Ursula Marquardt
Books on Demand
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Impressum
Damals in Welzheim
ISBN 9783848250110
© 2010, Ursula Marquardt
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
„Wie der Karl erzählen kann“, kam mir immer in den Sinn, wenn ich mich mit Karl Katz, einem vielseitig engagierten und interessierten Bürger aus Welzheim, unterhalten habe.
Karl Katz liebt seine Heimatstadt Welzheim und speichert alles, was er über seine Stadt und den Welzheimer Wald erfährt in seinem enormen „Gedächtnispool“. „Er hat Geschichte erforscht und erlebt, das sollte man festhalten“, dachte ich.
Gedacht, gefragt!
Nach mehreren Anläufen, bei der Generalversammlung der Volksbank, beim Edeka usw., konnte ich Karl überzeugen, mir seine Erinnerungen zu erzählen. Er hat mir außerdem einen wahren Schatz an gesammelten Unterlagen, alten Zeitungen und alten Dokumenten eröffnet.
Gefragt, getan, erzählt, geschrieben?
Seine Erzählungen und unsere Gespräche habe ich mit der Erlaubnis, diese Informationen zu verwenden und öffentlich zu machen, aufgenommen. Karl Katz übergab mir in unseren Gesprächen eine Vielzahl von humorvoll in schwäbisch erzählten Episoden und Erinnerungen. Erinnerungen kommen spontan, können von Jahrhundertwende zu Jahrhundertwende springen und halten sich an kein Schema.
Ich habe nun versucht, diesen Fundus zu katalogisieren und ins Schriftdeutsch zu übersetzten, weil ich festgestellt habe, dass das „geschriebene Schwäbisch“ bei weitem nicht dem Charme des „Originalton Karl“ nahe kam.
Aus den mir übergebenen Ordnern von alten Zeitungen, dem Boten vom Welzheimer Wald und den Blättern des Welzheimer Waldvereins, der Oberamtsbeschreibung aus dem Jahre 1845, mehreren Alben mit alten Bildern und Ansichtskarten und weiteren alten Unterlagen, konnte ich mir noch mehr Geschichte und weitere Geschichten aus dem Welzheimer Wald zusammensuchen und in diesem Büchle veröffentlichen. Teilweise springe ich deshalb auch sprachlich vom späten Mittelalter bis in unser heutiges Hochdeutsch.
Erinnerungen sind ungenau und subjektiv, deshalb erheben Karl und ich bei der Geschichte und bei den Geschichten keinen Anspruch auf Richtigkeit.
Für die selbstlose Übergabe seiner gesammelten Erinnerungen und Geschichten, für die Zeit, die vielen guten Gespräche und für die interessanten Unterlagen und Bilder, bedanke ich mich bei Karl Katz sehr, sehr herzlich.
Damit die Welzheimer Geschichte und Geschichten besser eingeordnet werden können, habe ich sie in das jeweilige Zeitgeschehen eingebettet. Das Geschichts- bzw. Geschichtenbüchle beginnt mit den Römern und endet mit persönlichen Erlebnissen in den wilden 60er Jahren, die ich als Teenager in Welzheim und in Walkersbach erlebt habe.
Welzheim, November 2010
Ursula Marquardt
I. WELZHEIMS ANFÄNGE
II. 15. JAHRHUNDERT
II.I. CHRONIK
II.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
II.II.I. Das Tierbad 1417
III. 16. JAHRHUNDERT
III.I. CHRONIK
III.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
III.II.I. Hexenwahn von 1550 bis ins 18. Jh.
IV. 17. JAHRHUNDERT
IV.I. CHRONIK
IV.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
IV.II.I. Die Pest
IV.II.II. Schulordnung zu Welzheim (1619)
V. 18. JAHRHUNDERT
V.I. CHRONIK
V.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
V.II.I. Wilhelmine von Grävenitz
V.II.II. Der Stadtbrand und die besondere Rolle der Grävenitz
V.II.III. Der Ebnisee
VI. 19. JAHRHUNDERT
VI.I. CHRONIK
VI.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
VI.II.I. Oberamtsstadt Welzheim
VI.II.II. Justinus Kerner in seiner Welzheimer Zeit (1812-1815)
VI.II.III. Welzheim und der Verkehr
VI.II.IV. Geistererlösung auf dem Taubenhof
VI.II.V. Das wundersame Treiben am Kirchplatz in jener Zeit
VI.II.VI. Die Geschichte über St. Albert
VII. 1900-1935
VII.I. CHRONIK
VII.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
VII.II.I. Die Notzeit des ersten Weltkriegs in Welzheim
VII.II.II. Welzheim und die Eisenbahn
VII.II.III. Eugen Hohly, der Wohltäter der Stadt Welzheim
VII.II.IV. Die Geschichte des Stadtparks
VII.II.V. Das „Göckeler Bad“
VII.II.VI. Der Traum von den schwarzen Schnallenschuhen
VIII. DIE ZEITEN DES ZWEITEN WELTKRIEGES
VIII.I. CHRONIK
VIII.II. GESCHICHTEN AUS DER VORKRIEGSZEIT
VIII.II.I. Jugendorganisationen der Nazis
VIII.II.II. Konzentrationslager
VIII.II.III. Welzheim der größte Militärflughafen Deutschlands?
VIII.II.IV. Der Holzturm, ein Aussichtsturm in Kaisersbach
VIII.III. GESCHICHTEN AUS DEN KRIEGSTAGEN
VIII.III.I. Kriegserlebnisse auf dem Welzheimer Wald von Dekan Josenhans
VIII.III.II. Der Krieg in Welzheim
VIII.III.III. Erfassung der Staatsfeinde
VIII.IV. GESCHICHTEN VOM KRIEGSENDE
VIII.IV.I. Auszüge aus „Geschichtliche Darstellung der letzten Kriegstage in der Stadt Welzheim“
VIII.IV.II. Berichte von Zeitzeugen zum Kriegsende auf dem Welzheimer Wald
VIII.IV.III. Interviews zum Kriegsende mit Welzheimer Augenzeugen
VIII.V. GESCHICHTEN AUS DER NACHKRIEGSZEIT
VIII.V.I. Nachkriegszeit in Welzheim
VIII.V.II. Entnazifizierung
VIII.V.III. Hamsterer und Schwarzmarkt
VIII.V.IV. Flüchtlinge und Vertriebene
VIII.V.V. Die Währungsreform
IX. DIE 50ER JAHRE
IX.I. CHRONIK
IX.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
IX.II.I. Zigeuner Marie
IX.II.II. Das Leben auf dem Dorf
IX.II.III. Einrichtung der 50er
IX.II.IV. Fresswelle und Italienfieber
IX.II.V. Tanzvergnügen
IX.II.VI. Kino und Film
X. DIE 60ER JAHRE
X.I. CHRONIK
X.II. GESCHICHTEN HINTER DER GESCHICHTE
X.II.I. Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus - Generationskonflikte
X.II.II. Das Wirtschaftswunder und seine Auswirkungen
X.II.III. Architektur der späten 50er und 60er Jahre
X.II.IV. Die Zeit der Idole - Idole in der Politik, in der Musik und in der Mode
X.II.V. Jahrzehnt der sexuellen Revolution
XI. WISSENSWERTES
XI.I. GESCHICHTE DES FEUERSEES
XI.II. STRAFEN IM WELZHEIMER WALD
XI.III. ARBEITS- UND BERUFSWELT IN FRÜHER ZEIT
XI.IV. MÜHLEN IM WELZHEIMER WALD
XI.V. BESONDERE BÄUME
XI.VI. KLINGEN, FELSEN, SCHLUCHTEN UND GROTTEN
XI.VII. SAGEN
XI.VIII. KURIOSES
XII. QUELLENVERZEICHNIS
XIII. BILDVERZEICHNIS
Das Gebiet um das heutige Welzheim war Teil des römischen Reiches mit rund 100 Millionen Einwohnern. Gigantisch waren seine Ausmaße. Es erstreckte sich vom persischen Golf bis zum Atlantik. Markiert wurde das römische Reich gegenüber dem freien Germanien durch eine Grenzlinie, genannt Limes, der allein in Deutschland 550 km lang war.
Zwischen Welzheim und Osterburken verlief der obergermanische Limes über 88 Kilometer schnurgerade nach Süden. Was die Römer veranlasste, diese Grenze hier so auszubauen ist bis heute ein Rätsel. War es reine Machtdemonstration? Auf jeden Fall ist er eine landvermesserische sowie architektonische Meisterleistung.
Noch heute kann man den Limes in der Landschaft erkennen, wie hier beim Haghof.
Abb. 1: Limesspuren (Bild um 1960)
Ca. 150 n.Chr. wurden um Welzheim Kastelle durch die Römer gegründet: das sogenannte Westkastell (4,3 ha, für 500 Mann), das Ostkastell (1,63 ha), das Kleinkastell Rötelsee (für ca. 20 Mann) und eine kleine römische Siedlung.
Auf einer Hochfläche über der Lein, zwischen dem Ost- und Westkastell, beiderseits der Pfaffenader, lag die Zivilsiedlung.
Abb. 2: Ost- und Westkastell Welzheim
Überall stoßen wir auf Zeugen unserer frühen römischen Vergangenheit.
Besonders bemerkenswert sind die vier aufgedeckten, holzverschalten Brunnen im Ostkastell, in denen wertvolle Funde zum römischen Alltagsleben, darunter über 100 Schuhe, gemacht werden konnten. Was hat wohl die Römer dazu veranlasst, eine solch große Anzahl an Schuhen in einem Brunnen zu verstauen?
Manches mag noch in Welzheim unter der Erde schlummern und wartet darauf von unseren Nachkommen entdeckt zu werden.
So könnte das Alltagsleben der Römer, ausgesehen haben, die an den Kastellen in Welzheim ihren Dienst verrichten mussten:
Ein römischer Soldat führte eigentlich kein richtiges Privatleben, da er nur wenig Freizeit hatte und weit weg von seiner ursprünglichen Heimat leben musste. Zudem bestand für Soldaten ein Eheverbot, das aber oft umgangen wurde. So lebte mancher Soldat mit einer Frau zusammen und hatte mit ihr auch gemeinsame Kinder.
Jeden Morgen bei Tagesanbruch mussten sich die Soldaten beim Zenturio melden. Dieser legte den Dienstplan für den Tag fest. Die wichtigste Aufgabe war der Wachdienst, es mussten aber auch andere Tätigkeiten verrichtet werden wie z.B. das Reinigen der Bäder, der Latrinen und Straßenbauarbeiten. „Geschafft“ hatte es der Soldat, der spezielle Kenntnisse hatte und als Waffenmeister, Metzger, Sanitäter oder Pferdezureiter arbeiten konnte. Dazu mussten noch regelmäßige Übungsmärsche, das Waffentraining und der übliche Drill abgeleistet werden.
Als Treffpunkt diente das traditionelle römische Bad mit verschiedenen Räumen für kalte Bäder (frigidarium), heiße Bäder (caldarium), lauwarme Bäder (tepidarium), Dampfbäder (laconium) und Massagen.
Wichtigstes Nahrungsmittel war der Puls, ein Dinkelbrei, der in Wasser und Salz gekocht wurde. Dazu gehörte auch das tägliche Weizenbrot. Als Gemüse gab es Erbsen, Bohnen, Linsen, Kohl, Lauch und Zwiebeln und wenig Fleisch. Gut war, dass man dieses Essen mit viel Wein nachspülen konnte. Der Wein war so preiswert, dass auch Arme ihn sich leisten konnten. Er war neben Wasser das wichtigste Getränk und der durchschnittliche Weinverbrauch lag bei einem Liter pro Tag.
260 n.Chr. zerstörten die nach Westen und Süden vordringenden Alemannen die Römerkastelle.
Ob der von den Römern verlassene Ort von den Alemannen angenommen wurde, ist nicht bekannt. Der Zeitpunkt einer Besiedlung, etwa durch friesische Pferdebauern, liegt ebenfalls im Dunkeln.
Leider sind durch die großen Stadtbrände, denen auch das Rathaus zum Opfer fiel, vermutlich viele Dokumente, die uns über die Geschichte des frühen Welzheims Auskunft hätten geben können, unwiderruflich vernichtet worden.
Um 1100 wurde die Zeit durch die Staufer geprägt.
In unserer Gegend entstanden staufische Güter mit Hilfe von Rodungsbauern, denen für ihre Arbeit die Befreiung von der Fron zugesagt worden war. Die Staufer waren ein schwäbisches Adelsgeschlecht, das im 12. und 13. Jahrhundert mehrere schwäbische Herzöge und römisch-deutsche Könige und Kaiser hervorbrachte.
Der Name „Staufer“ leitet sich von der Burg Hohenstaufen bei Göppingen ab.
1181 „Wallenzin“, der Name unserer Stadt wurde erstmals urkundlich erwähnt.
Zuerst stand der Name „Wallenzin“, auch „Wallinzin“, dann 1355 Wallenzingen und 1473 „Walzan“. Danach „Welnze“ und „Welzen“, woraus später der heutige Name gebildet wurde. Bis heute sprechen Einheimische von ihrem „Welze“.
„Welzheim“, die um 1600 üblich gewordene Form, ist ein willkürlich amtlich geprägter Name in Anlehnung an die echten „Heim“-Orte.
Das einstige Dorf Wallenzin lag auf einer Liashochfläche neben dem Leintal inmitten des stuifischen Besitzes und war der Mittelpunkt des „Welzheimer“ Waldes. Die Nöte der damaligen Zeit ermöglichten den Bewohnern keine Stadtmauer. Sie mussten sich mit Planken, Wall und Graben begnügen. Später hatte Welzheim (im Jahre 1614) jedoch zwei Tore: beim Feuersee und bei den früheren Gasthäusern Traube und Stern.
„Welltzhaimer Walld“
Welzheimer Wald mit Welzheim, Seiboldsweiler, Eckartsweiler, Steinenberg, Langenberg, Taubenhof, Gmeinweiler, Untere Mühle, Tierbad, Steinbruck, Hundsberg, Breitenfürst, Pfahlbronn etc.
Die Teildarstellung des “Schorndorfer Forst“ von Georg Gadner stammt aus dem Jahre 1596.
Abb. 3: „Welltzhaimer Walld“
12. Jh. Kaisersbach - ein Heilbad
Eine noch vor 1700 für Heilbäder benutzte, schwefelhaltige Quelle, die ehemals unter der Staffel des früheren Gasthauses „zum Ochsen“ entsprang, soll der Sage nach bereits von Kaiser Friedrich I. , Barbarossa (1122-1190), benutzt und zum Bad gefasst worden sein. Die Erinnerung an dieses alte Heilbad lebt in dem Flurnamen „Im Bädesgärten“ fort. Es gibt auch die Ansicht, dass Kaisersbach von „Kaisersbad“ abgeleitet wurde.
1266 war Welzheim schon „frühe Stadt“.
Gemäß der Oberamtsbeschreibung von 1845 wurde der Ort schon „frühe Stadt“ genannt. Im Jahre 1266 ist von „convincibus“ (Stadtbürger) und 1284 vom „Oppidum Wallenzi“ (Stadt Wallenzi) die Rede.
1269 wurde die Burg bei der Stadt Welzheim zum ersten Mal urkundlich erwähnt.
Von den Besitzern der Burg ist wenig bekannt, lediglich dass im genannten Jahr ein Wipert de Wallezin einen Rechtsstreit mit dem Kloster Lorch austrug. 1284 traten ein Dominitus Henricus Miles de Wallezi und ein Eckehardus Scultetus (Schultheiß) de Wallezi auf.
Das 14. Jahrhundert ist die Epoche des Spätmittelalters in Europa, die vor allem durch Auseinandersetzungen um kirchliche und weltliche Herrschaftsansprüche geprägt war. Es wurden die letzten Kreuzzüge und neun große Kriege geführt. Die Pest als „Schwarzer Tod“ griff um sich, was eine Entvölkerung zur Folge hatte. Eine Hungersnot führte zu einer Änderung in der Sozialstruktur: Das Rittertum wurde zugunsten des Adels und des Bürgertums geschwächt.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts schien die ritterliche Familie Welzheim verlassen zu haben, denn 1327 werden ein Conrad und 1362 ein Fritz von Wallezin als Bürger der Freien Reichsstadt Schwäbisch Gmünd urkundlich erwähnt. Ein anderes Mitglied der Familie, das ebenfalls in Gmünd lebte, Gernold von Wallezin, trug 1305 einen Grundstücksstreit mit dem Kloster Lorch aus. In Lorch selbst war 1356 ein Chunrat Gernold von Wallenzin als Schultheiß eingesetzt.
1335 verkaufte Albrecht von Hohenrechtberg seiner Schwester Mechthild, der Schenkin von Limpurg, „Wallenzingen, Burch und Stat und alles das dazu gehört, an Äcker, an Wiesen, an Holz, an Wald, an Waid, an Wasser für ein freies und lediges Aigen“ um 1000 Pfund Heller.
1374 gab Graf Eberhard von Württemberg dem Schenken Conrad zu Lehen „Welze daz dorff halb, Lute und Gut und was darzu gehört, als ez sein Bruder Herr Albrecht selig auch von meinem Herrn empfing“.
Das 15. Jahrhundert ist die Endphase des Spätmittelalters, die Epoche des Humanismus, der Beginn der Renaissance und der Übergang zur Neuzeit. In Europa wurden circa 14 verlustreiche Kriege geführt und durch die Entwicklung neuer Kriegstechniken (Feuerwaffen bzw. Gewehre und Kanonen) begünstigt. Neue Machtzentren entstanden durch die Entwicklung von Wirtschaft und Handel, so dass Familien wie die Medici und die Fugger so reich wurden, dass sie zum Teil die europäische Politik beherrschten. Die Machtstellung der Kirche wurde geschwächt. Diese reagierte darauf mit einer Stärkung der Inquisition, um Andersgläubige und Abtrünnige zu unterdrücken. Diese sowie auch Hexen wurden verfolgt und hingerichtet. Durch die Erfindung des Buchdrucks entwickelte sich ab 1452 das Zeitalter der Aufklärung. Nationalstaaten und viele einzelne Territorialstaaten entstanden, die Erbmonarchie wurde eingeführt. Die Entdeckung der "Neuen Welt" konnte ab 1492 neue Handelsrouten erschließen. Ab 1495 wurde im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation der „Ewige Landfriede“ verkündet. Dieser beinhaltete das Verbot von Fehden, die Einrichtung eines Reichskammergerichts und die Einführung einer Reichssteuer - ein erster Schritt hin zur Entwicklung des Gewaltmonopols des Staates.
1403 wurde in losem Zusammenschluss die sogenannte Waibelhube gebildet, eine Gemeinschaft von freien Bauern mit Sitz in Seelach, die ihr eigenes Gericht besaß. In der urkundlichen Nennung des Seelacher Halsgerichts - den Vorsitz führt ein Limpurger Vogt, dem 17 Bauern zur Seite stehen: daher „Siebzehnergericht“ - beschrieben die Bauern ihre Unabhängigkeit wie folgt: „die frien gut (Güter) die in die Waibelhube gehören und die Lüt, die da heizzend die frien Lüte.“ Die 17 Bauern, die sich in regelmäßigen Abständen auf dem Gerichtswasen bei Seelach trafen, saßen in Einzelgehöften zwischen dem heutigen Gschwend und Alfdorf.
1489 erwarben die Schenken von Limburg das „Tierbad“.
Abb. 4: St. Gallus Kirche
1499 wurde die offensichtlich neu erbaute Kirche zum heiligen Gallus geweiht, die früher von Mauern und einem Wassergraben umgeben war. Aus alten Kirchenbüchern ist ersichtlich, dass es, seit man von Welzheim weiß, eine Kirche oder Kapelle hatte. Die Kirche wurde schon vor 1206 erbaut. Die Urkunde aus diesem Jahr erwähnt einen „Vice- Pfarrer“ von Wallenzin.
II.II.I. Das Tierbad 1417
Abb. 5: Tierbad
Unterhalb des Tannhofs neben dem Flüsschen Lein ist ein kleines Wasserloch, an dessen Rand einige Büsche und Bäume wachsen. Wer dort vorbeikommt wird kaum vermuten, dass sich hier einst ein bekannter und viel besuchter Badeort befand, dessen Schwefelquellen unzähligen Kranken Linderung und Genesung gebracht hatten. Es war das Tier- oder Wildbad bei Welzheim, ein mittelalterliches Schwefelbad im Leintal.
Der Sage nach soll in dieser Quelle eine verwundete Hirschkuh gebadet und Heilung gesucht haben. Die gleiche Entdeckungsgeschichte erzählt man sich auch vom heutigen Bad Wildbad. Auch sonst war das Tierbad in seinen Hochzeiten mit dem berühmten Kurort im Schwarzwald zu vergleichen. Schon 1487 wurde das Tierbad „als heilsame Anstalt“ genannt. Nach einer anderen Theorie hat das Tierbad seinen Namen erhalten, weil einer der Schenken von Limpurg dort einen Tierpark angelegt hatte.
Dieser kaufte das Bad 1489 von einer freien Bauernfamilie. Das erworbene Bauernhaus wurde zum Badhaus. Neben diesem hatten die Schenken von Limpurg ein für sie bestimmtes Herrenhaus gebaut. Außerdem ließen sie Spazierwege und Alleen anlegen, die vermutlich im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurden. Die St. Georgenkapelle stand neben dem Herrenhaus. Gegenüber dem Bad, zwischen der „Großheck“ und dem Tannwald, war die St. Wolfgangskapelle zu finden. Ursprünglich aus Holz erbaut, wurde sie später von Wallfahrern abgerissen und mit Steinen wieder aufgebaut. Um 1700 hatte dieser Weiler noch 42 Einwohner. Das Badhaus, das einen Hauptbau und zwei Querflügel besaß, hatte Ähnlichkeit mit den in dieser Zeit üblichen Schlossbauten. Die Anlage muss idyllisch gewesen sein.
Einer weiteren Sage nach waren die Quellen des Tierbades so wirkungsvoll, dass Geheilte ganze Stöße von Krückstöcken nach ihrem Aufenthalt im Tierbad zurückließen.
Dr. Remeling, Arzt in Schorndorf, schreibt 1628 über das Tierbad:
„Dieser heilsame Wunderbrunnen liegt in dem löblichen Herzogtum Wirtemberg, einem geringen Weg beiseits Welzheim, zwischen der Stadt Schorndorf und Schwäb. Gmünd. Die Quelle sei mit einem schönen Gefäß und Brunnengeschwell eingefasset und mit einer hübschen Haube bedecket, das Badhaus von neuem erbauet, das Gasthaus erweitert, mit Badknechten, auch anderen Gehilfen wohl versehen. Der Wirt ist wohl bestallet und das Gasthaus nicht nur groß, fein und lustig, sondern auch schön luftig und hell, mit einer großen Schlaguhr versehen, damit die Badgäste sich die Zeit verkürzen und in ihrer Badzeit hernach verhalten können. Auch ist es mit feinen verschiedenen Gemächern so ordentlich erbauet, daß jeder Badgast sein Zimmer mit ausgerüsteter Bettstetten finde. Die Küche sei weit und licht, in welcher jeder, was ihm beliebe, kochen lassen könne, da die Gäste sowohl vom Wirt als auch von anderen Leuten, welche Viktualien zu verkaufen, dahin bringen, allerlei und auch guten Wein die Fülle um ein billiges Geld bekommen könnten. Auch habe der Wirt in seiner eigenen Behausung eine Anzahl von schönen, lustigen und sauberen Gemächern, die zur Verfügung der Gäste bereit seien und bis dato habe noch niemand mit Fug und Recht und Billigkeit eine Beschwerde geführt.“
Neben dem Gebrauch des Bades wurden noch allerlei Medikamente verschrieben wie z.B.:
„Nasensälblein, davon in beede Naslöcher wie eine Linse groß zu brauchen, Wachstäfelein, davon je eins zwischen den Kiefer und Backen zu legen, Schlafäpfel, davon vor dem Schlafengehen, auch im Bett viel zu riechen, Bauchpulver, Pulver auf das Haupt zu streuen, ja sogar ein Öl in den Nabel zu tropfen zur Eröffnung des Leibes.“
Außerdem empfiehlt Remeling:
„Jeder Besucher möge sich neben guter Kleidung, allerlei Leinwand, einem Sitzschwamm, einer Sanduhr und mit einem sonderlich guten Seckel mit Geld versorgen, damit er ja nicht Mangel erleide.“
Eine strenge Badeordnung wurde 1627 erlassen:
Die Besucher wurden ermahnt, Frieden zu halten und andererseits mit harten Strafen von 10 Gulden bis zur Todesstrafe bedroht.
An den Sonntagen sollten sie die Gottesdienste besuchen.
Verboten war: das Gotteslästern, das Fluchen, das Schwören, schandbares Liedersingen, das unnötige Vexieren und auch das heftige Disputieren über Glaubenssachen.
Abscheulich kranke Leute sollten sich an besondere Orte setzen. Sind die Schäden im Gesicht, so sind sie zu verhüllen. Die von ihnen benutzten Gegenstände mussten vernichtet werden.
Die Badezeit dauerte morgens von 5 bis 10 Uhr und nachmittags von 1 bis 5 Uhr. An Sonntagen durfte nicht gebadet werden.
Wann das Bad und der Badebetrieb genau eingestellt wurden, ist nicht bekannt. Aus Unterlagen der Familie vom Holtz in Alfdorf ist ersichtlich, dass das Bad noch von ihrem Vorfahren, dem herzoglich wirtembergischen Generalfeldzeugmeister Georg Friedrich vom Holtz im Jahre 1655 besucht wurde.
In den Kirchenbüchern von Welzheim steht, dass die Heilwasser nicht viel wert gewesen seien, doch die Aufzeichnungen von Dr. Remeling aus dem Jahre 1617 belegen etwas Anderes.
Dr. Remeling spricht von 60 Kurgästen pro Tag, die das Tierbad aufgesucht haben. Den drei Schwefelquellen wurden unterschiedlich heilsame Wirkungen zugesprochen. So schildert Dr. Remeling Heilungserfolge bei Problemen im Magen-Darm-Trakt. Offensichtlich haben die Patienten im Heilwasser gebadet, es getrunken und zusätzlich noch Klistiere bekommen. Remeling erzielte damit eine Harmonisierung der Magen-Darm-Säfte und Heilungen. Er schreibt weiter, dass er z.B. eine Greisin von 56 Jahren vom 4-Tages-Fieber geheilt hat. Auch Atemwegserkrankungen wurden von ihm behandelt. Das Heilwasser begünstigte das Abhusten. Selbst einigen Schwindsüchtigen konnte er nach eigenen Angaben helfen. Hautgeschwüre und sonstige Erkrankungen der Haut besserten sich, z.B. die Rotlauf, heute eher als Erkrankung von Schweinen bekannt.
Es gab ja fast nichts, was Remling nicht heilen konnte:
Er schrieb: „Zwei Eheleute, seid 7 Jahren steril, haben nach der Behandlung einen Nachkommen gezeugt.“ Wenn man auch davon ausgeht, dass schon damals Klappern zum Handwerk gehörte und Dr. Remeling in Sachen Eigenwerbung tätig war, wird doch das eine oder andere Fünkchen Wahrheit dabei gewesen sein.
Nach dem Zerfall des ehemals stark frequentierten Bades wurde immer wieder versucht, die Quelle medizinisch zu nutzen, bzw. dem Bad wieder zu seiner früheren Bedeutung zu verhelfen, aber es war alles umsonst. Das Wasser der Quelle, das früher in der Mitte des Badhauses sprudelnd aus dem Boden entsprang, konnte nur noch mittels eines Pumpbrunnens gefasst werden. Infolge unrichtiger Fassung und durch Vermischung mit zwei in der Nähe entspringenden Süßwasserquellen, scheint es mit der Zeit etwas von seinem Mineralgehalt verloren zu haben.
Als im Jahre 1899 die beiden Bauernhöfe im Tierbad abbrannten, gab man den alten Weiler auf und schüttete den Brunnen zu. Um 1930 wurde, die alte Quelle wieder aufgegraben, mit dem Ziel das Tierbad zu neuem Leben zu erwecken. Die chemische Untersuchung des Quellwassers ergab aber einen solch geringen Schwefelgehalt, dass sich eine erneute Nutzung der mittelalterlichen Heilquelle nicht lohnte.
Das alte Tierbad von Welzheim ist verschwunden. Aber noch immer trägt die Stelle, auf der sich einst das alte Bad befand, den Flurnamen „Tierbad“.
Angeblich gibt es neue Pläne, die Brunnenstube wieder frei zu legen. Wird man dann wieder nach der verlorenen heilsamen Quelle suchen?
Im 16. Jahrhundert, am Ende des Mittelalters, kämpften in Europa die Herrschenden in 31 Kriegen um die Vorherrschaft.
Viele kleine Fürstentümer sowie Grafschaften mussten die andauernden politischen Veränderungen hinnehmen. Die Gesellschaftsstruktur zwischen Adel und Bürgertum änderte sich allmählich und Hoheitsrechte, wie auch das Feudalsystem, wurden durch Geldmangel geschwächt. Durch Frondienste und Abgaben litt die ländliche Bevölkerung Not. Selbst die absolutistisch geprägte katholische Kirche war materialistisch orientiert. Durch die Inquisition sowie den Ablasshandel sah sich Martin Luther 1517 veranlasst, seine 95 Thesen zu formulieren. Diese wurden zum Auslöser für eine Reformationsbewegung in ganz Europa. Bauernaufstände erreichten einen Höhepunkt.
Die Dynastie der Habsburger festigte sich im Renaissance-Zeitalter und Kunst, Medizin und andere Wissenschaften entwickelten sich weiter.
1525 beteiligte sich der sogenannte „Limpurger Haufen“ am Bauernkrieg mit vielen Bauern aus dem Welzheimer Wald.
1535 Reformation und damit neue Kirchenverfassung in Welzen
1556 wurden durch eine große Feuersbrunst 150 Gebäude vernichtet, die überwiegend mit Stroh und Schindel gedeckt waren. Offensichtlich verbrannte der ganze Ort mitsamt der Burg. Beim Wiederaufbau wurde die Burg mit Mauern und Gräben umgeben und mit einer Zugbrücke versehen.
1577 Schenk Johann von Limburg zu Schmidelfeld setzte als ersten Schulmeister Ludwig Philipp Leeber in Welzheim ein.
Leeber schreibt an seinen Landesherren, dass er wenig und sommers gar keine Schüler habe. Dadurch fiele das vierteljährlich von den Eltern zu entrichtende Schulgeld weg. Die geringe fixe Besoldung habe ihn gezwungen, sich beim benachbarten Adel als Schreiber zu betätigen.
Den Kindern des Pfarrers würde er Lateinunterricht erteilen. Der Zwang zum Nebenverdienst brächte es mit sich, dass das Amt darunter leide. Aber wenn er auswärts ginge, würde seine Frau die Schule versehen.
1596 ließ Herzog Friedrich von Württemberg in einem Streit mit dem Schenken von Limpurg über das Bergareal zu Mittelbronn, die Herrschaft Welzheim und das Dorf Schnait am 10. Juli 1596 mit Waffengewalt einnehmen.
Er erklärte Welzheim und die dazugehörigen Ländereien für verwirkte Lehen und trat sie erst am 18. November 1602 wieder an den Schenken ab.
III.II.I. Hexenwahn von 1550 bis ins 18. Jh.
In früheren Zeiten war es für die Menschen selbstverständlich, dass es Hexen gab. Für Hexenverfolgung war der Hauptsitz des Grafen von Helfenstein-Wiesensteig berüchtigt. Um 1550 ließ der damalige Graf Ulrich von Helfenstein 70 Weiber als Hexen verbrennen. Im Jahre 1583 fanden 25 Weiber den Feuertod.
Abb. 6: Hexenverbrennung
Auf dem Welzheimer Wald hielt man lange am Hexenglauben fest, selbst fromme Leute glaubten daran. Mägde, die früh abends von Breitenfürst zum Lichtkarz1 in die Ölmühle wanderten, berichteten, dass sie Hexen und Geister gesehen hätten. Immer wieder hörte man, dass solche Gestalten rumorten und umgingen. Wie lange dies in den Köpfen geisterte, ist schwer zu sagen.
Die Menschen wollten sich vor dem Unglück bzw. vor den Hexen schützen. So fand man im Jahre 1932, gut versteckt und besonders zusammengefaltet, im Balkenwinkel einer alten Scheune in Mannholz, einen noch verhältnismäßig gut erhaltenen Hexenbannbrief. Die dortige Aufbewahrung sollte die Scheuer vor Feuersgefahr schützen, Unglück im Stall verhindern und die Menschen des Hofes vor Hölle und Teufel bewahren.
Hexenbannbrief aus dem 18. Jahrhundert:
Zauberei und Teufelskunst ziegt aus dem Viehstall. Ebenso gewiß als Jesus Christus aus Jerusalem gegangen ist mit dem Heiligen Creytz an den Calfahre Berg, und hat die alt Vätter aus der Höllengwalt Erlest, und das gantze menschliche Geschlecht von Sünd, Tod, Teufel und Hölle Erlest. Kunst, das du selbst verstummen, verlahmen und gahr kein Kraft mehr haben, im süßen nahmen Jesus Christ, der ober uns ist.
Ammen
Das triumphierliche titul Jesu Christu vetreibe alles böse in Zeit und Ewigkeit.
Ich verbiede Dir mein Haus und Hohf, ich vebiede dir meine Pferde und Kuhstall, ich verbiede dir meine bettstatt und alles was ich habe, das du nicht krefte hast in ein ander Haus , bis du alle berge steigest, und alle Zaunstrecken Erlest, und über alle Wasser stechen, so kommt der liebe tag wieder in mein Haus. Ammen
Patri et filius et spiritus dir samt dir . Ammen
Hexenbanner
Jedes Jahr nach dem Sommer erinnert uns die Herbstzeitlose an ihre weniger rühmliche Vergangenheit.
In manchen Gegenden hieß sie Michelsblume oder Spinnblume. Spinnblume deshalb, weil die Frauen und Mädchen, die Blüten in ihren Händen zerrieben, damit sie beim Spinnen im Herbst nicht wund würden. Hennentöter war ein weiterer bezeichnender Name für sie, weil die Hühner eingingen, wenn sie Herbstzeitlose gefressen hatten. Die Bauern hatten die Herbstzeitlose auch nicht gerne auf ihren Wiesen, weil diese merkwürdigerweise nur den Schafen nicht schadeten.
In geringen Dosen wurde das Gift der Herbstzeitlosen allerdings als Heilmittel bei Gicht und Gliederschmerzen eingesetzt.
Blühte die Herbstzeitlose um den Michaelistag, dann blühte das Geschäft mit dem Hexenbanner:
Grundlage hierfür bildete der oben beschriebene Glaube an Hexen und Geister, den sich die Hexenbanner zunutze machten. Sie mischten in einem unbeobachteten Moment die giftigen Knollen der Herbstzeitlosen unter das Futter der Kühe von reichen Bauern. Am nächsten Tag gaben die Kühe dann rote Milch. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, der Stall musste verhext sein. In seiner Not rief ein erschreckter Bauer nach dem Hexenbanner, damit er den Zauber bannen möge. Geheimnisvoll arbeitete der Gerufene mit seinen Gesellen in der „befallenen Stallung“, über deren Türschwelle sie ebenso geheimnisvoll die drei segenspendenden Buchstaben „K+M+B“ (Kaspar, Melchior und Balthasar - die Namen der drei heiligen Könige) in weißer Kreide schrieben. Sorgfältig verhängte man dabei Fenster und Fugen, damit kein Unberufener dem Hantieren der Hexenbanner zusehen konnte.
Bald drang der Brandgeruch getrockneter Heilkräuter nach draußen. Stalleimer flogen krachend und scheppernd umher, man hörte schaudernd das Klirren von Eisenketten, übertönt von gellenden, menschlichen Schreien und das aufgeschreckte Vieh brüllte dazu. Ein wahrer Hexensabbat!
Fast eine volle Stunde wütete dieser Kampf, das Austreiben der Geister. Wenn es dann im Stall ruhiger wurde, kamen die Hexenbanner schwitzend und rauchgeschwärzt aus dem Stall. Sie zeigten triumphierend der verängstigten Bauernfamilie eine mit Rauch gefüllte, verkorkte Flasche und sagten: „Do hän mr se, des Lumpenmensch!“ Die Familie betrachtete angsterfüllt die Flasche mit dem bösen Geist. Sie wussten natürlich nicht, dass der Hexenbanner Tabakrauch in die Flasche geblasen hatte. Unter der Begleitung des ganzen Hauses, der Nachbarn und der Dorfjugend ging es dann zum Feuersee. Man band die Flasche „mit dem Flaschengeist“ an einen schweren Stein und versenkte sie im Wasser.
Der Hexenbanner und seine Helfer wurden fürstlich belohnt und beim anschließenden Vesper und Most erzählten sie Schauergeschichten über den Kampf mit dem bösen Weib. Damit rührten sie geschickt die Werbetrommel für ihre nächste Scharlatanerie.
1 Lichtkarz: Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von den jungen Mädchen dieser Brauch gepflegt. Damals trafen sich in der Zeit vom 11. November, dem Martini-Tag, bis zum 02.Februar, Maria Lichtmeß, die jungen Mädchen in einer "Lichtstube", um dort gemeinsam zu spinnen und andere Handarbeiten für ihre Aussteuer zu betreiben. Diese Lichtstube konnte man an der ausgehängten brennenden Lampe erkennen. Gastgeber waren meist verwitwete Frauen, die dafür von der Obrigkeit eine besondere Erlaubnis erhielten.
Im 17. Jahrhundert wurden in Europa ca. 22 Kriege geführt und die religiösen und dynastischen Spannungen erreichten im Dreißigjährigen Krieg ihren Höhepunkt.
Diese lang anhaltende Kriegskatastrophe betraf nahezu den gesamten Kontinent und verwüstete und entvölkerte ganze Landstriche. Der „Westfälische Friede“ hatte eine Glaubensspaltung zur Folge und die mittelalterliche Feudalordnung löste sich weiter auf. Dadurch wurden die Nationalstaaten souverän und die deutsche Kleinstaaterei nahm ihren Anfang. Die Renaissance wurde durch die Philosophie der Aufklärung fortgesetzt. Erfindungen und Entdeckungen durch Galilei, Newton, Descartes und Leibniz bewirkten große Veränderungen und soziale Gegensätze verschärften sich.
1620-95 war Welzheim für das Geschlecht Limpurg Witwensitz.
Im sogenannten Herrenhaus wohnte die Gräfin Maria Juliana geb. Gräfin von Hohenlohe, Mutter der beiden letzten Limpurg–Gaildorf’schen männlichen Zweige. Sie verstarb am 14. Januar 1695 in Welzheim und wurde in der Schlosskirche von Schmidelfeld beigesetzt.
1634 brach die Pest in Welzheim aus.
Das Ende des 30-jährigen Krieges brachte den Bürgern von Welzheim große Not und die Pest. Sie raffte in Welzheim und Umgebung über 800 Menschen dahin.
IV.II.I. Die Pest
Eintragungen aus dem Totenbuch
(Auszüge aus den Blättern des Welzheimer Waldvereins)
Nicht ohne Vorboten war die Pest gekommen. Schon 16 Jahre brauste die Kriegsfurie übers deutsche Land. Im Welzheimer Wald war zunächst noch wenig davon zu spüren. Es soll hier nicht die Rede sein von den furchtbaren Kriegsgeschehnissen, nicht wie oft „der ganze Fleckh“ wochen- und monatelang geflohen war, auch nicht davon, dass schon 1626 über 100 Leute an der Ruhr und fast 200 an der Pest starben. Ich beschränke mich auf das, was sich 1634 und besonders 1635 in Welzheim und in der Nachbarschaft zutrug.
Im November 1633 war ein Vicarius Magister Johann Philipp Glückh der einzige Pfarrer in Welzheim, der folgendes in das Totenbuch schrieb:
Im April 1634 starb ein Kind namens Anna, das von einer stürzenden Leiter erschlagen wurde; sein Vater aber, der Leonhard Knoll „war von Soldaten zu todt gehawen worden.“ Am selben Tag war noch ein Begräbnis: „Ein vertrüben Mann, so bey Augsburg daheim“, starb hier im Elend fern der Heimat. Drei Tage später stirbt „auff dem Feld bey Ziegelhütt ein vertrüben Weib“, Anfang Mai „ein vertrüben Mann“, acht Tage drauf „ein Oberländer aus der Grafschaft Oettingen“ und wieder vierzehn Tage später wurde „ein vetrübener oberländischer Bettler uf dem brayttenfürster feld todt, dessen Nam unbekannt,“ gefunden.
Ob nicht diese Bettelleut, die sich da und dort auf dem Feld ganz ermattet und entkräftet zum Sterben legten, den Pestkeim in sich trugen?
Am 10. August aber war noch viel größerer Jammer. Da wurden auf einen Tag acht wackere Bürger vom Feind erschlagen. In Eberhardsweiler haben sich die Tapferen, um Haus und Hof, Weib und Kind zu schützen, einem kaiserlichen Trupp entgegen geworfen und für ihre Heimat ihr Leben gelassen. Das war aber nur ein Vortrupp der Heeresmassen, die sich nun nach der Nördlinger Schlacht im August 1635 über unsere schwäbische Heimat ergossen.
Pfarrer Glückh beschreibt im Kirchenbuch die Hungersnot, die durch die Verwüstungen zunächst der schwedischen und danach der kaiserlichen Truppen entstanden ist:
„Umb die Zeit zu Pfingsten entstund eine solche Hungersnott, das die Leut allerley ohnnatürlichen Speisen asen: Brot aus Mühlstaub und allerley Gras, Hunds- und Katzenfleisch.“ Viele sind verstorben wegen „vil hungers“, andere wegen „ohnnatürlichen Speisen verschwollen“.
Weiter zu lesen aus einem Artikel über die Pest:
„Am 30. Oktober 1634 starb Maria, fraw des Ulrich Haizen von der Fockhenmühle. Peste! – zum ersten Mal das furchtbare Wort!
Am übernächsten Tag folgte schon das nächste Pestopfer. Die Pest macht einen schauerlichen Rundgang um Welzheim, sie breitet sich zunächst auf den Höfen um Welzheim aus. Folgende Orte waren betroffen: Haselhöflein, Steinenberg, Ruppertshofen, Haghof, Aichstrut, Walkersbach, Ebersberg, Kaisersbach, Burgholz. Kurz vor Weihnachten 1634 greift die Pest nach den Welzheimern. Im alten Jahr gab es noch 9 Tote, bis zum Mai 1635 sind es 90 Tote, vom 1. Juni bis 18. Oktober mußten jeden Tag Tote auf den Friedhof gebracht werden. In fünf Monaten hat die Pest 613 Menschen dahingerafft.“
Was mag sich in den Welzheimer Häusern zugetragen haben, welches unmenschliche Leid hatte Welzheim im Griff?
Dazu Krankheitsbeschreibungen von Pestärzten:
Meist begann es mit starker Hitze und Kopfschmerz, großem Durst und Bangigkeit des Herzens, Atemnot, Erbrechen, Bluthusten, Starrfrost, am dritten Tag dann der Tod.
Der schwarze Tod, so wird die Pest genannt. Woher kommt dieser Name?
Die Gelehrten sind sich nicht einig. Die einen sagen von dem unheimlichen, finsteren Schleichen der Seuche, die anderen von den schwarzen Blattern, die sich am Körper zeigen.
Manche Körper sind entstellt von fressenden Geschwüren, von ekelhaften, brandigen Stellen und grausigen Ausschlägen. Wenn der Tod nicht am dritten Tag eintritt, dann spätestens am siebten.
Sehr selten gibt es aber auch Heilungen. Erst wenn Karbunkeln, größere Geschwülste und Geschwüre an Hals und Achseln entstehen und reichlich eitern, verlängert sich die Krankheit und führt da und dort zur Genesung. Viel häufiger als eine solch seltene Heilung ist, dass Kranke ganz plötzlich tot umsinken. Auch auf den Geist wirkt sich die Seuche aus. Viele werden ganz irre, lärmen, toben und bekommen Wutanfälle; andere sind ganz niedergeschlagen.
Eine ganze Anzahl Sterbender, besonders „solche von feinerer Veranlagung“ gerieten laut den zeitgenössischen Angaben in Verzückung, in der sie die himmlische Herrlichkeit zu erblicken versicherten. Wobei sie nicht nur ihre eigene Todesstunde genau angaben, sondern auch die bezeichneten, die nach ihnen sterben würden, „was immer genau eintraf“. Von nicht wenigen, besonders von jungen Männern wird gesagt, dass sie „lobpreisend, triumphierend und jubilierend“ gestorben seien.
Als Pestärzte fungierten Wundärzte und Bader, die auch Heilkundige waren. Sie scheuten sich nicht, viele Gänge zu den schwer ansteckenden Kranken zu tun. Zu schützen suchten sie sich durch lange Gewänder, Handschuhe und eigenartige Gesichtsmasken aus Wachs.
Abb. 7: Pestarzt
Vor den Augen waren brillenartige Gläser eingelassen und vor der Nase war eine Art Schnabel mit wohlriechenden Kräutern angebracht.
Dass aber solche Vorsichtsmaßnahmen oft versagten, zeigt das traurige Ende einer Familie Schilling aus Welzheim, die sich besonders den Pestkranken angenommen hat: Friedrich Schilling war ursprünglich Lehrer, hatte sich aber mehr für den Heilberuf interessiert. Er starb schon im Dezember 1634, kurz nach Ausbruch der Pest in unserer Gegend. Im neuen Jahr starb dann kurz danach seine Frau und zwei seiner Kinder. Später starb ein weiterer Sohn, Sigismund, selbst Bader und Wundarzt, an der Pest und mit ihm zwei seiner Kinder. Der älteste Sohn von Friedrich Schilling hatte nach Kaisersbach geheiratet und war dort ebenfalls Bader. Kurz vor Ausbruch der Pest zog er nach Welzheim und betreute dort die Kranken, bis auch er an der Pest starb und mit ihm seine Frau.
Begräbnis der Toten
Anfangs gab es für die Toten noch ordentliche Begräbnisse, bis zum Frühsommer 1635. Das sollte sich völlig ändern, als die Pest ihren Höhepunkt erreichte und täglich viele Opfer zu beklagen waren.