Eva Markert

Prinzessin Feuerrose und die Schneerosenelfen

Rosenelfengeschichten, Band 2

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Schon fast Mittag

Das Gespenst

Dorno in Gefahr

Vernünftige Erklärungen

Die Suche bei den Tannen

Eine Entdeckung

Weiße Rosen

Weiße Rosenelfen

Die Schneerosenelfen

Waschen und Frieren

Der Trick

Noch ein Trick

Im Teich

Vorspielen und Mitspielen

Nachfliegen mit den Schneerosenelfen

Ein sehr langer Tag

Ein rotes Kleid für Schneeweißchen

Schneeweißchens Tränen

Im fremden Garten

Beleidigte Schneerosenelfen

Wasserfliegen und „Tote Elfe“

Ein Notfall

Samtians Tipp

Schneeroses Hilfe

Augen zu und durch

Ein kaputtes Kleid

Die erste Hagebutte

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Impressum neobooks

Schon fast Mittag

 

Es war wie immer an einem warmen Sommertag: Die Sonne schien und bauschige weiße Wolken zogen über den tiefblauen Himmel. Ein leichter Wind strich durch die Bäume, und Gänseblümchen sprenkelten die Wiese. Überall duftete es süß nach Rosen. Ganz still lag der Rosengarten da - und das war ungewöhnlich, denn sonst herrschte dort immer reges Treiben. Doch heute regte sich nichts bei den Rosenstöcken.

Irgendwann steckte Prinzessin Feuerrose von den roten Rosenelfen den Kopf aus ihrer Palastblüte. In diesem Augenblick kam Honigrose, die Prinzessin der gelben Honigrosenelfen, in wilder Hast angeflogen. „Was ist los?“, schrie sie schon von Weitem. „Wo sind die anderen?“

„Ich glaube, sie schlafen noch!“, antwortete Feuerrose.

„Das ist doch nicht normal! Wir haben fast Mittag. Ich bin auch gerade erst aufgewacht. Glaubst du, dass wir krank sind?“

„Ich fühle mich, glaube ich, gesund“, erwiderte Feuerrose. „Uaaahh ...“ gähnte sie, „ich könnte sofort weiterschlafen. Jetzt weiß ich, wie es dem armen Dorno geht, der dauernd müde ist.“

„Ich bin auch so furchtbar müde“, sagte Honigrose. „Wie kann das sein?“

Plötzlich kam Gelbella mit wehenden Haaren auf sie zugeschossen. „Hilfe!“, schrie sie. „Was ist los mit uns?“

„Ich weiß nicht“, rief Feuerrose zurück. „Was ist denn los mit euch?“

Der Lärm weckte die übrigen roten Rosenelfen auf.

„Was ist passiert?“, wollte Duftine wissen und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

„Bei den gelben Rosenelfen stimmt etwas nicht“, antwortete Feuerrose aufgeregt. „Wir müssen sofort hinfliegen und nachsehen.“

Auf halbem Weg kam ihnen eine ganze Wolke gelber Rosenelfen entgegen. Die Luft flirrte nur so von schillernden Elfenflügeln.

„Was ist los mit euch?“ schrien die Honigrosenelfen durcheinander. „Wo seid ihr? Ist etwas passiert?“

„Wir sind hier.“ Feuerrose blickte sich um. „Und soweit ich sehe, ist nichts los, und es ist absolut nichts passiert. Und wie sieht es bei euch aus?“

„Bei uns ist auch alles in Ordnung.“

Erleichtert ließen sich die Rosenelfen auf die Gänseblümchenwiese fallen.

„Wieso haben wir eigentlich alle gedacht, es würde etwas nicht stimmen?“, fragte Blütelia, eine Feuerrosenelfe.

„Das ist doch sonnenklar.“ Der schlaue Samtian hatte die Sache mal wieder sofort durchschaut. „Einige haben sich Sorgen gemacht, weil morgens niemand aus seiner Blüte gekommen ist. Dabei haben sie nicht daran gedacht, dass gestern Mittsommernacht war.“

„Jetzt geht mir ein Licht auf!“ Feuerrose grinste. „Das Mittsommernachtsfest war herrlich, findet ihr nicht?“

Honigrose schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Nun ist mir auch klar, warum wir erst mittags aufgewacht sind: nicht weil wir krank sind, sondern weil wir gestern bis spät in die Nacht gefeiert haben.“

Die Rosenelfen blickten sich verdutzt an.

„Dass wir nicht gleich darauf gekommen sind!“ Blütelia schüttelte den Kopf. „Wir sind wohl immer noch nicht ganz wach.“

Die Rosenelfen fingen an zu lachen.

„Was ist los?“ Ein verschlafener Dorno taumelte durch die Luft auf sie zu und plumpste ins Gras. „Ist etwas passiert?“

Nun mussten sie noch mehr lachen.

„Was habt ihr denn?“, fragte Dorno gähnend. „Ach, ihr ahnt ja gar nicht, wie müde ich bin!“

Das Gespenst


Als Feuerrose zu Ende gelacht hatte, sagte sie: „Ich frühstücke jetzt erst mal.“

„Du meinst wohl zu Mittag essen“, verbesserte Blütelia sie.

„Nein, das meine ich nicht. Ich esse heute zum ersten Mal. Also ist es mein Frühstück.“

„Aber wir haben schon Mittag“, wandte Blütelia ein. „Also ist es dein Mittagessen.“

Feuerrose wurde ärgerlich. „Sei doch nicht immer so rechthaberisch.“

„Und du denk bloß nicht, alles, was du sagst, wäre richtig, nur weil du Prinzessin bist.“

„Das denke ich gar nicht!“, verteidigte sich Feuerrose empört. „So was habe ich noch nie gedacht!“

„Fangt bloß nicht wieder an, euch zu streiten!“, mahnte Duftine. „So wie ihr das am Anfang immer gemacht habt. Das war einfach schrecklich!“

„Ich habe nicht vor, mich zu streiten“, sagte Feuerrose. „Dazu bin ich viel zu hungrig. Ich könnte Berge von Blütenstaub verschlingen und literweise Rosennektar trinken. Und genau das werde ich jetzt tun. Dabei ist es mir vollkommen egal, ob ihr das Frühstück oder Mittagessen nennt.“

Duftine kicherte. „Pass auf, dass du nach dem Essen noch in dein Kleid passt! Nicht, dass du wieder fasten musst wie vor ein paar Wochen!“

Feuerrose grinste. „Ich schlage vor, du passt auf mich auf. Und weil es schwierig ist, auf mich aufzupassen, kommst du am besten gleich mit, Blütelia.“

Kaum waren die Freundinnen in Feuerroses Palastrose verschwunden, als die Prinzessin der gelben Rosenelfen auf dem Blütenrand landete. Die Rose begann zu zittern und hörte gar nicht wieder auf. Der Grund war, dass Honigrose am ganzen Körper bibberte.

Zum zweiten Mal an diesem Tag fragten die roten Rosenelfen: „Was ist los? Ist etwas passiert?“

„Ich ... ich ...“, stammelte Honigrose.

„Komm erst mal rein und trink was“, sagte Feuerrose. „Du bist ja ganz weiß im Gesicht.“

Honigrose fing noch stärker an zu schlottern. „Weiß, ganz weiß ...“, stammelte sie.

Feuerrose reichte ihr ein Schälchen Nektar, aber Honigroses Finger bebten dermaßen, dass sie die Hälfte verschüttete. Sie versuchte es aufs Neue: „Schneeweiß, ganz schneeweiß ...“

„Ja, du bist wirklich schneeweiß im Gesicht“, sagte Duftine. „Bloß - warum?“

„Ich ... Ich habe ...“, Honigrose sank zu Boden, „ein Gespenst gesehen.“

Die drei Feuerrosenelfen starrten sie an.

„Es gibt keine Gespenster“, meinte Duftine.

„Doch.“

„Wie kommst du auf diese verrückte Idee?“, wollte Blütelia wissen.

„Weil ich es gesehen habe. Ein Elfengespenst. Es war fast durchsichtig und hatte keine Farbe. Arme, Beine, das Gesicht, sogar das Kleid – alles war weiß.“

Feuerrose legte ihren Arm um Honigroses Schultern, damit die aufhörte zu zittern. „Vielleicht war es nur eine hellgelbe Rosenelfe. Oder das Sonnenlicht hat dich geblendet.“

Aber Honigrose hörte nicht auf. Sie schüttelte heftig den Kopf. „Das weiße Gespenst saß im Schatten, unter den Tannen. Dann schwebte es davon. Ich habe es genau gesehen.“

Dorno in Gefahr


Es dauerte nicht lange, bis sich die Geschichte vom Elfengespenst herumgesprochen hatte. Die roten und gelben Rosenelfen redeten über nichts anderes mehr.

„Honigrose spinnt“, sagten die einen. „Sie hat sich diesen Gespensterquatsch nur eingebildet.“

„Sie hat tatsächlich einen Geist gesehen“, meinten die anderen.

An diesem Abend saßen sie noch lange im Kreis auf der Gänseblümchenwiese. Niemand hatte Lust, schlafen zu gehen. Zum Teil lag es daran, dass sie erst so spät aufgestanden waren. Aber es gab noch einen Grund: Je dämmriger es wurde, desto wahrscheinlicher erschien es den meisten, dass Honigrose tatsächlich ein Elfengespenst gesehen hatte. Vorsichtshalber wollte niemand allein in seiner Blüte sein.

Der Mond ging auf, und noch immer hockten die Rosenelfen zusammen.

„Mir ist unheimlich“, jammerte Blütelia.

„Du kannst bei mir schlafen“, bot Duftine an. „Das wäre mir, ehrlich gesagt, auch lieber.“

Viele Rosenelfen suchten sich jemanden, bei dem sie die Nacht verbringen konnten.

Samtian lachte. „Ihr seid ja nicht ganz richtig im Kopf!“

„Warte nur“, giftete Blütelia, „bis das Elfengespenst dich holt. Dann wird dir das Lachen schon vergehen!“

„Wo ist eigentlich Dorno?“, fragte Duftine plötzlich.

„Vielleicht schläft er schon.“ Feuerrose grinste. „Er ist doch immer sooooo müde.“

In diesem Augenblick hörten sie Schreie. „Hilfe, Hilfe!“

„Das ist Dorno!“ Feuerrose sprang auf.

Der Elfenjunge kam angesaust und landete so überstürzt auf der Wiese, dass er sich überschlug und auf dem Rücken liegen blieb. „In letzter Sekunde“, keuchte er, „in aller-, allerletzter Sekunde.“

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