„Und der zweite Engel posaunte: Und etwas wie ein großer, mit Feuer brennender Berg wurde ins Meer geworfen; und der dritte Teil des Meeres wurde zu Blut.
Und es starb der dritte Teil der Geschöpfe, welche im Meer waren, die Leben hatten, und der dritte Teil der Schiffe wurde zerstört...“
(Offenbarung 8, Verse 8 und 9, nach der Elberfelder Bibel-Übersetzung von 1905)
Anmerkung hierzu: Dieser Bibeltext aus dem jüngsten Buch der Bibel wurde sehr wahrscheinlich zwischen den Jahren 81-96 nach Christus während der Zeit des römischen Kaisers Domitian verfasst. Betrachtet man das hier geschilderte Ereignis eher als einen allmählichen Prozess, dann könnte die Zerstörung der Schiffe darauf hindeuten, dass Fischerboote künftig mangels fangbarer Mengen an Fischen in den Häfen verrotten werden… Vielleicht sollte man die letzten Kapitel des Neuen Testamentes künftig viel ökologischer interpretieren, als dieses in der Vergangenheit getan wurde. Und wenn der Gott der Bibel tatsächlich ein liebender Gott ist, dann wird er die Menschen letztlich gar nicht für ihr frevelhaftes Tun strafen. Nein, er zieht sich einfach zurück und überlässt sie so den Folgen ihres eigenen Handelns… Ob sie wohl dann etwas daraus lernen würden?!?
Es herrschen warme Zeiten in der südlichen Nordsee. Jetzt, im Jahr 2020, hat die von der Mehrheit unserer Bevölkerung gar nicht gesehene Hitzewelle unter dem Meeresspiegel erstmals eine ganz neue Qualität erreicht. Denn die von der Väter Tagen her bekannte Jahreszeit namens „Winter“ erfreut sich hier seit Januar 2020 offenbar völliger Absenz. So meldete etwa das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 10.01.2020 vor den Ostfriesischen Inseln eine Temperatur von 10-11° Celsius. Zwar waren die Wassertemperaturen in Küstennähe etwas niedriger im einstelligen Bereich, doch waren sie immerhin noch so hoch, dass sich im Watt mit dem Rahmenkescher immer noch kleine Meerestiere einfangen ließen, die sonst eigentlich lieber in tieferen Wasserzonen überwintern. Und auch die Felsengarnelen der Hafenspundwände waren immer noch präsent. Bei staatlichen Behörden müssten seit Januar 2020 eigentlich den ganzen Tag lang rote Warnlampen leuchten und ein monotones dumpfes Alarmgeheul müsste die Allgemeinheit vor dem drohenden Klima-GAU warnen. Aber: Nichts passiert. Spricht man mit Mitarbeitern von Nationalparkeinrichtungen, dann hört man solche Bemerkungen wie: „Es ist nicht unsere Aufgabe, politische Statements abzugeben. Wir stellen hier nur etwas aus, und der Besucher kann sich dann seine eigene Meinung bilden.“ Prima, denke ich. Denn wenn ich mir etwa die Aquarien dieser „Umweltausstellung“ ansehe, dann fällt mir auf, dass dort zwar die gepflegten Tiere sorgfältig beschriftet wurden. Aber dass man keinen Hinweis darauf findet, in welchem Verhältnis sie zum Klimawandel stehen. Außerdem sehen die Becken alle wunderbar aufgeräumt und sauber aus, so dass die Illusion entsteht, man blicke in eine ideale Umwelt. Dass aber die meisten der hier gezeigten Tiere in Wahrheit auf dem Meeresgrund auf einer großen Müllhalde leben, welche aus PVC, PCB, Netzresten, Autoteilen und anderem Müll besteht, kann man hier nicht erkennen. Als unkritischer Besucher einer solchen Ausstellung geht man nachhause und denkt nur noch: „Oh prima, in der Nordsee ist ja Dank Nationalpark wieder alles in Ordnung.“ Wirklich? In diesem Buch werde ich im Folgenden einige unbequeme Dinge aufzeigen. Machen Sie sich besser auf etwas gefasst, was Ihre gesamte bisherige Vorstellungskraft bei Weitem sprengen könnte...
1983, Borkum: Ich, damals 14 Jahre alt, bekam die Chance meines Lebens: Ich durfte mit einem echten Berufsfischer mit rausfahren. Auf Krabbenfang! Ich erinnere mich daran, wie wir am 07.07.1983 bei klarer Sicht vor der Vogelinsel Rottum das Netz abfierten. Zwei mächtige Baumkurren schleiften an jeder Seite des Schiffes gleichmäßig über den Grund. Nach einer qualvollen dreiviertel Stunde wurden dann die mächtigen Baumkurren mittels einer Winde eingeholt. Voller froher Erwartung hüpfte ich über das Deck und hätte – sehr zum Ärger des Fischers – vor Begeisterung fast die Baumkurren an den Kopf bekommen. Das Netz war voll von Sandgarnelen, die man auch als „Granat“ bezeichnet. Große Seenadeln und Rote Knurrhähne faszinierten mich damals besonders. Außerdem fingen wir noch Unmengen an Plattfischen aller Größen, diverse Gelbaale und Seezungen, von denen wir die letzteren beiden frisch an Bord in die Pfanne hauten. Ich habe nie besseren Fisch gegessen! Und heute?
2003, Baltrum: Ein Kurzurlaub mit der Familie. Neuerdings tauchen hier im Watt Pazifische Riesenaustern auf; vereinzelt an Steinen. Es ist April, die Sonne scheint so oft, dass die Inselbewohner im April(!) ihre Rasensprenger anstellen müssen, weil das Gras auf der Insel welk zu werden beginnt. Außerdem finde ich am Strand angespülte Schwimmkrabben der Art Portumnus latipes, die bis Westafrika verbreitet ist. Alles Weibchen, die zur Vermehrung in die wärmer gewordene Nordsee kamen…
2011, Norddeich: Im Hafenbecken schwimmen kleine Fischchen an der Oberfläche, 2 Zentimeter. Eine Untersuchung ergibt, dass es sich um juvenile Wolfsbarsche handelt. Im norddeicher Watt lässt sich mit dem Rahmenkescher kein einziger Plattfisch fangen… Die Hafenmole ist flächig bewachsen mit Pazifischen Riesenaustern. Miesmuscheln sind hier zur Mangelware geworden...
2012, Baltrum: Es ist Hochsommer im August. Bei Flut stehen Angler auf den Buhnen. Was sie hier fangen? Wolfsbarsche; der Inselrekord liegt bei 70 Zentimetern Länge…
2012, Norddeich: Diesmal keine Wolfsbarsche im Hafenbecken, dafür aber kleine Plattfische im Watt… Immerhin; aber nur wenige.
2013, Norddeich: Mit der Ködersenke lassen sich im Hafenbecken Aalmuttern nachweisen. Aber auch eine eingeschleppte Garnele aus Korea, Palaemon macrodactylus.
2014, Norddeich: Und wieder bringt der Kutter im April eiertragende Weibchen der subtropischen Schwimmkrabbe Liocarcinus navigator mit. Das Wasser der Nordsee ist zu warm für die Jahreszeit… Der Sommer hat begonnen!
Frühjahr 2015 und 2016, Norddeich: Die Kutter fangen Hundshaie, Blondrochen, Sardellen… Allesamt Einwanderer aus dem Ärmelkanal. Der Winter 2014/2015 war wieder mal viel zu warm für unsere Breiten…
2017, Schmuddelwetter in Ostfriesland: Kein richtiger Sommer, dauernd ist es schwül oder regnerisch, die Bauern haben viele Probleme, überhaupt etwas ernten zu können… Die Beifänge der Fischer fallen sehr unterschiedlich aus, gewisse sonst häufige Arten sind rar…
2018: Hitzewelle! Viele sonst häufige Fischarten wurden im Sommer kaum von den Fischern gefangen. Denn bei einer Wassertemperatur von 22° Celsius in der südlichen Nordsee bleiben sie lieber in tieferen Arealen, wo kein Krabbenfischer fischt… In der Ostsee: 25° Celsius und Vibrionen-Alarm! Darüber hinaus konnte man erheblich mehr Quallen beobachten als sonst… Haben sie die Fischbruten dezimiert?
2019: Fast wie 2017, nur erheblich wärmer. Im Sommer fehlen die Knurrhähne und andere sonst häufige Beifänge… Am 31.12.2019 ließen sich in den Prielen Neßmersiels noch Sandgarnelen fangen. Die Nordsee ist zu warm. Winter? Was ist das?
2020: Januar. Temperaturen bis in den zweistelligen Bereich. Frühjahrsblüher haben schon Knospen. Es gibt bereits Gänseblümchen… Die Jahreszeit „Winter“ scheint es dieses Jahr in Ostfriesland wohl nicht mehr zu geben…
Die Krabbenfischer fahren raus, obwohl sie sonst zu dieser Jahreszeit eigentlich eine Winterpause machen. Und sie bringen ungewöhnliches Getier mit in den Hafen, welches Unglaubliches belegt. Wie wir im Folgenden noch sehen werden… Manche dieser Fänge sind unscheinbar und klein, andere dagegen geradezu schreiend bunt. Als wenn Mutter Natur uns eine möglichst grelle bunte Warnung senden möchte, bevor es zu spät ist…
1. Die Temperaturen in der Nordsee (d.h. in der Deutschen Bucht)
Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erreichte die durchschnittliche Wassertemperatur der Nordsee 2017 10,9 Grad Celsius, nur knapp unter dem Wert von 2016 mit 11,0 Grad. Das war der zweithöchste Wert seit 1969. Nur 2014 war das Wasser mit 11,5 Grad Celsius noch wärmer. Zurzeit (Januar 2020) haben wir in der südlichen Nordsee Temperaturen zwischen 10 und 11° Celsius vor den Ostfriesischen Inseln… Man kann im Watt Sandgarnelen fangen, die jetzt eigentlich in tieferen Wasserschichten überwintern müssten… Die Jahreszeit „Winter“ scheint momentan in der südlichen Nordsee gar nicht mehr statt zu finden…
2. Bei dem Internetanbieter GMX konnte man am 18.01.2020 lesen, dass...
…eine Hitzewelle im Meer ein Massensterben vor der amerikanischen Küste der USA auslöste. Forscher aus den Vereinigten Staaten bezeichneten den Strom von zu warmem Meerwasser, welches sich von Alaska bis zur Baja California ausdehnte, als "Blob". Durch diesen kamen zehntausende Vögel im Pazifik ums Leben, aber auch Millionen von Seesternen raffte es dahin. Denn die Erwärmung des Meerwassers begünstigte die Vermehrung von Viren und Seuchen, welche für das Ableben dieser Tiere verantwortlich sind. Der Klimawandel könnte solche todbringenden Hitzewellen im Meer immer häufiger werden lassen. Die Seevögel sind übrigens schlichtweg verhungert, weil durch das zu warme Meerwasser ihre sonst reichlich vorhandene Beute verschwand... Die Wissenschaftler schätzten die Gesamtzahl der verendeten Seevögel auf etwa eine Million… Sie gingen davon aus, dass die „Meereshitzewelle“ die Menge und Qualität des Planktons vermindert habe, so dass die Zahl davon lebender Fische stark reduziert wurde. Außerdem sei der Stoffwechsel von Fischen im wärmeren Wasser hochtouriger gelaufen. So dass die Raubfische aufgrund des daraufhin höheren Energieumsatzes viel mehr Beutetiere als sonst benötigt hätten, und so die Zahl verfügbarer Beutefische für Seevögel noch zusätzlich vermindert worden sei. Darüber hinaus waren auch noch andere Lebewesen von dem Problem der Meereserwärmung betroffen gewesen. Unter anderem sind „nur“ etwa 100 Millionen Kabeljaue verendet. Und auch viele Wale litten unter den Folgen dieser dramatischen Meereserwärmung.
3.) Durch Klima-Erwärmung bedingte Meereshitzewellen Diese gab es bereits in der Tasmanischen See und in anderen Regionen, wie etwa dem Australischen Barriere Riff oder an den Küsten von Südamerika, wo man das Phänomen unter der Bezeichnung El-Niño* schon seit vielen Jahren kennt.
2018 konnte man diese Phänomene auch sehr deutlich in der deutschen Nordsee und in der südlichen Ostsee beobachten… Im Sommer 2018 wurde die Nordsee 22° Celsius warm, während die südliche Ostsee sogar Temperaturen von bis zu 25° Celsius erreichte. Das waren Werte, wie sie sonst im Mittelmeer gemessen werden…
4.) Die Erwärmung der Ozeane beschleunigt sich immer mehr...
Wissenschaftler haben errechnet, dass die Weltmeere im Jahr 2019 so warm wie nie zuvor seit Beginn der globalen Erfassung waren. Außerdem beschleunige sich die Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel, warnten sie im Fachmagazin "Advances in Atmospheric Sciences". Die vergangenen zehn Jahre brachten demnach die höchsten Temperaturen der Meere seit den 1950ern, wobei die letzten fünf Jahre auch die wärmsten gewesen seien. Die durchschnittliche Meerestemperatur bis in zwei Kilometer Tiefe habe im Jahr 2019 um etwa 0,075° Celsius über dem Durchschnitt von 1981 bis 2010 gelegen.
5.) Eine vorläufige Zwischenbilanz…
Diese enorme Menge an Energie in Form von Wärme, die der Mensch in den vergangenen 25 Jahren in die Ozeane emittiert habe, entspricht umgerechnet etwa der Energieentladung von 3,6 Milliarden(!) Atombombenexplosionen vom Format der Atombombe, welche im Zweiten Weltkrieg über der japanischen Stadt Hiroshima detonierte…
*Spanisch = das Christkind. Das Phänomen der Erwärmung des Pazifiks vor der Küste Perus von 24 auf 26° Celsius ist bereits seit vielen Jahren bekannt und tritt sporadisch etwa alle 4 bis 5 Jahre auf, hat aber in den letzten Jahren an Intensität deutlich zugelegt. Diese Erwärmung vernichtet dort zunächst das Plankton und dann die Fischbestände...
Dieses Buch erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf völlige wissenschaftliche Exaktheit oder eine faktenorientierte allumfassende Wahrheit.
Vielmehr ist es so, dass der Autor den Versuch unternommen hat, aus den sehr unübersichtlichen Puzzlestücken und Fragmenten von Kutterfängen, eigenen Beobachtungen und den Mitteilungen Dritter ein Bild zusammenzustellen. Dieses Bild ist selbstverständlich weder vollständig noch vollkommen fertig, denn dazu sind die dem Autor anvertrauten Puzzlestücke einfach zu wenige. Doch auch aus den wenigen Puzzlestücken lassen sich bereits wertvolle kleine Teilstücke und Aspekte eines größeren Ganzen erkennen.
Der Beobachtungshorizont des Autors erstreckt sich dabei mit Unterbrechungen vom Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre bis heute.
Diese Beobachtungen beruhen zwar zum Großteil auf einer gewissen Subjektivität, doch werden sie dadurch etwas objektiver, weil es gelungen ist, manche Vorgänge durch persönliche Erfahrungen und Mitteilungen Dritter etwas aufzuhellen.
So gleichen zum Beispiel einige persönliche Mitteilungen der Aquarienbetreiber auf der Insel Borkum die „Fehlzeiten“ des Autors auf dieser Insel wieder etwas aus, in denen er auf der Insel nicht präsent sein konnte.
Als hilfreich bei der Erstellung dieses Werkes erwies sich außerdem die Sammlung des Autors, mit welcher der Fund bestimmter Tierarten bestimmten Zeiträumen zugeordnet werden konnte. Somit sind also für die meisten hier geschilderten Hypothesen auch echte Belegexemplare vorhanden, die man jederzeit prüfen kann.
Und so haben sich im Keller des Autors zwischenzeitlich etwa 500-600 Gläschen mit entsprechenden Präparaten angesammelt. Hierzu sei noch angemerkt, dass die hier konservierten Tiere nicht extra nur für Sammlungszwecke gesammelt und getötet wurden, wie dieses etwa die meisten Wissenschaftler tun würden. Sondern es handelt sich bei diesen Belegexemplaren zu mehr als 95% um Tiere, die entweder schon tot zwischen Müll und Beifang gesammelt wurden, oder die dann etwas später in einem Aquarium eingingen. Somit wurde also kein Raubbau an der bedrohten Fauna der Nordsee betrieben, nur um eine Sammlung zu erweitern. Doch selbst wenn wir uns alle diese Sammlungsexemplare genau anschauen würden, so würden auch diese nur einen sehr kleinen Teil der Lebewesen darstellen, welche es tatsächlich in der südlichen Nordsee gibt. Denn man schätzt, dass in der gesamten Nordsee mindestens 7000 verschiedene Tierarten leben, davon etwa 4000 im deutschen Wattenmeer. Und wahrscheinlich sind es sogar noch erheblich mehr Arten, wenn man aus anderen Erdteilen eingeschleppte Arten mitberücksichtigen würde, und wenn man die hier in diesem Werk ausgesparte Welt der mikroskopisch kleinen Meeresorganismen miteinbeziehen würde. Um von den Meeresorganismen Rückschlüsse auf den Klimawandel ziehen zu können, müssen mehrere Aspekte im Zusammenhang betrachtet werden. So ist es zum Beispiel eine sehr wichtige Prämisse, zunächst festlegen zu können, welche Arten ursprünglich die Habitate der südlichen Nordsee dominierten. Dann kann man einen vorsichtigen zeitlichen Vergleich einflechten und schließlich im letzten Schritt neue Arten aufzeigen.
Dabei spielen dann die jeweiligen Größen aufgefundener Exemplare und die neue Häufigkeit dieser Arten eine ganz erhebliche Rolle.
Und betrachtet man verschiedene Gruppen von Tieren, dann ergibt sich ein recht objektives Muster, welches die Erwärmungsvorgänge in der südlichen Nordsee an der Küste und vor den Ostfriesischen Inseln gut und deutlich belegt. Dabei geht es vor allem um eine Gesamttendenz, welche klar belegt, dass die Leugner des anthropogenen Klimawandels entweder völlig blind und taub sein müssen. Oder sogar an den schlimmsten Verfehlungen der menschlichen Natur leiden: Nämlich an der Dummheit, der Ignoranz, der Konsumgier oder dem Egoismus. Dieses Buch soll dazu beitragen aufzuzeigen, wie weit es bereits mit dem Klimawandel gekommen ist. Und dass dieser keinesfalls die spinnerte Idee linker Ökosozialisten oder sonstiger Umweltfanatiker ist. Die Wahrheit lässt sich zwar leugnen, aber ihre Konsequenzen werden auch ihre Leugner und Gegner stets einholen. Die einen früher, die anderen später. Letztlich ist es so, dass die unbequeme Wahrheit in diesem kleinen Nebenmeer des Atlantiks ihren Tribut von uns allen fordern wird, ob uns das nun gefällt oder nicht. Die kleinen bunten Tierchen, die sich neuerdings in unseren Gewässern tummeln, sollten von uns besser als eine Mahnung von Mutter Natur an unser aller Konsumverhalten verstanden werden. Denn nur wenn sich unsere Lebensphilosophie und Grundeinstellung ändern, haben wir noch eine nennenswerte Zukunft an dieser noch touristisch wertvollen Küste…
Als autochthone Tier- und Pflanzenarten bezeichnet man im Allgemeinen die Arten, die schon seit langen Zeiträumen von bestimmten Lokalitäten bekannt sind.
Im Grunde bedeutet der Begriff autochthon so viel wie bodenständig oder alteingesessen. Nicht alle autochthonen Arten werden vom Klimawandel bedroht, denn es gibt tatsächlich einige Arten, die von einer Erwärmung der Nordsee profitieren. Der Gewinn liegt dann im Erschließen neuer ökologischer Nischen durch das Verschwinden anderer Arten, in besseren Reproduktionsmöglichkeiten oder in einem verbesserten Nahrungsangebot. Letzteres könnte etwa durch ein üppigeres Gedeihen des Phytoplanktons oder von sonstigen Meeresalgen infolge längerer Wachstumszeiten entstehen. Denn je wärmer der Ozean ist, desto schneller können sich die winzigen planktonischen Algen durch Zellteilung vermehren.
Allerdings leben in der Deutschen Bucht (noch) etliche Tierarten, welche dem borealen oder subarktischen Faunenkreis zuzurechnen sind. Und diese werden entweder in tiefere kältere Senken im Meeresboden oder in Richtung Norden abwandern. Ab einem gewissen Point Of No Return werden sie dann dem Flachwasser des deutschen Wattenmeeres, speziell der südlichen Nordsee, ganz einfach vollständig fernbleiben. Nun mag das zunächst einmal keine allzu drastischen Auswirkungen haben, wenn nur ein paar subarktische Arten wie etwa die Nordische Seespinne oder der Steinpicker dem Ökosystem des deutschen Wattenmeeres abhandenkommen. Denn mit Sicherheit werden andere Arten mit einer höheren Temperaturtoleranz aus dem Süden nachrücken und deren Platz einzunehmen suchen. Doch können solche schleichenden Veränderungen mittel- und langfristig sehr wohl auch große und dramatische Einbrüche, etwa bei der Fischerei oder bei der Ernährung der Zugvögel erzeugen. Denn fehlende Faunenanteile haben automatisch immer eine andere Zusammensetzung des Meeresplanktons zur Folge, was für die spätere Anzahl von Nutzfischen im Meer und von Nährtieren für die Zugvögel im Watt entscheidend sein könnte. Denn Ökosysteme sind hochkomplexe Gebilde. Über das Schicksal von Hering und Hummer wird also bereits im Plankton entschieden, und dieses kann auf Veränderungen seines Milieus auch kurzfristig sehr empfindlich reagieren… Ein weiteres Problem autochthoner Arten der borealen Klimazone ist es, dass sie an ganz bestimmte Temperaturbereiche für die Abwicklung ihrer Lebenszyklen angepasst sind. In der Nordsee sind diese an bestimmte Lokalitäten, Strömungen und Jahreszeiten gekoppelt. Verschieben sich diese Parameter, kann es passieren, dass die davon betroffenen Arten Nahrungsquellen oder Habitate verlieren. Oder im schlimmsten Falle die Möglichkeiten zur Reproduktion ihrer Art, was dann zum Aussterben der Spezies führt. So sind manche Arten sehr abhängig von bestimmten Meerestemperaturen, weil von diesen Sauerstoffgehalte und Gedeihen von Bruten abhängen. So gab es etwa im März 2017 einen massiven Einbruch bei der Fischerei auf Stinte in der Elbemündung, und auch im Frühjahr 2020 sah es schlecht aus für diese einst sehr häufigen kleinen Küstenfische. Zur Problematik der Erwärmung des Wassers durch den Klimawandel kamen hier außerdem noch Sediment-Verwirbelungen infolge Ausbaggerungen und die Entnahme von Kühlwasser für Kraftwerke hinzu, sowie die Einleitung von warmen Kraftwerksabwässern. Von vielen Fischarten des kaltgemäßigten Faunenkreises ist es außerdem bekannt, dass sie zur Reifung ihrer Gonaden Kältephasen im Winter benötigen. Sind diese zu kurz, oder finden sie gar nicht mehr statt, so werden die davon betroffenen Arten unfruchtbar. Dazu kommt dann noch das Phänomen, dass eine Erwärmung des Milieus, welches einen Organismus umgibt, dessen Metabolismus beschleunigt.
Das bedeutet, dass dessen Stoffwechselvorgänge nun immer schneller ablaufen.
Das Herz rast, die Atmung wird hektischer und der Nahrungsbedarf steigt rapide an. Somit können sich unsere autochthonen Arten nur sehr bedingt einem immer schneller zunehmendem Klimawandel anpassen, denn entweder kollabieren sie selbst, oder sie sind nicht mehr dazu in der Lage, gesunde und lebensfähige Nachkommen zu produzieren. Schon jetzt ist es de facto so, dass kommerzielle Fischfangflotten mehr als 100 Kilometer weiter in den Norden als bisher fahren müssen, um noch nennenswerte Mengen von Dorsch und Seelachs fischen zu können. Da diese sich bereits in Richtung Norwegen und Island abzusetzen begonnen haben. Im Jahre 2009 waren sogar schon die Bestände des Dorsches in Nord- und Ostsee kollabiert. Und gleiches passierte 2009 in der südlichen Nordsee mit den Plattfischen. Zurzeit (2020) gelten Scholle und Seezunge in der südlichen Nordsee eher als eine Mangelware…
Die Biologische Anstalt auf Helgoland misst und dokumentiert seit ihrer Gründung im Jahre 1892 die Wassertemperaturen in der Nordsee zu verschiedenen Jahreszeiten, woraus dann immer ein jährlicher Durchschnittswert gewonnen wurde. Das Ergebnis dieser Messungen ist eindeutig: Allein seit den letzten 50 Jahren hat sich die Nordsee um etwa 1,7° Celsius erwärmt. Und seit dem Beginn dieser Messungen vor mehr als 100 Jahren dürfte dieser Wert inzwischen sogar um 2° - 3° Celsius angestiegen sein. Nun könnte man einwenden, dass das ja nur ein sehr geringer Temperaturanstieg sei, kaum fühlbar für einen badenden Menschen.
Aber: Das Weltmeer ist durchschnittlich betrachtet insgesamt ohnehin nur etwa 3,8° Celsius warm, wenn man die Wassermassen der Tiefseegräben und der arktischen und antarktischen Gebiete miteinbezieht. Würde man diese Werte, also 3,8° Weltmeerdurchschnitt und 1,7° Nordseeerwärmung per einfacher Dreisatzrechnung in eine Beziehung setzen, dann hätte sich die Nordsee in den letzten 50 Jahren im Vergleich zum gesamten Weltmeer um 44,73% erwärmt.
Vernachlässigt man diese Betrachtungsweise und setzt nur die Erwärmung der Nordsee von einer Temperatur von etwa 9,5° Celsius im Jahr 1965 um 1,7° bis zum Jahr 2015 ins Verhältnis, dann hat sich die Nordsee in nur 50 Jahren immer noch um knapp 18% erwärmt! Der Temperaturanstieg in der Nordsee (der Deutschen Bucht) ist also eine amtlich bewiesene Tatsache und scheint sich überproportional zur sonstigen Erderwärmung zu entwickeln, da diese im gleichen Zeitraum nur etwa 1° Celsius betrug. Dieses ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Nordsee insgesamt ein relativ flaches Schelfmeer von nur etwa 70 Metern Durchschnittstiefe ist, welches darüber hinaus nur über ein einziges tiefes Becken im Norden verfügt, nämlich die norwegische Rinne, die etwa 700 Meter tief ist.