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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2020 Oliver Jungwirth
Lektorat: Creative Turtle Productions
Korrektorat: Creative Turtle Productions
Coverdesign und -gestaltung: Creative Turtle Productions
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9-783751-992640
Für Christian Grill.
„Wir werden jetzt eine Menge Spaß haben. Drück einen Knopf.“
- Ka-Efka (letzter noch lebender Handkopfler)
Ich sitze vor dem Bildschirm und schlage mit dem Kopf gegen die Tischplatte. Es ist kein Unfall. Es ist eine natürliche Reaktion auf den Mangel an Fairness im Universum. „Warum?“, frage ich mich. Sicher zum zwanzigsten Mal in der letzten Stunde. Warum muss das alles so kompliziert sein? Es ist zum … zum … Kopf auf den Tisch knallen.
Dabei wollte ich doch nur einen Film rendern. Mehr nicht. Ich wollte nur einen Film, den ich gedreht und geschnitten habe, als kompletten Film speichern.
Einen Film rendern.
Das kommt am Ende. Nach dem Drehbuch. Nach dem Casting. Nach dem Suchen der Drehorte, dem Dreh, dem Daten sichern, dem Schneiden und der Postproduktion. Der letzte Schritt. Soll das alles umsonst gewesen sein?
Dabei klingt es so einfach. „Und dann renderst du den Film.“ Fertig. Der Film sollte fertig sein. Das wäre wichtig, immerhin ist morgen Abend die Premiere. Im Kino. Und der Saal ist ausverkauft. Warum dann, warum passt er nicht auf eine DVD? Was muss ich einstellen, damit er immer noch gut aussieht und trotzdem drauf passt? An welchen Schrauben kann ich drehen?
Ich seufze.
Geben wir die Sache doch mal in eine Suchmaschine unserer Wahl ein. Was haben wir dann? Wir haben 1.000 Antworten, die sich in etwa so gleichen wie sich alle Bäume gleichen. Von der Ferne vielleicht. Filmemachen allerdings, zwingt uns dazu, näher hinzusehen. Dann erkennen wir die Unterschiede. Und die sind teilweise riesig.
Was hätte ich damals gegeben, hätte mir jemand einfach gesagt: Auf eine DVD? Eine normale DVD mit 4,7GB-Speicher? Da stellst du folgendes ein, damit das passt. Für deine Zwecke reicht das auf jeden Fall.
Das war mein Wunsch damals: Jemand, der oder die meine Fragen nicht mit einer Millionen Gegenfragen beantwortet, sondern mir kurz und bündig und praktisch sagt, was ich wie machen kann. Im Extremfall wären mir auch zwei oder maximal drei Optionen recht gewesen. Man ist ja immer noch ein bisschen flexibel. Was ich jedoch nicht gebraucht habe sind Tausende Foreneinträge, Tipps und Informationen, bei denen ich nicht einmal verstanden habe, was die Leute teilweise von mir wissen wollten, damit sie mir weiterhelfen können.
„Ich will doch nur einen Film rendern!“, schreie ich in meinem Kopf. „Das ist doch keine Raketenwissenschaft! Das muss doch einfach gehen!“
Tatsache: Ich lag falsch. Es ist eine Wissenschaft. Und damit meine ich nicht den technischen Teil, sondern das gesamte System „Filmdreh“. Und alle Teile greifen ineinander. Hast du am Anfang Mist gebaut, dann musst du es am Ende ausbaden.
So ist das.
Und weit und breit ist niemand zu finden, der oder die kurz und für einen Laien wie mich in verständlichen Worten erklärt, was welcher Begriff heißt und wie ich am besten vorgehen soll. Und Hand aufs Herz: An gut gemeinten Tipps und Ratschlägen hat es nicht gemangelt. Es gibt unter Filmemachern/innen nur dieses kleine Problem: Machen sie zu lange Filme (sobald sie wissen, wovon sie sprechen), dann sprechen sie keine verständliche Sprache mehr. Ehrlich. Bei Informatikern ist es genauso. Normalsterbliche wie wir hören uns dann an, was uns gesagt wird, nicken mit großen Augen und tun so, als würden wir genau wissen, worum es geht.
In Wahrheit klingt das meiste davon in etwa so: „Du steht an einem Fluss. Der Fluss ist gelb. Fällst du jetzt einen Baum, dann ist der Sack Reis in China vergrößert worden und der Kaugummi schmeckt nach Erdbeeren. Also musst du dein Auto woanders parken, damit der Koala Seiltanzen kann. Alles klar?“
Ja. Natürlich.
Alles klar.
Ich habe nur eine Frage, … eine klitzekleine, unwichtige Frage …
„Welche Sprache sprichst du verdammt?!“
So ging es mir oft und bei diversen Details (Kompressoren bei Audio zum Beispiel) geht es mir hin und wieder immer noch so. Nach vielen Gesprächen mit anderen angehenden NO-Budget- und Hobbyfilmern/innen, fiel mir allerdings etwas auf: Ich konnte den meisten davon Tipps geben, wie sie praktisch und rasch ihre Wünsche umsetzen konnten und die meisten ihrer Fragen beantworten. Scheinbar sogar in einer verständlichen Form.
Irgendwann meinte dann jemand: „Kannst du das nicht als Buch zusammenfassen? Ich bin es satt, dich jeden zweiten Tag wegen sowas anzurufen und die Suchmaschinenergebnisse klingen für mich in etwa so: ‚Du stehst an einem Fluss. Der Fluss ..:‘“.
„Ja“, unterbreche ich ihn. „Das kenne ich.“
Und dann überlege ich.
Und entscheide, dieses Buch hier zu schreiben.
Oliver Jungwirth
Juli 2017
Mit viel Geld lässt sich Tolles produzieren, siehe Transformers ;-), mit wenig bis keinem Geld, ist das schon schwieriger.
Mein Ziel war es, mit unter 30, einen Kriminalkommissar im TV oder auf der Leinwand zu spielen. Kurzerhand entschied ich mich, nicht abzuwarten, dass ein/e andere/r mir diese Rolle anbietet, sondern schrieb das Drehbuch einfach selbst.
Das Filmemachen ist eine komplexe Angelegenheit und das Drehbuch ist zwar ein wichtiger Teil in der Umsetzung, jedoch eben nur ein Teil und bei weitem nicht alles!
Was spielt noch alles mit? – Ton, Kamera, Schauspieler/innen, Regie, Produktion und endlos viel mehr! Was eigentlich genau? - Ich will ja keinen Hollywoodfilm machen, also was ist wichtig? Und wie finanzieren? Wen fragen? Wen ins Vertrauen ziehen? Wer klaut dir deine Ideen und dein superoriginelles, bisher noch nie dagewesenes, Drehbuch nicht?
Es war unumgänglich über meinen Schatten zu springen und die Fühler auszustrecken nach Leuten, die schon Erfahrung mit dem Filmemachen hatten. Gott sei Dank gibt es heutzutage die Sozialen Medien mit ihren diversen Gruppen, die ich nutzte, um das Vorhaben kurz zu umreißen.
So lernte ich auch Oliver kennen. Er meldete sich schnell darauf und meinte, ihm gefiele die Idee. Er würde gern mitarbeiten und versuchen, dort zu unterstützen, wo er selber, der schon Filme gemacht habe, Schwierigkeiten hatte. Außerdem meinte er, entbehre es nicht einem gewissen Vergnügen, mal nicht der Hauptverantwortliche einer Produktion zu sein, sondern gelassen mitwirken zu können und sofern gewollt, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Ich konnte es nicht glauben und fragte nochmal nach, ob er das ernst meint, immer mein kostbares Drehbuch im Hinterkopf, das ich ja nicht so mir nichts dir nichts einem Wildfremden schicken konnte.
Oliver antwortete, dass er das natürlich ernst meine, sonst würde er sich doch die Arbeit gar nicht machen, mir so ausführlich zu antworten. Und nur nebenbei, Ideenklau komme zwar theoretisch auch immer wieder vor, keine Frage, allerdings sei das nun auch wieder nicht so einfach zu bewerkstelligen wie man glaubt. Willst du einen Film umsetzen, dann musst du zwangsläufig dein Buch an viele, viele Leute schicken, die du kennst oder eben zu einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht kennst, denn einen Film alleine zu machen, ist schlichtweg nicht möglich. Das ist im Hobbybereich genauso wie im professionellen Business.
Also überwand ich mich, schickte Oliver mein Script und das war nicht nur der Anfang einer Arbeitsbeziehung, sondern auch einer Freundschaft und eines Abenteuers mit jeder neuen Produktion, die auf uns zukommt.
Neben vielem anderen, nimmt euch dieses Buch einerseits die Hürde, einem Wildfremden euer Drehbuch, eure kostbaren Ideen anvertrauen zu müssen, um einen Einblick ins Filmemachen zu erhalten. Und diese Art der Sicherheit für Künstler/innen (und das ist man ohne Frage, sobald man Filme macht) halte ich für sehr angenehm. Als Künstler/in ist man sensibel und das, was man ausdrücken und der Welt mitteilen will, hat immer einen Grund und ist oft sehr persönlich. Kann man Vertrauensbrüche, Verletzungen und Kränkungen auf dieser Ebene minimieren, dann ist das verdammt gut. Und das ist mit diesem Buch der Fall.
Andererseits regt es an und gibt Anleitungen, sich gleich praktisch auszuprobieren. Und ein/e Filmemacher/in zu sein, bedeutet eben genau das: Filme machen! Je mehr, je besser. Filme sind Übungen, Erkenntnisse, sind nie perfekt. Lässt man nicht los und schließt nie ab, sind sie auch nie fertig. Trotzdem sind sie immer mit einer persönlichen Entwicklung verbunden, sei es künstlerisch als auch menschlich. Als Oliver mir davon erzählte, dass er an diesem Buch arbeitet, sah ich es als Unterstützung für jene, die eben diesen Weg bis zum fertigen Film gehen wollen.
Denn eins sei gesagt: Was ich an Oliver (neben seiner kreativen Ader, seinem Humor und dem unglaublich hohen Output) schätze ist, dass er andere Filmemacher/innen oder Filmemacher/innen in spe unterstützen möchte. Es geht ihm um die Sache! Ein Drehbuch, das in einer Schublade verstaubt, eine Idee, die auf einem Post-it unter dem Kopfkissen, zwar weich, jedoch unverwirklicht, liegt, nützt niemandem!
Also schnappt euch das Buch, lehnt euch zurück oder bewaffnet euch gleich mit einer Kamera und lest, studiert, lacht über und leidet mit an den Erfahrungen die Oliver bisher gesammelt hat.
Und vor allem, habt Spaß damit!
Einen fertigen, nein, euren fertigen Film in Händen zu halten, ist eines der schönsten Dinge, die man sich vorstellen kann.
Viel Erfolg, ihr Filmemacher/innen!
Alexander Knaipp
Schauspieler, Regisseur, Autor
Zusammengefasst: Es spart euch Zeit, Nerven und eigene schlechte Erfahrungen. Es befähigt euch dazu, trotz widriger Umstände euren Film zu drehen.
Jeder Filmdreh hat seine Tücken und jedes Filmprojekt ist eine Herausforderung. In meinen zwanzig Jahren als Filmemacher habe ich so ziemlich jeden Fehler gemacht den man machen kann (allen voran die Arroganz zu glauben, ich würde alles besser wissen als der Rest) und kann deshalb ziemlich viel über diese Fehler und wie man sie vermeidet erzählen.
Darüber weiß ich was, weil ich als No-Budget bzw. Low-Budget-Filmer immer darauf achten muss, den Dreh so rasch, effektiv und effizient wie nur irgendwie möglich zu strukturieren, da Zeit Geld ist und wir kein Geld hatten. Zusätzlich hatten viele (alle) Mitwirkenden auch Brotberufe, was naturgemäß zu begrenzten zeitlichen Ressourcen führt. Die muss(te) man also sehr gut nutzen.
Ich kann euch also einen Leitfaden anbieten, wie ihr mit den widrigsten Situationen zumindest so fertig werdet, dass ihr eure Szenen abgedreht habt und ihr euren Film schneiden könnt. Zusätzlich werdet ihr sehen, wie man das hinbekommen kann ohne in Streitigkeiten auszubrechen oder durch langwierige Diskussionen den Dreh zu verzögern.
Habt ihr noch keinen Film gedreht und lebt in der Idealvorstellung, dass ein Filmset immer fröhlich und entspannt ist, dann sei euch gesagt: Dem ist nicht so. Es gibt Stress. Es gibt Zeitdruck. Es gibt eine Menge Dinge, die falsch laufen können – auch auf zwischenmenschlicher Ebene (die in den meisten Büchern völlig außer Acht gelassen wird). Auch dazu findet ihr in diesem Buch ein paar Tipps.
Natürlich bedeutet es nicht, dass dieses Buch euch den Plan zum perfekten Film liefert. Das kann es gar nicht. Dazu sind die Geschmäcker viel zu verschieden und die Meinungen, was ein „perfekter Film“ ist, gehen zu weit auseinander. Was ich jedoch verspreche ist, dass ihr mit diesem Buch einen guten Ratgeber bzw. ein gutes Handbuch besitzt, welches euch dazu befähigt euren Film mit möglichst wenig Kompromissen umzusetzen.
Als Punkt auf dem i (auch bekannt als „I-Tüpfelchen“) gibt es noch kurze, einfache und einleuchtende Erklärungen. Ich habe mich wirklich bemüht, die nächsten Seiten so zu schreiben, dass auch absolute Anfänger damit was anfangen können. Dazu habe ich mehrere Menschen, die weder mit Film, Fotografie, Digitaltechnik oder Musik zu tun haben, die folgenden Seiten lesen lassen um etwaige unverständliche Formulierungen oder vorausgesetztes Wissen, welches ich übersehen habe, so einfach wie möglich zu erklären.
An dieser Stelle auch gleich eine Entschuldigung an die Profis, die dieses Buch vielleicht in die Hand bekommen: Dieses Buch ist nicht für euch geschrieben. Ein paar der darin vorkommenden Erklärungen werden euch mit Sicherheit viel zu stark vereinfacht erscheinen. Das ist der Preis für eine verständliche Sprache. An manchen Stellen habe ich mir allerdings erlaubt auf weiterführende/vertiefende Lektüre hinzuweisen. Sollte also jemand den Drang haben sich mit diversen Themen tiefergehend zu befassen, dann findet ihr auch hier Verweise an die (meiner Ansicht nach) richtigen Stellen.
Ich habe mit Kurzfilmen begonnen und mittlerweile meinen fünften Langspielfilm gedreht und ich möchte festhalten, dass es den einen richtigen Weg einen Film zu drehen schlichtweg nicht gibt. Hier in diesem Buch findet ihr einen Weg einen Film zu drehen. Nämlich meinen.
Mein Weg ist von keiner Filmschule auf Kurs gebracht worden. Mir wurde nie gesagt, was ich wie machen darf und wie nicht. Ich habe einfach gemacht und dabei Erfahrungen gesammelt, die ich euch hiermit weitergebe. Denn mein Weg funktioniert praktisch und einfach.
Und das wird er auch für euch tun.
Euer
Oliver Jungwirth
30. März 2020
Nach reiflicher Überlegung (und vielen Diskussionen mit vielen Leuten, die wertvolle Anregungen einbrachten) habe ich beschlossen, den Filmprozess chronologisch durchzugehen. Ihr müsst das Buch jedoch nicht chronologisch von vorne bis hinten durchlesen (was ich dennoch hiermit empfehle, es ist nämlich nicht nur informativ, sondern auch sehr unterhaltsam geworden). Es ist natürlich auch möglich, einfach in das Kapitel oder Thema einzusteigen, welches euch aktuell am meisten interessiert.
Um die Informationen/Tipps/Tricks/Erfahrungen in diesem Buch besser einordnen zu können, gebe ich euch zuerst mal einen groben Überblick über mich. Wer bin ich, wie komme ich zum Filmen, welche Filme mache ich überhaupt und kann man die wo sehen. Nicht, weil ich zwingend Eigenwerbung machen möchte, sondern weil ich Fan von „Kontext“ bin.
In anderen Worten: Die folgenden Seiten beinhalten teilweise vielleicht drastische Aussagen, die nur mit Kontext richtig zu verstehen sind.
Ich vergleiche das immer mit einem Verwandten von mir, der in einer großen, internationalen Firma arbeitet und das Dreifache von dem netto (Steuern schon abgezogen) verdient, was ich brutto (Steuern müssen erst abgezogen werden) verdiene. Wann immer er mir erklärt, dieses oder jenes sei gar nicht teuer, dann weiß ich bereits – das kann ich mir nie leisten. Das meine ich mit Kontext. Aussagen, bei denen man nicht weiß von wem sie kommen, sind meist nicht wirklich wertvoll.
Deshalb Teil 1 dieses Buches: Die Vorgeschichte (oder: Warum ich euch was über das Filmemachen erzählen kann. Eine kurze Geschichte in vier(einhalb) Akten).
In diesem Teil umreiße ich grob meinen Werdegang, erzähle von meinen Filmprojekten. Außerdem werde ich euch sagen, wo ihr euch die Filme (zum Teil gratis) angucken könnt. Erwartet euch keine Meisterwerke – ich will euch ja zeigen, dass Filmemachen ein Lernprozess ist und welche Fehler man machen kann. Dazu eignen sich meine (früheren) Werke blendend. Tut mir leid, ich greife voraus.
Im zweiten Teil des Buches, welcher klar der längere Teil sein wird, geht es um das Filmemachen. Nicht nur um den Dreh an sich, sondern um das gesamte Paket. Dazu habe ich den Prozess in mehrere Phasen eingeteilt, die zwar unabhängig voneinander sind, allerdings auch teilweise ineinandergreifen und sich vor allem gegenseitig brauchen. Denn nur alle Phasen zusammen ergeben einen Film.
Phase 1 sind die Vorbereitungen. Was brauchen wir, bevor wir überhaupt andenken können eine Kamera in die Hand zu nehmen. Denn nur weil man etwas gefilmt hat, hat man noch keinen Film. In Phase 1 „Vorbereitungen“ geht es um grundlegende Dinge, die ihr euch vor Augen führen solltet und die für den gesamten weiteren Verlauf eures Filmprozesses wichtig sind, weil sie der Anker sind, zu dem ihr immer wieder zurückkehren werdet.
In „Phase 2: Vorproduktion“ beginnen dann das Handwerk und der wirkliche Entstehungsprozess. Da geht es um ganz praktische Dinge, wie Drehbuch, Storyboard, Cast und Crew und vieles weitere.
„Phase 3: Produktion“ behandelt dann den Filmalltag vor Ort, am Set. Mitten im Geschehen, sozusagen. Da geht es darum, wie ihr trotz ausbrechender Panik einen kühlen Kopf bewahren und trotz aller Widrigkeiten euren Film fertig drehen könnt.
Dann geht es in die „Postproduktion“ genannte Phase 4. Hier ist der Schnitt dran, der Ton, die Farbkorrektur und alles, was getan werden muss, um aus den vielen Stunden an brauchbarem Material, welches ihr im Kasten habt, doch tatsächlich euren Film zu basteln.
Es folgt ein kleines Intermezzo namens „Tal der Verzweiflung“ auch bekannt als „Tal der Tränen“. Was genau das ist, erkläre ich später. Kommt ihr bei eurem Dreh an diesen Punkt, dann werdet ihr es mit Sicherheit merken. Wir landen übrigens alle dort. Der Unterschied zwischen „Scheitern“ und „Erfolg“ entscheidet sich oftmals in dieser Phase. Behaupten Filmemacher/innen, sie würden das „Tal der Tränen“ nicht kennen, dann nennen sie es vielleicht anders. Oder sie lügen euch an.
„Phase 5: Nachbereitung“ ist dann die letzte Phase, die direkt mit dem Entstehen des Films zu tun hat und behandelt den Umgang mit gut gemeinten Tipps oder Kritiken von Menschen, die euch erklären wollen, was ihr alles anders machen müsst. Nicht allgemein, sondern ganz konkret bei eurem Film. Auch da wird der „Kontext“ nochmal wichtig.
Und dann – schlussendlich – geht es im dritten Teil darum, was zu tun ist bzw. was man tun kann, sobald der Film fertig ist. Immerhin sollen den ja auch Leute sehen. Eine Garantie, dass sich irgendjemand für euren Film interessiert, gibt es allerdings keine. Dazu sind die Geschmäcker zu verschieden und es hängt natürlich von eurem Film ab.
Der vierte Teil handelt davon zu seinem Werk zu stehen. Das ist im Grunde genommen alles und klingt sehr einfach. Ich werde ein wenig erzählen, welche lobenden und welche abwertenden Worte ich mir anhören durfte (dezenter Hinweis: Viele Menschen schaffen es nicht zwischen einem Werk und seinem Urheber zu unterscheiden) und wie man damit umgehen kann. Gerade Menschen, die ihren ersten Film drehen oder einen Film das erste Mal einer Öffentlichkeit vorführen, werden sehr rasch durch ihr Umfeld bzw. durch diese Erfahrung frustriert.
Leider kommt es auch bei (einigen wenigen) professionellen Filmemachern vor – für die Amateur/Low/No-Budget-Filmer wie wir ja eigentlich keine Gefahr darstellen sollten –, dass sie speziell in (A-)Sozialen Medien ganz rasch zu Hassmaschinen werden, sollten sie irgendwie den Eindruck bekommen, ihr könntet ihnen Geschäft wegnehmen. Das gilt übrigens bereits auch beim Casting – viele Schauspieler/innen scheinen es ihren Kollegen/innen absprechen zu wollen gratis bei einem Film mitzuarbeiten der ihnen Spaß macht. Das Thema ist alt und lang und wer viel Zeit hat kann ruhig mal auf Facebook ein paar Wochen lang diverse Casting-Aufrufe in diversen Gruppen verfolgen.
Sollte da also etwas in eure Richtung kommen, dann seid euch gewiss: Das hat nichts mit euch speziell oder persönlich zu tun (es sei denn natürlich die Person warnt konkret vor euch. Sollte dem so sein, dann wäre es gut darüber nachzudenken warum), sondern das ist generell in der Branche ein Thema (und hat als solches sicher seine Berechtigung). Das muss man einfach so akzeptieren.
Zum Abschluss halte ich noch ein paar Gedanken zum Thema „No-Budget vs Blockbuster“ fest. Ich finde das Thema einfach immer wieder spannend.
So – das war die Einleitung und bevor wir den Prozess des Filmemachens mehr oder weniger Schritt für Schritt durchgehen, klären wir mal die allerwichtigste Frage.
Egal was die Werbung, die Wirtschaft oder das Leben euch auch diesbezüglich bis jetzt gelehrt haben, beim Filmemachen gilt es nicht, denn – wir werden jetzt ganz offen über Geld reden.
oder: Was könnt ihr euch überhaupt leisten?
Ganz egal, was euch jemand erzählen will: Niemand macht einen Film ohne Geld. Das ist einfach nicht möglich.
Einwand: „Ich kann ihn doch auf meinem iPhone filmen!“
Schön – sollte es nicht gestohlen sein, dann hat auch das etwas gekostet.
„Mein Papa hat es mir geschenkt.“
Noch schöner: Schreib „Produziert von Papa“ in den Vorspann und alles ist gut.
Im Ernst: Ihr braucht Kameras und ihr braucht Menschen und ihr braucht Zeit und ihr braucht einen Schnittplatz und so weiter.
All das kostet Geld. Habt ihr das alles bereits: super. Dann könnt ihr euch natürlich vormachen, der Film hätte nichts gekostet. Tatsächlich hattet ihr einfach nur Glück, dass ihr euer Equipment bereits vorher gekauft habt. Das ändert nichts an der Tatsache, dass jemand ohne all diese Dinge keinen Film machen kann und diese Dinge Geld kosten.
Die größte Frage ist immer:
Wie viel kostet es, meinen Film zu drehen?
Die offensichtliche Antwort (und jene, die euch nichts bringt) lautet: Keine Ahnung.
Ich weiß ja nicht, was für einen Film ihr macht, was für Requisiten ihr benötigt und wo ihr drehen wollt. Wollt ihr einen Actionreißer drehen in dem alle fünf Minuten drei Autos explodieren, dann wird das wohl mehr kosten als ein Drama, in dem sich zwei Menschen zwei Stunden lang in die Augen schauen, bis am Ende einer sagt: „Du ... ich bin blind.“
Eine Antwort, die euch viel mehr bringt und auch viel ehrlicher ist:
Wie viel euer Film kostet, liegt daran wie viel Geld ihr ausgeben wollt.
Ich möchte das Wort „wollt“ stark hervorheben, denn dies ist der Schlüssel. Nicht können. Nicht müssen. Nein, „wollen“. Das beinhaltet eine große, wichtige Erkenntnis, nämlich, dass es eure alleinige Entscheidung ist.
Diese Entscheidung kann ganz verschieden ausfallen: Sind Sponsoren da, die € 100.000,-- in den Film investieren wollen (spart euch was für die Werbung auf!) – Gratulation.
Habt ihr keine Sponsoren, dafür selbst Geld gespart, dann: Gratulation.
Wollte ihr dieses gesparte Geld nicht ausgeben: Gratulation.
Es gibt hier kein richtig und kein falsch. Es gibt nur eine klare Entscheidung.
Eure Entscheidung.
Bedenkt allerdings ein paar Faktoren, bevor ihr euer Geld ausgebt oder eure Existenz aufs Spiel setzt (ja, solche Filmemacher/innen gibt es): Die Wahrscheinlichkeit am Ende einen Film zu haben liegt (nachdem ihr gerade dieses Buch lest) knapp bei 100%. Die Wahrscheinlichkeit Gewinn mit diesem Film zu machen, die ist ... nun, das ist eine andere Geschichte ... sagen wir mal sie ist am anderen Ende der 100%-Skala.
Gebt also nur Geld aus, das ihr nicht zurückhaben müsst.
Stürzt euch nicht in Kosten oder Kredite um euren Film zu machen. Kurz: Riskiert nicht, dass ein Flop euch privat in den Ruin treibt. Kein Film der Welt ist das wert (nein, nicht mal eine zweite Staffel von „Firefly“ wäre das wert).
Ja, ich weiß: Man hört immer wieder von Regisseuren, die ihr Haus verpfändet haben, um einen Film zu machen und die jetzt Millionäre sind (Oren Peli, der Macher von „Paranormal Activity“ hat das gemacht. Dessen Film wurde allerdings von Stephen Spielberg gesehen und dann gepusht. Glaubt mir: Das wird euch nicht passieren.).
Auf den einen, der es geschafft hat (und das war reines Glück), kommen Tausende, die in der Gosse gelandet sind. Die Entscheidung ist natürlich eure. Ich rate euch dennoch davon ab.
Jetzt kommt sicher der Einwand: „Na toll. Das ist eine Antwort. Ich habe ein Drehbuch, in dem ein Jet einen Hubschrauber vom Himmel pustet und das Finale spielt am Mond. Da geht es nicht ums Wollen – da geht es um die Kosten des Set-Baus.“
Sollte das in etwa einen Gedankengang von euch wiederspiegeln, dann liegt ihr ...
Ihr habt kein Problem mit den Kosten, sondern ein Problem mit eurem Blickwinkel.
Weil es nicht um die Kosten dieser Szene geht, sondern darum, was diese Szene zum Film beiträgt und ob es einen Weg gibt den „handlungstechnischen Informationsgehalt“ der Szene anders (und kostengünstiger) darzustellen.
Wer seine Geschichte (Geschichte, nicht Szenenfolge! Geschichte! – zu diesem wichtigen Unterschied folgt später mehr) erzählen will findet einen Weg.
Einen Weg die Szene in welcher der oben erwähnte Jet den Hubschrauber vom Himmel pustet anders darzustellen.
Oder die Frage zu stellen, was der Sinn dieser Szene ist und ob man den wichtigen Handlungspunkt auch anders ins Drehbuch schreiben könnte.
„Weil es cool aussieht“ ist kein Handlungspunkt. „Cool aussehen“ kommt später. Jetzt kommt: Was will ich ausgeben, um meinen Film zu machen.
Wir können das jetzt drehen und wenden und diskutieren und noch eine Nacht drüber schlafen, bei ein paar Bier heftig streiten und am nächsten Tag wird die Frage immer noch sein:
Wie viel willst du ausgeben?
Habt ihr darauf eine Antwort, dann könnt ihr mit dem Rest beginnen.
Schauspieler zu teuer? Tut mir leid, wir müssen einen anderen suchen.
Die Requisiten kosten zu viel? Welche können wir uns sparen? Die Drehorte sind zu teuer? Dann müssen wir die Szene woanders spielen lassen.
Eine gute Geschichte ist nicht auf Orte oder bestimmte Szenen beschränkt. Eine gute Geschichte ist eine Reise, ein Prozess, ein Konflikt, die Wandlung eines Charakters. Punkt.
Immer wieder höre ich von Menschen, die gerne einen Film machen würden, dass sie es nie schaffen werden, weil
zu teuer wären und sie deshalb niemals die Finanzierung zusammenbekommen würden.
Es tut mir ein bisschen weh, das hier schreiben zu müssen, jedoch: Diese Menschen haben keine Idee für eine Geschichte. Sie haben Ideen für Szenen die einander folgen. Und sie haben sich in die Optik dieser Szenen verliebt.
Das ist okay. Das ist legitim (und dazu später mehr). Das ist meiner Erfahrung nach allerdings in unserer Budgetbranche meistens zum Scheitern verurteilt.
Zurück zum Thema:
Schreibt es euch auf den Spiegel im Bad.
Bastelt ein Mandala daraus und hängt es ins Wohnzimmer.
Engagiert einen Piloten und lasst ihn ein Banner über den Himmel ziehen.
Ganz egal was ihr sonst noch macht und wie ihr es macht, nur seid euch einer Sache absolut und zweifelsfrei klar:
Euer Film kostet, was ihr für ihn ausgeben wollt.
Punkt.
oder: Warum ich euch was über das Filmemachen erzählen kann. Eine kurze Geschichte in vier(einhalb) Akten.
Kindheit und Jugend und ... Bücher?
Manchmal werde ich gefragt, ob ich immer schon ein Fan von Kino und von Filmen war. Ich glaube nicht. Abgesehen von den üblichen Fernsehserien, die man zu meiner Zeit geguckt hat („Tao Tao“, „Mask“, „He-Man“ und natürlich „Transformers“) und den späteren Highlights wie „Knight Rider“ kann ich mich nicht erinnern ein riesengroßer Fan von irgendwelchen Filmen gewesen zu sein. Sicher, es gab immer wieder welche, die ich mir unzählige Mal angesehen habe, das kam allerdings später und war wirklich sehr spezifisch (ich weiß zB, dass ich „American Fighter“ oder „Blastfighter“ oder die Realverfilmungen der „Turtles“ allesamt mehrmals gesehen habe. Das lag allerdings mehr an den coolen Helden. Das Medium war mir ziemlich egal).
In gewisser Weise ist es noch heute so. Ich liebe gute Geschichten. Ich liebe schräge Ideen. Und ich liebe es ein Fan von etwas zu sein. Das Format war für mich immer zweitrangig.
In jungen Jahren waren es wirklich zu 90% Bücher, die mich fasziniert haben. Ich bin stundenlang zu Hause im Zimmer auf der Couch gelegen und habe gelesen. Manchmal sogar so lange, dass ich nicht bemerkt habe, dass ein ganzer Tag vergangen ist. Wirklich gut kann ich mich an die „Burg Schreckenstein“-Bücher von Oliver Hasencamp erinnern. Die habe ich geliebt. Gelesen habe ich eigentlich fast alles was ich in die Finger bekommen habe. Auch Musik hat mich schon immer begeistert und spätestens ab Iron Maidens „Seventh Son Of A Seventh Son“ war es um mich geschehen. Man konnte ja sogar mit Musik Geschichten erzählen! Da war es nur noch ein kurzer Sprung zu Konzeptalben wie „The Wall“ (Pink Floyd) oder „Tommy“ (The Who) oder viel später die Alben von Ayreon oder Dream Theater oder Pain Of Salvation und vielen anderen.
Die Liebe zum Film kam bei mir eigentlich erst viel später. Ich kann mich sogar noch sehr gut daran erinnern. Es war nämlich, als wir das erste Mal einen Film gedreht haben.
Werkt Kunst, dann „Kunst-WerkT“ in NÖ
Ich war um die 20 Jahre alt, hatte gerade meinen Zivildienst abgeleistet und war mit ein paar Freunden zusammengesessen. Wir hatten über „Blair Witch Project“ gesprochen. Unsere Meinung war, dass es ja nicht schwer sein könne, so einen Film zu drehen. Also haben wir sturzbetrunken ein Drehbuch zu „A Bär Witch Projection“ geschrieben und uns dabei köstlich amüsiert.
Wir haben das Ding dann auch tatsächlich gedreht.
Da fing meine Leidenschaft für Film an.
Weil ich die Herausforderung mochte. Das Entwerfen der Geschichte und das Schreiben, nun, das hatte ich davor schon gemacht (seit meinem 14 Lebensjahr schreibe ich Kurzgeschichten, Romane und Texte für Lieder).
Neu war: Die Überlegung, wie man die Geschichte visuell umsetzen kann. Das Suchen von Mitwirkenden. Das gemeinsame Tüfteln an Problemlagen. Der Spaß am Set. Das Abenteuer des Unbekannten.
Wir haben eine Zeitlang regelmäßig Kurzfilme gedreht, sogar einen Verein namens „Kunst-WerkT“ gegründet (was hielten wir uns für witzig für das Wortspiel). Das Filmen lief meist so ab, dass wir uns getroffen und ein paar Schlagworte zusammengeschrieben haben. Dann wusste meist jemand einen coolen Drehort und wir sind hingefahren und haben aus dem Stehgreif mithilfe der Stichworte eine Story und einen Kurzfilm zusammengebaut.
Da kamen ein paar ganz witzige Sachen raus (Sollte dies hier jemand von damals lesen: „Frau #5“ sag ich nur. Oder „Toy Story Action“). Leider kann ich sie nicht öffentlich zeigen, da wir rechtlich geschützte Musik verwendet haben und wir erst später (man erinnere sich: Da war das Internet noch neu!) gemerkt haben, dass wir das gar nicht dürfen.
Jedenfalls lag es meist an mir, aus diesen Filmschnipseln und Handlungsideen dann so etwas wie eine zusammenhängende Story zu schneidern. So habe ich Schnitt gelernt. Und immer noch ist das der wirklich coole und herausfordernde Teil am Filmemachen: Aus dem gedrehten Material einen Film zu bauen, der dramaturgisch funktioniert, Spaß macht und noch dazu Sinn ergibt. Es war nicht immer einfach, so viel kann ich sagen.
Auf diese Art und Weise kamen gut fünfzehn Kurzfilme zustande, die zwischen drei und zehn Minuten lang sind und von dramatisch-düster über durchgeknallt-irre bis hin zu berührend-liebenswert alles abdecken.
Eines haben sie gemeinsam: Technisch sind sie eine Frechheit und sie sind ehrlich gesagt nicht besonders gut. Zumindest bei Unkenntnis der Entstehungsgeschichte. Hier ist das Werk definitiv ein Kind seiner Zeit. Oder des Wissensstandes seiner Macher/innen.
Nett formuliert: Wir waren sehr überzeugt von unserem Film und meinten er sei es Wert, weil er ja soooo lustig sei und sicher ein Hit werden würde. Leider hat die Welt unseren Humor nicht verstanden.
Weniger nett formuliert: Wir waren größenwahnsinnig, wussten nicht was wir taten und fielen so richtig auf die Schnauze.
Wir haben „A Bär-Witch Projection“ damals dem Sende-Verantwortlichen von „Most4tel-TV“ vorgespielt, der nur meinte: „Kommt wieder, sobald ihr einen Film habt. Ich bin mir nicht sicher, was das hier sein soll.“
Im Nachhinein: Ja, er lag richtig.
Es war zwar ein riesiger Spaß den Film zu drehen (und wir mussten einen Teil sogar ein zweites Mal drehen, weil wir im Winter begonnen haben und erst im Frühjahr damit fertig wurden. Wir drehten ihn jedoch nicht chronologisch. Also hatten wir Szenen im Film, bei denen sich im gleichen Dialog das Wetter im Hintergrund von Schnee auf grüne Wiese und retour verändert). „Gut“ war der Film nach allgemeingültiger Definition dennoch nicht.
Wir haben ihn dann sogar mehrfach offiziell vorgeführt (Gasthäuser mit großen Fernsehern und Videorekordern, da wir den Film nur auf VHS hatten).
Irgendwann während des Drehs der Kurzfilme habe ich mir von meinem sauer verdienten Geld einen Computer gekauft und da ich ein Windows-Nutzer bin hatte ich dadurch auch ein Schnittprogramm: MovieMaker!
Sehr viel einfacher geht es nicht. Für mich war das Programm eine wahre Fundgrube. Ich liebte es, damit zu experimentieren und zu gucken, was da alles ging.
Ein Beispiel: „Nehme ich 25 JPG-Bilder und blende jedes eine 25igstel-Sekunde ein, dann habe ich eine Sekunde Bewegtbild.“ Das war damals noch eine richtige Eigenerkenntnis und kein Allgemeinwissen! Heutzutage (und vermutlich auch damals schon) nennt man das „Animation“. Das geht heute natürlich viel leichter. Damals war ich jedoch so richtig sprachlos weil ich das Zuhause machen konnte.
(Für die jungen Menschen unter euch: Stellt euch vor, ihr könntet euch mit eurem Handy beamen. Richtig beamen. So unglaublich war das für mich. Das geht? Zuhause? Unglaublich! Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich vor Freude möglicherweise vielleicht angeblich ein bisschen geweint habe.)
Die neue Art von Vampir
Alles Gute hat mal ein Ende, heißt es. Und zumindest für „Kunst-WerkT“ stimmt das. Ich bin umgezogen, meine Weggefährt/innen haben sich in alle Winde zerstreut und ich saß in Linz. Hier begann der Filmemacher in mir aufzublühen. Nicht aufgrund von Linz (Linz war es genauso egal, dass ich Filme drehe, wie Wien oder irgendeiner Kleinstadt. Die Regel gilt leider: In Österreich bist du interessant, sobald du berühmt bist. Nicht davor. Dass man Interesse von außen davor viel nötiger hätte um bekannt zu werden, geht scheinbar an allen Medien völlig vorbei), sondern aufgrund der Menschen, die ich hier kennengelernt und im Laufe der nächsten Jahre immer mehr ins Herz geschlossen habe.
Durch mein Studium (Soziale Dienstleistungen) habe ich Steffi kennengelernt, die mehr oder weniger mein erster Kontakt in Linz war und die junge Dame hat mich dann (mehr aus Mitleid, denke ich) mal beim Fortgehen mitgenommen. Ich hatte gerade eine eher schlechte Zeit (Trennung einer langjährigen Beziehung, Auszug, neue Wohnung suchen und so weiter). An einem dieser Abende habe ich dann Martin, Daniel, Georg, und David kennengelernt.
Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und vor allem mit Martin war sofort ein guter Draht vorhanden. Gleicher Humor, gleicher Irrsinn und trotzdem bodenständig. Bei Daniel hat es ein wenig länger gedauert – manche Freundschaften brauchen halt ein bisschen. Georg war ohnehin unkompliziert und David, nun, David war immer bei allem dabei, wo man tüfteln musste. Also das perfekte Team sozusagen.
Irgendwann kam die Idee einen Vampirfilm zu machen. Die Gründe waren simpel: Es ist ein Monsterfilm. Also ein Horrorfilm. Und das Genre, welches am ehesten Amateurhaftigkeit verzeiht und wo man sich noch so richtig austoben kann, ist das Horrorgenre. Außerdem waren Vampire rein technisch betrachtet die perfekten Monster, denn für die braucht es nicht viel Aufwand für die Effekte.
Das Drehbuch zu „Bluadsauga“ enstand ziemlich rasch. Ohne jetzt viel darauf herumreiten zu wollen: Die Idee ist immer noch super und der Dreh war ein Spaß und ich verbinde viele tolle Erinnerungen damit. Und wir haben viel gelernt. Vor allem beim Schnitt und dem Entwickeln eines Drehbuches war „Bluadsauga“ der perfekte Anfang. Am Drehbuch habe ich viel mit Daniel gearbeitet. An der Kameratechnik mit David. Mit Martin am Design, vor allem der Vampire. Und mit Georg haben wir gebaut was halt zu bauen war.
Der Clou bei „Bluadsauga“ war unter anderem, dass er zu großen Teilen rückwärts erzählt wurde (also wie der Film „Memento“; von dem hatte ich auch die Idee geklaut). Auch die Drehortsuche war spannend.
Man darf nicht vergessen: Das war der erste Film für welchen ich passende Drehorte suchen musste, anstatt einen Drehort zu haben und eine passende Filmidee zu entwickeln.
Was ebenfalls wichtig war, war die Erfahrung mit den Specials für die DVD. Ich hatte mir eingebildet, ich müsste die Zuseher/innen darauf hinweisen, was sie alles im Film übersehen hatten und habe ein Special dazu gedreht. Da sitze ich nachts (immerhin mussten wir alle tagsüber arbeiten) vor dem Computer und erkläre den Leuten, was sie alles übersehen hatten. Es gab nämlich – und auch dazu später mehr – wirklich viele Details, die wir uns gut überlegt hatten, die im Film untergingen bzw. von den Seher/innen übersehen wurden.
So hing beispielsweise am Anfang des Films ein Plakat mit der Aufschrift „Zwei Damen im Spiel“ in der Wohnung der Hauptcharaktere. Das war ein dezenter Hinweis auf einen Twist am Ende des Films: Es gab zwei Bösewichte die zusammenarbeiteten.
Mit diesem Special wollte ich lediglich darauf hinweisen, dass wir uns wirklich was gedacht hatten bei der Szenengestaltung und den Hintergründen. Leider habe ich die Erklärungen – nochmals: Spätnachts, vollgepumpt mit Koffein – scheinbar sehr ungeschickt formuliert und mein „Special“ wirkte wohl, als würde ich den Zuseher/innen sagen, dass sie alle Idioten sind, weil sie das nicht gemerkt haben. Dumm gelaufen.
Wer also eine DVD von „Bluadsauga“ sein/ihr eigen nennt, der oder die darf sich glücklich schätzen, dieses kostbare Juwel an missverstandener Intention zu besitzen. Das ging dermaßen nach hinten los, dass mir heute noch meine Freunde in bestimmten Situationen ein kurzes „Was auch niemand gecheckt hat ...“ um die Ohren werfen, um mir mitzuteilen, dass ich gerade anders wirke als beabsichtigt.
DAS war wirklich eine wichtige Lernerfahrung: Filmmaterial interessiert sich nicht für Intention, es interessiert sich für Wirkung.
Seitdem nehme ich mir wirklich Zeit für solche Extras oder Auftritte, überlege mir im vorhinein, was ich wie sagen werde und zeige es anderen Menschen bevor ich es öffentlich stelle oder für alle Ewigkeiten auf DVD und/oder Blu-Ray brenne.
Gedreht haben wir den Film ohne Budget dafür mit viel Enthusiasmus. Martins Eltern hatten hinter dem Haus eine alte Bude stehen, in der durften wir drehen und uns auch mit Kunstblut austoben (selbst gemacht: Lebensmittelfarben (Erdbeere und Himbeere), ein klein wenig Schoko, Mehl, aufkochen und rühren, damit keine Klumpen entstehen). Den Rest in Linzer Parks, teilweise bei Bekannten und Freunden Zuhause und Teile in einem Café. Dort haben wir kostenlos Räume zur Verfügung gestellt bekommen, dafür blieben wir nach dem Dreh zu zehnt noch sitzen, tranken Kaffee oder Bier oder haben was gegessen. Die meisten Leute sind sehr nett und entgegenkommend, zumindest bei höflicher Nachfrage.
Die Schauspieler/innen waren durch die Bank Laien und einfach nur Freunde und Bekannte, die Spaß dabei hatten bei einem Film mitzumachen. Die Erkenntnis, dass Filmdrehen oft einfach auch lange und fade Wartezeiten beinhaltet, hatten wir davor alle nicht. Uns plagten auch technische Probleme, weil wir uns eine Kamera von einem Linzer Filmproduzenten ausleihen mussten, der uns – wie ich im Nachhinein vermute – einfach ein Auslaufmodell gegeben hat, welches er ohnehin entsorgen wollte. Was dazu führte, dass immer wieder etwas kaputt war und nach Ende des Drehs vermutlich kein Kamerateil an der Kamera mehr original war.
Von den Effekten her ist tatsächlich alles(!) im Film von Hand gemacht. Es gibt keine einzige CGI-Szene oder Aufnahme (CGI steht für „Computer Generated Image“, also ein im Computer digital erstelltes Bild oder Teil eines Bildes). Am Aufwändigsten waren natürlich die Masken für die Vampire, jedoch haben wir auch das hinbekommen. Da fällt mir ein: Eine CGI-Sache gibt es! Die Vampire. Die haben wir fotografiert und dann die Fotos in den Film eingebaut, allerdings hat Martin da die Zähne in Photoshop (glaube ich) angespitzt und verlängert. Ein minimaler CGI-Effekt und trotzdem: Ein CGI-Effekt.
Immer wieder mal werfe ich die DVD ein (oder gucke auf YouTube) und sehe mir „Bluadsauga“ an. Primär aus nostalgischen Gründen.
Das Studium, die Interviews, der tragische Film
Während ich mich bei „Bluadsauga“ ausgetobt habe, habe ich neben dem Studium und zwei Jobs einen zweiten Film gedreht. Mit den mir damals technischen Möglichkeiten und der Tatsache, dass es sich um ein Projekt für das Studium handelte, bin ich heute noch verdammt stolz auf diesen Film.
Das Thema von „Zeit/Raum“ lautet: Hinterbliebene von Suizid. Also Menschen, deren Angehörige (Eltern, Kinder, Geschwister) sich das Leben genommen haben und die jetzt damit klar kommen müssen. Gemeinsam mit Babara Payré haben wir uns für dieses Projekt an der FH entschieden, weil es zu diesem Thema in unseren Augen zwar einiges an Literatur gab, jedoch nichts für Außenstehende. Kein Buch zum Thema: „Sie kennen jemanden, dessen Kind sich das Leben genommen hat? Sie wissen nicht, wie oder worüber sie mit ihm/ihr sprechen oder mit ihm/ihr umgehen sollen? Wir haben ein paar Tipps für Sie!“. Und nun ... wir wollten das ändern.
Durch unsere damalige Studiengangsleitung Fr. DDr. Hedenigg bekamen wir Kontakt zu Josefine Mülleder, die eine Selbsthilfegruppe in Linz im Haus der Frau leitete. Sie stellte den Kontakt zu verschiedenen Familien her. Ein paar erreichten wir auch durch das Herumfragen im Bekanntenkreis und nach anfänglichen Schwierigkeiten (niemand wollte mit uns Fremden über dieses schwere, sehr persönliche, intime Thema reden) gelang es uns doch, ein Interview zu führen. Daraus entwickelte sich eine Eigendynamik, da unsere Gesprächspartnerin in ihren Selbsthilfegruppen von uns erzählte und dort meinte mit uns könne man offen und ehrlich sprechen.
Nach und nach führten wir Interviews mit vielen Menschen, die uns ihre tragischen und ergreifenden Geschichten erzählten. Es war eine unglaubliche Erfahrung und ich wünsche allen, ihren Schmerz zumindest in den Griff bekommen zu haben.
Lange Vorrede, kurzer Sinn: Die Arbeit an „Zeit/Raum“ war emotional ziemlich aufreibend. Das Drehbuch zu schreiben hat lange gedauert, da wir nichts falsch machen wollten. Immerhin waren wir es unseren Interviewpartner/innen schuldig, das Thema und ihren Umgang damit respektvoll und ohne Kitsch oder Pathos so echt wie möglich auf den Film zu übertragen. Wir hatten uns entschieden die vielen Lebensgeschichten, die wir gehört hatten, zu vier Geschichten/Situationen zusammenzufassen. Jede davon sollte visuell und auch in ihrem Inhalt, also dem Umgang mit der Situation, anders dargestellt werden.
Da hatten wir also Hermann (gespielt von Christian Grill, ein Studienkollege und guten Freund von mir), dessen Sohn sich das Leben genommen hat und der sich zu einem Interview bereit erklärt. Er sitzt vor der Kamera und erzählt relativ emotionslos, wie es ihm geht und wie sehr sein Leben sich verändert hat. Ein paar der besten und ergreifendsten Aussagen des Films kommen von ihm: „Alle sprechen von ihren Kindern. Warum darf ich nicht über meinen Sohn reden?“. Hermann geht mit dem Verlust genauso um: Er spricht darüber. Mit allen, die ihm zuhören. Deshalb auch die Idee mit dem Interview. Er ist der einzige Charakter von den im Film vorkommenden, der sich zu einem Interview bereit erklärt.
Dann gibt es noch Myriam. Ihr Sohn hat sich das Leben genommen. Ihr Teil des Films wird aus ihrem Blickwinkel, durch ihre Augen erzählt. Point-Of-View würde man sagen. Sie sieht sich auch nie selbst. Weder im Spiegel, noch in irgendwelchen reflektierenden Flächen. Sie führt einen inneren Monolog, der immer von ihrem Sohn handelt. Erst ganz am Ende (als sie ihren Mann umarmt) fährt die Kamera zurück und man sieht sie. Erst die Augen und die Anwesenheit anderer lassen sie selbst „als Person“ da/sichtbar/greifbar sein. Ansonsten ist sie immer bei ihrem Sohn.
Dazu kommt Sebastian. Dieser sitzt meist irgendwo, betrachtet sich selbst im Spiegel, liest viel über das Thema „Suizid“ und reflektiert die gesamte Zeit. Er denkt immerzu nach, fragt sich immerzu, was er hätte tun können. Ob er es hätte verhindern können. Alle seine Fragen drehen sich um sich und sein Verhalten. Deshalb ist er auch immer in der Mitte des Bildes. Er ist immer das Zentrum. Denkend. Am Ende trifft er auf jemand, der ihm eine helfende Hand reicht und ihm ein Gegenüber gibt. Da hört er auf, sich um sich selbst zu drehen.
Die vierte Geschichte dreht sich um Roswitha. Ihr Vater hat sich das Leben genommen und ihre Reaktion auf den Tod ist das Leben. Sie ist viel in der Natur. Im Wald. Beim Bach. Auf der Wiese. Sie schreibt Gedichte, Geschichten und nimmt sich Zeit für sich. Sie nimmt etwas Destruktives und erschafft daraus etwas Kreatives.
Der Film kam sehr gut an. Es interessierten sich auch einige Zeitungen für den Film. Am meisten freuten mich die Besuche einiger Interviewpartner/innen bei der Premiere. Da wir auch Feedback-Fragebögen ausgeteilt hatten, waren wir ob des positiven Feedbacks wirklich begeistert. Der Film wurde noch mehrmals aufgeführt und soweit ich weiß, wird er heute noch an der FH in OÖ im Unterricht verwendet.
Technisch war der Film nicht der riesengroße Aufwand. Das hätten wir auch nicht geschafft. Dennoch waren ein paar Teile schwerer zu drehen als wir erwartet hatten und es liegt am tollen Schauspiel der Mitwirkenden, dass der Film nicht ins Peinliche abgleitet, sondern real, greifbar und berührend ist. Danke an alle.