Para la Kleine

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2., überarbeitete und erweiterte Auflage

© 2007 Peter Mersch

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN-13: 978-3-7322-5211-4

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zugegeben, der Titel klingt provokant. Aber ich möchte auch ein wenig provozieren, denn schließlich geht es hier um eine Katastrophe biblischen Ausmaßes.

Unsere Gesellschaft betreibt ganz offiziell eine weitestgehende Angleichung der Geschlechter, und zwar insbesondere, was ihre jeweiligen Lebensaufgaben angeht. So hat die Vorstellung, Frauen und Männer sollten im Regelfall beide einem Beruf nachgehen und sich eventuelle Familienarbeiten dann paritätisch teilen, längst einen fast normativen Charakter angenommen.

Das vorliegende Buch zeigt dagegen unmissverständlich: Dies ist nicht möglich, und zwar aus ganz profanen biologischen Gründen. Auch wird dabei die zentrale menschliche Reproduktionseinheit, die Familie, ihrem ursprünglichen Zweck enthoben.

Die Natur hat die beiden Geschlechter unter anderem deshalb mit recht unterschiedlichen Aufgaben betraut, um genau das zu vermeiden, was in unserer Gesellschaft gerade passiert. Eine menschliche Population, in der beide Geschlechter üblicherweise identische Lebensentwürfe besitzen, verliert nämlich ihre Fähigkeit, sich anhand ihrer eigenen Erfolgskriterien weiterzuentwickeln. Schlimmer noch: Sie dürfte auf diese Weise sukzessive verdummen und verarmen.

Bei dieser Aussage handelt es sich leider nicht um eine einfache und belächelbare Meinung des vermeintlich letzten Steinzeitmannes, sondern um eine These, die sich genauso schlüssig belegen lässt, wie die Behauptung, die Erde sei eine Kugel und keine Scheibe.

Und: Die ersten Auswirkungen dieser prognostizierten Entwicklung sind längst spürbar: "Neue Armut", Langzeitarbeitslosigkeit, die Herausbildung einer "Unterschicht", fallende durchschnittliche IQ-Werte und schlechte PISA-Resultate dürften in erster Linie das Ergebnis einer falsch umgesetzten weiblichen Emanzipation sein.

Das Buch gliedert sich in insgesamt sechs Kapitel.

Die beiden einführenden Kapitel Bevölkerungsschrumpfung und Evolution vermitteln die fertilitäts- und evolutionstheoretischen Grundlagen, auf denen die späteren Überlegungen aufbauen.

Das Kapitel Sexualität befasst sich dann mit der Frage, warum es in der Natur eine sexuelle Fortpflanzung mit zwei unterschiedlichen Geschlechtern gibt. Es können drei entscheidende Gründe ausgemacht werden:

Das Kapitel Intelligenz stellt zunächst dar, dass allgemeine Intelligenz gemäß zahlreichen einschlägigen Resultaten der Adoptions- und Zwillingsforschung zu ganz erheblichen Anteilen erblich bedingt ist. Ferner wird festgestellt, dass der durchschnittliche Intelligenzquotient in den meisten Industrienationen seit einigen Jahren fällt. Es wird die Vermutung geäußert, dass dies bereits eine Folge des spezifischen Fertilitätsverhaltens der betroffenen Nationen ist.

Im Kapitel Roms Untergang werden einige Gründe für den Untergang des römischen Imperiums diskutiert, wobei viele Parallelen zur aktuellen Situation moderner Staaten aufgezeigt werden können. Auch bei der damaligen Entwicklung scheinen die weibliche Emanzipation und demographische Probleme eine zentrale Rolle gespielt zu haben.

Im Anschluss an eine Erläuterung der Individualisierungsthese und nach einer Gegenüberstellung verschiedener feministischer Theorien wird dann im Kapitel Emanzipation anhand eines einfachen Intelligenzmodells gezeigt, dass die Angleichung der Lebensentwürfe beider Geschlechter einen fortschreitenden Intelligenzverlust der Bevölkerung nach sich ziehen dürfte. Abschließend werden organisatorische Änderungen im Bereich der gesellschaftlichen Reproduktion skizziert, die der unheilvollen Entwicklung entgegenwirken könnten.

Frankfurt, im Juni 2007

Peter Mersch

1 Bevölkerungsschrumpfung

1.1 Der demographische Wandel

Die fortgeschrittenen Industrienationen befinden sich auf dem Weg hin zu Wissensgesellschaften: Nicht mehr die Ressourcen Arbeit, Kapital und Rohstoffe spielen die entscheidende Rolle, sondern die geistigen Fähigkeiten und das theoretische Wissen ihrer Menschen.

Gleichzeitig entwickeln diese Staaten ein demographisches Problem: Die Lebenserwartung steigt, während die Geburtenrate sinkt.

Dieses als demographischer Wandel bezeichnete Problem drückt sich allgemein in zwei unabhängigen Teilaspekten aus:

Insgesamt kann also von einer fehlenden quantitativen und qualitativen Bestandserhaltung der Bevölkerung gesprochen werden.

Wir können zusammenfassen:

Sie werden jetzt vielleicht einwenden, der letzte Punkt sei doch egal, alle Menschen seien schließlich gleich. In meinem Buch „Hurra, wir werden Unterschicht!“ (Mersch 2007a) konnte jedoch gezeigt werden, dass es sich bei diesem Befund um das eigentliche Hauptproblem des demographischen Wandels handelt. Eine etwas geringere Zahl an Nachkommen ist dagegen möglicherweise sogar noch nicht einmal so schlecht.

1.2 Fertilitätstheorien

Demographen, Ökonomen und Sozialwissenschaftler machen sich seit vielen Jahren Gedanken darüber, wie das weltweit und auch historisch sehr unterschiedliche Fortpflanzungsverhalten der Menschheit zu erklären ist. Ich möchte hier nicht bei Adam und Eva, beziehungsweise den Theorien von Thomas Robert Malthus anfangen, sondern einige wesentliche neuere Modelle vorstellen, von denen zahlreiche Experten der Ansicht sind, sie könnten speziell das aktuelle Reproduktionsverhalten der entwickelten Länder recht gut erklären.

Begonnen werden soll mit der ökonomischen Theorie der Fertilität. Bitte lassen Sie sich nicht von Wörtern wie Konsumnutzen von Kindern oder Humankapital irritieren: Ökonomen reden so. Sie verwenden Worte in einem bestimmten Kontext, wie dies andere Wissenschaften auch tun.

Wenn Sie zum Beispiel eine Eigentumswohnung besitzen und diese vermieten, dann erzielen Sie damit einen Einkommensnutzen. Soll die Wohnung später einmal Teil Ihrer Altersversorgung werden, dann besitzt sie zusätzlich einen Sicherheitsnutzen. Wohnen Sie selbst in der Wohnung, dann hat sie für Sie einen Konsumnutzen.

Wenn nun also im Folgenden von einem Konsumnutzen von Kindern gesprochen wird, dann handelt es sich dabei um all die Gründe, weswegen man sich üblicherweise an Kindern erfreut. Die Ökonomen hätten also auch Erfreuungsnutzen sagen können, nur wäre dann ein solcher Nutzen in Bezug auf einen Teller Spinat schwer zu vermitteln gewesen.

1.2.1 Ökonomische Theorie

Die ökonomische Theorie (Hill/Kopp 2004: 198ff.) der Fertilität von Harvey Leibenstein und Gary S. Becker gilt als eines der überzeugendsten theoretischen Modelle, um das global sehr unterschiedliche Fertilitätsverhalten von Bevölkerungen zu erklären. Insbesondere die sehr niedrigen Fertilitätsraten in den entwickelten Staaten ließen sich mit älteren Theorien nicht in Einklang bringen.

Gemäß der ökonomischen Theorie lassen sich drei verschiedene Nutzenarten für Kinder unterscheiden (Klein 2005: 81):

Diesen Nutzenarten stehen zwei Kostenarten gegenüber:

Wägt man die verschiedenen Nutzen- und Kostenarten gegeneinander ab, dann lässt sich feststellen:

Kinder haben einen Konsumnutzen

Als Konsumnutzen von Kindern wird in erster Linie die Erfüllung emotional-expressiver Elternschaftsmotive verstanden: Man hat Kinder, weil man ihnen Liebe geben kann, durch sie Liebe erfährt und sich durch sie in die Zukunft fortpflanzen kann (Mayer 1999: 228).

Dieser Konsumnutzen lässt sich aber schon bei relativ wenigen Kindern sehr weit ausschöpfen. Einige Autoren behaupten sogar, Kinder würden in einer Ehe eher zu einer Verminderung des Glücks führen (Gilbert 2006), aber diese Diskussion würde jetzt zu weit führen.

Der Konsumnutzen von Kindern erlaubt bei Abwägung gegenüber anderen Kosten eine Einschränkung der Kinderzahl (Schimany 2004: 224; Mayer 1999: 230). Dieser sich so trocken anhörende Satz heißt nichts anderes als: Alles das, was Ihnen an Kindern Freude bereitet, können Sie eigentlich auch schon mit ein bis zwei Kindern erfahren. Wenn Sie nur über begrenzte zeitliche oder finanzielle Mittel verfügen, dann dürfte der Konsumnutzen von weiteren Kindern in der Regel nicht groß genug sein, um die auf Sie zukommenden Einschränkungen und Kosten zu rechtfertigen, denn die Kosten für die Kinder steigen fast linear mit der Kinderzahl, der Konsumnutzen üblicherweise dagegen nicht.

Die Konsequenz daraus ist: Selbst wenn Deutschland das Schlaraffenland der Kinderbetreuung wäre, und Eltern ihre Kinder quasi gleich im Nachbarhaus ganztätig und kostenfrei optimal betreuen lassen könnten, werden sie sich im Normalfall auf maximal zwei Kinder beschränken. Denn bei weiteren Kindern steigen in der Regel das Risiko einer beruflichen Einschränkung (inklusive der damit verbundenen Einkommensreduzierung) und die Familienkosten stärker als der dabei gewonnene Konsumnutzen an. Dies könnte sich auch negativ auf die bereits vorhandenen Kinder auswirken, was die meisten Eltern vermeiden möchten.

Eine weitere unmittelbare Konsequenz daraus ist: Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf können das demographische Problem zwar möglicherweise entschärfen, es aber nicht wirklich lösen.

Die ökonomische Fertilitätstheorie ist durchaus in der Lage, auch kulturelle Unterschiede im Fertilitätsverhalten zu erklären. Beispielsweise könnte der Konsumnutzen von Kindern in Umgebungen mit einer hohen Bedeutung und auch Präsenz von Kindern generell als höher empfunden werden als zum Beispiel in weitestgehend kinderfreien innerstädtischen Umgebungen.

Kinder haben nur einen vergleichsweise geringen Einkommensnutzen

Dazu zählen: Kindergeld, Steuerersparnisse, generell Maßnahmen des Familienlastenausgleichs. In der Regel übersteigen die Kosten von Kindern deren Einkommensnutzen jedoch deutlich, weswegen der Einkommensnutzen in der Summe meist negativ ist.

Einen direkten Einkommensnutzen aus Kindern kann man in unserer Gesellschaft im Wesentlichen nur aus der professionellen Arbeit mit Kindern anderer Eltern ziehen, zum Beispiel als Tagesmutter, Erzieher/in, Kindergärtner/in oder Lehrer/in.

Jede Professionalisierung im Familienbereich, die sich auf fremde Kinder bezieht, birgt den immanenten Nachteil jeglicher Erwerbstätigkeit in sich, nämlich, dass sich mit einer solchen Tätigkeit umso mehr Geld verdienen lässt, je weniger eigene Kinder man selbst hat, weshalb einem eigenen Kinderwunsch dann nennenswerte Opportunitätskosten entgegenstehen. Für die Anbieter der Leistungen dürfte die berufliche Tätigkeit deshalb letztendlich eher fertilitätsmindernd sein.

Die positive Wirkung von besseren Betreuungsangeboten auf die Gesamtfertilität einer Gesellschaft ist dagegen nicht erwiesen (CESifo 2005).

Mit anderen Worten: Eine Tagesmutter kann mit dem Betreuen fremder Kinder umso mehr Geld verdienen, je weniger eigene Kinder sie hat. Solche kinderlieben Frauen werden also auf diese Weise eher daran gehindert, zusätzliche Kinder in die Welt zu setzen. Umkehrt führen ihre Dienstleistungen offenbar aber nicht dazu, dass andere Eltern für mehr Nachwuchs sorgen (das entscheidet sich meist nach anderen Kriterien).

Besonders grotesk dürfte die Situation werden, wenn etwa Tagesmutter Frau Müller ihre beiden Töchter tagsüber bei Tagesmutter Frau Schmitz unterbringt (Frau Müller kann dann mehr fremde Kinder betreuen), um im Gegenzug die beiden Söhne von Frau Schmitz zu übernehmen (nun kann auch Frau Schmitz mehr Kinder betreuen, zum Beispiel die beiden Töchter von Frau Müller). Im Idealfall würde dies auch noch alles vom Staat unterstützt und finanziert.

Im Ergebnis dürfte der staatlich geförderte Muttertausch für die Gesellschaft ein schlechtes Geschäft sein.

Kinder haben keinen Sicherheitsnutzen

Im Prinzip kann in manchen Fällen noch die familiäre Bindung für einen erhöhten Sicherheitsnutzen sorgen. In der Regel reduzieren eigene Kinder aber den Rentenanspruch. Deshalb kann der Sicherheitsnutzen von Kindern auch negativ sein.

Die Aussage gilt für jegliche Form der Altersversorgung. Mütter mit Kindern haben häufig erhebliche berufliche Ausfallzeiten oder sind in ihrer Karriere behindert und zahlen deshalb insgesamt weniger in die Rentenkasse ein. Dies reduziert ihren Rentenanspruch. Familien mit Kindern haben in der Regel viel weniger Geld übrig als Kinderlose und können folglich auch weniger in andere Formen der Altersversicherung investieren.

Kinder sind mit hohen Opportunitätskosten verbunden

Kinder beschränken üblicherweise die beruflichen Möglichkeiten und den Verdienst eines Elternteils. Sie limitieren die Freizeitoptionen und verursachen viel Arbeit. Kinder legen den weiteren Lebenslauf sehr weit fest und führen bei größeren Familien in der Regel zu einem Verzicht der Frau auf Errungenschaften der weiblichen Emanzipation (zum Beispiel Berufstätigkeit und ökonomische Unabhängigkeit).

Die Opportunitätskosten von Kindern spielen in patriarchalischen Gesellschaften, in denen in der Regel allein der Mann zur Arbeit geht, während die Frau als Hausfrau zu Hause bleibt, eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, denn dort ist das Lebensziel der Frauen mit Ehe und Familie praktisch vorgegeben. Es gibt also insbesondere bei gutverdienenden Ehemännern keine beruflichen Optionen für Frauen, die zur Disposition stehen könnten. In patriarchalischen Gesellschaften gilt es sogar als Zeichen des sozialen Erfolges, wenn die Ehefrau nicht mitverdienen muss. Die Opportunitätskosten von Kindern sind unter patriarchalischen Rahmenbedingungen gerade in Familien mit hohem sozioökonomischem Status besonders niedrig.

In Gesellschaften mit Gleichberechtigung der Geschlechter dürften die Opportunitätskosten für Kinder umso höher sein, je qualifizierter die Frau ist. Denn wenn sie Kinder aufzieht statt einer Erwerbsarbeit nachzugehen, verzichtet sie auf umso mehr Einnahmen, je höher ihr Einkommenspotenzial ist. Dies gilt in gleichem Maße auch für Männer, wenn sich die Eltern die Familienarbeit paritätisch teilen.

Im Zusammenspiel mit dem schon bei relativ wenigen Kindern sehr weit ausschöpfbaren Konsumnutzen von Kindern erklärt sich damit für solche Gesellschaften auch das zunehmende Verschwinden kinderreicher Familien.

Kinder kosten Geld

Kinder verursachen hohe direkte Kosten (Aufwände), die ihren Einkommensnutzen in aller Regel weit übersteigen.

In patriarchalischen Gesellschaften sind mit dem Einkommen des Vaters in erster Linie die mit der Zahl der Kinder steigenden direkten Kosten abzudecken, die Opportunitätskosten von Kindern fallen dagegen mit dem Einkommen des Vaters, wie bereits dargestellt wurde. In diesem Fall können sich umso mehr Kinder „geleistet“ werden, je höher das Einkommen des Vaters ist.

Fazit

Einzig der Konsumnutzen kann heute Kinder noch ausreichend rechtfertigen. Dieser reicht aber bei den meisten Personen nicht aus, um große Familienstärken zu bewirken. Die ökonomische Theorie der Fertilität kann den im Abschnitt Der demographische Wandel auf Seite → festgestellten negativen Zusammenhang zwischen Kinderzahl und sozialer Position und auch das zunehmende Verschwinden der Mehrkindfamilie unter den Bedingungen der Gleichberechtigung der Geschlechter überzeugend erklären.

1.2.2 Alternative Fertilitätstheorien

Neben der ökonomischen Theorie sind auch andere Fertilitätstheorien von Bedeutung, die diese aber nicht widerlegen, sondern lediglich um weitere Aspekte ergänzen:

Sozialpsychologische Theorie der Fertilität

Die sozialpsychologische Theorie der Fertilität (Hill/Kopp 2004: 206ff.) benutzt zwar eine etwas andere Terminologie als die ökonomische Fertilitätstheorie, ist aber konzeptionell mit ihr weitestgehend deckungsgleich. Sie entspringt im Gegensatz zur ökonomischen Theorie eher sozialpsychologischen Forschungsarbeiten.

Als Nutzenarten für Kinder stellt sie heraus (Nave-Herz 2002: 32):

Biographische Fertilitätstheorie

Bei der biographischen Fertilitätstheorie (Birg/Flöthmann/Reiter 1991) handelt es sich um die demographische Entsprechung der Individualisierungsthese (Beck 2006). Sie argumentiert ökonomisch, konzentriert sich aber kostenseitig auf die biographischen Opportunitätskosten der Familiengründung und klammert Nutzenaspekte und direkte Kosten weitestgehend aus.

Kernaussagen der Theorie sind (Birg/Flöthmann/Reiter 1991):

Dies bedeutet: Durch die zunehmende Individualisierung (Beck 2006) steigt die Anzahl der Lebenslaufalternativen für eine konkrete Person. Bei einer Familiengründung erfolgt aber eine sehr große biographische Festlegung für einen längeren Zeitraum, und folglich scheiden sehr viele Lebenslaufalternativen aus dem so genannten biographischen Universum aus. Dies macht es wahrscheinlicher, dass eine solche Festlegung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erfolgt, zumal familiale Entscheidungen größere Risiken bergen können als Ausbildungs- oder Karriereentscheidungen. Die Konsequenz ist, dass die Entscheidung für eine Familiengründung immer später oder gegebenenfalls gar nicht mehr getroffen wird.

Die biographische Fertilitätstheorie gilt allgemein als eine der schlüssigsten Thesen für die Erklärung der niedrigen Fertilitätsraten in entwickelten Gesellschaften. Denn immerhin konnten einzelne Folgerungen der Theorie empirisch bestätigt werden. So ist etwa beim Frauenjahrgang 1955 für die Teilgruppe der Frauen mit drei Kindern die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines vierten Kindes ab dem Alter 32 höher als die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines ersten Kindes bei den noch kinderlosen Frauen dieses Jahrgangs und Alters, und sie ist auch höher als die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines zweiten Kindes bei den Frauen dieses Jahrgangs und Alters, die ein Kind hatten beziehungsweise eines dritten Kindes bei Frauen mit zwei Kindern (Birg 2003: 31).

Verantwortete Elternschaft

Einen zusätzlichen Gesichtspunkt liefert die so genannte verantwortete Elternschaft (Kaufmann 1990: 39), die eine Familiengründung davon abhängig macht, dass ein Wohlergehen des Kindes in vieler Hinsicht verantwortet werden kann. Gesellschaftlich niedrige Fertilitätsraten können deshalb paradoxerweise auch Ausdruck einer hohen Wertschätzung von Kindern sein (Hondrich 2007: 55ff.).

Experten gehen davon aus, dass dies auch einer der entscheidenden Gründe für die sehr niedrigen Geburtenraten in Italien ist (Röbbel 2006; Zuanna/Micheli 2004). Dort schätzt man Kinder sehr und die Institution Familie steht hoch im Kurs. Da viele junge Menschen aber spüren, dass sie den Kindern in den heutigen unsicheren Zeiten vielleicht doch nicht gerecht werden könnten, setzen sie lieber nur ganz wenige Kinder in die Welt. Letztendlich ist dies eine Entwicklung von großer Tragik: Die Gesellschaften dürsten nach Kindern, doch je kinderlieber ihre Menschen sind, desto weniger Kinder werden geboren.

Die Theorie ist bezüglich den ökonomischen Aspekten kongruent mit der ökonomischen Theorie der Fertilität, berücksichtigt darüber hinaus aber auch psychologische oder soziologische Aspekte.

Präferenzmodell

Das Präferenzmodell der Fertilität (Hakim 2005) nimmt unterschiedliche Präferenzen von Frauen bezüglich einer Entscheidung für Beruf und Familie an. So steht für einige Frauen eine berufliche Karriere im Vordergrund, andere möchten Beruf und Familie verbinden und noch andere bevorzugen eine reine Familienarbeit. Empirische Studien scheinen zu belegen, dass sich eine Mehrheit der Frauen eine Kombination aus Beruf und Familie wünscht (Bertram/Rösler/Ehlert 2005: 27ff.).

Allerdings sollten die Ergebnisse solcher Studien mit Vorbehalt betrachtet werden, da zum Beispiel nicht bekannt ist, wie sich Frauen zwischen Familie und Beruf entscheiden würden, wenn es ein schlüssiges Konzept für die Bezahlung von Familienarbeit geben würde.

Geringerer männlicher Kinderwunsch

In Untersuchungen zum Fertilitätsverhalten der Bevölkerung spielen Männer meist nur eine untergeordnete Rolle.

Eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) offenbarte, dass sich Frauen in Deutschland durchschnittlich nur noch 1,75 Kinder wünschen, Männer sogar nur 1,59 (Robert Bosch Stiftung 2006b).

Männer haben häufig einen geringeren Kinderwunsch als Frauen beziehungsweise lassen sich stärker von der Entscheidung ihrer Partnerin leiten. Allerdings gibt es auch typische Männerängste, die einer Entscheidung für Kinder entgegenstehen (Jung 2005):

Ferner:

1.3 Problemfall Mehrkindfamilie

Eine weit verbreitete Ansicht in unserer Gesellschaft ist, Kinderreichtum führe zu Armut. Auf dieser Basis wird dann etwa vorgeschlagen, vorzugsweise zwischen reichen und weniger begüterten Familien umzuverteilen und nicht zwischen Kinderlosen und Familien insgesamt (Butterwegge 2006: 76). Daneben findet sich aber auch die Behauptung, dass Armut, und dabei insbesondere Bildungsarmut und geringe Erwerbschancen, zu Kinderreichtum führe (Eggen/Rupp 2006: 59)1:

Diese These wird gestützt durch die Tatsache, dass verheiratete kinderreiche Mütter und Väter überdurchschnittlich oft keinen schulischen oder beruflichen Abschluss besitzen. (...)

Auch die Väter von drei oder mehr Kindern haben häufiger keine Schul- oder Berufsausbildung als Männer mit einem oder zwei Kindern, allerdings nicht in dem Ausmaße wie Mütter.

Gerade bei Eltern mit vier oder mehr Kindern lassen sich überdurchschnittlich häufig erhebliche Bildungsdefizite ausmachen (Eggen/Rupp 2006: 56):

Die Bildungshomogamie, die Partnerwahl unter Gleichen, dominiert bei den nicht ehelichen und ehelichen Paaren mit Kindern. Kinderreiche Paare unterscheiden sich darin zunächst nicht von Paaren mit einem oder zwei Kindern, aber sie unterscheiden sich im Bildungsniveau. Eltern mit drei Kindern verfügen überdurchschnittlich oft nicht über eine abgeschlossene Schulausbildung. Bei Eltern mit vier oder mehr Kindern fällt das Bildungsniveau ganz deutlich ab: 15% der Eltern besitzen keine abgeschlossene Schulausbildung.

Diese Daten werden durch den für unsere Gesellschaft geltenden umgekehrten Zusammenhang zwischen Kinderzahl und Bildungsniveau weiter untermauert.

Mit anderen Worten: Gerade in größeren Familien, wo die höchsten Anforderungen an erzieherischen Leistungen bestehen, und wo durch eine qualifizierte Erziehungsarbeit die größten Effekte erzielt werden könnten (da davon besonders viele Kinder profitieren würden), fehlt es ganz häufig an den dafür erforderlichen Kompetenzen.

Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die betroffenen Kinder (Eggen/Rupp 2006: 62):

Auch in kinderreichen Familien ist die Ausbildung der Eltern entscheidend für die Schulbeteiligung der Kinder. Verglichen mit allen Jugendlichen aus kinderreichen Familien haben Schüler der Klassenstufe 11 bis 13 erheblich häufiger Eltern mit Hochschulreife beziehungsweise Hochschulabschluss(…). Entsprechend seltener haben diese Schüler Eltern ohne eine Schul- oder Berufsausbildung. Eltern „vererben“ somit soziale Ungleichheit – hier über Bildungsabschlüsse. Aber im Unterschied zu Eltern mit einem oder zwei Kindern haben kinderreiche Eltern häufiger nur eine unzureichende Ausbildung, die sie „vererben“ können.

Daneben besteht bei nicht wenigen größeren Familien ein Migrationshintergrund: Ausländische Familien sind gegenwärtig noch wesentlich häufiger kinderreich als deutsche Familien (Eggen/Rupp 2006: 51f.). Während nur 11 Prozent aller Familien mit zwei Kindern nicht deutsch2 sind, steigt deren Anteil bei Familien mit vier Kindern auf bereits 23 Prozent an und bei Familien mit fünf oder mehr Kindern gar auf 33 Prozent.

Da ausländische Eltern gleichzeitig überdurchschnittlich häufig arbeitslos sind und im Schnitt signifikant niedrigere Bildungsabschlüsse aufweisen, könnte dies ein Anzeichen dafür sein, dass die in der deutschen Bevölkerung weitestgehend verinnerlichte Norm der verantworteten Elternschaft, nämlich nur dann Kinder in die Welt zu setzen, wenn man es persönlich und ökonomisch auch verantworten kann, bei Eltern mit Migrationshintergrund deutlich weniger akzeptiert wird.

Die durchschnittlich schlechteren Bildungsabschlüsse von Eltern kinderreicher Familien wirken sich erwartungsgemäß auch auf deren Erwerbsverhalten aus (Eggen/Rupp 2006: 70f.):

Trotz der unterschiedlichen Bedingungen (…) gehen in relativ vielen kinderreichen Familien beide Eltern einer Erwerbstätigkeit nach. In jeder zweiten Familie mit drei Kindern und in jeder dritten Familie mit vier oder mehr Kindern sind beide Eltern erwerbstätig (…). Gleichzeitig sind in überdurchschnittlich vielen kinderreichen Familien beide Eltern nicht erwerbstätig, das gilt besonders für Familien mit vier oder mehr Kindern. In den meisten dieser Familien bestimmen Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe den Lebensunterhalt der Familien.

Die von Müttern kinderreicher Familien während ihrer Erwerbsarbeit geleisteten Arbeitsstunden sinken mit der Zahl ihrer Kinder (Eggen/Rupp 2006: 71):

Bei der Arbeitszeit der Eltern wird deutlich, wie stark geschlechtsspezifische Differenzen bei großen Familien ausfallen. Die erwerbstätigen Väter sind in der Regel Vollzeit beschäftigt, das heißt, ihre Arbeitszeit beträgt 35 und mehr Wochenstunden. Demgegenüber sind erwerbstätige Mütter, die drei oder mehr Kinder zu versorgen haben ganz überwiegend in Teilzeit beschäftigt, die meisten von ihnen weniger als 20 Wochenstunden.

Der Umfang des Erwerbsverhaltens der Mütter sinkt stark mit der Zahl der Kinder.

Forderte man auf Basis der hier präsentierten Daten eine Umverteilung zwischen reichen und weniger begüterten Familien (Butterwegge 2006: 76) statt zwischen Kinderlosen und Familien insgesamt, dann würde dies einer Missachtung des Prinzips der Solidargemeinschaft gleichkommen.


1 Letztendlich ist dies ja auch die Kernaussage des empirisch gut belegten demographischökonomischen Paradoxons.

2 Für die Unterteilung in deutsche und nicht deutsche Familien wurde die Staatsangehörigkeit der Bezugsperson herangezogen. Diese Person ist bei Ehepaaren grundsätzlich der Ehemann und bei Alleinerziehenden die Person selbst.

2 Evolution

2.1 Die Evolutionstheorie

Die von Charles Darwin entwickelte biologische Evolutionstheorie (im Folgenden einfachheitshalber „Evolutionstheorie“ genannt) erklärt die Entwicklung des Lebens auf der Erde und die fortlaufende Anpassung von Populationen an ihren Lebensraum. In ihr spielt der Fortpflanzungsmechanismus eine entscheidende Rolle.

Die Kernhypothesen der Evolutionstheorie sind: