Informationen zum Buch

Januar 1813. Am badischen Hof in Karlsruhe geraten die Brüder Grimm in eine bizarre Intrige. Eine Prinzessin aus Indien macht Jagd auf den neugeborenen Sohn des Herzogs – und die Grimms werden Zeugen von Mord und Erpressung.

Dezember 1812. Wie ein Flüchtiger reist der vor Moskau geschlagene Napoleon durch Europa. In tiefer Nacht macht er in Weimar Station und sucht Goethe mit einem dringenden Anliegen auf …

Wenige Tage später reisen die Brüder Grimm an den Hof zu Karlsruhe – mit einer Empfehlung Goethes in der Tasche. Der Herzog sucht einen Lehrer für sein neugeborenes Kind. Doch in Karlsruhe stoßen sie bald auf schaurige Warnungen. Wer drängt sie, von ihrem Auftrag abzulassen? Was hat es mit dem herzoglichen Sohn auf sich? Als die Brüder der Wahrheit auf den Grund gehen wollen, geraten sie selbst in tödliche Gefahr.

Kai Meyer ist ein »Zauberweltenerfinder« FOCUS

Kai Meyer

Die Winterprinzessin

Ein unheimlicher Roman
um die Brüder Grimm

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Prolog

Erster Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Zweiter Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Dritter Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Epilog

Nachwort des Autors

Über Kai Meyer

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Findet, so werdet ihr suchen

Eintrag im Gästebuch der Brüder Grimm,
3. Januar 1808

Fünf Große Fragen gibt es. Wann ist die jüngste, denn jung ist unser Maß der Zeit. Kaum älter ist auch Wo, gefolgt bald von der Frage Wer, mit ihr begriff der Mensch sich selbst. Altehrwürdig dagegen Wie, sie hinterfragt den Lauf der Dinge. Die älteste, die klügste ist Warum, denn sie steht am Beginn des Denkens. Fünf Große Fragen. Sie beherrschen die Sprachen, sie regieren die Welt.

Und da sind fünf, die es ihnen gleichtun wollen. Sie gaben sich selbst einen Namen:

Quinternio der Großen Fragen.

Prolog

Weimar, im Dezember 1812

»Warum?« fragte die Dienstmagd Dorothea, als der Kaiser auf ihre Schwelle trat, denn sie wußte nicht, daß er der Kaiser war, und hätte sie es gewußt – nun, er war Franzose. Davon gab es zu jener Zeit in Weimar viele, und sie mochte keinen einzigen von ihnen, ganz gleich ob Bettler oder Söldner oder Kaiser oder Gott (denn hieß es nicht: »Essen wie Gott in Frankreich« oder »Gott ißt in Frankreich« oder »Gott ist in Frankreich«?).

Die Frage schien ihr angemessen, denn es war tiefste Winternacht. Tief waren Dunkelheit und Schnee und sicher auch der Schlaf des Herrn, den der Besuch zu sprechen wünschte. Der Herr Geheimrat brauchte Ruhe, er war nicht mehr der Jüngste. Die Uhr hatte längst Mitternacht geschlagen, als er die letzte Kerze löschte; und nun ging es schon bald auf vier – am Morgen, wohlgemerkt.

Der kleine Gast – er reichte kaum zu Dorotheens Schulter – bedachte sie mit einem Wortschwall. Die Kälte in seinem Blick übertraf dabei selbst jene, die vom Frauenplan herein ihr Nachtgewand durchwehte. Der Schnee lag kniehoch und würde noch viel höher steigen, wenn der Flocken dichter Fall so anhielt wie bisher.

Schnee lag auf der Mütze des Franzosen, Schnee lag auf seinen Schultern und auf dem schlichten Pferdeschlitten, der draußen vor dem Haus hielt. Der Schlittenlenker saß in Felle gehüllt auf seinem Bock, die Zügel der schnaubenden Pferde locker in der Hand. Ob in der Kabine des Schlittens weitere Fahrgäste saßen, vermochte Dorothea nicht zu erkennen. Der Vorhang des Einstiegs war zugezogen. Wohl fiel durch Ritzen sanftes Licht, ein gelbes, zartes Lampenflackern.

Sie dachte nicht daran, den Fremden einzulassen. Er hatte sich nicht vorgestellt, machte auch keine Anstalten, dergleichen nachzuholen. Als kennte sie jeden Franzosen auf der Welt! Sollte der dreiste Zwerg doch im Kalten stehen, bis ihm die Ohren klirrten!

Da sprach die Stimme des Herrn in ihrem Rücken: »Den Gruß des Unbekannten ehre, Dorothea. Der erste Gruß ist viele tausend wert, drum grüße freundlich jeden der begrüßt.« Ein humoriger Klang schwang in seinen Worten, wie oft, wenn er sich selbst zitierte.

Goethes Hände ergriffen sie von hinten an den Schultern und schoben sie beiseite. Verwirrt, wenngleich mit Reden solcher Art nur allzu vertraut, machte Dorothea Platz und musterte verwundert ihren Herrn. Er trug nur ein Nachthemd, hielt seine Schlafmütze in der linken, einen Kerzenleuchter in der rechten Hand. Er hatte den nächtlichen Gast wohl längst erkannt, denn nun drückte er Mütze und Kandelaber in Dorotheens Hände, ergriff die behandschuhte Rechte des Kleinen und schüttelte sie aufs herzlichste. »Tretet ein«, bat er.

Dies tat der Gast und strafte Dorothea mit Mißachtung. Ihr sollte es recht sein. Der Flegel war ihr längst zuwider. Wollte wohl durch schlechtes Benehmen wichtig tun, der Gnom.

Der Herr bat den Franzosen, ihm hinauf ins Haus zu folgen. Dorothea ging in gehörigem Abstand hinterher. Nicht einmal den Schnee hatte der Fremde von seinen Stiefeln geklopft. Bei jedem Schritt hinterließ er eine Pfütze, selbst der Salve-Schriftzug am oberen Treppenabsatz grüßte alsbald durch Wasser und Eis.

Die beiden schlugen den Weg zum Arbeitszimmer ein. Nur einmal blieb Goethe stehen, wandte sich zu Dorothea um und gestattete ihr, wieder zu Bett zu gehen. Sie fragte noch, ob er den Dienst des Kammerdieners nötig habe; der Herr aber gedachte keineswegs, sich anzukleiden. Der Besuch mußte wahrlich wichtig sein, wenn er ihn gar die Regeln des Anstands vergessen ließ. Nun, es war nicht ihr Besuch. Nicht ihre Sorge.

Sie machte sich auf zu ihrer Kammer, doch wie so oft ließ ihr die Neugier keine Ruhe. Sie schlich zurück, so leise sie konnte, preßte ihr Ohr an die Tür des Arbeitszimmers. Zu ihrer Enttäuschung unterhielten sich die beiden Männer in der Sprache des Besuchers. Nur Bruchstücke waren es, die Dorothea verstehen konnte.

Es ging wohl um ein Kind, gerade erst geboren, irgendwo im Badischen. Das Leben des Kleinen schien bedroht, von fremden Mächten war die Rede, von – Gott bewahre! – Götzendienern. Der Besucher mußte der Großvater des Kindes sein, und ihm schien viel an seinem Sproß zu liegen. So war es wohl solch zarte Zuneigung, die ihn bewog, Ungeheueres zu verlangen. Dorothea traute ihren Ohren kaum und war geneigt, das Gehörte auf ihr mangelndes Französisch zu schieben – bat doch der kleine Mann den großen Dichter, er möge sich der Erziehung des Kindes annehmen! Ihr Herr Goethe eine Amme!

Unverfroren war der Fremde, in der Tat, fraglos ein Nichtsnutz, von Größenwahn getrieben. Um so mehr erstaunte sie, wie ruhig und höflich der Herr Geheimrat blieb. Er lehnte ab, natürlich, doch er tat es mit den freundlichsten, den sanftesten Worten, als begreife er das Anliegen seines Gastes durchaus und könne es gar nachvollziehen. Trotzdem, er sagte nein, und dabei blieb es.

So nahm man Abschied voneinander, und Dorothea beeilte sich, davonzulaufen. Dabei rutschte sie in einer der Eispfützen aus, setzte sich im Nachtgewand ins Nasse und hatte alle Mühe, zu verschwinden, ehe man sie bemerken mochte. Holla, sie würde einiges zu erzählen haben, wenn sie sich am nächsten Tag mit dem Bauer Rosenberg zum Stelldichein traf!

Vom Fenster aus beobachtete sie, wie der Franzose durch den Schnee zum Schlitten stapfte. Goethe schloß die Tür. Dann hörte sie, wie ihr Herr die Treppe hochstieg und abermals ins Arbeitszimmer trat. Niemand sonst schien die Störung bemerkt zu haben, weder der Kammerdiener noch Goethes junge Frau Christiane. Nach Minuten endlich herrschte Ruhe.

Der Schlitten wartete immer noch vorm Haus. Der kleine Franzose stand unterhalb des Kutschbocks und redete auf den vermummten Lenker ein. Da, plötzlich, blickten sich die beiden um, gleichsam erschrocken, ängstlich gar. Der Franzose sprang gehetzt ins Innere der Kabine, der Lenker gab seinen Rössern die Peitsche. Eilig glitt der Schlitten davon, so geschwind, als ginge es um Leben und Tod.

Und während sich Dorothea noch über den hastigen Aufbruch wunderte, preschten sechs Pferde auf der Spur des Schlittens dahin, darauf sechs schwarze Reiter. Gefolgsleute oder Verfolger? Ihre weiten Mäntel flatterten. Der dampfende Atem ihrer Pferde ließ sie dahinschweben wie auf einer Nebelwolke, die sie mit jedem Schritt umwogte. Nur dem Schnee war es zu danken, daß nicht ganz Weimar vom Trampeln der Hufe erwachte.

Irgend etwas stimmte nicht mit den Gesichtern der Reiter. Dorothea preßte Handflächen und Nase an die Scheibe. Durch das Netz der Frostkristalle erhaschte sie einen letzten Blick, nunmehr von hinten. Das waren doch keine Mützen auf ihren Hinterköpfen, auch kein Haar. Waren es … Federn?

Nein, dachte sie, es war die Nacht, die sie täuschte. Die Nacht, ihre Aufregung und die Kälte auf den Scheiben. Schlitten und Reiter verschwanden im Dunkel. Bald schon würde der Schnee ihre Spuren zudecken; alle, bis auf die Pfützen im Haus.

Lange noch stand Dorothea am Fenster und starrte zitternd hinaus in die Nacht. Doch alles, was sie sah, waren Eisblumen, die ihr Atem zu funkelndem Tau zerschmolz.

Erster Teil

Barfuß durchs Feuer – Träume von Blumen und Haarausfall – Ein totes Kind, das lebt? – Fünf Fragen, fünf Teufel und eine Prinzessin – Vogelmenschen im Schmetterlingshaus – Leichenregen – Der Feind wünscht guten Abend

1

In der Wirtsstube roch es beißend nach Zwiebeln und Schweiß – und noch etwas anderem, seltsam Exotischem, das weder Jacob noch ich zu benennen wußten. Die beiden Fenster standen offen, trotz der Januarkälte, doch die frische Luft blieb ohnmächtig angesichts der Wirtshausschwaden. Über den Wipfeln des Hardtwalds herrschte düsteres Grau und brachte Kunde von mehr und noch mehr Schnee, der die Wege verstopfen und die Ödnis der Wälder noch einsamer, noch finsterer gestalten würde. Wollten wir vor Anbruch der Nacht und neuerlichen Schneemassen von hier fort sein, schien es ratsam, dies so schnell als möglich zu tun. Unsere Kutsche lag ein Stück weiter nördlich am Wegrand, ein Vorderrad geborsten, und dies Gasthaus schien der einzige Ort in der Wildnis, an dem wir auf Hilfe hoffen durften. Zwei Wagen standen vor dem Haus bereit zur Abfahrt, und unser Streben war es, in einem davon zwei Plätze zu ergattern, wenigstens bis zur nächsten größeren Stadt. Der eine war eine Postkutsche, und sie war es, die uns besonders geeignet erschien.

Wir schrieben den ersten Tag des neuen Jahres 1813. An mehrere Tischen lärmten Holzfäller nach einer durchzechten Nacht und einem durchfeierten ersten Januar. Als wir den Schankraum betraten, stimmten sie gerade ein Lied an. Einer forderte uns mit erhobenem Bierkrug auf, uns den frohen Gesängen anzuschließen – was freilich weder an diesem noch an jedem anderen Tag unseren Neigungen entsprochen hätte. So traten wir einfach an ihnen vorüber, nicht ganz ohne Unbehagen, wie ich gestehen muß, und näherten uns der Theke, wo der Postillion beim Essen saß. Außer ihm und den Holzfällern gab es zwei weitere Gäste, wohl die Reisenden aus der zweiten Kutsche, die an einem Ecktisch saßen und Eintopf in die Schatten ihrer hochgeschlagenen Kapuzen löffelten. Ihre Gesichter lagen völlig im Dunkeln.

Der Postillion trug einen Mantel mit Fellbesatz, ganz ähnlich wie Jacob und ich. Sein zackiges Vogelgesicht musterte uns mißtrauisch, als wir an seine Seite traten und ihn grüßten.

»Wohl bekomm’s«, sagte ich mit Blick auf den zähen Zwiebeleintopf in seiner Schale, der einzigen Speise, die der Wirt seinen Gästen anbot. Auch die Holzfäller hatten einen großen Topf davon auf einem ihrer Tische stehen. Einer kippte gerade sein Bier hinein. Seine Kameraden begrüßten es mit lautem Gejohle und rangen miteinander um Nachschlag.

Der Postkutscher brummte etwas und warf einen Blick auf das halbe Dutzend Postsäcke, die er neben sich an die Theke gelehnt hatte. Offenbar fürchtete er, Jacob könne sich daran zu schaffen machen, während ich ihn ablenkte.

Nun, wir wollten nur mit ihm nach Süden fahren, nicht seine Freunde werden. Ich beeilte mich, unser Anliegen vorzubringen, und nachdem wir einen viel zu hohen Preis geboten hatten, erklärte er sich bereit, uns mitzunehmen.

»Aber die Kutsche ist bis obenhin voll mit Gütern«, sagte er und deutete auf die Säcke, »eigentlich ist kein Personentransport vorgesehen. Ihr werdet euch dünn machen müssen.« Er duzte uns. Wahrscheinlich hielt er uns für Gesellen auf der Wanderschaft, oder auch für Studenten, die nach Heidelberg reisten, denn eben das war sein Ziel.

Wir selbst jedoch wollten nach Karlsruhe. Heidelberg lag fast auf dem Weg dorthin, und so war ich insgeheim erleichtert. Noch außen hin freilich zeigte ich dies nicht; zweifellos hätte er gleich den Preis noch mehr in die Höhe getrieben.

»In einer Stunde will ich weiter«, erklärte er. »Zahlen müßt ihr aber gleich.«

Widerwillig gab Jacob ihm den vereinbarten Betrag, worauf die Münzen in seiner speckigen Uniform verschwanden. Wir selbst wollten die Zeit bis zur Abfahrt nutzen und etwas Warmes zu uns nehmen – selbst wenn es Zwiebeleintopf sein mußte. Ich hatte Hunger und mir war kalt, um so mehr, als wir geraume Zeit versucht hatten, gemeinsam mit unserem Kutscher unser Gefährt aus dem Graben zu heben, in den es bei dem Unglück gekippt war. Ein Wunder, daß weder Mensch noch Tier dabei zu Schaden gekommen waren. Der Kutscher war auch jetzt noch draußen und versuchte, den Wagen zu bergen. Wir waren vorausgegangen, sah doch selbst ein Kind, wie aussichtslos das Unterfangen war. Er aber wollte erst aufgeben, wenn die Dämmerung anbrach. Dann würden wir schon auf dem Weg nach Heidelberg sein. Das hatte er nun von seiner Halsstarrigkeit.

Jacob und ich setzten uns an einen Tisch unweit des offenen Kamins. Die Wärme knisterte wohlig auf der Haut, und selbst der Eintopf schmeckte trotz ungesunder Färbung nicht übel.

Ich hatte Goethes Empfehlungsschreiben vor mir auf den Tisch gelegt, damit es im Mantel nicht knitterte. Er hatte mir im beiliegenden Brief aufgetragen, es am Hofe zu Karlsruhe dem badischen Außenminister, einem gewissen Herzog von Dalberg, auszuhändigen. Jener hatte, so schrieb Goethe, eine Stellung anzubieten, die mir sicherlich behagen würde. Alles, was er mir darüber sagen konnte, war, daß man einen Privatlehrer suchte, überaus verläßlich und schweigsam, wie unser väterlicher Freund betonte. Zwar war das fern von meinen wahren Interessen, doch seit Ausbruch meiner Krankheit konnte ich nicht wählerisch sein.

Tatsächlich war ich mehr als dankbar. Endlich erhielt auch ich Gelegenheit, zum Auskommen der Grimmschen Familie beizutragen. Bislang hatte Jacob dies allein vollbracht, denn seine Arbeit als Verwalter der Königlichen Bibliothek im Kasseler Schloß brachte ihm immerhin regelmäßig tausend Taler. Davon ernährte er sich und uns Geschwister.

Mir selbst hatte mein Herzleiden bislang jede geregelte Arbeit verlitten, obgleich mein Zustand sich seit einer Kur, für die gleichfalls der arme Jacob aufgekommen war, auf dem Wege zum Beßren befand. Sicher vermag man sich vorzustellen, daß mich solche Abhängigkeit zutiefst beschämte. Allein daher schon war eine Stellung gelehrter Art, wie Goethe sie in Aussicht stellte, ein ganz besonderer Glücksfall.

Erst wenige Tage zuvor, im Dezember 1812, war der erste Band unserer Kinder- und Hausmärchen erschienen, den wir mit einem zweiten Band gleicher Art abzurunden gedachten. Es war ein hübsches Büchlein geworden, in einer Auflage von neunhundert Stück vom Berliner Verleger Reimer gedruckt. Es würde uns wohl ein wenig Geld einbringen, sobald eine bestimmte Anzahl davon verkauft worden war, doch keiner von uns erwartete, Reichtum aus dieser Arbeit davonzutragen.

Nichtsdestoweniger war das frischgedruckte Märchenbuch unser ganzer Stolz, mehr noch als unsere beiden vorhergegangenen Arbeiten über altdeutschen Meistergesang und dänisches Legendengut. Wir trugen ein knappes Dutzend Exemplare in unserem Gepäck für den Fall, unterwegs damit unsere Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen zu müssen (und um sie, soviel sei eingestanden, hin und wieder stolz zur Hand zu nehmen, über die Seiten zu streichen, am Buchbinderleim zu riechen und mit den Fingern den Schriftzug des Titelblattes nachzuzeichnen).

Überhaupt war jene Sammlung, oder vielmehr ihr geplanter zweiter Teil, der Grund, warum Jacob mich auf der Reise begleitete. In Karlsruhe nämlich, so hatten wir von unserem Freund Brentano erfahren, war eine alte Märchenfrau zu Hause, von der wir neues Garn zu erhalten hofften – ganz ähnlich jener Frau Lenhard, der Kinderamme unseres Lehrers Savigny, deren Geistesschatz an alter Mär uns bereits beim ersten Band unversieglicher Quell gewesen war. So hatte Jacob sich schweren Herzens einige Tage von der Arbeit freistellen lassen, um mit mir ins Badische zu reisen und der alten Märchenfrau einen Besuch abzustatten.

Doch ich greife vor, man möge mir verzeihen, und so will ich den geneigten Leser schnell zurück in den Lauf der Ereignisse ziehen. Und was für einen Lauf sie mit einem Male nahmen …

Ich hatte gerade die Hälfte meines Eintopfs verspeist, als sich die beiden Kapuzengestalten in der Ecke des Zimmers von ihren Plätzen erhoben, an uns vorüberdrängten und zum Ausgang eilten. Sie hatten kaum die Tür geöffnet, als ein scharfer Luftzug hereinwehte. Der Wind fuhr in die Glut des Kaminfeuers, Funken stoben auf. Das nächste, was ich wahrnahm, war, wie der Postillion schreiend von seinem Platz aufsprang und mit bloßen Händen auf einen seiner Postsäcke einschlug. Der Leinensack hatte Feuer gefangen, schon leckten die Flammen nach den Briefen im Inneren. Innerhalb weniger Atemzüge war der ganze Schankraum von dichtem grauem Qualm erfüllt. Alles stürzte hinaus ins Freie, die Holzfäller zuerst, wir selbst und der Wirt hinterher. Allein der tapfere Postkutscher blieb zurück. Wir hörten, wie er jenseits der rußigen Schwaden schimpfte und schrie und mit seinen Briefsäcken hantierte.

Der Wirt fluchte kaum weniger lautstark und stürzte zur Brüstung seines Ziehbrunnens, der freilich zugefroren war bis auf eine winzige Öffnung, aus der er seinen nötigsten Bedarf bestritt. Zum Feuerlöschen taugte sie nicht. Statt dessen griff er nun mit ausgebreiteten Armen in den Schnee, hob einen gewaltigen Klumpen empor und verschwand damit im Inneren seiner Schenke. Wir anderen standen da, noch unsicher, ob wir es wagen sollten, ebenfalls Schnee ins düstere Gewölk zu tragen. Gerade hatten wir uns entschlossen, dem armen Mann nach besten Kräften beizustehen, als jener auch schon wieder ins Freie taumelte und verkündete, das Feuer sei gelöscht.

Der Rauch quoll aus der Tür und den beiden Fenstern und hatte sich bald schon so weit verzogen, daß wir uns zurück ins Innere wagen konnten. Hustend schwankten wir durch den stickigen Dunst. In der Eile hatten wir unsere beiden Reisetaschen zurückgelassen und, am wichtigsten von allem, Goethes Empfehlungsschreiben. Wie groß war mein Entsetzen, als mein Blick auf den Tisch fiel!

»Wo ist es?« rief ich aus, stolperte auf den Tisch zu und hob in Panik die beiden Schalen auf. Der versiegelte Umschlag blieb verschwunden. Fort! In Luft aufgelöst!

»Runtergefallen«, bemerkte Jacob, einsilbig geworden angesichts solchen Schreckens. Doch als wir unsere Blicke zum Boden wandten, mußten wir erkennen, daß der Postillion in seiner Mühe, seine Briefe zu retten, die brennenden Säcke ausgekippt hatte. Im Umkreis von fünf, sechs Schritten war der Boden knöchelhoch mit Papier bedeckt, Umschlägen und gefalteten Sendungen, manche farbig, die meisten aber ebenso weiß wie Goethes Empfehlungsbrief. Wie sollten wir das lebenswichtige Schreiben in all dieser Masse je wiederfinden? Zumal der Postillion bereits dabei war, auf allen vieren seine Schätze zurück in die heilgebliebenen Säcke zu schaufeln.

Uns blieb nur, es ihm gleichzutun und zu hoffen, daß wir den Brief rechtzeitig fanden. Jacob und ich fielen auf Hände und Knie und begannen eilig, in den Papierbergen zu wühlen, in der schmalen Hoffnung, dabei das vertraute Dichtersiegel zu entdecken.

Wer einmal versucht hat, unter Tausenden Siegeln ein bestimmtes zu finden, wird erahnen können, wie aussichtslos unser Unterfangen war. Nicht, daß wir dergleichen nicht gewußt hätten. Trotzdem gruben und lasen und verglichen wir weiterhin, krochen durchs Papiergestöber und scherten uns nicht um die Verwünschungen des Postillions, der natürlich bemerkte, was wir taten, ohne es jedoch zu begreifen. Auch war mir klar, daß es wenig Sinn hatte, ihm den Fall auseinanderzulegen.

Mit tränenden Augen – nicht allein vom Rauch, denn meine Zukunft stand auf dem Spiel – griff ich immer wieder mit beiden Händen in die Brieffluten, hob sie empor und ließ sie wieder herabregnen, wie ein Kind, das im Herbstlaub spielt. Meine Verzweiflung wuchs mit jedem Handgriff, mit jedem verworfenen Siegel, mit jedem unbekannten Schriftzug.

Da legte sich mir eine Hand auf die Schulter. Sanft, nicht unfreundlich. Widerwillig ließ ich von meiner kläglichen Tätigkeit ab und blickte empor.

Eine der beiden Kapuzengestalten war neben mich getreten. Noch immer lag ihr Gesicht im Schatten, doch eine feingliedrige Damenhand war aus einem der weiten Ärmel zum Vorschein gekommen und hielt mir den gesuchten Brief entgegen.

»Ist es das, worauf Ihr Streben zielt, mein Herr?« fragte eine Mädchenstimme mit merkwürdig singendem Tonfall.

Mit selbstvergessenem Jauchzen sprang ich auf und ergriff das Schreiben. Ja, kein Zweifel, es war Goethes Brief. Überglücklich wandte ich mich an meine Retterin.

»Tausend Dank, meine Dame, ich hoffe, ich kann –«

Jacob, der nun neben mir stand, ging unwirsch dazwischen. »Wie kommen Sie an den Brief?« fragte er und machte seinem mürrischen Ruf alle Ehre. Herrgott, ich hatte den Brief zurück, was tat es da zur Sache, wie er zu dieser Frau gelangt war?

Sie senkte den Kopf, als wollte sie vermeiden, daß wir ihr Gesicht erblickten. »Ich sah, wie er von Ihrem Tisch fiel, und hob ihn auf.«

Ich blickte Jacob an. Sein Mißtrauen war ihm überdeutlich anzusehen. Und doch kam keiner von uns dazu, die Worte der Unbekannten zu hinterfragen, denn in jenem Augenblick geschah das, was niemals, niemals hätte passieren dürfen: Ich verlor den Brief ein zweites Mal. Ein neuer Windstoß, heftiger noch als der erste, schoß in die Wirtsstube, wirbelte die Rauchschwaden auf und entriß meinen Fingern das Schreiben. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage »entriß«: Fast war mir, als hätte eine unsichtbare Hand danach gegriffen.

Das kostbare Dokument segelte auf der Bö in den hinteren Teil der Schenke, während der Wind die Reste der Glut zu neuer Wut entfachte. Einen Herzschlag später loderte ein hüfthoher Flammenwall aus den Briefen am Boden empor und schnitt ein Viertel des Raumes von uns ab. Und ebendort, gleich jenseits des Feuers und ihm zweifellos bald schon ausgesetzt, kam Goethes Schreiben zum Liegen. Schon griffen die ersten Flammen danach. Jeden Moment konnte des Papier im Feuer vergehen. Mein Glück, meine Zukunft, mein Leben würden bald nur noch Asche sein. Ich schrie auf, voller Verzweiflung, und übertönte damit das erstaunte Stöhnen, das durch die Menge ging. Denn plötzlich warf die zweite Kapuzengestalt ihren Mantel ab. Darunter kam ein alter Mann zum Vorschein, hochgewachsen und dürr wie ein Reisigbündel, dabei braungebrannt und – das war es, was alle so verblüffte – halbnackt! Der Mann trug nur ein Tuch um seine Lenden, nichts sonst. Er verstieß damit gegen alle guten Sitten – und hätte im Freien auf der Stelle erfrieren müssen. Offenbar aber bekümmerte ihn weder das eine noch das andere.

Doch damit der Wunder nicht genug. Unter den ungläubigen Blicken aller trat er mitten in die Flammen, sehr langsam, sehr bedächtig, durchquerte den Feuerwall, bückte sich nach dem Schreiben, hob es auf und brachte es uns unbeschadet zurück. Jetzt erst sah ich, daß er barfuß war. Die Flammen hatten ihm nicht das geringste anhaben können. Nicht einmal ein Rußfleck war zu sehen. Derweil stürzten sich der Wirt und der Postillion mit Decken und mit Schnee auf die Flammen und löschten sie.

Ich nahm den Brief wie im Schlaf entgegen und steckte ihn ein, mit offenem Mund und ohne den Blick vom dürren Leib des Alten zu nehmen. Niemand sagte ein Wort.

Dann, nach einem Augenblick des Atemholens, begann einer der Betrunkenen zu klatschen. Andere fielen mit ein, als wären sie gerade Zeugen einer gelungenen Jahrmarktgaukelei geworden.

Jacob, ich selbst und die Dame im Kapuzenmantel, wir enthielten uns des Beifalls. Auch der Wirt und der Postkutscher hatten Besseres zu tun. Der Alte nahm derweil seinen Überwurf auf und verhüllte seine Blößen, als sei nichts geschehen. Den Beifall der Holzfäller schien er gar nicht wahrzunehmen.

»Wer sind Sie?« wandte ich mich an die Frau im Schatten.

Sie hob den Kopf, offenbar ebenso erstaunt über die Darbietung ihres Begleiters – obgleich sie weniger seine Fähigkeiten zu überraschen schienen als vielmehr die Tatsache, daß er sie uns allen offenbart hatte. »Kommen Sie«, sagte sie nur und wandte sich dem Ausgang zu.

Jacob und ich wechselten einen Blick, nahmen dann unsere Taschen auf und folgten ihr zögernd. Hier drinnen bekam man kaum mehr Luft vor lauter Rauch, und auch die Betrunkenen strömten ins Freie. Ich brannte darauf, endlich das Gesicht der Frau zu sehen. Ihre Stimme klang ungewöhnlich jung und zart und –

Jacob gab mir einen Knuff in die Seite. »Gib acht, Wilhelm, ich traue ihr nicht.«

»Du traust niemandem«, gab ich flüsternd zurück.

»Manches Mal mit gutem Grund, werter Wilhelm. Falls du dich erinnerst …«

Werter Wilhelm – das sagte er stets, wenn er mich aufziehen wollte. Ich schnitt eine griesgrämige Grimasse. »Natürlich, großer Bruder.« Ich war sechsundzwanzig Jahre jung, Jacob nur ein ganzes älter. Er wurde nimmer müde, dies herauszustellen, deshalb kam ich ihm diesmal zuvor. Ich hoffte, die Diskussion damit zu beenden, und tatsächlich gab er Ruhe. Zumindest für den Augenblick.

Die Frau und der alte Mann führten uns hinter ihre Kutsche, wo wir vor den Blicken der Holzfäller geschützt waren. Dort drehte sich die Dame zu uns um und schlug ihre Kapuze zurück.

Anna! durchfuhr es mich. Wiewohl: eine Täuschung. Es war nicht meine geliebte Anna, meine einst so heiß Begehrte, die seit Jahren verschollen war. Und doch schien mir der Winterabend mit einemmal weniger eisig, denn der Anblick dieses Geschöpfes mußte ganz andere Gewalten zum Schmelzen bringen als nur den schnöden Schnee.

»Mein Name ist Jade«, sagte sie, »Prinzessin Jade von Rajipur, Tochter des Maharadschas und rechtmäßige Maharani des Jadeherzens Indiens.«

Ihr Haar war ebenso seidig schwarz und wallend wie das meiner Anna, doch damit hörte die Ähnlichkeit auf. Die Prinzessin besaß zartbraune Haut, ebenmäßig und glatt wie poliertes Holz. Ihre Augen waren groß und beinahe schwarz, so daß Iris und Pupille nicht voneinander zu trennen waren. Die Flügel ihrer feinen Nase hatte sie mit je einem glitzernden Rubin durchstochen, eingefaßt in Gold; ein, sagen wir, bemerkenswerter Schmuck, in der Tat. Und doch betonte er das Edle, wahrhaft Königliche in ihren Zügen um so mehr.

Ich hätte mich auf der Stelle in sie verlieben mögen, hätte ihr erster Anblick nicht die Erinnerung an Anna von neuem geweckt, und mit ihr die Trauer um die verlorene Freundin. Jedoch, dies war schwerlich der rechte Zeitpunkt, der Vergangenheit nachzuweinen. Zu viele Jahre waren seither verstrichen, mehr als sieben.

»Eine Prinzessin?« fragte Jacob düster. »Das kann jede behaupten.«

»Jacob«, schalt ich ihn leise. Himmel, hatte er den Verstand verloren?

Die Prinzessin kicherte und warf ihrem Begleiter einen belustigten Blick zu. »Was muß ich tun, um meine Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen?«

»Sie könnten damit beginnen, daß sie uns die Wahrheit über den Brief sagen«, entgegnete Jacob frech. Wahrlich, er war ein rechter Stoffel.

»Was meinen Sie damit, junger Herr?«

Ich begriff sehr wohl, was sie tat. Sie nannte ihn Herr, wie es eine Dienerin getan hätte; augenscheinlich spielte sie mit dem Vorurteil des Europäers gegen ihresgleichen. Jacobs Benehmen war mir peinlich bis ins Bein.

An ihm selbst schoß dieser Pfeil um Ellen vorüber. »Sie können den Brief unmöglich vom Boden aufgehoben haben«, behauptete er sachlich. »Zu jenem Zeitpunkt, da er vom Tisch gefallen sein soll, waren Sie längst zur Tür hinaus. Erinnern Sie sich: Der Luftzug, als Sie die Tür öffneten, brachte das Feuer erst zum Ausbruch.«

In ihren Augen glühte der Schalk, und ich sah, daß sie versucht war, das ungleiche Spiel fortzusetzen. Dann aber beherrschte sie sich und lenkte ein. »Sie haben recht. Wahr ist, daß ich sah, wie der Brief zu Boden fiel. Ich bat meinen Begleiter, den treuen Kala, das Schreiben für mich aufzuheben. Sie haben vielleicht bemerkt, daß er über manch ungewöhnliche Fähigkeit verfügt. Die Kraft seines Geistes war es, die den Brief in meine Hände brachte – um ihn für Sie zu bewahren.«

Wir hatten in der Tat gesehen, was dieser Kala vermochte, und es gab kein Argument, das dem standhalten konnte. Ohne Genaueres über seine Kräfte zu wissen, konnte Jacob ihre Worte schwerlich in Zweifel ziehen. Der Sieg des Mysteriums über die Ratio war wohlverdient.

Mein Bruder brummte etwas und gab sich fürs erste geschlagen. Ich wußte, daß er nur auf die Gelegenheit wartete, einen neuen Angriff zu wagen.

Jade wandte sich nun an mich. »Es zieht Sie gen Süden, Herr –«

»Grimm«, beeilte ich mich zu ergänzen. »Jacob und Wilhelm Grimm, meine Wenigkeit der letztere.«

Sie kicherte erneut. Vielleicht hatte ich zu verklausuliert gesprochen? Dabei fiel mir auf, wie perfekt ihre Handhabung des Deutschen war. Nur der singende Klang in ihrer Aussprache verriet die fremdländische Herkunft, nicht jedoch Wortwahl oder Satzbau. Ich schätzte sie auf wenige Jahre jünger, als ich selbst es war, einundzwanzig oder zweiundzwanzig, und so konnte es noch nicht lange her sein, daß sie eine gelehrige Schülerin gewesen war.

Später erst sollte ich erfahren, worin sie besonders gelehrig war.

»Nach Süden, ja«, beantwortete ich ihre Frage. »Unsere Kutsche hatte einen Unfall, und nach dem Unglück des Postillions steht zu befürchten, daß wir die Nacht hier im Gasthof verbringen müssen.«

Jade sah ihren Begleiter an, als bitte sie um Erlaubnis für das, was sie nun sagte. »Kala und ich reisen nach Karlsruhe. Wenn wir Sie ein Stück des Weges mitnehmen können, so sind Sie herzlich eingeladen.«

»Vielen Dank«, sagten Jacob und ich zugleich, und uns war klar, daß jeder einen anderen Gedanken dabei hatte. Mein Bruder wollte das Angebot zweifelsohne ausschlagen, ich aber dankte, um es anzunehmen. Nach Karlsruhe. Wir hätten es von Anfang an wissen müssen.

Die Prinzessin öffnete die Kutsche und nahm auf einer der Bänke Platz. Aus dem Einstieg drang der würzig-exotische Duft, den wir bereits beim Betreten der Schenke bemerkt hatten; nun wußten wir, woher er rührte. Es mußte sich um ein Gewürz oder einen fremdartigen Duftstoff handeln.

Kala schwang sich mit wehendem Mantel auf den Kutschbock. Er hatte die ganze Zeit über barfuß im Schnee gestanden.

»Steigen Sie doch ein«, bat Jade.

Ich schenkte Jacob ein aufmunterndes Lächeln und wollte der Aufforderung folgen, er aber hielt mich am Arm zurück.

»Weißt du noch, was geschah, als wir das letzte Mal in die Kutsche einer Fremden stiegen?« flüsterte er unheilschwanger.

»Aber ja doch«, entgegnete ich, und ich muß schamvoll gestehen, es war eben jener Gedanke, der mich nur noch eiliger ins Innere der Kutsche trieb.

2

»Mein wahrer Name ist Bharatavarsha«, erklärte Jade, während sich draußen die Nacht über die Wälder legte, »doch niemand hier würde ihn aussprechen können. Deshalb gab mein Vater mir für die Reise den Namen Jade. Beides bindet mich an die Heimat. Jade, weil sie einer unserer größten Schätze ist. Bharatavarsha aber bedeutet: das Königreich von Bharata, dem Stammvater unserer tapfersten Helden. Es ist eine große Ehre, den Namen der eigenen Heimat zu tragen.«

Ich sah Jacobs galliger Miene an, daß er überlegte, wie es wohl wäre, »Hessen« zu heißen.

»Ich bin im Auftrag meines Vaters unterwegs«, fuhr die Prinzessin fort. »Sie müssen wissen, er ist höchst interessiert an der Kunst des Uhrenbaus. Seine Sammlung europäischer Chronometer füllt einen ganzen Flügel des Palastes, und er wünscht nun, einige Meister dieser Kunst in sein Reich einzuladen, damit sie ihre Uhren ausschließlich zu seiner Freude herstellen.«

»Wie interessant«, sagte ich mit jugendlicher Euphorie, wenngleich ich gestehe, sie war nicht ganz echt.

Jacob blieb mürrisch. »Ich wußte gar nicht, daß Karlsruhe für seine Uhren bekannt ist, geschweige denn bis nach Indien.«

»Aber ja«, widersprach die Prinzessin. »Die Kunst der Chronometrie und das ihr verwandte Handwerk wird in vielen deutschen Städten ausgeübt. Für Sie mag sie längst zur Selbstverständlichkeit geworden sein, doch für uns birgt sie immer noch viel Neues.«

Ich stieß Jacob an. »Zeig der Prinzessin Vaters Uhr.«

Die Taschenuhr war das einzige Erbstück, das unser Vater uns bei seinem Tod hinterlassen hatte. Seit Jahren trugen wir sie Tag für Tag abwechselnd. Die morgendliche Übergabe war längst zum Ritual geworden. Heute war Jacob an der Reihe, morgen würde ich sie mein eigen nennen dürfen.

Es gefiel Jacob keineswegs, unseren Schatz vor diesen Fremden zu offenbaren, doch auf mein Drängen überwand er sich. Ehrfürchtig zog er die Uhr unterm Mantel hervor, ohne die Kette zu lösen. Mit sichtlichem Widerwillen legte er sie in Jades zarte Hand, mußte sogar näher an sie heranrücken, weil die Kette zu kurz war. Die Prinzessin besah sie sich von allen Seiten, klappte sie auf, betrachtete das ziselierte Ziffernblatt und gab sie Jacob schließlich zurück. »Ein feines Stück, in der Tat.«

Blitzschnell schob Jacob sie zurück in seine Tasche, als fürchtete er, Kala könne sie kraft seiner Gedanken vom Kutschbock aus rauben. Und, wer weiß, vielleicht hätte er das wirklich vermocht.

Jade beugte sich vor und griff zwischen ihren Füßen unter den Sitz, wobei sie Rock und Mantel bis zu den Waden anheben mußte. Sie trug enganliegende Stiefel, schien also keineswegs so unempfindlich gegen den Schnee zu sein wie der alte Mann. Zu meiner stillen Freude machte sie das menschlicher, fassbarer.

Als sie die Hand wieder unter dem Griff hervorzog, hielt sie eine kleine hölzerne Kiste umklammert. Sie klappte den Deckel auf und entnahm ihr eine seltsam geformte Pfeife, stopfte etwas hinein und entzündete es mit Feuerstein und Stahl. Wenig später schon paffte sie hellgelbe Wolken in die Luft.

»Möchten Sie vielleicht auch –«

»Nein, vielen Dank«, unterbrach Jacob sie streng. Ich war froh, daß er das Angebot ablehnte, denn so blieb mir diese Unhöflichkeit erspart. Der süßliche Geruch schlug betäubend auf meine Sinne.

»Ich hoffe, es stört Sie nicht«, sagte die Prinzessin.

»Wir sind nur Gäste«, entgegnete Jacob knapp und ließ keinen Zweifel daran, was er wirklich dachte.

Jade sah mich an. »Ich hörte, in Ihrem Land ist es ungewöhnlich, wenn Frauen Pfeife rauchen.«

»Ein wenig, in der Tat«, erwiderte ich.

»Sie rauchen gar nicht?«

»Aber nein«, beeilte ich mich zu versichern.

Sie zuckte mit den Schultern. »Nun, den hiesigen Tabak würde ich auch nicht rauchen.«

Die Kutsche rumpelte durch ein Schlagloch, und etwas Großes löste sich aus dem Gepäckfach über meinem Kopf. Um Haaresbreite sauste es an meinem Gesicht vorüber und krachte auf den Boden. Erschrocken zuckten Jacob und ich zurück.

»Oh«, entfuhr es Jade, »das gehört Kala …«

Der seltsame Gegenstand bestand aus zwei leicht gewundenen Tierhörnern, horizontal miteinander verbunden, so daß die Spitzen in entgegengesetzte Richtungen wiesen. In der Mitte, wo die stumpfen Enden aneinanderstießen, befand sich ein handgroßer Rundschild, dahinter ein Griff.

»Ein Madu«, erklärte Jade, während sie das gefährliche Ding wieder verstaute. »Es dient heiligen Männern wie Kala, die keine Waffe tragen dürfen, zur Verteidigung.« Sie mußte auf Zehenspitzen stehen und ihren zarten Körper strecken, um die Waffe zurück ins Fach zu legen. Ich wollte aufstehen, um ihr zu helfen, doch sie preßte mich mit einem sanften Druck ihrer Hand zurück auf die Bank.

»Lassen Sie nur, Herr Grimm, es geht schon.«

Wenig später saß sie uns im Schneidersitz gegenüber. Ihr hochgeschobenes Kleid entblößte unschicklich die Knie. Ich bemerkte bebend, wie schlank und wohlgeformt ihre Beine waren; sie hatten die Farbe von Tee mit Milch. Jade lächelte und sprach immerzu, während die gelblichen Schwaden ihrer Pfeife die Kabine durchzogen. Anders als der Rauch gewöhnlichen Tabaks brannte dieser nicht in den Augen, nahm mir auch nicht den Atem. Statt dessen fühlte ich mich mit jeder Minute gelöster und zugleich auch schläfrig. War das die Erschöpfung, die ihren Tribut verlangte, oder lag es an den süßen Dämpfen aus Jades Pfeife? Je länger ich darüber nachsann, desto gleichgültiger wurde es mir, und selbst Jacob zog es vor, zu schweigen. Ich bemerkte, wie sich seine Lider senkten. Seine Zügen verklärten sich zu einem Ausdruck sanften Traums. Auch ich fühlte mich befreit und so beschwingt, so unsagbar glücklich.

Einmal war mir, als schriebe Jade etwas auf einen Zettel. Dabei redete sie ohne Unterlaß. Wie durch Federkissen vernahm ich, daß sie von Kala erzählte; er sei Fakir und könne über Feuer, Glas und Schwertklingen schreiten. Meine Sinne schwebten außerhalb meines Körpers, eingenebelt von güldenem Frohsinn. Ich war berauscht, ohne Verstand, und wünschte mir, es möge ewig so bleiben. Irgendwann glaubte ich, in der Ferne Reiter zu hören. Schließlich schlief ich ein.

Einmal noch muß ich kurz aufgewacht sein, denn ein Bild brannte sich in meinen Schlaf, das mir seltsam wahrhaftig erschien. Mir war, als beugte sich Jade über mich, ganz nah, bis ich ihren Atem auf meinen Lippen spürte. Sie roch süß, so süß, und steckte mir einen Kranz aus Trockenblumen ins Haar. Dann wich sie zurück, und das Bild verblaßte.

* * *

Am nächsten Abend erreichten wir die Stadt. Es dunkelte bereits, als die Kutsche durchs nördlichste der Tore rollte. Der alte Fakir hatte den Pferden kaum Rast gegönnt. Die geschundenen Tiere hatten uns wacker durch Schnee und über spiegelndes Eis gezogen, und obgleich es mir nicht gerecht schien, sie so schlecht zu behandeln, war ich doch froh, endlich am Ziel zu sein.

Was die Ereignisse der Nacht betraf, nun, ich hatte beschlossen, darüber zu schweigen. Verstohlen tastete ich nach Goethes Empfehlungsschreiben, doch weder der Brief noch meine Börse waren entwendet worden. Die beiden Inder hatten uns nichts Übles gewollt. Jacob allerdings war zutiefst verwirrt. Ihn, den ehernen Verfechter der Vernunft, verstörte die eigene Achtlosigkeit. Ich fragte mich, ob ihm ein ähnliches Traumbild erschienen war wie mir selbst, wagte aber nicht, es zur Sprache zu bringen. Er hätte mir doch nur Schwärmerei vorgeworfen.

Die Stadt war angelegt wie ein Fächer. Die Residenz des badischen Regenten war der alles beherrschende Angelpunkt, von ihr aus strahlte ein fächerförmiges Netz von Straßen nach Süden. Die prächtigen Parkanlagen des Schlosses grenzten an den Hardtwald. In jenen Tages hieß es, daß sich Räuberbanden in den Forsten versteckten, junge Männer, die vor den Truppenaushebungen Napoleons geflohen waren und Überfälle auf Höflinge unternahmen, die sich zu tief in die Schatten wagten. Kala hatte die Kutsche tollkühn über einsame Wege gelenkt, mitten durch finstere Waldesgründe, doch das Schicksal schien es gut mit uns zu meinen. Es hatte keinerlei Zwischenfälle gegeben.

Karlsruhe schien mir selbst im Glanz seines Wintergewandes reizlos und spröde. Die langen, geraden Straßen hatten auf dem Reißbrett eines Mathematikers ihren Anfang genommen und endeten nun in der Wirklichkeit, ohne dabei an Leben zu gewinnen. Schloß und Stadt waren noch keine hundert Jahre alt. Manchem mochten sie in ihrer künstlichen Vollkommenheit prächtig erscheinen; mir aber, der ich gewachsene, behagliche Orte schätze, war dieses Monument kalter Planung zuwider. Wohl ahnte ich, daß Jacob sich mit der baulichen Logik Karlsruhes anfreunden mochte, zu sehr entsprach das starre Gitterwerk der Straßen dem Muster seines Denkens. Die meisten Häuser hatte man aus Gründen der Sparsamkeit aus Holz errichtet. Die Wände waren rot gestrichen, um den Eindruck solider Ziegelmauern zu erwecken, doch schon ein kurzer Blick enthüllte die Täuschung. Eine traurige Offenbarung.

Wir hatten kaum den Fuß in die Stadt gesetzt, da fanden wir uns bereits in einem wilden Tumult. Eine große Horde abgerissener Gestalten war umringt von Dutzenden Bürgern, meist Frauen, Kindern und Alten. Überall fielen sich Menschen in die Arme, es kam zu Ausbrüchen von Jubel ebenso wie zu stillen Szenen am Straßenrand, wo einzelne weinend zusammenbrachen und das Gesicht in den Händen bargen. Es war ein seltsamer Anblick, dieser Gegensatz von heißer Erregung vor der kühlen Sachlichkeit der Stadt.

Die abgerissenen Männer, die diesen Aufruhr verursacht hatten, waren offenbar Soldaten, die aus dem Krieg heimkehrten. Von einer Niederlage, wohlgemerkt. Ihre Uniformen waren zerfetzt, manche trugen nur noch Lumpen am Leib. Mit Decken, Fellen und Stoffwickeln schützten sie sich vor der Kälte. Einige Offiziere saßen noch auf Pferden und suchten sich den fahlen Anschein von Würde zu geben. Dem widersprach jedoch ihre Kleidung. Manche waren in Damenmäntel aus Seidenzeug gehüllt, besetzt mit Zobel – in der Kälte Rußlands war alles erlaubt, um am Leben zu bleiben. Die Männer waren versprengte Überlebende von Napoleons Großer Armee, die im russischen Winter so kläglich gescheitert war. Der Kaiser hatte bereits im Dezember den Rückweg angetreten, bei Nacht und Nebel, wie man hörte, und nun folgten seine Getreuen. Später erfuhr ich, daß von den mehr als siebentausend Männern, die Baden bereitgestellt hatte, nicht einmal fünfhundert die Heimat wiedersahen. Ähnliches geschah in den übrigen Regionen des Reiches. Nichts beschäftigte die Menschen in jenen Tagen so sehr wie Napoleons Niederlage in der brennenden Tundra.

Kala lenkte die Kutsche an dem Menschenauflauf vorüber, während wir unsere frierenden Nasen voller Neugier aus dem Fenster steckten. Der Weg zum Schloß war nicht schwer zu finden, wir mußten nur einer Querstraße folgen. Zwischen Schneewehen und dreigeschossigen Häuserblöcken, einer von so falschem Ziegelrot wie der andere, schaukelten wir meiner Hoffnung entgegen. Meiner ersten Anstellung. Ich war beim Anblick der Stadt nicht mehr sicher, ob ich wirklich glücklich darüber war. Doch der Gedanke an die schamvolle Abhängigkeit von Jacobs Geldbeutel überzeugte mich schnell eines Besseren.

Schließlich erblickten wir jenseits schneegezuckerter Schmuckgärten das Schloß, die Residenz des jungen Großherzogs Karl. Unser unheimlicher Kutscher ließ die Pferde haltmachen. Jacob und ich stiegen aus. Ein scharfer Wind trieb Eiskristalle über die kahlen Hecken und Wandelwege. Schmerzhaft biß mir die Kälte ins Gesicht.

Zum Abschied reichten wir Jade die Hände, auch Jacob gab sich höflich und dankbar. Ich wünschte der Prinzessin viel Glück bei der Suche nach Uhrmachermeistern und mühte mich, ihren Blick einen Herzschlag länger zu halten als nötig. Sie bemerkte es natürlich und lächelte, keineswegs schüchtern, wie es sich für eine Dame ihres Standes geziemte. Sie war ein merkwürdiges Geschöpf. Ein bezauberndes, ohne Frage, wenngleich auch so unkeusch.

Als wir auch Kala danken wollten, beugte sich dieser vom Kutschbock herab. Seine uralten Augen richteten sich auf Jacob.

»Ich habe von dir geträumt heute nacht«, sagte er mit starkem Akzent. »Du hattest keine Haare.«

Meine Verwunderung über seine Worte war zu groß, als daß ich hätte fragen können, wie er wohl träumen konnte, während er die Kutsche lenkte.

»Keine … Haare?« fragte Jacob verblüfft.

Ich unterdrückte meine Belustigung, während der Fakir keine Miene verzog, im Gegenteil. Er wirkte so ernst, als habe er Jacob gerade eine Hiobsbotschaft überbracht.

»Ein böses Omen«, erklärte Jade, die ihren Kopf aus dem Kutschfenster reckte. »Wir Inder glauben, wenn wir von einer Person ohne Haare träumen, dann steht demjenigen Schlechtes bevor.«

Jacob rümpfte die Nase. »Wie erfreulich.«

»Sie sollten auf sich achtgeben«, sagte Jade ernsthaft. »Auf sich und Ihren Bruder. Kala irrt sich selten, er ist –«

»Ein heiliger Mann, ich weiß«, entgegnete Jacob unwirsch. »Wir werden aufpassen.«

»Tun Sie das«, sagte Jade, dann gab Kala den Pferden die Peitsche. Selbst da noch hing sein Blick an Jacob.

Was ich darin las, gefiel mir keineswegs.

Mir schien, es war Mitleid.

* * *

Emmerich Joseph Herzog von Dalberg empfing uns in dem prunkvollen Saal, der ihm als Arbeits- und Empfangszimmer diente. Wände und Decken waren mit Malereien geschmückt, possierlichen Engeln mit goldenen Flügeln, Bauern in bunter Trachtenkleidung und Heiligen mit Leidensmienen. In der Mitte hing ein Kronleuchter, darunter stand ein gewaltiger Schreibtisch. Vor den hohen Fenstern senkte sich die Dunkelheit auf die Stadt. Die roten Häuser sahen aus wie Blutflecken im Schnee.

»Die Herrn Grimm!« rief Dalberg aus, als sein Sekretär uns durch die Doppeltür schob. Strahlend eilte er uns entgegen und begrüßte uns mit Handschlag. Nach den üblichen Willkommensfloskeln ließ er uns auf der Besucherseite des Schreibpults Platz nehmen.

Ich reichte ihm Goethes Empfehlungsschreiben. Er betrachtete erstaunt die Brandflecken, die der Funkenflug hineingesengt hatte, dann erbrach er das Siegel und überflog mit zufriedenem Lächeln den Inhalt.

»Ihr Gönner hält große Stücke auf Sie«, sagte er schließlich.

»Wir haben einiges gemeinsam erlebt«, erwiderte ich vage und kämpfte mit einem Kloß im Hals. Ich war bemüht, den bestmöglichen Eindruck zu erwecken. Meine Nerven widersetzten sich.

Dalberg war ein großer Mann, der seinem vierzigsten Jahr entgegeneilte. Seine wachen Augen musterten mich aufmerksam, und seine Mundwinkel schienen stets zu einem spöttischen Lächeln verzogen, was ihm eine Aura von Überlegenheit verlieh. Dabei wirkte er freundlich und korrekt.

»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie«, sagte er und legte den Brief beiseite. »Ich nenne die schlechte zuerst, nicht, weil es sich so gehört, sondern weil sie die gute bedingt.«

Jacob und ich wechselten einen verunsicherten Blick.

»Wie Sie wohl wissen, war es vorgesehen, daß Sie die gelehrte Erziehung eines Kindes übernehmen. Leider gab es einen tragischen Zwischenfall: Der Junge, um den es ging, ist tot, wenige Tage nach der Geburt verstorben.«

»Nach der … Geburt?« fragte ich betroffen. »Ich sollte der Lehrer eines Neugeborenen sein?«

Dalbergs Lächeln wurde eine Spur breiter. »Wie man’s nimmt.«

In mir zerbrachen tausend Träume. »Dann bin ich umsonst gekommen?«

Der Minister verschränkte die Finger vorm Kinn. »Ich wiederhole: Wie man’s nimmt. Die gute Nachricht nämlich ist, daß Ihr Posten nach wie vor besetzt werden soll.«

Da er mit Goethe gut bekannt war, schien es mir ausgeschlossen, daß er sich über mich lustig machte. Und doch zweifelte ich an seiner Ernsthaftigkeit.

Jacob kam mir zuvor. »Bitte, erklären Sie das.«

Dalberg räusperte sich, stand auf und trat an eines der Fenster. Draußen begann es zu schneien, dichte graue Vorhänge, die jede Sicht auf die Gärten verwehrten.

»Mein Freund Goethe schreibt, ich könne mich auf Ihre völlige Diskretion verlassen«, sagte er und wandte uns dabei den Rücken zu. Es klang wie eine Feststellung, zweifellos, doch dahinter verbarg sich eine Warnung.

»Ohne jeden Vorbehalt.«

Mit einem Ruck drehte er sich um. Hinter ihm peitschten die Schneeflocken fast waagerecht gegen die Scheibe. Der Wind heulte in den Mauerfugen. Es sah aus, als stünde Dalberg in einem Tunnel, der rundherum vorüberraste.