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Jelezky Publishing, Hamburg

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Copyright © der russischen Originalausgabe:
Arcady Petrov, Moskau

Deutsche Erstausgabe, Januar 2011
(1.Auflage)

© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe

Dimitri Eletski, Hamburg (Herausgeber)

Übersetzung: dm-LINGUA, www.dm-lingua.de

Was wir auch machten, wohin wir auch gingen:
wir bewegten uns zu einem Ziel, zu uns selbst, zur Erinnerung an uns selbst. Die Menschen, die das Gedächtnis über ihre Vergangenheit und über ihre Zukunft verloren haben, sind wie Kinder, die bereit sind, jeden Tag ohne zu ermüden, auf ein und demselben Karussell zu fahren.

Etwas ändert sich um uns herum: mal strahlt die Sonne, mal regnet es, mal blühen die Bäume, oder das Laub fällt, oder es kommen Menschen, um die sorglos auf dem Karussell drehenden, Menschen zu betrachten, die scheinbar wieder Kind gewordenen sind - oder es kommen auch andere.

Wir fliegen im Kreis, wir kreischen im Eifer der Geschwindigkeit, vergessen dabei aber, dass wir alle in der Vergangenheit fliegen konnten, dass all unsere Begeisterung nur dunkle Erinnerung daran ist, was wir selbst einst waren.

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7357-1687-3

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Was Sie in diesem Buch lesen werden, ist nicht auf fernen Planeten geschehen, sondern auf der Erde und mit Menschen, die in unserer Zeit leben. Sie können es für Fiktion oder Realität halten, da die Ereignisse, die hier beschrieben sind, mit einer so ungewöhnlichen Erscheinung wie dem steuernden Hellsehen verbunden sind. Menschen, die das beherrschen, dringen mit ihrem Bewusstsein in die hohen himmlischen Sphären, in die Tiefe des Ozeans der vergangenen Zeiten und in die verborgene Welt der biologischen Zelle.

Meine Erzählung ist autobiographisch. Ich schreibe und teile Ihnen mein Wissen in chronologischer Reihenfolge mit, in der Ordnung, in der ich es selbst erlangt habe, von einer Stufe der Widmung zur nächsten übergehend, von einer (Buch-)Seite des Lebens zur nächsten blätternd. Ich habe die Erlaubnis erhalten, Ihnen davon zu erzählen, und es ist nun an der Zeit dieses zu tun.

Mit der geheimnisvollen Welt der unfassbaren und rational unerklärlichen Erscheinungen ist die Menschheit offenbar in allen Jahrtausenden ihrer Existenz verbunden gewesen. Es lebten auf der Erde zu jeder Zeit wenige Auserwählte, denen die unzugängliche Kunst geschenkt war, Ereignisse vorauszusagen, atmosphärische Prozesse zu steuern, schreckliche Krankheiten zu heilen usw. Und obwohl dieses Wissen und die Fertigkeiten es anzuwenden, sorgfältig verborgen wurden, sammelte sich doch eine ziemlich umfangreiche Literatur darüber an.

Es ist nur schade, dass die Mehrheit dieser Bücher uns nichts Wesentliches lehren wird. Der Leser, die Leserin erkennen viel Seltsames und werden den einen oder anderen Begriff auswendig lernen – und dabei bleibt es, höchst wahrscheinlich. Das geheime Wissen wird nach wie vor, entweder im Laufe von vielen Jahren vom Lehrer an den Schüler weitergegeben oder von den Hellsehern auf unerklärliche Weise selbst empfangen.

In der heutigen Welt laufen geistige Prozesse mittlerweile auf einer globalen, mehr sogar: auf einer kosmischen Ebene ab. Nicht umsonst haben unsere Kenntnisse über die Natur des Menschen, über seine Welt und das Ziel der Existenz im Universum in nur einem Jahrhundert gründliche Veränderungen erfahren. Man hat begonnen über das Zeitalter des Wassermanns, über die neue Zeit zu sprechen... An der Jahrtausendwende sind die Menschen mit mystischen Erwartungen erfüllt und wie Publius Vergilius Maro, ein großer Dichter im klassischen Rom, die Ankunft Jesu Christi ankündigte („Das Jahrhundert der Erneuerung wartet: / Eine neue Welt und die Wahrheit stehen vor der Tür, / Und der neue Knabe nähert sich vom Himmel“ - „Eklogien“ 4), so prophezeien die heutigen Propheten seine zweite Ankunft.

Offenbar ist die Zeit gekommen, da geheime, früher unzugängliche Lehren in den Besitz der Massen übergehen sollen. Natürlich wird das Begreifen des esoterischen Wissens und der Fertigkeiten nicht augenblicklich geschehen. Wie jeder Prozess wird die neue Ausbildung der Menschheit einige Zeit in Anspruch nehmen. Für heute ist es wichtig anzumerken: Viele Eingeweihte haben die Erlaubnis von oben bekommen, die verborgenen Geheimnisse zu offenbaren.

Ich bitte atheistisch eingestellte Leserinnen darum, das, was in diesem Buch beschrieben ist, nicht nur als etwas Phantastisches zu betrachten. Religiöse Menschen möchte ich bitten, das unten Beschriebene nicht als Unsinn abzutun. Ich wiederhole: meine Erzählung ist autobiographisch. Menschen, über die ich schreibe, sind vollkommen real, viele von ihnen leben jetzt, in dem Moment, da Sie diese Zeilen lesen. Ich habe mich bemüht, nichts Theoretisches zu schreiben, sondern über persönliche Erfahrungen, nicht über die Methodik und die Arbeitsverfahren, sondern über den Sinn der Esoterik.

Auf welche Weise und wofür bekommen die Menschen das geheime Wissen? Welche Ebene der Geistigkeit ist notwendig, um eingeweiht zu werden? Wie soll man leben, worin besteht der Sinn des Lebens? Wenn der Leser, die Leserin ernsthaft über diese Fragen nachdenken, wenn sie sich wünschen, sich zu entwickeln, um sich auf eine neue Stufe des Daseins zu erheben, hat mein Buch sein Ziel erreicht. Jeder hat seinen eigenen Weg zu Gott und ihm zu dienen. Ich versuche nur zu helfen und denjenigen die richtige Richtung zu zeigen, die vor der kosmischen Kälte keine Angst haben und sich auch vor dem göttlichen Feuer der Mystik nicht fürchten und die zum Dienen in Sphären bereit sind, von denen sie heute noch nichts ahnen.

„Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt“ (Mt. 20,16). Nicht jedem ist gegeben, diesen Weg zu gehen. Wenn du nicht bereit bist, wenn du von weltlichen Sorgen zu sehr eingenommen oder ermüdet bist, kleinmütig, so ist es besser, diesen Weg nicht zu beschreiten. Es gibt nicht wenige Schulen und Lehrer auf der Welt, die den Schülern die elementaren Fertigkeiten der Extrasensorik für den Hausgebrauch beibringen. Möglicherweise sollte sich die Mehrheit auch darauf beschränken. Aber auf jeden Fall ist es schon heute wichtig, davon zu erfahren, dass es eine schöne und zauberhafte Welt des nicht Fassbaren gibt.

Dieses Buch ist in einer etwas ungewöhnlichen Art geschrieben. In ihm ist das unwirklich Scheinende mit der Realität verwoben. Dabei werden viele aber gerade das Phantastische für wahr und die Realität für erfunden halten. Ihnen wird die Möglichkeit geboten, von zwei vorgegebenen Wegen jenen zu wählen, der Ihnen hilft, den eigenen Weg zu finden. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich einige wichtige Tatsachen nicht kommentieren und bestimmte zeichenhafte Ereignisse nicht erläutern kann, da Sie die Stimme der Wahrheit in sich selbst hören sollen. Ich schreibe sowohl über mich selbst als auch über die Menschen, die mich umgeben und mir helfen und über die Ereignisse, die in der Vergangenheit, Gegenwart und im zukünftig Wahrhaften geschehen. In genau dieser Reihenfolge sind die Koordinaten der Zeit aufgestellt – weil die Gegenwart immer auf dem entgegenkommenden Strom des Vergangenen und Zukünftigen geschieht. Und damit das Wort Jetzt“ erklingt, ist es notwendig, dass jemand es in der Vergangenheit ausgesprochen hat und es in der Zukunft gehört wird.

Am Ende des zweiten Jahrtausends haben viele Menschen – die einen mit Angst, die anderen im Gegenteil mit Hoffnung – auf das Jahr des Millenniums und die von den heiligen Büchern versprochenen Ereignisse gewartet: Armageddon, Apokalypse, das Goldene Zeitalter. Später beim Zurückblicken waren die Einen erleichtert: „Nichts ist geschehen.“ Die Anderen hingegen waren betrübt: „Wird denn wirklich alles beim Alten bleiben?“ Sie haben offenbar vergessen, dass zuerst das WORT war. Und wer von Ihnen ist aufmerksam genug, das von Gott Geschaffene zu sehen oder verfügt über ein so bemerkenswertes Gehör, das von Gott Ausgesprochene zu hören? Ja, natürlich, später, wenn die himmlischen Sphären nach dem Willen des Schöpfers in Bewegung kommen werden, wird es sichtbar und hörbar sein. Aber die Bewegung hat schon angefangen. Und für diejenigen, die sich lange darin geübt haben, verantwortungslose Vermittler zwischen dem Schöpfer und seinem Schaffen zu sein, ist das Ende der Zeiten tatsächlich angebrochen. Nachdem Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie erkennen, warum der unsterbliche Mensch, welcher sich dem Schicksal unterwarf, von seinem Vater getrennt wurde. Sie werden erkennen worin die Erbsünde bestand und was den Menschen und die Menschheit in den heimlichen sich ihm heute öffnenden Welten erwartet. Drei Bücher werden Sie im dritten Jahrtausend als erste in die neue Welt, zum neuen Wissen führen: „Rette dich selbst“, „Rette die Welt in dir“, „Rette die Welt um dich herum“. Diese Bücher werden Sie vom Tod zur Unsterblichkeit führen, von der Angst und der passiven Erwartung zu der Erinnerung an sich selbst und ihrer Rolle im ewigen Kosmos, wo bereits lange und mit Liebe gewartet wird, bis Sie aufwachen.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich dieses Buch nennen soll. Viele Menschen haben während der tausendjährigen Geschichte des Schrifttums so viele Male versucht ihren Ort und ihre Bestimmung in dieser Welt und ihre Verbindung mit anderen Welten zu finden. Viele versuchten das Buch ihres Schicksals zu schreiben oder wenigstens es zu lesen. Deshalb wird man Wiederholungen nicht vermeiden können, egal welchen Titel man für dieses Buch wählen sollte – alles ist schon einmal dagewesen! Und ich wollte mich nicht wiederholen, weil ich davon überzeugt bin: Über eine solche Erfahrung wie meine, hat bis jetzt noch niemand erzählt. Schlussendlich bin ich bei der Bezeichnung geblieben, die der Leserin und dem Leser bereits bekannt ist. Ich bin glücklich darüber, dass mir die Möglichkeit zugefallen ist, durch höchste Einweihungen das ungewöhnliche Wissen zu erhalten, das eine große Bedeutung für alle heutzutage auf der Erde Lebenden hat und die Möglichkeit dieses Wissen auf das reine Blatt des neuen Jahrtausendes zu legen.

Kapitel 1

Die Schönste aus allen uns zugänglichen Emotionen ist die Emotion des Unbegreiflichen:

„Der, dem dieses Gefühl unbekannt ist – den nichts mehr verwundert und nichts mehr zum Zittern bringt – ist dem Toten gleich!

(Albert Einstein)

Im Juli des Jahres 1996 lag ich im Krankenhaus. In die Anstalt der Moskauer Heil-Sanitäts-Gemeinschaft, die sich nicht weit vom äußeren Autobahnring befindet, in der Nähe des Bezirks Mitin, hat mich eine schwere Erkrankung der Nieren gebracht. Die Prognose war überaus schlecht: Die Krankheit schritt mit unbarmherzigem Pflug durch mein Leben, veränderte alle Pläne, zwang mich, gegebene Verpflichtungen zu brechen.

Erst ein paar Monate zuvor war ich zum Direktor des Verlages „Chudoschestwennaja Literatura“ – „schöngeistige Literatur“, kurz „Chudlit“, ernannt worden.

Einst gehörte er zu den größten in der Welt, befand sich aber nun bereits einige Jahre lang in einem beklagenswerten Zustand: Mehrere Milliarden Schulden und ein desorganisiertes, mit ständigen Kürzungen geschundenes Kollektiv. Die materielle Ausstattung war mangelhaft. Die Computerausstattung zum Beispiel hat der vorherige Direktor in ein Kleinunternehmen zusammengeführt, welches danach auf einmal verschwand und mitsamt der Ausstattung auch der Direktor. Einflussreiche russische Schriftsteller haben den damaligen Präsidenten des Landes, Boris Jelzin, auf die skandalöse Situation aufmerksam gemacht. Sie forderten, der Zerstörung des Verlages „Chudlit“, welches von der Wichtigkeit für die Kultur mit dem Bolschoj-Theater oder Tretjakow-Museum verglichen wurde, ein Ende zu setzen. Im Übrigen gab es noch einen anderen Vergleich – mit der untergegangenen Titanik.

Zahlreiche Publikationen in der Presse, kollektive Briefe der Kultur- und Gesellschaftsschaffenden – so äußerte sich die Besorgnis der damaligen Zeit. Einige sprachen von hoffnungslos verpassten Möglichkeiten und Perspektivlosigkeit jeder lokalen Bemühung, andere forderten vom Staat Geld, nur um irgendwie das Eintauchen des „Chudlit“ in den Strudel des Nichtseins zu verlangsamen. Aber das Geld wurde natürlich nicht zur Verfügung gestellt, dafür wurde eine in solchen Fällen gewohnte Entscheidung getroffen: Verstärkung der Leitung des Verlages. Das erfordert nicht viel Kapital und sieht nach außen hin effektvoll aus. Zumindest versprach man dem zukünftigen Direktor finanzielle Hilfen und moralische Unterstützung.

Gerade damals wurde der von mir sehr verehrte Boris Andreewitsch Moschaew auf mich aufmerksam. Als berühmter Schriftsteller, der zur damaligen Zeit „Das Föderale Programm der Buchveröffentlichung Russlands“ leitete, schlug er mir vor, die Leitung des „Chudlit“ zu übernehmen. Ein unerwartetes Angebot. Denn ich leitete bereits den Verlag „Kultur“ in der Stadt Puschkin. Ich war sein Gründer und Generaldirektor. Die Geschäfte liefen nicht schlecht, die Perspektiven waren gut – was brauchte man mehr?

Ich wusste aus der Presse, welch starkes Geflecht von Schulden und sogar kriminellen Auseinandersetzungen „Chudlit“ überschwemmt hatte. Beinahe ein Jahr lang wurde hier überhaupt kein Buch herausgebracht. Die Redakteure, die nebenbei erwähnt mehrere Fremdsprachen beherrschten, haben einen miserablen Lohn bekommen. Aufgrund der Schulden wurde gedroht, Licht, Heizung und Telefone abzuschalten. Durchaus real und für einige sogar wünschenswert war ein möglicher Bankrott des Verlages und eine Versteigerung der Gebäude. Die Menschen, die zu diesem Ruin beigetragen hatten, warteten schon ungeduldig darauf, das Haus auf der Neuen Basmanna zu kaufen und einzuziehen, aber nicht mehr als Gäste oder Mieter, sondern als Besitzer.

Dem „Chudlit“ beitreten wollte ich deshalb nicht, weil ich buchstäblich einen Monat vor der Einladung, im Dezember des Vorjahres, zum Vizepräsident der humanitären Abteilung der internationalen Akademie der Information gewählt worden bin. Mir war bewusst, dass sich diese beiden anspruchsvollen Aufgaben nicht leicht verbinden lassen würden. Ja, mich haben Zweifel überkommen. Aber auf der anderen Seite – das ist doch der „Chudlit“, der berühmteste Verlag Russlands! Und die Hoffnungen von Boris Andreewitsch...

Wir hatten uns schon vor langer Zeit kennengelernt, und während der Jahre unserer Freundschaft habe ich nicht nur angefangen, diesen Menschen zu bewundern, seinen Charakter, seine Standhaftigkeit, sondern habe mich auch bemüht, ihm nachzueifern. Zum Teil bewusst, aber vielleicht noch mehr auf der unbewussten Ebene. Ich verstand, dass der unbeugsame Fedor Kuskin, Held seiner Erzählung „Lebendig!“, dass diese „durchschnittliche Einheit“, das Wesen des Autors selbst ist. Das Schicksal hat Boris Moschaew schwer mitgenommen. Wie es ihn auch beutelte – er hat geduldig und gekonnt seine Schläge überstanden. Schüttelte alles ab, fuhr mit der Hand über seinen berühmten Bart, wunderte sich: „Lebendig!“ – und führte seine Arbeit fort.

Wie jeder echte Künstler hat Boris Andreewitsch verstanden, dass sein Weg der Weg nach Golgatha ist. Vielleicht nicht von einer solch historischen Wichtigkeit und nicht so gut mit der Macht erprobt wie der Weg von Solschenitzin (den er zu seiner Zeit vertrat), aber subjektiv nicht weniger dornig. Im Gegensatz zum rauen Alexander Isaewitsch, der sich seiner historischen Bedeutung stets bewusst war, trug Moschaew sein Kreuz munter, ab und zu einen schlauen Blick auf seine Verfolger, die Parteifunktionäre werfend. Wie viele seiner Zeitgenossen konnte auch er die Verachtung des Menschen durch den Staat schmerzlich mitfühlen. Er hat wunderbar verstanden, dass der Mensch, in den Augen eines staatlichen Beamten, nicht die höchste Schöpfung Gottes ist, sondern nur ein Ziegel in der Erbauung des Trugbildes. Das System ist frech und unentschuldigt in unsere Seele eingedrungen, jedoch ohne ein Verständnis dafür, dass seine größte Bedrohung eben von den äußerlich Nachgiebigen ausgeht. Genau diese Frauen und Männer sind es aber, die behutsam den inneren Kern des russischen Charakters hüten, und über die Moschaew so warmherzig erzählt.

Die Botschaft seiner Werke war, dass man nichts Neues mit Blut, über ein Attentat, mit Gewalt aufbauen könne. Er hat zur geistigen Eintracht aufgerufen. Und mit Bitterkeit musste er erkennen, dass in den letzten Jahren anstelle des alten Systems ein neues entstand – genauso seelenlos, mit derselben oberherrlichen Gleichgültigkeit gegenüber dem Menschen. Aber es sind schon jene seine Romane, Widmungen und Erzählungen geschrieben worden, die jedem Leser, der sich in den zerstörerischen Prozessen des russischen Daseins verloren hat, vorsagen werden, wofür und wie man lebt.

Wie hätte ich da Boris Andreewitsch absagen sollen? Das Vertrauen, das mir von einem solchen Menschen entgegen gebracht wurde, seine hohe Anerkennung jenes dynamischen Lebens, mit dem das Verlagshaus „Kultur“ lebte, hat mir durchaus geschmeichelt. So kam es zur Zusage.

Als der Ausschuss des Druckes, die Gemeinschaft der Schriftsteller eine Ausschreibung auf die Nachfolge der Position des Direktors des „Chudlit“ durchgeführt hat, habe ich den Zuschlag bekommen. Also, einen Direktor gab es nun, die Veranstaltung wurde durchgeführt, das Häkchen wurde gesetzt – und die Probleme des Verlages haben alle sofort vergessen. Ich bin sicher, dass es dazu nicht gekommen wäre, wenn Moschaew nur gesund gewesen wäre. Aber er war bereits schwerstkrank. Im Januar wurde ich in meiner Position bestätigt, und am zweiten März ist Boris Andreewitch aus dem Leben geschieden.

Vielleicht hat das Gefühl der Obdachlosigkeit, dass auf einmal aufgekommen ist, meine Krankheit begünstigt? Ich wusste und verstand damals vieles nicht, unabhängig von meinem nun mehr fortgeschrittenen Alter. Was ist Leben, was ist Tod? Am Grab des Lehrers, des älteren Freundes, habe ich versprochen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit „Chudlit“ nicht stirbt. Und nun sind drei Monate vergangen. Die Probleme haben erst begonnen sich zu entfalten, doch meine beiden Nieren beginnen, ihren Dienst zu versagen. Die eine, die linke, haben die Ärzte vorgeschlagen zu entfernen. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, der Verzweiflung, der Unmöglichkeit meines Willens, die Situation zu ändern, hat mich überkommen.

Eines solch unerfreulichen Tages legte sich in mir buchstäblich ein Schalter um. Plötzlich konnte ich klar umrissene, weit in der Vergangenheit liegende Ereignisse sehen, die überhaupt keinen Bezug zur unserer Epoche hatten, die aber so präzise dem Sinn nach in einer Wechselbeziehung mit unserer Zeit, mit meiner persönlicher Situation standen, dass es kaum ein Zufall sein konnte.

Nein, das waren keine Träume, das waren Visionen. Wobei die Helligkeit der Darstellung dermaßen die Möglichkeiten des gewöhnlichen Sehens übertraf, dass schon allein das einen überwältigte. Ich vergaß die Krankheit und habe begonnen, alles fieberhaft aufzuschreiben, was mein Bewusstsein, der merkwürdige Bildschirm meines inneren Sehens, zeigte.

Nach ein bis zwei Jahren ist aus diesen Notizen ein Roman entstanden: „Eldibor“ („Bibliosphäre“ 1999). Für einen Durchschnittsleser ist es eine Phantastik, das, was man im Westen „Fantasy“ nennt. Aber nicht wie bei Jules Verne, wo vermeintlich zukünftige wissenschaftlich-technischen Neuerungen beschrieben werden, sondern eher wie bei Ray Bradbury, der ein Moral lehrendes Märchen verfasst hat. Ich aber habe dieses „Märchen“ mit eigenen Augen gesehen! Unmöglich, dass so etwas Klares eine Einbildung sein konnte, denn es war viel eher ein mentaler als ein sinnlicher Prozess. Im Grunde genommen kann sich jeder Interessierte dieses Buch durchlesen. Aber die fortlaufenden Ereignisse haben sich so eng mit dem verwoben, was sich mir während der Arbeit an „Eldibor“ eröffnet hat, dass ich auf einmal verstand: Meine Visionen sind ein Teil meines realen Lebens. Ich durfte sie nicht mit Erfindungen vervollständigen, die aus der geistigen Welt durchgebrochene Offenbarung mit Gewalt, mit Phantasie verbinden. Denn das ist ein unentbehrlicher Teil meiner realen Existenz, meines Schicksals. Ich hatte einfach nicht das Recht, meine Visionen irgendwelchen ausgedachten Helden, Phantomen der virtuellen Realität, zu geben.

Alles begann während eines Traums. Mir schien, als ob mich eine unsichtbare Macht auf einmal aus mir hinausgezogen und in die Dunkelheit geworfen hätte. Und die Dunkelheit fing mich auf, hat mich umhergewirbelt, ließ mich mal spiralförmig nach oben steigen, mal nach unten sinken, immer schneller und schneller, bis sie mich plötzlich auf einen harten steinigen Boden geworfen hat.

Mit Mühe bin ich aufgestanden, mit Willensstärke den durchdringenden Körperschmerz bändigend, und habe mich nach allen Seiten umgesehen. Der Ort, an den mich die unsichtbare Kraft gebracht hatte, war durchdringt von einem schwankenden Licht, wie dem in einer Kristallkugel. Ich konnte nichts um mich herum erkennen, wegen den aufsteigenden, sich bewegenden Nebelwolken, die sich überall befanden, unten, zwischen den Beinen, auf der Seite und überall, wo ich versuchte hinzusehen.

Ungeduld und Enttäuschung stürzten gleichzeitig auf mich herab. Und obwohl sich diese Gefühle noch nicht zu einem Gedanken formieren konnten, wurden sie buchstäblich nach draußen gerissen und dorthin gelenkt, wohin der Blick gerichtet war. Und sie haben, wie mehrfach gestärkt, durch eine mit ihnen verbundene und plötzlich erworbene Macht, mit einer festen, physisch spürbaren Welle in den Nebel eingeschlagen, und die Nebelwand ist zurückgewichen, kam in Bewegung und begann zu schmelzen.

Versengt durch die Hitze einer unendlichen Flamme, schaffte ich es mit Mühe rechtzeitig zurückzuschrecken. Der ganze Raum stand in Flammen, die aufloderten und als orangefarbiger Nebel in blutrotes Licht fielen. Die bündelweise herausgeschleuderten Funken ähnelten dabei Federbüschen, flackernd und verglühend, und erneut auflebend. In den Windungen und Eruptionen des Plasmas erzeugten die Schwingungen der Flammenzungen tonale Vibrationen, die mit dem Klang der Flammenornamente verschmolzen.

Vor mir lag ein Geflecht aus Klang und Farbe, wütend wie ein Lavastrom während eines Vulkanausbruches und dünn wie ein Spinnennetz im Herbstwald. Blau, Grün, Gelb, Braun und Rosa – alles spielte, schillerte, flatterte, bewegte sich mit grellen Blitzen auf der Leinwand des schwarzen Lavafeldes.

Das war die Musik des Lebens, die durch diesen Ausdruckstanz die Gestalt der Schöpfung darstellte. Die Töne stiegen auf den Flammenzungen empor und fielen wieder hinunter, und dabei verschmolzen sie, mal zu leisem Gemurmel von Milliarden von Flammengeschöpfen, die nichts vom Zweck ihrer Geburt ahnten, mal zu fürchterlichem Geheul des wütenden Plasmas, und ein anderes Mal zu einem traurigen Lied der Sternenbilder, die einander auf den Kreuzungen von Raum und Zeit zuriefen.

Der Mensch, der gleichzeitig ICH und nicht ICH war, und den man am besten „er“ nennen sollte, ist einen Schritt zurückgetreten und hat es gerade noch rechtzeitig geschafft, im Abstand einer ausgestreckten Hand vom Rand eines gigantischen Wirbelsturms das Gleichgewicht zu bewahren. Aus seinem Leib konnten Seufzer und Stimmen vernommen werde. In seinem Inneren flimmerten unklare Silhouetten, Bruchstücke der vernichtenden Realität, Eisblöcke, Wassermassen. Blitze peitschten und durchdrangen die Dunkelheit, und betäubten augenblicklich das Brüllen des Abgrunds.

Es schien, als wäre das das Ende der Welt, als würde sie nicht mehr länger existieren. Zurückgeblieben ist lediglich das, was inmitten des Unbekannten und Ungewissen lag – der befreite Wahnsinn mit dem Namen Chaos.

Er wich vorsichtig zurück, den Abgrund überzog der Nebel. Und wieder hatte sich ihm eine sonderbare, mit kleinen Steinen überzogene Fläche eröffnet. Sie erstreckte sich soweit die Augen in dieser Welt nur sehen konnten, nämlich fast in die Unendlichkeit. Durch ein unklares Gefühl ahnte er, dass, wenn er sich doch entschlossen hätte, auf diesen Steinen zu laufen, durch das ungleichmäßige Dämmerlicht, ihm die Unendlichkeit nicht ausgereicht hätte, das Ende der trostlosen Einförmigkeit zu erreichen, weil eben aus der Ewigkeit und Unendlichkeit das steinige Plateau erschaffen wurde.

Er drehte sich um. Der Nebel hinter ihm hatte sich noch nicht gelegt, er ist nur ein wenig zurückgewichen und entblößte dadurch dieselben ungleichmäßigen Steine und die Ebene. Der Albtraum, sich in einer einförmigen Unendlichkeit wiederzufinden, führte dazu, dass er die Angst überwand und sich zwang, sich in die zurückweichenden Wellen zu werfen, solange sie ihn nicht wieder von allen Seiten eingekreist hatten.

Jetzt hatte er verstanden: Man musste vorsichtig sein, diese Welt geht zu sehr auf jede Bewegung seiner Seele, jeden Wunsch, auf alle Kräfte in den Tiefen seines Wesens ein. Der Nebel war gefährlich. Jeden Augenblick konnte sich unter einem ein bodenloser Abgrund oder ein schlammiger Sumpf auftun. Aber die Existenz des Nebels ließ die Möglichkeit der Auswahl zu, welche nicht da gewesen wäre, hätte er sich aufgelöst. Der Mensch, in den sich mein ICH verschoben hatte, wusste es fast sicher, weil er sich nicht das erste Mal auf dem Plateau befand, weil genau dieser Platz der Anfang seines Weges war, dessen Ende er nicht kannte.

Den Boden mit einem Fuß abtastend, bewegte er sich vorsichtig vorwärts, obwohl es sinnlos war zu versuchen, die Richtung in dem, was ihn umgab, zu erraten. Raum und Zeit hatten in dieser Welt andere Eigenschaften, die man unmöglich mit gewohnten geometrischen und physikalischen Begriffen bestimmen konnte. „Vorwärts“ in dieser Welt bedeutet, auf dem unsichtbaren, spiralförmig verdrehten, festen Geflecht der Koordinaten der Zeit in eine andere Realität zu gelangen. Dorthin, wohin es ihn jedes Mal unbewusst trieb.

Er beeilte sich nicht, tastete mit seinem Fuß vorsichtig den Weg ab, bevor er das Gewicht des Körpers darauf verlagerte, und kam deshalb kaum voran. Aber die Weite des Vorwärtskommens hat den Wanderer nicht gekümmert. Mit einer tiefen, ursprünglichen Kenntnis, die man hier, in dem zwischenweltlichen Raum, schon mit dem Wort Intuition bezeichnen konnte, verstand er, dass in seiner Fortbewegung nicht die Entfernung bestimmend war, sondern die Richtung. Nur ein falscher Schritt, und er wäre in dem unendlichen Raum des Weltalls verschwunden. Und deshalb musste man, bevor man diesen Schritt tat, auf die in sein Bewusstsein dringenden Laute und Töne hören und sich den Aufrufen der einen anvertrauen und die anderen zurückweisen.

Auf einmal bewegte sich etwas unter seinem Bein, lebte auf und begann, mit einem tauben Brüllen aus dem Stein auszubrechen. Er wusste nicht, was es war. Er konnte nur seine bösartige, übermäßige Größe erraten. Aber sich zu erschrecken und zurückzuweichen, wäre genauso gefärlich, wie sich leichtsinnig vorwärts zu bewegen. Der Wanderer befahl seinem Bewusstsein, einen der aktivsten Regulatoren der Nervenerregung, das Acetylcholin, ins Blut freizusetzte, um den Blutdruck zu senken und den Herzschlag zu verlangsamen. Dadurch sorgte er dafür, dass nicht ein Tropfen Angst in sein Herz durchsickern konnte. Mit der bewussten Steuerung des Verstandes stoppte er die bereits begonnene Freisetzung von Adrenalin aus den Nebennieren.

Die Fähigkeit, die inneren Prozesse mit dem Gebot des Willens zu kontrollieren, hat ihn gerettet. Das aus dem Stein erschienene Geschöpf beruhigte sich, wurde still und hat sich wieder in die unbewegliche, steinige Oberfläche zurückgezogen, um sich in die äußere Welt auszustrecken, aber aus der inneren Welt herauszufließen. Zu keiner der beiden Welten war der Wanderer nun zugehörig.

Man musste sich entscheiden, wem man vertrauen sollte – der Stimme der Angst oder der Intuition. Vor einem lag Gefahr, jedoch eine Gefahr, die mit Willenskraft gebändigt werden konnte, zumindest war es einmal möglich dieses zu realisieren. Die Ungewissheit wartete in jeder Richtung. Wird sie sich als gutmütig oder feindlich erweisen – das vorherzusehen war unmöglich. Selbst die Stimmen, die zu ihm durchdrangen, waren zu zahlreich und zu undeutlich, als dass er sie hätte verstehen können. Aber eine, die bekannt erschien, klang ermahnend, und kam aus der Stelle, die ihn fast verschluckt hätte und vor der er sich nun befand. Die Wahl wurde getroffen. Der Wanderer trat auf den lebendig gewordenen Stein, ohne die neuliche Vorsicht walten zu lassen, und lief in den Nebel. Der Boden unter ihm bewegte sich wieder, aber nicht so stark, dass es ihn von den Beinen werfen konnte, etwa vergleichbar mit einem Erdbeben der Stufe drei bis vier auf der Richterskala.

Jetzt durfte man sich wirklich nicht einmal mehr für einen Augenblick aufhalten lassen. Er nahm alle Kraft zusammen, bemühte sich dabei aber die innere Ruhe zu bewahren und lief ins Ungewisse, auf krampfartig zuckenden Steinen, die versuchten, sich in etwas anderes zu verwandeln. Er lief durch den Nebel des Weltalls, durch Zeit und Raum, nach vorne oder nach hinten, nach oben oder unten, in die Zukunft oder Vergangenheit, irgendwohin...

Der Wanderer machte noch einige weitere, große Sprünge und sah schließlich den, der ihn rief In den Nebelfetzen zeichnete sich die Figur eines Menschen ab, die einem Gespenst ähnelte, mit einem merkwürdig ausgerenkten, offenbar verletzten Hals, in einem zerrissenen, mit Blut verdreckten, alten, abgetragenen Gewand. Seine langen verworrenen Haare und sein Bart zitterten wegen nichtendender nervöser Zuckungen. Seine mit Hass brennenden Augen waren direkt auf den Fremden gerichtet.

„Bleib stehen, wo du bist!“ Der verzehrende Hass in der Stimme der Person, die den Weg versperrte, und die zur Abwehr erhobene Hand zwangen zu gehorchen, obwohl die Steine immer noch wie lebendig zuckten. Mit einer unerwarteten, konvulsiven Bewegung der Hand zog das Halbgespenst mit einem besonderen Zeichen einen Strich durch den Raum, und alles ringsherum begann zu brodeln und zu wallen. Unmittelbar vor dem Gesicht des Wanderers ertönten Schläge kräftiger Flügel.

Ohne zu überlegen, automatisch, so als wären die Kenntnisse, die ihn angeregt haben zu handeln, ihm bereits auf instinktiver Ebene innewohnend, befahl er dem Schatten seines Körpers ins Licht zu gehen und durchsichtig zu werden. Einen Augenblick später sind die Krallen des Biestes durch ihn hindurchgefahren, ohne ihm einen Schaden zuzufügen.

„Wie hast du das geschafft?“, fragte das Gespenst mit heiserer, angespannter Stimme. „Hast du Bardo Idam erschaffen?“

„Gib nicht den Hunden, was heilig ist, damit sie es nicht in den Mist schmeißen. Wirf nicht Perlen vor die Säue“, sprach der Wanderer mit ausweichender, esoterischer, „wer bist du, und wieso hast du mir den Weg versperrt?“

Der Mensch im alten Umhang fing an, heiser zu lachen:

„Wer ich bin? Und das fragst du mich noch? Du?!“ Der Ton seines Geheules hat den Nebel vertrieben, und man konnte jetzt sein Gesicht besser erkennen. Es schien irgendwie schwankend, unreal, wie eilig zusammengeklebt aus den herumwallenden, schmutzigen Fetzen. Aber die Augen waren echt, und sie brannten mit einem wahren Feuer des Lebens.

„Was habe ich dir getan?“, fragte der Wanderer. „Mein Gott, es ist immer das gleiche!“, erwiderte er mit einem bitteren Sarkasmus in der Stimme, und sein merkwürdiger schiefer Hals begann hässlich zu schaukeln und sein Gesicht war krampfverzerrt. „Du kannst dich nicht mehr erinnern, du weißt nicht ... Welch ein Glück, alles zu vergessen. Mir ist so ein Glück verwehrt.“

Er hob wieder seine Hand und führte erneut ein Zeichen aus. Ein stumpfer, hypnotisierender Schmerz breitete sich im Kopf des Wanderers aus und sein Körper fühlte sich so an, als wäre er mit Blei gefüllt. Er konnte spüren, dass ein fremder Wille in ihn eingedrungen ist und versuchte, die Zellen seines Gehirns zu zerfressen, auseinanderzureißen. Man musste den Zorn unterdrücken und ein Gleichgewicht in seiner Seele finden, zwischen Ärger und einer Reaktion. Man musste die undurchdringbare Wand der Ruhe wiederherstellen und versuchen, die feindliche Kraft hinauszutreiben, die in dieser Dimension der Träume zu gefährlich war.

Aber es schien, dass er dieses Mal zu spät gekommen war. Zentrifugalkräfte erhöhten ihre Geschwindigkeit und zogen in ihren gefährlichen Wasserwirbel die Hologramme des Lebens hinein, die im Gehirn auf proteinischen Saiten der Neurone aufgereiht waren. Das hat die unveränderliche Unbestimmtheit der Realität bestärkt und das Potential des neuen Umstandes in eine andere Richtung gelenkt; weg vom Inneren Potential. Zuletzt hat er mit zitternder Anstrengung den einen Gedanken im schwindenden Bewusstsein festgehalten, der aus der Tiefe seines Wesens hochgekommen war: „Man muss zwei zu einem machen, die innere Seite wie die äußere und die äußere wie die innere, die obere Seite wie die untere, Mann und Frau zu einem, damit der Mann kein Mann mehr ist und die Frau keine Frau mehr, ein Auge anstelle eines Auges machen und eine Hand anstelle einer Hand, und ein Bein anstelle eines Beines, eine Gestalt anstelle einer Gestalt, dann wird das Licht, das innen ist, Adam den Weg zeigen.“

Der Wanderer schaffte es, ein inneres Einverständnis mit diesen woher auch immer kommenden Überzeugungen zu äußern, und die erschienene Realität zerfiel.

Er wurde förmlich mit einer starken Kraft aus dem Tod in die Geburt herausgetragen, in die Welt, wo der Gedanke die Gestalt für seine Verkörperung suchte.

Lebendig scheinende Farben, die Liebe und Mitgefühl ausstrahlten, blendeten ihn. Alles um ihn herum war erfüllt vom Wunsch, zu helfen und zu beschützen – das Schillern der Lichter und Töne, alle Wünsche, die den Raum durchdrangen, richteten sich seinem Schrecken und seinen Gebeten entgegen. In einem winzigen Augenblick konnte er die zentrumstrebenden Kräfte seines eigenen Potentials wiederherstellen und begann das Errichten der neuen sichtbaren Realität.

Den Zerfall der körperlichen Formen des Wanderers zufrieden beobachtend, hat sein geheimnisvoller Feind erstaunt die Augenbrauen gehoben, als er sah, wie aus dem Flimmern, der mit Zauberei zersetzten Energien, auf einmal merkwürdige Wesen erschienen und hängenblieben – ein dreiköpfiger Drache mit Kronen, die mit kostbaren Edelsteinen besät waren, zwei große Kugeln – eine rote und eine orangefarbene, ein Auge, dass alles sah. Der Drache sah auf den Menschen, der nur Fetzen trug, missbilligend herab und wandte sich ab. Aus dem Maul seines mittleren Kopfes trat ein gleichmäßiger blauer Lichtstrahl aus und richtete sich auf die Stelle, wo eben noch der Wanderer gestanden hatte. Ebensolche Strahlen traten aus den Kugeln und dem Auge aus. Es hat sich eine umgedrehte Pyramide gebildet, die sich mit ihrer Spitze in das chaotische Plätschern der erlöschenden Energie stemmte. Und auf einmal kreuzten sich die Strahlen und es erschien die merkwürdige Silhouette eines zweiköpfigen Menschen: ein Kopf war weiblich, der andere männlich. Seine starken Muskeln strahlten eine auf Erden zuvor nicht gekannte Kraft aus.

Das war ein Gott, den man als den ersten seiner Art bezeichnete. Er streckte sich, als ob er die Verlässlichkeit des neuen Körpers überprüfen wollte, und warf demjenigen einen furchterregenden Blick zu, der für seine unerwartete Mutation verantwortlich war.

Der Drache, die Kugeln und das Auge haben sich verkleinert und sich in den neu materialisierten Körper zurückgezogen.

„Ich hätte das vorhersehen müssen!“, rief der Mensch mit dem schiefen Hals mit Entsetzen seinem wieder zu Leben gekommenen Gegner zu. „Der Drache, die Sonne, Jupiter und das Auge, das alles sah! Mit so einem Schutz kannst du dir erlauben, unsterblich zu sein. Ja, ich bin nicht so mächtig wie du“, fuhr der Gegner traurig fort. „Aber ich habe Hass, den du nicht hast. Manchmal schmeckt die Bitterkeit des Hasses süß.“

Die Intonation, mit der die Worte ausgesprochen wurden, und der Gesichtsausdruck des Menschen im alten Gewand kamen dem Wanderer, der nun ein Gott geworden war, wieder vertraut vor, und eine vage Erinnerung regte sich in ihm.

„Du hast vieles gelernt, wenn du es geschafft hast, den verdammten Ort zu durchqueren und am Leben zu bleiben.“, sprach die heisere Stimme voller Bewunderung und Bitterkeit zugleich. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du all meine Vorbereitungen zunichte gemacht hast.“

Das Gesicht dessen, der den Weg versperrte, war so von Wut und Hass verzerrt, dass es unverständlich war, warum er sich noch nicht auf den geworfen hatte, den er als seinen Feind ansah. Aber genau so unerwartet beruhigte sich der merkwürdige Mensch, und nur noch die Augen strahlten nach wie vor Hass aus.

„Wieso hast du mich angegriffen?“

„Ich werde es dir sagen, wenn du schon fragst. Wegen dir wandere ich schon seit mehr als 2000 Jahren in der Welt der Träume, nur mit einem Ziel, nur mit einem Gedanken – es dir heimzuzahlen für meine Qualen. Dort, wo du stehst, ist schon Blut geflossen. Hier ist nicht nur ein selbstgefälliger Zauberer gestorben. Dieser Raum kennt den Geschmack des Blutes und ist gierig danach. Wenn nicht deine verdammte Kunst wäre, in der du, das muss ich zugeben, beeindruckende Resultate erzielt hast, wäre dein Weg hier für immer zu Ende gewesen, und ich hätte mich beim Zurückschreiten auf der Resonanzwelle deines irdischen Körpers bemächtigt.

„Einen Körper teilt man sich nicht.“

„Natürlich“, pflichtete der Fremde sarkastisch bei. „Ich hoffe, dass du dort, wo du hingehst, nichts wirst ändern können. Und, dass deine Qualen umsonst gewesen sind. Ach, wie schwer die Last meines Hasses dir gegenüber doch ist!“

„Ich habe immer noch nicht verstanden, wieso du mich hasst.“, sprach der Gott mit ehrlichem Bedauern. „Aber jetzt störe mich nicht. Ich muss meinen Weg finden.“

„Ja, geh“, grinste der, der den Weg versperrte, mit gefletschten Zähnen. „Wieso solltest du dich hier länger aufhalten!“

Auf einmal trat er einen Schritt vor, und sein Gesicht, das mit dem Ausdruck wütender Macht gefüllt war, hat sich dem Gesicht des Gottes genähert.

„Ich weiß: du findest, dass ich dich verraten und betrogen habe. Aber ist es nicht das, was du selber wolltest? Vielleicht wolltest du betrogen werden? Wieso hast du mich damals nicht aufgehalten? Ich werde dieses hier niemals vergessen können.“, sprach der Fremde mit heiserer Stimme und zeigte mit dem Finger auf eine ungerade, hässliche Narbe, die rund um den Hals lief, an der Stelle, wo er schief war.

Und damit ist er auf einmal verschwunden, als ob er niemals da gewesen wäre. Der Mensch, der aus der Dunkelheit gerufen wurde, hat sich spurlos in ihren schmutzigen Fetzen aufgelöst.

Einen Augenblick blieb der Gott stehen und überlegte, aber wie von einer fremden Macht gerufen, setzte er seinen Weg schließlich fort. Sein Bewusstsein füllte sich mit einer unklaren Vorahnung der nahenden Veränderungen.

Plötzlich verschwand der Nebel. Er war weder vorne noch hinten. Verschwunden ist auch die unendliche Vulkanplatte, die mit kleinen Steinbruchstücken besät war. Die Sonne schien, und der Himmel war blau. Der Gott stand auf dem Gipfel eines Berges, um den Berg erhoben sich in alle Richtungen neue Berge, die vom Grün zahlreicher Laubbäume bedeckt waren. In der Ferne tobte das Meer, in das von Abhängen des schmalen Uferlandes Flüsse und Ströme zusammenliefen. Nirgendwo auf Erden hatte er zuvor solch eine Schönheit bewundern können, aber es schien ihm, dass der Platz, an dem er sich wiedergefunden hatte, ihm bekannt war. Bekannt war auch, dass er schon einmal hier gewesen war, in diesen Bergen. Das merkwürdige Gefühl, dass alles, was mit ihm jetzt geschehen ist, schon früher geschah, hat sich mit einer deutlichen Vorahnung durch die dicht herangetretenen Geschehnissen bewegt. Aber ihm gelang es wieder mit Hilfe seiner Willenskraft die unklaren Erinnerungen zu betäuben, solange sie es noch nicht geschafft haben, sich zu einem Gedanken zu formieren und noch keine neue Verwandlung des Raumes hervorgerufen haben. Diese Gefahr drohte, weil er es noch immer nicht geschafft hatte, sein Gedächtnis vollständig wiederzuerlangen.

Vom Berg schlängelte sich ein Pfad. Der Gott betrat ihn entschlossen und begann hinunter zu schreiten. Mit jedem Schritt konnte er sich mehr und mehr davon überzeugen, dass der Raum eine stabile Form angenommen hatte. Es schien ihm, als würden diese Formen aus den Tiefen seines Inneren kommen, an die er sich noch immer nicht erinnern konnte und über die er nichts wusste und die in ihm mit einem dumpfen Gefühl eines verborgenen Geheimnisses schlummerten. Er ging mit einem geraden, gleichmäßigen Schritt, die Zweifel waren abgeworfen. Er war überzeugt, dass er seinen Weg gefunden hatte. Wohin auch immer ihn dieser Weg führen würde, wo auch immer dieser Weg auch enden würde – Unsterblichkeit oder Untergang. Die Begeisterung war so groß, dass der Gott die Veränderungen, die mit ihm geschehen sind, nicht bemerkt hatte. Aber sie stellten sich als ziemlich wesentlich heraus: Die beiden Köpfe sind wieder eins geworden, die kurzen Haare sind lang geworden, dass sie über die Schultern hingen, ein Bart zeichnete sich nun ab, die Nase war jetzt gerade und zugespitzt, die Augen eingefallen, wie bei einem Menschen, der viele Tage an Schlaflosigkeit gelitten hat. Auch sein gesamter Körper zog sich zusammen, trocknete aus und erreichte eine ungekannte Leichtigkeit, von der er früher nur träumen konnte. Seine Kleidung wurde ebenfalls von den Veränderungen erfasst Jetzt trug er ein langes Hemd aus einem groben Stoff. Über die Schulter war eine dunkle Decke geworfen, die mit Straßenstaub bedeckt war und die mit einem Band um die Taille zusammengehalten wurde. An den Füßen trug er Sandalen, die an den Waden mit kleinen Riemen gehalten wurden. Den Kopf schützte ein Tuch aus weißem Leinen vor der sengenden Sonne.

Mit seiner neuen äußeren Erscheinung schritt der Gott durch die Sträucher der Olivenbäume, inmitten des Vogelgesangs, durch die schimmernde Abenddämmerung des endenden Tages. Er hörte Geräusche in den Büschen und schwaches Stöhnen der Bäume, die zu einem langen, fortwährenden Seufzer der Trauer verschmolzen. Seine Beine fühlten endlich einen verlässlichen, richtigen Boden unter sich, und seine Haut reagierte mit Dankbarkeit auf das sanfte Streicheln des Windes.

Er ging immer weiter und weiter nach unten, erfüllt vom Gedanken, er hätte endlich das Gewünschte erreicht. Alles um ihn herum ähnelte dem, was er so lange gesucht hatte.

Der Pfad ging unerwartet in eine Straße über. Er kam an der „Mara“- Schäferei vorbei, die von einem Zaun aus Faulbäumen umgeben war. Vor dem Eingang standen Karren, die mit Körben voller Linsen, Bohnen und Zwiebeln beladen waren. Esel, Kälber, Schafe und Ziegen drängelten sich vor dem Karren. In der Menge waren auch einige Männer und Frauen, aber niemand warf auch nur einen Blick auf ihn. Und dann, eine halbe Stunde später, eröffnete sich ihm in der Ferne das Panorama einer alten Stadt, die mit mächtigen schneeweißen Mauern umgeben war. Tempel und Paläste streckten sich in ihrer Erhabenheit empor, auf den Abhängen der Hügel stiegen auf quadratischen Absätzen Wohnsiedlungen hinauf, und auf einmal erkannte er den Ort, den er nicht zum ersten Mal sah, und nicht zum ersten Mal vergessen hatte. Er erinnerte sich wieder an seine Bestimmung in dem Land, das sich vor ihm geöffnet hatte.

Wie verzaubert ließ er seinen Blick kurz über die sich vor ihm ausgebreitete Landschaft schweifen. Sein Schritt wurde immer schneller und schneller, und bevor er es merken konnte, lief er bereits. Die unbequemen Sandaletten klatschten auf die Fersen und brachten ihn aus dem Rhythmus. Aber er lief und lief, so lange bis sich seine Kehle so anfühlte, als würde sie mit flammendem Schmirgelpapier zerrissen. Die Kräfte nahmen ab, die Beine verhedderten sich, lehnten ab, zu gehorchen. Nur mit Willenskraft konnte er sich durchringen seinen Weg dorthin fortzusetzen, wo er bereits von Tod und Unsterblichkeit erwartet wurde. Ein kleiner Stein, der unter eine Sandalette geraten war, hat ihn schließlich seines Gleichgewichts beraubt und zu Fall gebracht. Der Gott riss ungeschickt seine Händen in die Höhe und fiel auf die Straße.

Solche „Bilder“ wirken, als würde man einen genial gemachten Film sehen. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass die Retrospektive dieser Ereignisse, die 2000 Jahre in der Vergangenheit liegen, einen direkten Bezug zu mir hat. Nicht nur zu meiner jetzigen Situation, sondern auch zu zukünftigen Ereignissen. Die Zukunft hat noch nicht stattgefunden, aber ist in Einklang mit unergründlichen Gesetzten des von uns unbekannten Weltalls schon in einer anderen Dimension geschehen. Vor mir lag „die Verschmelzung“ der Vergangenheit mit der Zukunft.

Abernochhabeichdie Ereignisse ingewohnter Weise wahrgenommen. Sie erschienen als ein Funke künstlerischer Eingebung. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es sich um ein ausdrucksstarkes Zeichen handelte, das Veränderungen im Leben und Schicksal prophezeite. Ein Zeichen, das von Ewigkeit und Unendlichkeit in der Vergangenheit sowie der Zukunft sprach.

Ich habe versucht, das beeindruckende Phänomen mit Hilfe meiner Erfahrungen zu analysieren. Gedanklich bin ich Erkenntnisse aus den Gebieten der Naturwissenschaften und Philosophie durchgegangen, die als durchaus traditionell gelten, in dem Versuch diese Visionen an etwas schon Bekanntes „anzuschließen“, bis aus den Tiefen meines Gedächtnisses der Name Carl Gustav Jung durchdrang.

Der schweizer Psychologe, herausragender Nachfolger und Kritiker Sigmund Freuds, Begründer einer neuen Richtung, der analytischen Psychologie oder Tiefenpsychologie, ist näher als alle anderen zum Verständnis vorgedrungen, dass der Mensch keine zufällige Erscheinung der Schöpfung ist. Jung hat behauptet, dass eine gewisse nichtmaterielle Welt existiere, der Sinnesraum. Und dieser Raum ist erfüllt von Ideen, Gedanken, Kenntnissen der Vergangenheit – der Gegenwart – der Zukunft. Das Ideal Piatons in moderner Form. Nein, das ist kein Anker, aber ein Hinweis auf die Verbundenheit der Zeiten und Traditionen. Es ist also so, dass sich dieses Feld nicht den räumlich-zeitlichen Gesetzten unterwirft, es existiert außerhalb der Zeit und des Raumes und ist mit der materiellen Welt durch die „Psyche“ verbunden, so zu sagen etwas, das einen Bezug zur Seele hat. Vielleicht ist sie es selbst, die Seele, teilweise im materiellen Körper existierend und teilweise durch Unterbewusstes mit diesem Sinnesfeld verschmelzend. Dann ist das Bewusstsein eine Projektion des nichtmateriellen Raumes in die materiell begründeten Welt, und das Sinnesfeld das Projekt zur Weiterentwicklung des Weltalls.

Jung war über die Zukunft der Menschheit besorgt. Im Jahre 1958, als das Thema „UFOs“ zum ersten Mal aufgegriffen wurde, schrieb er die Abhandlung „Moderner Mythos. Über himmlische Zeichen“. In der Einführung wendet er sich „an die Wenigen, die zuhören wollen“ und spricht über die Notwendigkeit sich auf Ereignisse vorzubereiten, die das Ende einer der größten Epochen der Weltgeschichte ankündigten. Er riskierte seinen guten Ruf als der traditionellen Wissenschaft angehörender, seriöser Wissenschaftler, bei seinen Bestrebungen die Menschheit vor den zukünftigen Naturkatastrophen zu warnen. „Ehrlich gesagt, bin ich tief besorgt über das Schicksal all derer, die von der Kälte der Ereignisse eingeholt werden und sich, ohne die nötige Vorbereitung zu haben, mit zusammengebundenen Armen und Beinen wiederfinden werden und der Fähigkeit beraubt, irgendetwas verstehen zu können. Soweit ich weiß, hat sich noch niemand die Frage gestellt, welche psychologischen Folgen die Umgestaltung, die uns in der Zukunft erwartet, haben wird.“

Ähnliche Gedanken standen in Übereinstimmung mit meiner Weltanschauung, so dass die Zukunft meiner Psyche scheinbar nichts anhaben konnte. Aber haben die Umwälzungen nicht bereits, das heißt in meinem Kopf, begonnen?

Einmal lag ich in der Dämmerung auf dem Krankenbett, habe ferngesehen. Für einen Augenblick schloss ich die Augen, und wieder ist in der Dunkelheit ein heller, blendender Punkt aufgeflammt, so als würde er von innen explodieren. Und schon bin ich nicht mehr im Krankenzimmer und überhaupt nicht mehr in dieser Welt. Ich wurde in eine Art Tunnel hineingezogen, wo ich mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit durch einen gewundenen, flexibel-beweglichen Schlauch gerauscht bin. So bin ich direkt in das Sinnesfeld gelangt, in dem, nach Jungs Überzeugung, das Projekt zur Weiterentwicklung des Weltalls ständig entsteht und sich immer vielschichtiger auffächert.