englisch und zeigte mir einige Übungen der Bauchatmung. Ich machte sie sofort und problemlos nach. Ihn überraschte das, doch für korrekt ausgebildete Sänger und Schauspieler ist die Bauchatmung die Basis für den Klang der Stimme. Ohne Bauchatmung keine Stimmführung. Ach, würden doch die Schönen in den Medien diesen Hinweis ernst nehmen.

Jedenfalls verneigte sich die indische Schönheit freundlich und sagte: »Wir versuchen Shirshasana, die Königsübung. Wenn die Übung gelingt, üben Sie bitte dreimal täglich fünf Minuten. Damit kniete er nieder, atmete tief ein und aus, und stieg leicht wie eine Feder in den Kopfstand. Ich staunte. Sein Kopf ruhte vor seinen gefalteten Händen.

Ich bewunderte die Schönheit seines ebenmäßigen Körpers, als er genau so leicht wie er aufgestiegen war, wieder zu Boden glitt. Er lächelte. »Shirsha ist Sanskrit und heißt Kopf«, sagte er. Es heißt Kopfstand, nicht Handstand. Unwissende glauben, bei der umgekehrten Körperhaltung könnte eine Ader im Gehirn platzen. Diese Behauptung kann niemand bestätigen. Ein Gehirnschlag kann uns nur dann treffen, wenn unsere Lebensfunktionen bereits gestört sind.

Ich verstand. Nicht das Sportliche der üblichen Trainingseinheiten war angesagt, keine abgewinkelten Arme, kein heftiges Hochschwingen, kein Zappeln, bis die Senkrechte erreicht war. Ich putzte mir sicherheitshalber die Nase. »Ich kann das nicht!«

Er tat, als habe er mich nicht verstanden, und deutete auf die Wand. Ich kniete nieder, legte meine Hände zusammen und vor den Kopf. Leicht und elegant wie Yesudian wollte ich meine Beine hochziehen. Ich war vierzig und tänzerisch trainiert. Vergeblich. Ich zappelte wie ein Maikäfer, der auf dem Rücken liegt.

Mit leiser Stimme sagte Yesudian: »Work easy …« Damit schlang er einen weißen Seidenschal um eines meiner Fußgelenke und hob langsam das dazugehörige Bein hoch, bis der Fuß die Wand berührte. Ich war verblüfft. Ohne dass ich etwas verändert hatte, war mein rechtes Bein automatisch auch hochgestiegen und berührte ebenfalls die Wand. Ich kann nicht sagen, wie lange ich Shirshasana machte. Ich spürte nur eine ruhige Sicherheit in mir. Yesudian sagte: »So langsam wie Sie aufgestiegen sind, kommen Sie jetzt in die kniende Stellung zurück. Wenn Sie umfallen wie ein Mehlsack, ist Shirshasana wirkungslos. Er führte mein Bein mit dem Schal behutsam zurück auf den Boden. Das rechte Bein folgte wieder und ich kniete vor der Wand. Leise sagte Yesudian: »Bleiben Sie am Boden und legen Sie Ihre Fäuste übereinander und Ihre Stirn einige Minuten auf Ihre Fäuste. Er berührte leicht meine Schulter und reichte mir Papiertaschentücher. Aus meiner Nase kamen Bergwerke.

Danach atmete ich frei und wurde Yesudians gelehrige Schülerin! Jahrzehntelang praktiziere ich Sirscha und denke bei anstrengenden Proben immer an Yesudians »Work easy!«

Wer tief empfindet, leidet auch tiefer!

Es gibt die Momente, Situationen, in denen wir fragen: »Warum ich? Wieso ich? Ich bin schlank, lebe gesund, nehme keine Medikamente, warum trifft es mich?« Bei mir lautete die Diagnose Krebs. Es war ein Tumor im Darm.

Manchmal schüttet das Schicksal seinen Leidenssack sogar über zwei Personen gleichzeitig aus. Während ich mich durch das volle medizinische Programm quälte, bekam auch mein Mann eine bedrückende Diagnose. Er war ein starker Raucher. Der Arzt meinte lakonisch: »Herr Kommerzialrat, Sie haben keine Lunge, sondern ein Brikett im Körper.« Er musste sich einer schweren Operation unterziehen. Einige Tage vor Weihnachten des betreffenden Jahres holte ich ihn aus dem Spital.

Wer je zu Silvester einen geliebten Menschen sterbend im Arm gehalten hat, während der Lärm von Silvesterraketen, das Läuten der Pummerin und »Prosit Neujahr«-Rufe die Nacht erfüllten, wird niemals mehr ein neues Jahr begrüßen können.

Mehrere Jahre lang lag Shirshasana und »Work easy« in der Mottenkiste. Man sagt: Die Zeit eiltteilt – heilt!

Wer diesen Spruch erfunden hat, hat nie geliebt …

Dennoch nahm ich irgendwann meine Matte und übte wieder Shirshasana.

Zorn hat vier Buchstaben, aber auch das Herz! Vier Buchstaben hat das Leid, aber auch das Lied!

Meine Medizin ist die Musik. Chopin tröstet, Mozart beglückt, Sinatra lenkt ab, und der mit Preisen ausgezeichnete Schweizer Liedermacher Roger Stein singt das, was wir uns immer sagen sollten: »Sagt mir, woran misst man Wahrheit? An dem, was war, an dem, was wird …«

Jedes Wort hinterlässt eine Spur!

Ein Wörtchen, das mich verfolgt, ist das Wörtchen NOCH! Nach der Vorstellung: »Was?! Sie treten immer NOCH auf? Wie machen Sie das?« Dann sage ich den freundlichen Menschen, die auf mich gewartet haben: »Ich esse, was mir schmeckt. Über zehn Jahre lang war ich Vegetarierin. Es war ein Gelübde. Das Leid der Tiere, die Überflutung der Gesundheitsvorschriften, die Fleischwerbung, und, und, und … Resultat: eine Begegnung mit dem wunderbaren Kardinal König. Sein Bild steht auf meinem Sekretär, und ich blinzle ihm manchmal zu, denn der verehrte Kardinal brach einmal sein Gelübde, nach 17 Uhr nichts mehr zu essen. Und ich brach damals meinen Gemüsefimmel. Vor vielen Jahren hatte ich die Ehre, das Kardinal König Haus in Wien zu eröffnen. Supergäste, und auch der Oberrabbiner von Wien, Chaim Eisenberg, war anwesend. Es gab ein feines, koscheres Buffet. Aber – wie das Leben der Komödianten so spielt, ist nach dem Auftritt, nach Abschminken und Umziehen, das Buffet bereits eine Stätte der Vernichtung. Langsam kam Kardinal König auf mich zu mit einem fein gefüllten Tablett, und sagte wörtlich: »Kinderl, ich hab’ Ihnen was aufgehoben.« Während wir ein Glas Wein zum Essen tranken, erzählte mir der Kardinal von seinem besten Freund, Kardinal Lustiger in Paris, ein konvertierter Jude, mit dem er häufig telefoniere. Es war für mich der schönste Ausklang nach einer Veranstaltung, den ich bisher erlebte.

Der beglückende Satz eines Arztes verdient mehr Beachtung als die teuerste Medizin!

Nach meinem »Darmkrebsleidensjahr« sagte mir Dr. Tibor Geley, der mir das Leben rettete: »Ihr Ungustl ist im Underground! Dort wird er bleiben. Tun Sie nur noch das, was sie freut! »Oh ja, das tue ich! Ich esse, worauf ich Appetit habe. Trinke mit Genuss einen Wein, denn dieser Genuss wurde mir vom Weinpfarrer in Österreich beglaubigt. Bei einem Empfang beobachtete ich, wie der freundliche Würdenträger seinen Wein genoss. Er kam zu mir und fragte: »Was ist das häufigste Wort in der Bibel?« Ich wand mich wie ein unkoscherer Aal und stotterte: »Nein, ich … weiß nicht … ich bin kein sehr gläubiger Mensch, ich …«

Er lächelte und sagte: »Das häufigste Wort im Alten Testament ist Wein! Zum Wohl!«

Ich sagte: »Amen und L’Chaim3

Wenn ich behaupte, kein sehr gläubiger Mensch zu sein, so bezieht sich das besonders auf die Werbung und die zahlreichen »Gesundheitspäpste«, die uns in Bild, Ton und Schrift erklären: Wie wir zu sein haben! Wie und was wir zu essen haben! Wie wir turnen sollen!

Komisch – wie wir die Liebe erleben und das Leben lieben sollen, erklären sie uns nicht.

»Essen Sie nichts mehr nach 17 Uhr!«, liest man immer wieder. Ich esse seit ungefähr 75 (!) Jahren eine volle Mahlzeit zwischen 22 und 23 Uhr NACH den Vorstellungen. Seit dieser Zeit habe ich immer das gleiche Gewicht. Zirka 57 Kilo bei 167 cm. »Mit vollem Magen schläft man schlecht«, liest und hört man allerorten!

»Einspruch Euer Ehren! Mit leerem Magen kann ich nicht einschlafen.«

Mein Hausrezept

Meine Großmutter, die gescheiteste Frau in der Familie, hinterließ mir ein Rezept! Dreißig Knoblauchzehen und drei ungespritzte Zitronen. In einem Liter Wasser langsam zum Kochen bringen, aber nur einmal aufwallen lassen.