Internationale Studien zeigen: Immer noch greifen viel zu viele Kinder und Jugendliche zur Zigarette. Dabei sind die deutschen Jugendlichen im internationalen Vergleich Spitzenreiter: Jeder dritte 15-Jährige raucht. Mit jeder Zigarette, die die Teenager zusätzlich rauchen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch im Erwachsenenalter nicht mehr von der Kippe loszukommen. Doch das muss nicht sein. Allen Carr zeigt auf seine millionenfach bewährte Weise, was Eltern tun können, um ihrem Kind zu helfen, nicht zu rauchen. Er erklärt die psychischen Belastungen, denen ein Kind ausgesetzt ist, und – das ist besonders wichtig – wie Eltern ihnen ein gutes Beispiel sein können. Jugendliche lernen, sich von falschen Vorstellungen über das Rauchen zu befreien und dem Druck von Freunden sowie den Versuchungen der Werbung selbstbewusst und zwanglos zu widerstehen. So werden Eltern und Kind ein schlagkräftiges Team gegen die gefährliche Nikotinsucht.
Der Bestsellerautor Allen Carr hat mit seinen Büchern weltweit Millionen Menschen von Nikotinsucht, Übergewicht und Flugangst befreit, indem er ihnen zeigte, wie sie mit seiner einzigartigen Methode ganz einfach und wie von selbst ihre Probleme hinter sich lassen. Durch den großen Erfolg seiner Selbsthilfe-Methode erlangte Carr internationales Ansehen. Weltweit gibt es »Allen-Carr-Standorte« mit speziell ausgebildeten Trainern.
Endlich Nichtraucher
Der Ratgeber
für Eltern
So helfen Sie Ihrem Kind,
– nicht mit dem Rauchen anzufangen
– mit dem Rauchen Schluss zu machen
Aus dem Englischen
von Gabriele Zelisko
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Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.
© 1999, 2014 der deutschsprachigen Ausgabe
Mosaik Verlag München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
© 1999 Allen Carr
Originaltitel: How To Stop Your Child Smoking
Originalverlag: Penguin Books Ltd, London
Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München
Umschlagillustration: FinePic®, München
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-13893-6
V002
www.goldmann-verlag.de
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Über das Buch
Über das Autor
Impressum
Vorwort
Kapitel
1 Die Niagarafälle
2 Ich bin du
3 Gleichgültigkeit vermeiden
4 Die raffinierte Funktionsweise der Nikotinfalle
5 Der Mechanismus der Nikotinfalle
6 Wie der Raucher auf subtile Weise gefangen bleibt
7 Ich würde mir lieber ein Bein amputieren lassen, als mit dem Rauchen aufzuhören
8 Die Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit
9 Die Gehirnwäsche
10 Wir halten uns für schwach und verletzlich
11 Wir brauchen etwas für unsere Nerven
12 Die Schulzeit ist die schönste Zeit des Lebens
13 Warum tappen so viele nicht in die Falle?
14 Die unglaubliche Maschine Mensch
15 Es gibt mehr Raucherinnen als Raucher
16 Der Zusammenhang zwischen Rauchen, Alkohol und anderen Drogen
17 Die herkömmlichen Strategien
18 Meine Methode funktioniert
19 Resümee
Die falschen Vorstellungen von Drogenabhängigkeit
Anhang
Adressliste
Register
Rauchen gehört so sehr zu unserem Alltag, dass wir glauben, alles darüber zu wissen. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass selbst in unserem so genannten aufgeklärten Zeitalter die Fakten genau dem Gegenteil dessen entsprechen, was die große Mehrheit in unserer westlichen Zivilisation für zutreffend hält.
In Großbritannien waren schon einmal achtzig Prozent der erwachsenen Bevölkerung Raucher, neuesten Statistiken zufolge beläuft sich ihr Anteil heute auf sechsundzwanzig Prozent. Diese Zahlen mögen zu der Annahme verleiten, dass wir uns im Kampf gegen das gefürchtete »Kraut« allmählich auf dem Siegeszug befinden. Soweit es um die Erwachsenen geht, halte ich das für zutreffend. Es gibt jedoch eine Altersgruppe, in der das Rauchen deutlich auf dem Vormarsch ist, eine Gruppe, in der man diese Entwicklung am wenigsten erwarten würde. Ich war fast schon im Begriff, diese Gruppe als Jugendliche zu bezeichnen, dabei befinden sich auch schon Tausende von Acht- bis Zwölfjährigen in den Fängen des Nikotins. Warum? Bei uns war es schließlich noch so, dass wir damals noch nichts von den Krebsrisiken wussten, sonst wären wir doch niemals in diese Falle getappt. Warum aber werden so viele unserer Kinder abhängig? Und warum ist das Rauchen vor allem unter jungen Mädchen so verbreitet?
Vielleicht machen Sie sich Sorgen, Ihr Kind könnte auf härtere Drogen wie Heroin umsteigen. In diesem Fall müssen Sie sich vor Augen halten, dass es sich beim Rauchen tatsächlich erst um den Anfang handelt. Bevor wir mit dem Rauchen beginnen, können wir uns sehr gut ohne äußerliche Krücke in der Gesellschaft bewegen oder mit Stress umgehen. Erst durch den Konsum von Nikotin und in geringerem Ausmaß von Alkohol, beginnen wir uns sowohl körperlich als auch verstandesmäßig für unvollständig zu halten. Da die Vorteile, die Drogen bieten, aber rein illusorisch sind, liegt es auf der Hand, dass Jugendliche schließlich nach einem noch stärkeren Kick suchen.
Das größte Missverständnis im Zusammenhang mit dem Rauchen ist die Einstellung der Gesellschaft dazu. Wir wissen zwar, dass es ungesund ist und zu ernsten Erkrankungen führen kann – sogar die Mehrzahl der Raucher selbst betrachtet es heutzutage als schmuddeligen und unsozialen Zeitvertreib –, aber niemand würde es auch nur für annähernd so schlimm halten wie die Abhängigkeit von Heroin. Sehen wir uns die Fakten an: In Großbritannien sind jedes Jahr weniger als hundert Todesfälle auf den Konsum von Heroin zurückzuführen. An den Folgen des Rauchens sterben pro Woche über zweitausend Menschen!
Heroin ist illegal. Rauchen ist nicht nur legal, wir lassen es sogar zu, dass die Tabakindustrie beispielsweise in England jährlich etwa dreihundert Millionen Mark für Werbung und Promotion ausgibt und unser eigener Fiskus ein ganz erhebliches Interesse am Rauchen hat, indem er jedes Jahr etwa zehn Milliarden Pfund an Steuern kassiert.
Ich behaupte nicht, dass die meisten Raucher irgendwann bei härteren Drogen landen. Ich sage lediglich, dass nur ein geringer Prozentsatz von Drogenabhängigen niemals geraucht hat und Ihr Kind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht drogenabhängig wird, wenn Sie es vom Rauchen abhalten können. Dieses Buch wird Ihnen zeigen, wie Sie dieses Ziel erreichen können. Reicht es, das Buch Ihrem Kind in die Hand zu drücken? Nein, Sie müssen es auch selbst lesen.
Ich schlafe schon immer im Adamskostüm. Früher steckte ich mir nach dem Aufwachen als Erstes eine Zigarette an. Da stand ich also nackt, nach dem Vorbild Humphrey Bogarts eine Zigarette lässig im Mundwinkel, mit zwölf Kilo Übergewicht, fahler Haut, dickem Bauch, hustend und spuckend und nach Luft ringend im Schlafzimmer. Kein erbaulicher Anblick, und so verwundert es nicht, dass ich es vermied, in den Spiegel zu schauen.
Einer dieser missionarischen Exraucher hatte eine einfache Lösung für mein Problem parat:
Warum versuchst du nicht das Gleiche wie ich? Egal, ob Sommer oder Winter, springe ich morgens aus dem Bett, und anstatt mir eine Zigarette anzuzünden, reiße ich das Fenster auf und atme zehnmal tief durch. Versuch das mal, dabei vergeht dir ganz bestimmt die Lust auf eine Zigarette.
Ich bedankte mich für den guten Rat und legte halbherzig das Versprechen ab, dass ich es zumindest versuchen würde. Es hatte überhaupt keinen Sinn, diesem Schwachkopf zu erklären, dass schon der erste tiefe Atemzug bei mir einen Hustenanfall auslösen würde.
Nichtraucher hängen der falschen Vorstellung an, starke Raucher würden das Rauchen wirklich genießen, und Gelegenheitsrauchern ginge es mehr um die Wirkung nach außen. Wie bei praktisch allem, was mit dem Rauchen zusammenhängt, handelt es sich auch hier heim Naheliegenden um exakt das Gegenteil des Tatsächlichen. Starke Raucher hassen das Rauchen und haben die Illusion des Genusses längst aufgegeben, nur wollen sie das anderen oder auch sich selbst gegenüber nicht eingestehen.
Ich kann gar nicht mehr abschätzen, in wie vielen Gesprächen mir Raucher in den schönsten Worten schilderten, welch ein Genuss der Geschmack des Tabaks für sie darstelle. Fragt man nach, was das mit Geschmack zu tun habe, denn schließlich würden sie den Tabak ja nicht essen, bekommt man zu hören, der Tabak würde einfach so gut riechen. Schlägt man dann vor, man könne ja am Tabak riechen, ohne die krebserregenden Stoffe einzuatmen, weichen die Raucher auf das Argument aus, es würde Langeweile vertreiben und die Konzentration fördern, deshalb würden sie so gerne in Situationen großer Anspannung oder Entspannung rauchen, wie zum Beispiel nach dem Essen oder in Gesellschaft.
Führt man das Argument an, Langeweile und Konzentration seien etwas völlig Gegensätzliches, so wie angespannte und entspannte Situationen, und bittet um eine Erklärung, wie es denn möglich sei, dass die zweite Zigarette aus einer Packung genau das Gegenteil bewirken könne wie die erste, wird auch das einen Raucher nicht aus der Fassung bringen. Stellt man jedoch die Frage: »Rauchen Ihre Kinder?«, und die Antwort lautet nein, kann kaum ein Raucher ein Lächeln unterdrücken, das den Stolz und die Erleichterung darüber zum Ausdruck bringt, dass seine Kinder bisher nicht in die Falle getappt sind. Hält man seinem Gegenüber dann vor Augen: »Nun haben Sie mir eine ganze Stunde lang von den Freuden des Rauchens vorgeschwärmt, aber warum wollen Sie Ihren Kindern dieses Vergnügen vorenthalten?«, ist er sprachlos. In einem einzigen Satz wurde allen vorangegangenen Argumenten für das Rauchen jegliche Grundlage entzogen, und er ist sich dessen absolut bewusst. Ich habe bisher weder Eltern getroffen, die es gern sehen, dass ihre Kinder rauchen, noch ein Kind, dass davon angetan ist, rauchende Eltern zu haben.
Ich war selbst jahrelang Kettenraucher mit einem Konsum von sechzig bis hundert Zigaretten täglich. Jeden Tag freute ich mich darauf, nach Feierabend meinen Lungen daheim eine Pause gönnen zu dürfen. Vorausgesetzt, ich hatte keine körperliche oder geistige Arbeit mehr zu erledigen, lag ich auf dem Sofa, sah fern und war zufrieden, dass ich nicht rauchte. Wenn ich jedoch abends noch arbeiten musste, rauchte ich auch. Manchmal kam es vor, dass mir spät nachts die Zigaretten ausgingen. Wenn man sich in einer fremden Stadt nach dem Weg erkundigt und zufällig an einen Alkoholiker gerät, wird er als markante Punkte in seiner Beschreibung den »Goldenen Anker« oder den »Gasthof zur Post« angeben, ich hingegen kannte innerhalb eines Umkreises von fünf Kilometern jede Tankstelle mit Nachtschalter.
An solchen Abenden sehnte ich mich danach, endlich mit meiner Arbeit fertig zu werden, nicht weil mir die Arbeit zu viel war, sondern vor allem, weil mir meine Lunge leidtat. Hinterher lag ich dann keuchend, mit belegter Zunge und einem Hals, der sich wie Schmirgelpapier anfühlte, im Bett und betete, dass ich am nächsten Morgen mit genügend Willenskraft aufwachen würde, um mit dem Rauchen aufzuhören, oder ich hoffte voller Verzweiflung, dass mein Wunsch zu rauchen auf wundersame Weise einfach verschwunden wäre.
Ich hatte schon wiederholt von Rauchern gehört, die aus unerklärlichen Gründen plötzlich keine Lust mehr auf Zigaretten verspürten. Warum ich um genügend Willenskraft betete, ist mir eigentlich unverständlich, denn ich wusste, dass ich ein sehr willensstarker Mensch war.
Mir ist durchaus bewusst, dass es Jugendlichen und Eltern, die dieses Buch lesen, schwerfallen wird, meine Schilderungen nachzuvollziehen. Selbst starke Raucher, die nicht weit von jenem Stadium entfernt sind, das ich damals erreicht hatte, beruhigen sich selbst mit dem Gedanken: »Kein Wunder, dass Allen Carr aufgehört hat. In einer solchen Situation hätte ich auch mit dem Rauchen Schluss gemacht.«
Die Nikotinfalle lässt sich anschaulich mit einem Bad in einem kühlen, zuerst langsam fließenden Fluss vergleichen. Kaum merkbar nimmt die Strömung zu und vermittelt ein zunächst noch angenehmes Gefühl. Es besteht kein Anlass zur Sorge. Aber plötzlich ist aus der Ferne ein donnerndes Geräusch zu vernehmen. Die Strömung hat beträchtlich zugenommen. Man versucht, ans Ufer zu schwimmen, das Wasser fließt immer schneller, man gerät in Panik und kämpft verzweifelt, nicht unterzugehen. Am Ufer taucht ein Warnschild auf:
ACHTUNG NIAGARAFÄLLE!
Sie halten diesen Vergleich für übertrieben? Warum glauben Sie dann, lässt sich ein Raucher lieber ein Bein amputieren, als dass er mit dem Rauchen aufhört? Warum glauben Sie, sterben jede Woche in Großbritannien zweitausend Menschen? Weil sie irgendwann einmal mit dem Rauchen angefangen haben. Und wie ist es möglich, dass sich jede Woche zweitausend Jugendliche dazu überreden lassen, deren Platz einzunehmen?
Sie müssen das Wie und Warum verstehen. Aber vorher geht es noch um etwas anderes, um das Spiel
ICH BIN DU.
Heutzutage sind Eltern schockiert und außer sich, wenn sie entdecken, dass ihr Kind raucht. Dabei scheint es keinen Unterschied zu machen, ob die Eltern selbst rauchen. Eltern, die nicht rauchen, sagen: »Ich verstehe es einfach nicht, wir haben dir doch immer ein gutes Beispiel gegeben und dich darüber aufgeklärt, was für schreckliche Krankheiten das Rauchen verursachen kann. Wie konntest du nur so dumm sein?«
Eltern, die selbst rauchen, sind meist noch verständnisloser: »Ich habe dir immer gesagt, was für eine unsinnige, abstoßende und ungesunde Angewohnheit das ist. Wie konntest du nur so dumm sein?« Hier kommt zur Verständnislosigkeit noch das Schuldgefühl hinzu, nicht mit gutem Beispiel vorangegangen zu sein. Exraucher, die sich als Moralapostel gebärden, tragen zu diesem Schuldkomplex bei, indem sie rauchenden Eltern einreden, Kinder würden nur aufgrund des schlechten Beispiels ihrer Eltern in die Falle geraten. Wenn Sie zu diesen mit Schuldgefühlen belasteten Eltern gehören, kann ich Sie beruhigen. Die Gründe, warum Jugendliche in die Abhängigkeit geraten, haben so gut wie nichts damit zu tun, ob ihre Eltern Raucher oder Nichtraucher sind.
Als ich mit den Nichtraucherkursen begann, stellte ich die Frage: »Rauchen Ihre Eltern?« Wenn die Eltern rauchten, antwortete der Gefragte in der Regel: »Ja. Deshalb war es ganz normal, dass ich auch anfing.« Rauchten die Eltern nicht, lautete die Antwort sinngemäß: »Nein. Ich glaube, ich habe nur angefangen, um gegen meine Eltern zu rebellieren.«
Es ist schon befremdlich, wie viele Jugendliche heute das »Rebellieren« als Rechtfertigung anführen, weshalb sie rauchen. In den schlechten alten Zeiten lautete die Rechtfertigung genau anders herum: »Ach, ich rauche nur wegen der Geselligkeit.« Aber kann man sich etwas Ungeselligeres vorstellen, als einem Nichtraucher, der sein Essen genießen will, schmutzigen Qualm ins Gesicht zu blasen? Genauso gut könnten Sie ungeniert die Winde aus Ihrem Darm in seine Richtung lenken, und wenn er sich dann aufregt, als Entschuldigung anführen: »Ich wollte nur gesellig sein!«
Da Rauchen inzwischen als unsozial und ungesellig gilt, rechtfertigen Jugendliche ihre offensichtliche Ignoranz mit einem anderen Argument: »Ich habe etwas von einem Rebellen in mir. Ich möchte mich von den anderen abheben.« Mich erinnert das an die Zeit der Beatles, als wir alle den gleichen Haarschnitt und die gleichen Anzüge trugen, aber den Anspruch erhoben, uns von der Masse abzuheben. Wenn Ihnen ein Jugendlicher sagt, das Rauchen sei für ihn Rebellion, ist er in der Regel von einem Dutzend anderer rauchender Rebellen umgeben. Ich habe den allergrößten Respekt vor Rebellen, doch wogegen rebellieren sie eigentlich? Ich bewundere Menschen, die sich gegen Sklaverei oder andere Ungerechtigkeiten auflehnen, doch wie kann man für Sklaverei aufbegehren, zumal für die eigene? Diese rebellierenden Jugendlichen befinden sich in exakt der gleichen Situation wie jene Marionette der Tabakindustrie, die sich FOREST nennt: Freedom Organization for the Right to Enjoy Smoking Tobacco (Organisation zur Wahrung der Freiheit am Genuss des Tabakrauchens).
Das ist die einzige mir bekannte Organisation, die für eine Freiheit eintritt, die sie schon immer besaß. Forest (Wald) ist ein ausgezeichneter Name. Wenn es jemals eine Organisation gegeben hat, deren Arbeit sich darauf richtete zu verhindern, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, dann ist es diese.
Ich meine, was Jugendliche wirklich brauchen, ist nicht FOREST, sondern eine Vereinigung, die sich für die Befreiung aus der Versklavung durch Nikotin einsetzt.
Nehmen wir an, Eltern raten ihren Kindern, nicht vor einen Bus oder von einer Klippe zu springen. Wie viele Jugendliche würden diesem Rat zuwiderhandeln, um damit ihre Rebellion unter Beweis zu stellen? Und angenommen, es gebe die berühmte Ausnahme, und sie würde den Sprung wagen und auch noch überleben, würden die Freunde großen Respekt vor dieser Tat haben oder sie vielmehr als kompletten Schwachsinn abtun? Und finden Sie nicht auch, dass es sich um einen unglaublichen Zufall handeln muss, wenn diese jugendlichen Raucher, nachdem sie sich der Falle bewusst geworden sind und beschließen, sich wieder aus der Versklavung durch das Nikotin zu befreien, auf wundersame Weise ihre rebellische Natur verlieren und nach einigen Tagen oder Wochen irgendeine fadenscheinige Ausrede finden, um doch wieder in die Sklaverei zu gehen?
Haben Sie den Film Ich bin du gesehen oder das Buch gelesen? Darin geht es um einen Jungen in einem Internat, der sich plötzlich im Körper seines Vaters wiederfindet, und umgekehrt. Hier wird sehr deutlich veranschaulicht, aus welch unterschiedlichen Perspektiven Kinder und Erwachsene die Welt betrachten. Um zu verhindern, dass Ihr Kind drogenabhängig wird, müssen Sie genau das Gleiche tun. Natürlich sollten Sie dabei Ihr ganzes Wissen und Ihre Erfahrungen mit einbeziehen, doch müssen Sie auch in der Lage sein, die Dinge mit den Augen Ihres Kindes zu sehen. Nur dann kann Ihr Kind aus Ihren Erfahrungen lernen.
Betrachten wir einige typische Fälle, in denen Eltern und Kinder sich auf völlig verschiedenen Wellenlängen befinden. Beim ersten Beispiel handelt es sich um einen sechzigjährigen Vater, der bereits einige Bypassoperationen hinter sich hat und gemeinsam mit seinem zwanzigjährigen Sohn unseren Kurs in London besuchte. Man konnte schon von weitem erkennen, dass der Sohn nur auf Drängen seines Vaters mitgekommen war und nicht das geringste Interesse hatte, mit dem Rauchen aufzuhören.
Zu den großen Enttäuschungen meines Lebens gehört, dass ich nie die Kunst des Pfeifens erlernte, wie man es häufig bei Jugendlichen in amerikanischen Filmen sieht. Es muss wirklich ein großartiges Gefühl sein, beide Finger in den Mund zu stecken und damit einen ohrenbetäubend schrillen Ton zu produzieren. Wenn ich die Welt vom Rauchen befreit habe, versuche ich es vielleicht noch damit. Vielleicht sind Sie der Meinung, ein Mann, der dreißig Jahre lang Kettenraucher war, könnte perfekte Ringe in die Luft blasen. Mir ist das nie gelungen. Während also der Rest der Gruppe, der Vater eingeschlossen, aufmerksam meinen Ausführungen lauschte, galt mein Interesse in erster Linie dem Sohn, der die denkbar schönsten Ringe formte, und zwar einen nach dem anderen. Ich muss zugeben, ich war ziemlich beeindruckt.
Leider fiel auch der Blick des Vaters auf den Sohn, der in seine Beschäftigung so vertieft war, dass er ganz offensichtlich kein Wort von dem mitbekam, was ich sagte. Es war irgendwie peinlich. Vor versammelter Gruppe begann der Vater, ihm einen Vortrag zu halten. Ich kann mich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern, aber der Inhalt war in etwa folgender: »Was fällt dir nur ein, hier Rauchringe in die Luft zu blasen? Du weißt genau, wohin das Rauchen mich gebracht hat. Warum hörst du nicht auf, solange du es noch kannst?«
Zum Glück entgegnete der Sohn nichts. Doch seine Mimik sprach Bände: »Du dummer alter Narr! Du willst mir Vorträge halten? Ich sollte dir Vorträge halten! Wie kann man es nur so weit kommen lassen. Mir würde das nie passieren!«
Im zweiten Beispiel geht es um einen Mann, der mich spätnachts anrief. Er war ziemlich außer sich und in Tränen aufgelöst. Er berichtete: »Mein Arzt sagt, ich werde meine Beine verlieren, wenn ich nicht mit dem Rauchen aufhöre. Ich zahle Ihnen, was Sie wollen, wenn Sie mich eine Woche lang davon abhalten können zu rauchen. Ich weiß, wenn ich eine Woche überlebe, ist alles gut.«
Der Mann war eigentlich davon überzeugt, dass ich ihm nicht helfen könne, dennoch kam er zu einem Kurs und fand das Aufhören ganz einfach. Er schickte mir ein Dankesschreiben und empfahl mich an verschiedene andere Raucher weiter. Ich entlasse die ehemaligen Raucher meist mit folgenden Worten aus einem Kurs: »Denken Sie daran, Sie dürfen nie mehr auch nur eine Zigarette rauchen!« Dieser Mann antwortete darauf: »Keine Sorge, Allen, wenn mir das Aufhören gelingt, werde ich nie mehr eine rauchen.«
Mir war klar, dass er meine Warnung nicht richtig verstanden hatte, deshalb entgegnete ich ihm: »Ich weiß, dass Sie das im Moment denken, aber in sechs Monaten haben Sie das vergessen.«
»Allen, ich werde niemals wieder rauchen.«
Ungefähr ein Jahr später erhielt ich wieder einen Anruf: »Allen, ich habe an Weihnachten nur eine einzige kleine Zigarette geraucht. Und jetzt bin ich wieder bei vierzig am Tag.«
»Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Anruf? Damals ging es Ihnen so schlecht, dass Sie mir jede beliebige Summe gezahlt hätten, wenn ich Sie nur eine Woche lang vom Rauchen abhielte.«
»Ich erinnere mich, bin ich nicht furchtbar dumm gewesen?«
»Erinnern Sie sich noch an Ihren Brief? Wie viel gesünder Sie sich fühlten und wie schön Sie es fanden, frei zu sein?
»Ich weiß, ich weiß.«
»Erinnern Sie sich auch noch, dass Sie mir versprachen, nie wieder eine Zigarette anzurühren?«
»Ich weiß, ich bin ein Narr.«
Es ist, als würden Sie auf jemanden treffen, der bis zum Hals im Sumpf steckt und im Begriff ist, ganz darin zu versinken. Sie helfen ihm heraus, der Gerettete empfindet äußerste Dankbarkeit Ihnen gegenüber, und sechs Monate später springt er wieder in den gleichen Sumpf.
Als dieser Mann erneut zu mir kam, erzählte er mir noch eine andere Geschichte: »Können Sie sich das vorstellen, ich versprach meinem Sohn, ihm tausend Pfund zu geben, wenn er bis zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag nicht rauche. Ich bezahlte pünktlich. Nun ist er zweiundzwanzig und raucht wie ein Schlot. Wie konnte er nur so dumm sein, nachdem er miterlebt hat, was das Rauchen aus mir gemacht hat?«
Ich antwortete: »Sie halten ihn für dumm? Immerhin hat er die Falle einundzwanzig Jahre lang umgangen, und er wusste nicht, welches Elend ihn erwarten würde. Sie hingegen waren schon vierzig Jahre in der Falle gefangen. Sie hatten am eigenen Leib erfahren, welches Elend es bedeutet, Raucher zu sein, und dennoch hielten Sie es nicht länger als ein Jahr in Freiheit aus.«
An dieser Stelle muss ich etwas weiter ausholen. Es gibt potenzielle Raucher, ehemalige Raucher und sogar Nichtraucher (die niemals in die Falle geraten sind), die unabhängig von ihrem Alter denken: Er hat vielleicht ein Jahr lang nicht geraucht, aber frei war er trotzdem nicht – einmal Raucher, immer Raucher. Es mag jemandem gelingen, nie wieder zu rauchen, aber völlig frei wird er niemals sein!
Ich kann diese Annahme nur zu gut verstehen. Bevor ich meine Methode entdeckt habe, war ich ebenfalls davon überzeugt und glaubte, die große Mehrzahl der Raucher, die mit Hilfe von Willenskraft aufhörten, würden sich nie wieder ganz frei fühlen. Bekräftigt wird diese Einstellung von den Millionen Rauchern, die seit Jahren keine Zigarette mehr angefasst haben und dennoch immer wieder große Lust darauf verspüren, sowie von den Millionen anderer Raucher, die einen Monat oder sogar ein Jahr lang nicht rauchten und dann wieder rückfällig wurden. Alle Raucher, auch die jungen, wünschen sich, sie hätten nie angefangen. Viele sind nur nicht bereit, dies zuzugeben.
Die übliche Ausrede, warum wir nach wie vor rauchen, ist die, dass wir es genießen. Aber in Wirklichkeit tun wir das gar nicht. Wir glauben nur, es zu genießen, weil wir in Panik geraten und uns schlecht fühlen, wenn wir nicht rauchen können, und der nächste Nikotinschub nur dazu dient, das Gefühl von Verzicht und Unbehagen loszuwerden.
Es gibt zwei wichtige Gründe, warum wir weiterhin rauchen, aber keiner von beiden hat etwas mit Genuss zu tun. Zum einen glauben wir, eine schreckliche Zeit durchstehen zu müssen, wenn wir aufhören wollen. Die meisten Raucher erleben diese Zeit tatsächlich ein- oder mehrmals im Lauf ihres Raucherlebens und schaffen es sogar, einige Wochen, Monate oder sogar Jahre als Nichtraucher halbwegs glücklich zu sein. Doch sie fühlen sich nie ganz frei, und ein Großteil von ihnen gerät früher oder später wieder in die Falle. Vor allem eines versetzt selbst die mutigsten Raucher bei dem Gedanken ans Aufhören in Angst und Schrecken: die Annahme, dass man selbst nach überstandenem Elend einer Übergangsperiode von unbestimmter Zeit nicht ganz frei sei und ohne Zigarette nie mehr ein Essen richtig genießen oder mit Stress fertig werden könne.
Bevor wir uns wieder den oben genannten Beispielen aus dem Film Ich bin du zuwenden, müssen wir mit diesem Mythos aufräumen. Man mag hier anführen, das zweite Beispiel würde diese Vorstellung nur bestätigen, denn warum ist der Vater nach einem Jahr wieder abhängig geworden, wenn er tatsächlich ganz frei war?
Ich versichere Ihnen, er war frei. Aber leider werden nur allzu viele Menschen, egal, nach welcher Methode sie das Rauchen aufhören, wieder rückfällig. Das trifft auch auf meine Methode zu, auch wenn durch sie das Aufhören leichter fällt, ja sogar zum Genuss werden kann. Wie viele andere fragte ich auch diesen Mann: »Ist Ihnen das Aufhören leichtgefallen?«
»Ich hatte überhaupt keine Entzugserscheinungen, ich war auf Wolke sieben!«
»War es schön für Sie, Nichtraucher zu sein?«
»Es war wie die Befreiung aus einem Gefängnis, wie das Erwachen aus einem Albtraum, wie das Entkommen aus einer grauen Welt voller Angst und Depression in eine Welt voller Glück, Sonnenschein und Freiheit.«
»Genießen Sie es, nun wieder Raucher zu sein?«
»Ich hasse es! Warum glauben Sie, bin ich hier?«
wirklich