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Else Ury

Professors Zwillinge

1. Band: Bubi und Mädi

Impressum

Covergestaltung:      Silvia Ceplichal

Bearbeitung:             Johannes Krüger

Illustrationen:      Silvia Ceplichal

Digitalisierung:      Gunter Pirntke

Herausgeber:      BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke

ISBN:                   9783955017897

2015 andersseitig.de

Mail:                  info@new-ebooks.de

 


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Am Telefon

 

Jeden Tag macht das Telefon „klinglingling“. Bubi und Mädi laufen dann neugierig hin. Am liebsten würden sie wie Mutti den Hörer abnehmen und „Frau Winter“ hineinrufen. Aber das ist verboten. Komisch – alles, was Spaß macht, ist immer verboten.

Heute geht es „klinglingling“ in einem fort. Aber keiner hört es. Mutti ist mit Vati ausgegangen. Frau Annchen räumt das Kinderzimmer auf. Minna trägt gerade den Mülleimer hinunter.

Bubi und Mädi stehen am Telefon und sehen einander an.

„Hör nur, wie es sreit. Soll ich es einmal ganz snell ’runternehmen?“ fragt Bubi mit pfiffigen Augen. Er hat große Lust dazu.

„Nein, nein!“ Mädi ist ängstlich. „Frau Annchen erlaubt das nicht.“

„Aber wenn sie’s doch gar nich hört.“ Bubi ist noch sehr unschlüssig.

„Klinglingling“, läutet das Telefon schon wieder.

Da hält Bubi den Hörer auch schon in der Hand.

Aber nun will Mädi auch einen Teil des Telefons haben.

Wenn Bubi ungezogen ist, dann muss auch sie immer dabei sein. Sie sind ja Zwillinge.

„Hier Professor Winter“, ruft sie ins Telefon hinein.

Lautes Lachen antwortet.

„Du, das Telefon lacht immer.“ Das kleine Mädchen hält Bubi schnell den Hörer ans Ohr.

„Du musst sagen: Hier Professor Winter.“

Bubi schreit es hinein, so laut er nur kann. „Du, Mädi, das Telefon lacht wirklich.“ Bubi hört nur lautes Lachen.

Mädi versucht noch einmal ihr Glück.

„Bitte, wer is denn da?“ fragt sie genau wie Mutti.

„Omama! – Du, Bubi, unsere Omama! Kleine Omama, bischt du da drin im Telefon?“ Sie hört wieder nur lachen.

„Na, wenn das dumme Telefon nur immer lacht!“

Jetzt hat Mädi genug von dem Telefon. Sie gibt Bubi wieder den Hörer.

„Omamaßen! Kommst du uns besuchen? Bringst du uns auch wieder gute Sokolade mit? Nein, Mädi, jetzt noch nicht. ich bin doch schon alt.“

Das sieht Mädi ein. Sie hört auf, an der Telefonschnur zu zerren. Die Schokolade ist doch zu verlockend. Die möchte sie auch gerne haben.

„Ja, Omama, Mädi und ich wollen dich besuchen. Sollen wir gleich kommen?“ so schreit Bubi ins Telefon.

„Nur, wenn es Mutti erlaubt!“ ruft Mädi wohlerzogen dazwischen.

„Ja, Mutti is mit Vati fortgegangen. Na sön, dann können wir ja heute Nachmittag zu dir kommen. Ganz bestimmt. Auf Wiedersehen, Omama.“ Bubi hat nun keine Lust mehr an der Unterhaltung.

„Auf Wiedersehen“, trompetet auch Mädi noch in das Telefon.

„Weißt du was, Mädi, wir könnten mit der Telefonsnur Pferdchen spielen.“ Es fällt Bubi gar nicht ein, den Hörer wieder aufzulegen.

Mädi wird mit einem Arm an die Telefonschnur angebunden.

Bubi holt seine Peitsche. Frau Annchen ist mit ihrer Arbeit noch nicht fertig. So können sie noch schön spielen.

„Hü, hott – so, Braunßen, jetzt reiten wir ganz snell ins Sternenland!“ befiehlt der kleine Kutscher.

Mädi, oder vielmehr Braunchen, setzt sich gehorsam in Trab. Aber da der Apparat an der Schnur hängt und auf dem Schreibtisch steht, kommt sie nicht weit, sicher nicht ins Sternenland.

Der Kutscher muss das faule Pferdchen mit der Peitsche antreiben.

„Au – au – au, du tuscht mir ja weh, du dummer Kutscher!“ Braunchens Beine springen vor Schmerz in die Höhe.

„Nein, nun will ich nicht mehr Braunchen sein, jetzt will ich der Kutscher sein.“ Mädi findet das entschieden angenehmer.

Aber Bubi hat keine Lust, sich peitschen zu lassen.

„Nein, das geht überhaupt nich. Wenn du ein kleines Mädchen bist, dann kannst du doch kein Kutser sein, dann kannst du nur Braunchen sein. Aber wir können ja Karussell spielen. Du brauchst dann nich so snell laufen. Das kleine Pferdchen im Park läuft auch ganz langsam.“

„Ja, ja – Karuschell spielen!“ Mädi ist einverstanden. Bubi holt den Puppenwagen mit sämtlichen Spielgefährten herbei.

Mädi ist ja angebunden und kann nicht fort.

„Spielen meine Kinderchen auch schön?“ erkundigt sich Frau Annchen, die noch immer im Kinderzimmer arbeitet.

„Wundersön!“ versichert ihr Bubi.

Der Puppenwagen wird auch noch an die Telefonschnur gebunden.

Er soll das Karussell sein, und Mädi ist Braunchen. Sie soll den Wagen ziehen.

„Ihr werdet zuerst ’rausgesmeißt“, sagt Bubi zu den Puppen.

„Nachher dürft ihr alle einsteigen und mit dem Karssell fahren.“

„Nanu – was ist denn hier los?“ Puppe Elschen reißt ihre Augen weit auf, dass sie gar nicht mehr zugehen. Das Telefon ist doch kein Karussell! Seitdem Eischen unter der Pumpe gebadet wurde und auf dem Zaun getrocknet, sieht sie sehr verwahrlost aus. Ihre goldblonden Löckchen hängen ihr wie Borsten in das Gesicht. Das hübsche rote Kleid hat Flecken. Eine Nase hat sie überhaupt nicht mehr, die arme Puppe. Sie ist ganz eingedrückt, weil ein Kegel neulich daraufgerollt ist.

„Ja, was soll denn das bedeuten, Fräulein Eischen?“ fragt Puppe Lilli ganz erstaunt. „Ich habe schon einen Arm gebrochen. Soll ich mir vielleicht auch noch ein Bein brechen?“ Sie blickt ängstlich auf Bubi, der wieder an der Telefonschnur zerrt.

Auch Fifi knurrt misstrauisch. Nur Schnäuzchen und Nauke sind ganz bei der Sache. Den beiden gefällt das. Aber auch der lahme Hampelmann macht ein bedenkliches Gesicht.

Für kranke Leute ist das ein zweifelhaftes Vergnügen.

Bubi lässt sich durch das Gebrumm seiner Puppengäste nicht stören. Er hört nicht einmal, dass sie schimpfen. Er kann es ja gar nicht hören, weil er selber so laut: „Limone – limone!“

„So – nun is alles sön fertig. Bitte sön, einsteigen, meine Herrsaften!“ Puppe Elschen nimmt in dem Karussell Platz.

Lilli sitzt auf ihrem Schoß. Schnäuzchen springt mit einem Satz kopfüber hinein, so dass die Puppen erschreckt aufkreischen.

Nauke schlägt seine Pauke, denn Musik gehört zu einem richtigen Ringelspiel. Fifi hält es für besser, sich einmal die Sache von draußen anzusehen.

„Ein Pferd, Bubi – ein Schaukelpferd muss auch noch beim Karuschell sein – du musst noch Braunchen holen, Bubi“, verlangt Mädi.

„Aber du bist doch Braunchen“, wendet Bubi ein.

„Nein, nein, das arme Braunchen weint, wenn’s nich mit dem Karuschell fahren darf.“ Mädi gibt nicht eher Ruhe.

Braunchen wird aus seinem Stall geholt und auch an die Telefonschnur angebunden. Der alte Hampelmann reitet auf Braunchen.

„So – nun einmal los!“ Bubi knallt mit der Peitsche. „Immer im Kreis herum, Braunchen, wie im Karssell!“

Wie kann man denn im Kreis herumlaufen, wenn man an einer Telefonschnur hängt? Das Kunststück muss Bubi dem Mädi zuerst vormachen. Der kleine Karussellbesitzer sieht das nicht ein. Wieder schlägt er mit der Peitsche auf die Waden seiner kleinen Schwester. Mädi springt wie besessen in die Höhe und brüllt wie am Spieß.

„Pfui, wie grob!“ Sämtliche Puppen sind empört.

Von der einen Seite stürzt Frau Annchen herbei, von der anderen Minna, den Mülleimer noch in der Hand.

„Na, wo brennt’s denn, Kinder?“

„Au, meine Beine, der dumme Kutscher haut mich so!“

Mädi schmiegt sich hilfesuchend an Frau Annchen.

„Aber Bubi, schämst du dich denn gar nicht, dein Schwesterchen zu hauen? Noch dazu, wo ihr Zwillinge seid?“ sagt Frau Annchen vorwurfsvoll und streichelt mit ihren rauen Händen zärtlich Mädis verweintes Gesicht.

„Sie is doch gar nich mein Schwesterchen, sie is doch jetzt Braunchen. Braunchen is doch nich mein Zwilling“, verteidigt sich Bubi. Er hat auch Tränen in den Augen. Es tut ihm leid, dass er Mädi weh getan hat.

Frau Annchen hat nur Augen für das arme kleine Mädchen.

Sie sieht gar nicht, was für eine merkwürdige Leine die Kinder zum Spielen benützen.

Aber Minna entdeckt es. Sie stellt vor Schreck ihren Mülleimer mitten auf den Teppich. „Jetzt hört sich aber alles auf! Was hängt denn da für eine ganze Gesellschaft an der Telefonschnur? Ihr dürft doch gar nicht an das Telefon!“

Die Puppen rufen: „Wir können nichts dafür!“ Aber Bubi übertönt sie.

„Das Telefon hat so laut klinglinglingling gesreit. Kein Frau Annßen, keine Minna hat gehört. Vati und Mutti sind auch nich da, da muss doch Bubi oder Mädi mit dem Telefon sprechen.“ Das müssen doch Minna und Frau Annchen einsehen.

„Die Omama is doch im Telefon drin gesessen und hat uns eingeladen. Da muss doch Bubi hineinschauen.“ Das gute Schwesterchen hat schon wieder vergessen, dass Bubi ihr weh getan hat. Sie ist sein Zwilling, so muss sie zu ihm halten.

„Hundert Augen müsste man bei den Krabben haben“, sagt Frau Annchen. Bubi findet, dass zwei Augen schon genug sind, um alle Fehler zu entdecken.

Mädi wundert sich: „Hundert Augen hascht du, Frau Annchen? Machst du die alle zu, wenn du schläfst?“

„Nein, eins bleibt immer offen, damit ich sehe, ob ihr auch keine Dummheiten macht“, sagt Frau Annchen.

„Aber nachts, wenn es dunkel is, dann kannscht du ja gar nicht gucken“, ruft Mädi.

„Wie ich ins Sternenland gefahren bin, das hast du überhaupt nich gesehen, Frau Annßen. Da hast du mit all deinen hundert Augen gesnarcht“, lacht Bubi sie aus.

Frau Annchen lacht mit. „Na wartet, wenn ihr mich auslacht!“ sagt sie. Aber ihr freundliches Gesicht sieht dabei gar nicht böse aus. „Nun komm her, Mädichen, lass dich zuerst wieder abschirren. Ja, was hängt denn da noch alles dran!“

Es ist gar nicht so einfach, die ganze Gesellschaft wieder loszumachen. Denn Bubi hat sein Karussell sehr fest an die Telefonschnur angeknotet. Frau Annchen bemüht sich, den Knoten zu lösen. Da aber läutet es schon wieder. Diesmal ist es aber nicht das Telefon, sondern die Türglocke.

Minna kommt gleich darauf mit erschrecktem Gesicht zurück.

„Ihr habt ja was Schönes angestellt. Da ist ein Beamter vom Telefonamt. Er sagt, unsere Leitung ist gestört, er muss nachsehen. Da ist er schon selber.“

Ein Mann in grauer Uniform tritt in das Zimmer.

Auf einmal ist Bubi verschwunden. Er hält es für besser, den Lauf des Geschehens vom Kinderzimmer aus zu beobachten.

Am Ende will der Mann ihn und Mädi in das Gefängnis stecken, weil sie das Telefon gestört haben.

Mädi würde auch gerne davonlaufen. Aber leider ist sie ja noch am Telefon festgebunden. Sie kann nicht weg, sosehr sie auch zerrt und zieht.

„Ja, was ist denn hier los?“ fragt der Mann verwundert.

„Ach, lieber Onkel Telefon, wir haben nur ein bisschen Karuschell bespielt, Bubi und ich“, sagt Mädi herzklopfend.

„Bitte, bitte, tun Sie uns nichts!“

Der Mann lacht und fährt Suse über die kurzgeschnittenen Haare. „Nur weil du es bist, mein Kleiner, will ich noch einmal ein Auge zudrücken. Aber das Telefon ist kein Spielzeug.

Das merk dir. Ich habe noch mehr zu tun und viel wichtigere Dinge.“

Er bindet Mädi von ihrer Leine los. Dann kommt Braunchen an die Reihe. Zuletzt wird noch der Puppenwagen losgemacht. Die Insassen machen genauso ein ängstliches Gesicht wie Mädi. Nun legt der Beamte den Hörer auf die Gabel: „So, jetzt wäre die Sache wieder in Ordnung.“

Bubi wagt sich auch wieder aus dem Kinderzimmer. „Onkel Telefon, wohnst du da drinnen?“ Bubi zeigt auf das Telefon.

„Oh du lieber Gott, da ist ja Nummer zwei!“ lacht der Mann.

„Soll ich dich einmal hier in das Telefon einsperren?“

„Ja“, sagt Bubi erfreut. „Bitte, Onkel Telefon, bitte sön, sperr mich ganz snell ins Telefon ’rein.“ Bubi möchte nur zu gerne wissen, wie es da drin aussieht. Ob da wirklich eine Omama drin sitzt?

Der Beamte nimmt den Buben auf den Arm.

„Na, dann nur hinein mit dir!“

Aber Mädi brüllt wie am Spieß. „Mein Bubi soll nich in das dumme Teleton eingesperrt werden.“ Das Kind regt sich entsetzlich auf. „Der Onkel macht ja nur Spaß“, beruhigt sie Frau Annchen.

Wirklich, der Mann setzt Bubi wieder feindselig an. h, nein, auf den Boden. „Na, diesmal will ich es noch verzeihen. Aber wenn ihr noch einmal mit dem Telefon spielt, dann werdet ihr beide in den Telefonkasten eingesperrt. Auf Wiedersehen!“ und weg ist er.

„Das war ein guter Onkel Teleton!“ sagt Mädi anerkennend.

„Ob es wirklich so finster da drinnen ist?“ überlegt Bubi.

„Wehe, wenn ihr noch einmal das Telefon angreift!“ droht Frau Annchen.

Aber Mädi und Bubi schütteln die braunen Köpfchen.

Nein, ihr ganzes Leben spielen sie nicht wieder Karussell mit der Telefonschnur.

Bei der Omama


      Heute dürfen Bubi und Mädi wirklich die Omama besuchen.

Das macht den Kindern immer ganz besondere Freude.

Frau Annchen zieht sie dann immer sehr schön an. Beide tragen weiße Blusen, die Mutti in wunderschönen bunten Farben bestickt hat. Bubi hat ein dunkelblaues Höschen an, Mädi ein dunkelblaues Röckchen.

Neidisch sehen die Puppen aus ihrem Wagen zu, wie schön die Kinder heute angezogen werden. Ach, so gerne würden sie sich auch von Mädi schön anziehen lassen und zur Omama mitgehen! Puppe Eischen möchte besonders gerne mitgehen. Wozu hat sie das gleiche hübsche Kleidchen wie ihre Puppenmutti, wenn sie immer nur in dem langweiligen Puppenwagen liegen soll und nie von Mädi angezogen wird?

Die Omama würde sich sicher sehr freuen, wenn Mädi sie mitbrächte. Die Omama kann nämlich die Puppe Eischen gut leiden. Erst neulich hat sie für Eischen den zierlichen Sonnenschirm mitgebracht. Die Omama weiß, dass auch Puppen gerne ausgehen. Aber Mädi denkt nur an ihr eigenes Vergnügen.

Sie schaut ihre Puppenkinder nicht an, sagt den Armen kein Lebewohl. Nur Braunchen bekommt einen Abschiedskuss mitten auf sein braunes Maul.