Titel
Impressum
Grußwort
Als der Mensch nicht mehr zu Fuß gehen wollte...
Der Kampf: Mensch – Maschine...
Könner-Test 1
Des Mannes bester Kamerad...
Verkehrsmoral oder der ideale Kraftfahrer...
Könner-Test 2
Vorschriften für wen...?
Das Auto und die neu entdeckte Freiheit...
Könner-Test 3
Verliebt in das Fahrgerät...
Der Fahrermensch...
Könner-Test 4
Das Fahrverhalten...
Das Problem mit dem defensiven Fahren...
Könner-Test 5
Wahrnehmungen Kopf und Gehirn...
Tempo hin, Tempo her...
Könner-Test 6
Rasch und richtig reagieren...
Feldzug gegen den Gurt...
Könner-Test 7
Anstiftung zum Rasen...
Autobahn, des Mobillisten liebster Spielplatz...
Könner-Test 8
Kriegsähnliche Zustände...
Brauchen wir eine Überwachung...?
Könner-Test 9
Konfrontation mit den Regeln...
Der Versuch einer Verkehrserziehung...
Könner-Test 10
Die Transformation hinterm Lenkrad...
Fahrkompetenz und trügerische Sicherheit...
Könner-Test 11
Raser oder Schnellfahrer...
Planlos, hilflos, überfordert...
Könner-Test 12
Die alternde Fahrgemeinde...
Was tue ich so alles hinterm Lenkrad...
Könner-Test 13
Trügerische Sicherheit und das Risiko...
Unfall, eines der schrecklichsten Szenarien...
Könner-Test 14
Wenn`s mit der Fahrtüchtigkeit/Fahrtauglich mal brenzlig wird...
Junge Zeitbomben...
Könner-Test 15
Pauken fürs Überleben...
Die Fahrprüfung...
Könner-Test 16
Fahrsicherheit und Fahrsicherheitstrainings...
Des Teufels Seelentröster...
Könner-Test 17
Epilog - Ein Fahrverbot für den Menschen...
Anhang
Auflösung und Auswertung der Tests
Quellen-Verzeichnis:
Mehr von Achim Lutter bei DeBehr
Achim Lutter
Wenn ich alles so gut könnte, wie
Autofahren
Die Geschichte der Mobilität
von ihren Anfängen bis heute
Wissenswertes und Kurioses für Raser und Schleicher
DeBehr
Copyright by: Achim Lutter
Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg
Erstauflage: 2021
ISBN: 9783957539137
Grafik Copyright by AdobeStock by: © Kurhan
Foto des Autors: Copyright Ulrike Romeis
Homepage des Autors: achimlutter.bplaced.net
Grußwort
Dem Autor dieses Buches geht es um ein zeitgemäßes und nachhaltiges Konzept des Straßenverkehrs. Er hat sich Zeit genommen, um das aufzuschreiben und zu veröffentlichen, was ihm schon lange in seiner Praxis als Fahrlehrer, Lehrer für Nachschulungen und Fahrsicherheits-Trainer auffiel.
Dabei schafft er es, nicht nur aus seiner Praxis zu berichten, sondern auch dem kritischen Leser, mit Gewinn teilhaben zu lassen, an seinen Überlegungen.
Der Reiz dieser Texte liegt in seinem ironisch, kritischen Schreibstiel, wobei jeder Leser sich wiederfinden kann.
Sprachlich vermeidet er es Klischees zu benutzen. Und das alles in kritischer Reflektion gegenüber dem Gesetzgeber, mit seinen gelegentlich bürokratischen Absurditäten, was sein Buch lesbar und zugleich lehrreich macht.
Der Autor weiß, dass Selbstreflexion notwendig ist, um auf Fragen der Gegenwart und Zukunft eine Antwort zu finden.
Ein Patentrezept darauf gibt es nicht. Was der Autor uns mitgibt ist der Versuch einer Selbstkritik die den Leser mit einschließt.
Dr. Friedrich Villis, Lektor
Als der Mensch nicht mehr zu Fuß gehen wollte...
„Es wird Wagen geben, die von keinem Tier gezogen werden und mit unglaublicher Gewalt daher fahren“, orakelte bereits Leonardo da Vinci.
Als Leonardo – einer der berühmtesten Universalgelehrten jenen Satz kreierte, als er meinte: „mit unglaublicher Gewalt“, dass das Genie hierbei zweifellos an die Geschwindigkeit dachte. Bedauerlicherweise war es dem Naturtalent jedoch nicht vergönnt zu prophezeien, welch sonderbare menschliche Wesen in Zukunft mit solch einer enormen Kraft herumhantieren, die man später Automobil nannte, um mit ihnen, zeitweise ganze Generationen auszulöschen. Wie auch immer der Mensch so im Allgemeinen ausgestattet wurde, eines ist jedenfalls sicher, von Natur aus ist „Er“ gewiss nicht darauf eingerichtet, Auto zu fahren.
„Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug“ (Bert Brecht, Die Dreigroschenoper)
Die Menschen sollten frühzeitig anfangen, systematisch zu denken, und daher auch den Straßenverkehr als System verstehen. Je mehr wir über Systeme nachdenken, desto klarer wird es: Der Mensch, selbst eine Struktur im Mensch-Maschine-System, weist Eigenschaften von Schwachstellen auf.
Da gibt es manche Kritiker die erklären, dass viele Menschen einfach zu dumm sind Auto zu fahren und führen prompt Musterbeispiele an, die faktisch solch ein talentfreies Verhalten demonstrieren. Größtenteils sind ebendiese auch noch so überzeugend, dass anstandslos zugestimmt werden muss und wenn wir ehrlich sind, fallen uns zu diesem prekären Thema, mehr als genug selbst erlebte Situationen ein, auch wenn wir uns gegen die behauptete Dummheit tief in unserem Inneren zähneknirschend endgegenstellen.
„Die schlimmste Dummheit ist die, sich für intelligent zu halten.“
(Jean-Claude Carrière, französischer Drehbuchautor)
In der Geschichte der Mobilität gab es Männer, die mehr oder weniger erfolgreich, selbstfahrende Fahrgeräte konstruierten. Noch bevor Carl Benz 1886 seinen Motorwagen beim Reichspatentamt anmeldete, entwickelte bereits 1769 ein französischer Artillerieoffizier und Erfinder Namens, Nicolas Joseph Cugnot im Auftrag des Kriegsministeriums ein dampfgetriebenes Fahrzeug. Das gut vier Tonnen schwere Ungetüm, mit einer Geschwindigkeit von 4,5 Km/h sollte anstelle von Personen, eigentlich schwere Kanonen transportieren und während einer Probefahrt setzte Cugnot sein schwer lenkbares Gefährt gegen die Mauer einer Kaserne. Zugegebenermaßen, ein wenig schmeichelhaft war die Situation schon, denn Cugnot war es bestimmt nicht bewusst, den ersten Autocrash der Geschichte gebaut zu haben.
Nachdem eher die Herren der Schöpfung, sich wieder und wieder den Kopf darüber zermarterten, ein sich aus eigener Kraft bewegendes Landgefährt zu entwickeln, war es doch letztendlich eine Frau, die eine längere Fahrt mit einem Automobil verwirklichte.
Die Bezeichnung Automobil leitet sich aus dem griechischen autòs, deutsch „selbst“ und lateinisch mobilis „beweglich“ ab, also eine mehrspurige Konstruktion welche von einem Motor angetrieben wird. Wenn Carl Benz mit seinem Patent-Motorwagen No3 durch die Straßen knatterte, spotteten einige, „Das ist ja ein Wagen ohne Pferd!“ Andere wieder protestierten gegen Gestank und Lärm des Vehikels.
Um allen Ärger aus dem Weg zu gehen, ließ sich der Autopionier schließlich seine Fahrten behördlich absegnen. Im August 1888 wurde auf seinen Namen der erste Führerschein vom Großherzoglich-Badischen Bezirksamt in sauberer Handschrift ausgestellt, was ihm nun erlaubte, mit seinem Gefährt öffentliche Straßen zu benutzen. Ohne Fahrprüfung und theoretischen Test erhielt Carl Benz anstandslos den Führerschein. Genau genommen besaß Carl keinen Führerschein, zumal er nie eine Prüfung ablegen musste, bekam er lediglich eine Fahrerlaubnis für jenen Motorwagen. Einige Tage später tat Ehefrau Bertha genau das, wo vor Männer immer Angst hatten. Sie fuhr Auto! Als der erhoffte Anklang in der Bevölkerung ausblieb und mögliche Käufer zunächst noch skeptisch und zurückhaltend waren, entschloss sich die Dame, ohne das Wissen ihres Mannes, kurzerhand zu einer heimlichen Testfahrt mit Carls Motorwagen.
Berthas Reise war außerdem die erste erfolgreiche automobile Fernfahrt überhaupt und verhalf dem Automobil zum Durchbruch.
Verkehrsdichte war für Bertha in jenen Tagen wohl noch ein unbekanntes Phänomen. Möglicherweise war sie ja über das ein oder andere dahin trottende Pferdefuhrwerk verärgert, welches ihr Gefährt mit seinen 20 Km/h ausbremste und den Schwung wegnahm.
Da zu jener Zeit eine einheitliche Regelung noch nicht existierte und niemand so genau wusste, was so ein Lenker eigentlich alles können musste, interessierte sich auch keiner für die Fahrkünste der Antragsteller. Schließlich war man recht tolerant, so durfte jeder hinters Steuer, wenn er sich nur traute und die Behörden, diensteifrig wie sie nun mal waren, stellten reihenweise Fahrgenehmigungen aus, denn Autos waren nun mal eine absolute Rarität. Für keinen Verkehrsteilnehmer, sei es Fußgänger, Pferdekutsche oder Automobil gab es irgendwelche Verordnungen. Zwar hatte Napoleon durch seine Kriegszüge den in Frankreich bereits verbreiteten Rechtsverkehr auf fast ganz Europa übertragen, darüber hinaus existierten keinerlei zusätzliche Beschränkungen hinsichtlich Geschwindigkeit und natürlich gab es auch noch keine Verkehrszeichen, was mitunter für ein heilloses Chaos auf den Straßen sorgte. Um sich mit anderen Chauffeuren zu messen, wer denn nun das schnellere Gefährt besaß oder der bessere Lenker war, lieferten sich gutbetuchte Pariser Bürger immer wieder Wettrennen und machten die Straßen der Metropole unsicher.
Natürlich blieb es nicht aus, dass es immer wieder zu aufsehenerregenden und dramatischen Unfällen mit den Blechkarossen kam.
Neben London und New York zählte Paris damals zu den verkehrsreichsten Städten der Welt. Aber noch waren die neumodischen, benzingetriebenen, pferdelosen Kutschen Außenseiter bei der Fortbewegung.
Damit dieses regellose Durcheinander auf den Straßen nicht Überhandnahm, ordnete deshalb der Polizeipräsident von Paris im August 1893 an, dass nun jeder Automobilist eine Fahrprüfung abzulegen hatte und an jedem Auto ein Nummernschild anzubringen sei.
Vor allem mussten zukünftige Prüfungskandidaten den Reifenwechsel beherrschen, da Pferde ständig Hufnägel verloren waren platte Reifen an der Tagesordnung. Das eigentliche Fahren mussten sich die Fahrprüflinge nach genauer Instruktion der Autohersteller jedoch selbst vermitteln. Wer schließlich die Prozedur des Motorstartens damaliger Automobile ohne gesundheitlichen Schaden überstand, musste nun durch ein Wohnviertel fahren, um Zeugnis abzulegen, dass er in der Lage war, so ein Gefährt zu lenken und schließlich auch zum Stillstand zu bringen. Am Ende der Prüfung unterschrieb jeder Teilnehmer ein Dokument, in dem er bestätigte, dass er über ausreichend Charakter verfüge, Fußgänger und Pferdewagen nicht zu behindern. Sechs Jahre später wurde in ganz Frankreich der Führerschein eingeführt.
Die französische Herzogin Anne d’Uzès, die im April 1898 ihre Führerscheinprüfung ablegte, war wohl die erste Frau, die ein Strafmandat für zu schnelles Fahren erhielt. Statt der erlaubten 12 Km/h fuhr sie im Bois de Boulogne, einem Waldgebiet bei Paris 15 Km/h.
In Deutschland stand man dem neuen Verkehrsmittel eher skeptisch gegenüber und wollte die weitere Entwicklung noch beobachten. Motorisierte Fahrzeuge und Pferdekutschen kreuzten ihre Wege unter der simplen Regel „Hott vor Mot“, sporadisch wohl auch andersrum. Selbst der pferdebegeisterte Kaiser Wilhelm II, zweifelte und konnte sich für das neuartige Vehikel nicht erwärmen. „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung!“
Auch wenn einige verächtlich nur von „Stinkkarren“ sprachen, konnte ein großer Teil seines Volkes es kaum erwarten und freuten sich bereits auf das neumodische Fahrgerät, denn mittlerweile waren die Straßen in den größeren Städten übersät mit Haufen von Pferdedung.
Wiederum verteufelte man das riskante Gefährt, weil die in Mode kommende Automobillistengemeinde, Beschränkungen von Geschwindigkeits-Obergrenzen eines trabenden Pferdes schlichtweg ignorierte. Lautstarke Wutausbrüche bis hin zu Lynch-Androhungen begleiteten jene Chauffeure welche zu schnell durch die Gemeinden brausten, vor allem wenn Hühner oder anderes Getier unter die Räder kam und der Fahrer, ohne sich um den Schaden zu kümmern, einfach weiterfuhr.
Trotz geltendem Landrecht für Pferdefuhrwerke und einer Aufforderung zur kollektiven Rücksichtnahme war auch zu dieser Zeit, Fahrerflucht bereits die Regel. Schließlich erließ die preußische Regierung 1902 ein erstes Verkehrsgesetz: „Hiermit wird angeordnet, eine tunlichst gleichmäßige Handhabung der polizeilichen Vorschriften im Bereich der ganzen Monarchie sicherzustellen.“
Ein Jahr später im September 1903 führte dann Preußen als erstes Land eine „Prüfungspflicht für Wagenlenker“ ein.
Außerdem beauftragte der zackige Kaiser Wilhelm II. mit seinem schneidigen Schnauzbart, den Dampfkesselüberwachungsverein, kurz DÜV, dem heutigen TÜV, zukünftige Fahrprüfungen abzunehmen. Nach und nach wurden in allen Ländern die Behörden aktiv und man begann mit dem Aufstellen von Verkehrsschildern.
„Durch die Einführung von so vielen Zeichen wird leicht eine Verwechslung herbeigeführt werden. Der Automobilist muss deshalb stets einen kleinen Leitfaden bei sich führen, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen“, war die fürsorgliche Empfehlung einer österreichischen Automobilzeitung.
Aus der Not eine Tugend machen...
Weil das Autofahren zu jener Zeit eine recht beschwerliche und schmutzbehaftete Angelegenheit war, leisteten sich gut betuchte Besitzer von Automobilen einen persönlichen Chauffeur, welcher auch imstande war, Reparaturen am Auto zu verrichten.
Um die zunehmende Nachfrage nach gut ausgebildeten Fahrern sicherzustellen und dem enthemmten und gefährlichen Treiben auf den Straßen des Landes Einhalt zu gebieten, eröffnete der Kunsthistoriker und Architekt Rudolf Kempf, in Aschaffenburg die erste Deutsche Autolenkerschule.
Es war schon etwas Außergewöhnliches was Kempf da entstehen ließ. „Jetzt lehrt man den Narren endlich wie man mit solchen Fahrgeräten umzugehen hat“, äußerte sich ein Besucher am Eröffnungstag.
Ein selbst geschriebener Lebenslauf, ein amtlicher Sittlichkeitsnachweis und rund 200 Mark, war für die ersten Fahrschüler der Eintritt in die motorisierte Welt. Am 7. November 1904 startete Kempfs erster Kurs an dem über dreißig sittlich gefestigt und technisch begabte Männer teilnahmen. Unter ihnen Schlosser, Mechaniker, Herrschaftskutscher und Automobilhändler aus verschiedenen Ländern, die sich vom strammen Lehrplan nicht abschrecken ließen und zehn Wochen lang für Theorie und Praxis büffelten.
Auf dem Lehrplan standen unter anderem Physik, Elektrotechnik, Werkstattpraxis sowie Straßenwesen. Für das Fahren selbst waren lediglich acht Fahrstunden auf dem Exerzierplatz vorgesehen. Bei der Abschlussprüfung stand mehr die Technik des Wagens im Vordergrund und wer diese nicht beherrschte, dem wurde das begehrte Papier verwehrt.
Die Anforderungen an die Fahrkünste waren dagegen bescheiden.
Die Prüflinge mussten lediglich ohne Unfall ein paar Runden auf dem Platz drehen. Schließlich war das hohe Maß an technischen Kenntnissen ganz bewusst gewählt, denn bei den damals recht häufigen Pannen und dem dünn gesäten Werkstattnetz, waren die Fahrer meist auf sich selbst gestellt. Kemps eigentliches Ziel war es: „Einen Stamm guter Chauffeure heranbilden, die das beste Mittel zur Verhütung von Unglücksfällen und zur Austreibung von Bedenken gegen das Automobil sind.“
Das war natürlich ganz im Sinne der noch jungen Autoindustrie, die bei der herrschenden Unordnung befürchtete, dass schlechte Fahrer zukünftigen Kaufinteressenten, die Lust am Automobil nehmen könnten. Schon bald konnte die Aschaffenburger Schule auch sogenannte Herrenkurse für schneidige Offiziere, Ärzte, Fabrikanten, Baumeister und Autobesitzer anbieten. Ein Fahrtraining schien angesichts des recht niedrigen Verkehrsaufkommens zunächst einmal nicht unbedingt notwendig. Allerdings waren die meisten Lenker völlige Laien und mit den Geschwindigkeiten hoffnungslos überfordert, was zu einer rasant zunehmenden Unfallhäufigkeit führte. Vor allem kam es zu Kollisionen mit Autos, Pferdefuhrwerken und Reitern im Bereich von Straßenkreuzungen. Bei Verkehrsunfällen kamen 1909 auf deutschen Straßen 86 Menschen um Leben. Eine alarmierende Zahl. Damit war das Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, über 60-mal höher als heute.
„Das Rad war die größte Erfindung der Menschen, bis sie sich dahinter setzten.“ (Bill Ireland, Football- und Baseballtrainer, Nevada)
Weil der Verkehr immer schneller wurde ging man allmählich dazu über, von Jenen, die sich motorisierter Weise auf den Straßen fortbewegten, eine Fahrbefähigung zu verlangen, denn schnelles Fahren verlangt moralische Festigung. Nach dem leichtsinnigen Umgang mit Menschenleben musste die Reichsregierung umgehend handeln. Bereits in der Reichs-Straßenverkehrsordnung von 1909 wurden außer der Führerscheinpflicht mit Abschlussprüfung, neue Verkehrsregeln als auch Höchstgeschwindigkeiten für alle Fahrzeuge eingeführt.
Es war quasi die Geburtsstunde des grauen Führerscheins. Wer ihn haben wollte, musste das achtzehnte Lebensjahr erreicht haben, den Besuch einer Fahrschule nachweisen und nicht zuletzt die Fahrprüfung bestehen. Noch im selben Jahr entstand in Berlin eine Sammelstelle in der man nun die grauen „Lappen“ aller Kraftfahrzeugführer registrierte und war sozusagen der Vorläufer des Flensburger Kraftfahrtbundesamtes.
„Hör nicht auf die Vernunft, wenn du einen Traum verwirklichen willst.“ (Henry Ford, Gründer von Ford)
Nach wie vor waren Autos ein kostspieliges Vergnügen, denn auch zu jener Zeit kam der jährliche Unterhalt eines Gefährts dem Kaufpreis eines Neuwagens gleich.
Hatten sich die meisten Autobesitzer anfangs noch chauffieren lassen, stieg die Zahl derer, die sich selbst ans Steuer setzten, kontinuierlich an.
Im 1. Weltkrieg waren Autos, Lastwagen und Motorräder unverzichtbar geworden, und so stockte die Armeeführung den Fahrzeugbestand immer weiter auf. Des Kaisers Heer verfügte 1918 über 25.000 Laster und etwa 12.000 Autos. Annähernd 150.000 Männer waren im Besitz des Führerscheins. Nach dem Krieg begannen Autohersteller mit der Serienproduktion kleinerer Autos, die sich nun auch ein Normalverdiener leisten konnte. Von einer Massenmotorisierung wie sie sich bereits in Amerika abspielte, war Deutschland noch weit entfernt. Trotz einer überschaubaren Motorisierung, krachte es 1923 verhältnismäßig oft auf den Straßen, was die Reichsregierung zu einer sofortigen Verschärfung der Führerscheinprüfung zum Anlass nahm. Von nun an mussten Prüflinge zum ersten Mal im Realverkehr ihr Können auf die Probe stellen. In der Zeit der Nationalsozialisten sollten sich Prüfer nicht zu einer „laschen Prüfung“ hinreißen lassen, und nach dem Selektionsverfahren, nur die Besten bestehen lassen. Um ihre Fähigkeiten zu beweisen, mussten künftige Berufskraftfahrer sogar ein psychodiagnostisches Testverfahren ertragen.
Der Kampf: Mensch – Maschine...
Die 50er Jahre waren geprägt von den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Die deutsche Wirtschaft befand sich im Aufschwung und als 1954 in der Schweiz die deutsche Nationalmannschaft auch noch Fußballweltmeister wurde, war die Welt fast wieder in Ordnung.
Auch musikalisch war es eine aufregende Zeit. Der Rock ´n´Roll schwappte aus den USA nach Europa. Musiker wie Elvis Presley, Johnny Cash, oder Jerry Lee Lewis stürmten weltweit die Charts und verbreiteten jenen Zeitgeist einer neuartigen Jugend-Protestkultur.
In der Bundesrepublik gab es 1956 rund 1,5 Millionen Autos und fast eine halbe Million Menschen bestanden ihre Führerscheinprüfung. Angesichts des rapide wachsenden Verkehrsaufkommens, wurde die Führerscheinprüfung erneut verschärft.
In der Zwischenzeit spitzte sich durch den Teutonischen Temporausch auf den Straßen des Wirtschafts-Wunderlandes die Verkehrssituation Besorgnis erregend zu und die hässliche Fratze der Motorisierung kam zum Vorschein. Es herrschte mit einem Mal eine sich rasant ausbreitende Gesetzlosigkeit. Autofahren war abenteuerlich geworden und glich Russischem Roulette. Westdeutschlands Straßen waren mit einem Schlag auf furchteinflößender Weise frei und grenzenlos. Möglicherweise war es wohl die Geburtsstunde der beispiellosen Parole, von der „freien Fahrt für freie Bürger“, denn es gab noch keine Raumordnung für Fußgänger und Kraftfahrzeuge.
Die zu Fußgehenden, empfanden sich plötzlich wie gehetztes Wild.
Automobile und Motorräder durften rasen wie und wo sie wollten. Auch für Lastwagen gab es auf Autobahnen keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Deutschlands Straßen glichen einer „Kampfzone.“
Menschen die den Krieg erlebt hatten, fühlten sich in diese Zeit zurückversetzt.
Wie war es aber zu diesem irrsinnigen Zustand der Ungezwungenheit von Verrückten gekommen?
Wir gehen in der Zeit einige Jahre zurück.
Ab 1910 galt für Fahrzeuge bis 5,5 Tonnen innerorts eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 15 Km/h.
Ab dem 1. März 1923 war per Reichsverordnung innerorts eine Geschwindigkeit von 30 Km/h erlaubt, welche die höhere Verwaltungsbehörde auf 40 Km/h erhöhen konnte.
Im Mai 1934 setzte die NS-Herrschaft alle geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen kurzerhand außer Kraft. Der Reichsausschuss der Kraftverkehrswirtschaft reagierte schnell und gezielt auf des Führers Auto-Euphorie, indem man alle neu zugelassene Pkw und Motorräder von der Kfz-Steuer befreite. Was in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen wäre, Hitler selbst, besaß nie einen Führerschein. Initiatoren verfolgten mit dieser Aktion, das neue Automobil – in einer von Geschwindigkeit sich abzeichnenden, ewig triumphalen Zukunft – massentauglich zu machen und rasch an den „Mann“ bringen, da es Frauen vorbehalten war am Herd zu stehen und Kinder zu gebären.
Doch der Zustand absoluter Verzückung vom Freien und Ungezwungenen Fahren dauerte nicht länger als fünf Jahre. Wie in den Jahren zuvor hatte sich in der Einstellung des motorisierten Bürgers kaum etwas verändert und so blieb der Konflikt mit dem Fahrgerät, ebenso die Geschwindigkeiten eine unlösbare Problematik. Weil die rasch wachsende Zahl von Verkehrsopfern erneut eine bedrohliche Dimension annahm, wurde die Geschwindigkeit sofort wieder drastisch heruntergefahren.
Für damalige Automobile und der fehlenden Fahrkompetenz der Lenker waren Geschwindigkeiten von 100 Km/h Außerorts und 60 Km/h in Ortschaften atemberaubend.
Für seinen bevorstehenden Waffengang, benötigte Hitler alle verfügbaren Ressourcen und somit wurde der zivile Straßenverkehr sogleich untergeordnet.
Um die für einen Krieg nötigen Kraftstoffvorräte nicht zu strapazieren, drehte das Regime im September 1939 ein zweites Mal an der Temposchraube.
Ab sofort durfte in Ortschaften nicht schneller als
40 Km/h gefahren werden und außerhalb lag die Obergrenze bei 80 Km/h sowie 60 Km/h für Lastwagen und Omnibusse.
Möglicherweise gab es noch einen weiteren Grund für die Reduzierung der Geschwindigkeiten: Führers Soldaten sollten nicht wie viele andere auf der Straße zu Tode kommen. Er brauchte sie dringender an der Front!
Doch was veränderte sich?
Als man zu Beginn der 50er Jahre die Nazigeschwindigkeiten abschaffte, versäumte der Gesetzgeber fatalerweise eine Neuregelung und somit kam es, wie es kommen musste.
Auf den Straßen Westdeutschlands entfaltete sich so etwas wie eine Evolution ungezügelter Freiheit, deren Reaktion natürlich auf die Tempobegrenzung der Nationalsozialisten zurückführte und somit wurde schnell der Schuldige für das Desaster gefunden.
Immerhin, die Straßenverkehrsordnung mit ihrer Formulierung, dass Fahrzeugführer die Fahrgeschwindigkeit so einzurichten hat, dass er jederzeit in der Lage ist, seinen Verpflichtungen im Verkehr Genüge zu tun, und dass er das Fahrzeug nötigenfalls rechtzeitig anhalten kann, schützte vor noch größerem Wildwuchs auf den Straßen.
Anders dagegen im Osten Deutschlands, wo die Gesetze recht streng blieben. Mitte der 50er Jahre starben bereits 12000 Menschen den Verkehrstot und die Zahl der Schwerverletzten ging in die Hunderttausende, zudem erschien 1956 eine Statistik mit schauriger Bilanz, wobei jeden Tag im Straßenverkehr 18 Menschen ihr Leben verloren.
Ebendiese schreckliche Realität mit ihrer hohen Sterberate auf Deutschem Asphalt bewirkte in manchen Köpfen nun doch ein langsames Umdenken. Es waren mutige Politiker die behaupteten, dass es wohl doch die Raserei sei, die Schuld daran ist über den drastischen Anstieg von Verkehrstoten in den letzten Jahren. Sehnlichster Wunsch war es, das auf allen deutschen Straßen einfach langsamer gefahren wird. Tatsächlich verzeichnete das deutsche Vaterland einen rasanten Anstieg schwerer Verkehrsunfälle im Vergleich mit anderen Ländern und hielt den traurigen Rekord mit 796 Getöteten und Verletzten auf 10.000 Kraftfahrzeuge gerechnet.
Nach dem Vorbild Großbritanniens (30 Meilen = 48 Km/h) und Österreich (50 Km/h), eine Obergrenze von Tempo 50 Km/h in Ortschaften, 80 auf Landstraßen für Pkw, Krafträder und Lkw bis 2,5t Gesamtgewicht sowie Tempo 90 auf Autobahnen, jedoch nicht schneller als 100, hielt man solche Geschwindigkeiten für vorstellbar.
Umgehend verbündeten sich Hersteller schneller Fahrmaschinen mit Automobil-Clubs, um die Attacke gegen die Schnellfahrenden noch in letzter Minute abzuschlagen. Ein lauter Aufschrei auch beim ADAC, der den innerstädtischen Verkehr zusammenbrechen sah und den Bankrott der deutschen Automobilindustrie prophezeite.
Das Problem musste schleunigst vom Tisch. Ungeachtet der verheerenden Unfallzahlen sahen Verkehrsausschussmitglieder anderer Parteien das Dilemma hauptsächlich in den keineswegs verkehrsgerecht ausgebauten Straßen.
„Geschwindigkeitsbegrenzungen sind doch nur ein Herumdoktern an Symptomen von denen ein tiefgreifender Effekt nicht wirklich zu erwarten sei“,
so der Kommentar eines Gegners von Tempo-Obergrenzen.
Wieder einmal war nicht der Mensch die Ursache, auch nicht die Geschwindigkeit oder das Gefährt. Es lag wohl doch eher am nicht so optimalen Straßenzustand.
Schließlich geriet der Gesetzesvorschlag in das Mahlwerk der Parteipolitik und am Ende blieb von den drei Geschwindigkeitsbegrenzungen lediglich Tempo 50 in geschlossenen Ortschaften übrig. Dass ein Tempolimit längst fällig war, zeigte sich bereits nach wenigen Wochen.
Ohne dass irgendjemand vom motorisierten Volk es mitbekam, halbierte sich in Großstädten wie Köln und Stuttgart, nahezu unbemerkt die Zahl der Verkehrstoten. In den frühen 60er Jahre gehörten die Straßen Westdeutschlands zu den höchst strapazierten in ganz Europa, zudem lag mit 17.500 Kilometern pro Jahr die jährliche Fahrleistung eines Fahrzeuges höher als irgendwo anders. Doch es gab auch sogenannte „Straßenfeger“. Damit wurden Sendungen des Deutschen Fernsehens bezeichnet, die mit hohen Einschaltquoten, wie beispielsweise die Krimiserie „Stahlnetz“ dafür sorgten, dass die Straßen wie leergefegt wirkten, was sich schließlich auch in der Unfallbilanz niederschlug. Erst jeder zehnte Bundesbürger besaß einen Personenkraftwagen, dem gegenüber hatte aber schon jeder achte Franzose und jeder sechste Schwede ein eigenes Automobil. Einem Bericht der UNO-Wirtschaftskommission zu folge, gab es im Jahre 1960 in Westdeutschland, 265 Verkehrstote auf eine Million Einwohner, beim Nachbarn Schweiz 237, in Frankreich waren es 182, Italien lag bei 164 und England verzeichnete 137 getötete. Damit erreichte die Bundesrepublik Deutschland die höchste Sterberate bei Verkehrsunfällen in Europa.
Aber nicht allein der Zustand deutscher Straßen oder die anwachsende Verkehrsdichte waren Ursache dafür, dass mit den Fahrgeräten pro Jahr eine verheerende Entvölkerung praktiziert wurde. Es lag jedoch die Vermutung nahe, so ein Artikel aus einem Nachrichtenmagazin – dass auch die snobistisch, germanische Fahrweise ihr Maß an diesem Verschulden beiträgt.
Könner-Test 1
Des Mannes bester Kamerad...
„Es ist billiger, 35 Autos und eine Frau zu haben, als 35 Frauen und ein Auto.“
(Jay Leno, US-Talkmaster)
Als in den 60er Jahren, die Schlagersängerin Manuela in ihrem Lied nur dem Bossa Nova die Schuld an allem gab und Udo Jürgens eine blonde Siebzehnjährige erblickte, war es für viele Kraftfahrer zur Tradition geworden, die Heckscheiben ihrer Autos mit farbenprächtigen, selbstklebenden Reiseandenken zu dekorieren. Neben Aufklebern die deutlich machten in welches Land man mit dem Gefährt bereits eingefallen war, klebten zusätzliche Embleme, von jenen schweren Bergfahrprüfungen die vom Fahrer persönlich bereits gemeistert wurden, bei denen selbst Luis Trenker in seinen besten Tagen wohl Bauklötze gestaunt hätte. Schließlich vollendete das Ganze, jene unübersehbare, vom Lenker persönlich angebrachte, aber nur gelegentlich, verwirklichte Warnung:
„Bitte Abstand halten!“
Was so manchen Lesehungrigen Hintermann schon mal dazu verleitete, eventuell etwas dichter aufzurücken. Nicht selten ereilte das angeschaffte Gefährt eine Art Kultstatus. Da war es im Arbeiter- und Bauernstaat der „Trabbi“, der geliebt und gehuldigt wurde und westlich des Eisernen Vorhangs war es der „Käfer.“
„Ein vernünftiges Auto soll seinen Besitzer überallhin transportieren – außer auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten“ (Henry Ford, Autobauer)
Da hatte es nun seinen Platz gefunden des Teutonen „Ein und Alles.“ Auf der Heckablage, detailbesessen das Sofakissen mit aufgesticktem Autokennzeichen, dekorativ daneben, der von Muttern selbstgehäkelte Klopapierhut und den Fußraum stilvoll ausgelegt, mit orientalischem Knüpfwerk, verlieh das auf Raten erworbene, Chrom verzierte Prachtstück auf vier Rädern, „Ottonormalo“ den dünkelhaften Charakter.
Als Glücksbringer baumelten am Innenspiegel die ersten Babyschühchen. Vorsorglich zierte, das Abbild des heiligen Christophorus, der Schutzpatron der Reisenden und Fahrzeugführer, die Front des Aschenbechers und vom Fahrer immer gut lesbar, der flehende Wunsch, „Komm gut Heim.“
Enthusiasten zeigten durch einen Pferdehalfter in Miniatur, dass sie eher den „Hottemax“ im Griff hatten als das Gefährt und Unheilspropheten fixierten das Chrom-Hufeisen am Kühlergrill, selbstverständlich so, damit das Glück nicht herausfällt.
„Ich weine lieber in einem Rolles-Royce als in einem VW.“ (Zsa Zsa Gabor, Filmschauspielerin)
Doch mit dem Wohlstand kam auch das Dilemma.
Trotz Glücks-Hufeisen und Schutzpatron, fabrizierten überforderte Chauffeure mit ihren energiegeladenen Fahrgeräten 16.400 Tötungen pro Jahr.
Statistisch gesehen starben auf bundesrepublikanischen Straßen, fünfundvierzig Personen pro Tag, gleichzeitig verblutete im Laufe eines Jahres die Einwohnerzahl einer deutschen Kleinstadt. Doch die Tragödie lag darin, dass es den meisten einfach schlicht egal war, wer alles in einer Anarchie der Regellosigkeit auf den Straßen verblutete. Sollte jedoch eine plötzliche Flutwelle so ein Städtchen verwüsten, bekämen solche Zahlen wohl eine völlig andere Dimension.
Verkehrsmoral oder der ideale Kraftfahrer...
„Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen. Er fährt, um recht zu haben“, kritisierte bereits Kurt Tucholsky 1929.
Den Verkehr in Deutschland nahm Tucholsky als eine nationale Zwangsvorstellung wahr:
„Was da zusammengeregelt wird, geht auf keine Kuhhaut. Es ist die Staatsautorität, die hier herumwirtschaftet.
Rücksicht nehmen? Um eine entscheidende Spur nachzugeben? Auflockern? Nett sein, weil das praktischer ist? Na, wo kommen wir denn da hin! Und so fahren sie, und niemand fährt so unkameradschaftlich wie sie.
Kommt es denn nicht auf die smarte Nachgiebigkeit, auf die Geschicklichkeit, auf die Geistesgegenwart an, eben auf das Runde, und nicht auf das Kantige.
Aber nein, es ist zu schwierig.