Cover

Dr. Mareike Großhauser

Ernährung im Sport für Vegetarier und Veganer

Meyer & Meyer Fachverlag & Buchhandel GmbH

Inhaltsübersicht

Impressum

© 2014 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

2. Auflage 2016

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Dehli, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

978-3-8403-3538-9

verlag@m-m-sports.com

www.dersportverlag.de

ISBN 978-3-8403-3538-9

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autorin noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

1 Ernährung und Bewegung im Wandel der Zeit

Wasser und Nahrungsmittel ermöglichen das physische und psychische Funktionieren des menschlichen Körpers. Entscheidend für die Zusammensetzung der Nahrung unserer Vorfahren waren u.a. Angebot, klimatische Bedingungen und Werkzeug. Vor ca. 7-4 Millionen Jahren lag der Schwerpunkt der Ernährung im allgemeinen Konsum grober Pflanzenkost, was aufgrund des vergrößerten Gebisses mit scharfen Zähnen möglich war (White et al., 2009). Auch im Anschluss daran ernährten sich unsere Vorfahren für mindestens zwei Millionen Jahre pflanzenbetont. Erst der Gebrauch von Steinen als wichtiges Jagdwerkzeug und die Errungenschaft, kontrolliert Feuer zu machen, führten zu einem erhöhten Verzehr von Fleisch (Roebroeks & Villa, 2011). Je nach vorliegendem Nahrungsangebot hat sich der Mensch mehr oder weniger vegetarisch ernährt. Wenn es die Möglichkeit für den Verzehr von Fleisch gab, hat er sie genutzt. Sowohl die essenziellen Nährstoffe aus dem Fleisch als auch die pflanzlichen Energielieferanten waren wichtig für die Weiterentwicklung der Menschheit hinsichtlich sozialer, körperlicher und geistiger Fähigkeiten (Milton, 2003).

Der Ursprung des modernen Menschen, bekannt als „Homo sapiens“, lag vor ca. 200.000 Jahren in Afrika; er verteilte sich von dort aus weltweit (Liu, H. et al., 2006). Vor ca. 10. 000 Jahren sorgten unterschiedliche Umweltbedingungen auf den Kontinenten dafür, dass sich verschiedenartige, sesshafte Spezies mit lokal unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten entwickelten. Das Nahrungsangebot wurde größer, sodass teilweise sogar bis zu 90 % des Tagesenergiebedarfs mithilfe heimischer Erzeugnisse gedeckt werden konnten (Fairweather-Tait, 2003). Der eigenständige Anbau von Grundnahrungsmitteln führte aber auch zu einer verringerten und monotonen Lebensmittelauswahl, zu einer überschüssigen Energieaufnahme und zu einem bewegungsarmen Lebensstil, was nach Aussagen vieler Wissenschaftler die Basis für viele Erkrankungen der modernen Gesellschaft ist (Neel, 1962; Colagiuri & Brand, 2002).

Es steht außer Frage, dass das vorherrschende Nahrungsangebot eine bedeutende Einflussgröße auf die menschliche Entwicklung war und auch immer noch ist. Obwohl sich unser Lebensstil und unser Bewegungsverhalten rasant und zu 100 % verändert haben, unterscheidet sich unser Erbgut nur sehr geringfügig von damals (Eaton & Konner, 1985). Das Lebensmittelangebot ist vielfältig wie nie und stellt weitere „Ansprüche“ an unseren Körper. Während heutzutage von vielen internationalen Fachgesellschaften ein Minimum an Sport von mindestens 30 min am Tag empfohlen wird und von einem Großteil der Bevölkerung nicht umgesetzt wird, waren vor vielen Jahren noch Bewegungseinheiten von bis zu 40 km/Tag unter sehr heißen Witterungsbedingungen in der Savanne Alltag.

1.1 Auf den Spuren unserer Ernährungsgewohnheiten

Säuglinge und Kleinkinder essen nur dann, wenn sie hungrig sind, und hören auf damit, wenn sie satt sind. Hunger- und Sättigungssignale funktionieren wunderbar. Die Vorliebe für Süßes ist gegeben, fördert die Aufnahme der süßlich schmeckenden Muttermilch und sichert das Überleben. Im Laufe unserer Entwicklung kommen stärkere Außenreize hinzu, die sowohl unsere Instinkte als auch die natürlichen Regulationsmechanismen von Hunger und Sättigung beeinflussen. Essen macht nicht nur satt, sondern bringt Genuss und Geselligkeit. Das Essverhalten kann dementsprechend üppiger ausfallen, als der eigentliche Hunger vorgibt oder aber gezügelt und kontrolliert werden, weil der Kopf dem Hungergefühl einen Riegel vorschiebt. Wie soll bei dieser Beeinflussung der normale, natürliche Hunger-Sättigungs-Mechanismus funktionieren?

Die Uhr gibt an, wann es Zeit ist, etwas zu essen. Das kann natürlich auch seine Berechtigung haben, um ein Absinken des Blutzuckerspiegels und damit nachfolgende Heißhungerattacken zu vermeiden. Wir haben Hunger, warten aber noch mit dem Essen, weil es unser Zeitplan nicht hergibt und dann muss es schnell gehen. Die Vorliebe für „Süßes“ macht sich auch hier bemerkbar, da die zugeführte Nahrungsenergie schnell zur Verfügung stehen muss. Der Einfluss von Außenreizen ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die einen sind vernünftiger und weniger anfällig für Naschereien, andere wiederum können auf keinen Fall widerstehen. Allein diese Tatsache beinhaltet bereits ein unterschiedlich ausgeprägtes Risiko für die Entstehung von Übergewicht. Aber warum ist das so?

Die Forschung dazu läuft auf Hochtouren. Interessant scheinen in diesem Zusammenhang auch die relativ neuen Ergebnisse einer Studie (2014) zu sein, die der Ernährung des Ungeborenen und Kindes während der ersten 1.000 Tage, angefangen in der Schwangerschaft (Empfängnis) und andauernd bis zum zweiten Lebensjahr, eine enorme Bedeutung hinsichtlich der frühkindlichen Ausprägung von potenziellen Erkrankungsrisiken im Erwachsenenalter zuschreibt (Adair, 2014). Und damit sind noch nicht einmal die typischen Erziehungsmethoden, wie die Aufforderung, den Teller leer zu essen oder bestimmte Verhaltensweisen mit Süßigkeiten zu belohnen oder zu bestrafen, gemeint. Denn auch das hinterlässt seine Spuren im Erwachsenenalter und begünstigt ein durch Ärger, Stress, Langeweile oder Kummer ausgelöstes Essverhalten.

Die in dieser Studie gemeinten Erkrankungsrisiken sind die sogenannten nicht übertragbaren Krankheiten, zu denen nach Angaben der WHO Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma) und psychische Störungen gehören. Diese Erkrankungsbilder sind für 86 % aller Todesfälle und für 77 % der gesamten Krankheitslast in der europäischen Region der WHO verantwortlich. Diese Gesundheitsprobleme könnten auch nach Angaben der WHO stark eingeschränkt werden, wenn nicht sogar vermieden werden, etwa wenn man als Eltern alles richtig machen würde. Schließlich sind die ersten 1.000 Tage der Kinderernährung für die spätere Gesundheit im Erwachsenenalter ausschlaggebend. Es lohnt sich aber immer, die Ernährungsgewohnheiten unter die Lupe zu nehmen und sie zum Wohle der Gesundheit zu verbessern.

1.2 Zusammenhang von Ernährung und Erkrankungsrisiken

Wie man sich ernährt, beeinflusst unseren Gesundheitszustand bzw. das Risiko, an bestimmten Krankheiten zu erkranken. Insbesondere die Aufnahme einer sehr energie-, fett- und fleischreichen Nahrung, die oftmals auch sehr zuckerreich und ballaststoffarm ist, ist ein Merkmal des westlichen Ernährungsstils. Dabei haben Überernährung, Übergewicht und Bewegungsarmut den größten Einfluss auf unsere gesundheitliche Entwicklung. Der Ernährungsbericht 2012 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE, 2012), welcher die Essgewohnheiten der deutschen Bevölkerung analysiert, weist immer noch auf eine zu energiereiche und insgesamt zu gemüse- und obstarme Ernährung hin. Auch der Fleischkonsum bei Mann und Frau ist unverändert hoch geblieben.

Wer zu viel Fleisch isst, nimmt meistens auch zu viele gesättigte Fettsäuren, deutlich mehr Cholesterol und Purine auf, was wiederum das Risiko für Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gicht erhöht. Eine wichtige Ursache für Übergewicht, insbesondere bei Kindern, scheint der immer noch hohe Konsum zuckerreicher Erfrischungsgetränke zu sein. Der Konsum von Alkohol ist bei Erwachsenen etwas zurückgegangen. Es gibt viele Studien, nationaler und internationaler Herkunft, die signifikante Zusammenhänge zwischen Wohlstandserkrankungen, wie dem metabolischen Syndrom, und unserem Ernährungsverhalten belegen.

Unter dem metabolischen Syndrom versteht man das gleichzeitige Auftreten von Blutzuckerentgleisungen (Diabetes Typ 2), Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämie), Bluthochdruck (Hypertonie) und Übergewicht. Die Stoffwechselentgleisungen mit erhöhten Triglyzeriden (Blutfette), erniedrigtem HDL-Cholesterol („gutes Cholesterol“), nachlassender Insulinwirksamkeit (Insulinresistenz) fördern wiederum die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bedeutend für diese hormonelle „Fehlentwicklung“ scheint insbesondere ein überschüssiges Bauchfettgewebe zu sein. Ein Konsenspaper verschiedener, internationaler Fachgesellschaften (Alberti et al., 2009) definiert bereits bei drei der nachfolgenden Kriterien das Vorliegen eines metabolisches Syndroms folgendermaßen:

Je höher Body-Mass-Index und Körperfettanteil sind, desto höher ist auch das Risiko für Begleiterkrankungen, wie das metabolische Syndrom. Der Body-Mass-Index berechnet sich aus dem Verhältnis von Körpergewicht in kg zum Quadrat der Körpergröße in m.

Männer weisen in der Regel einen höheren Muskelanteil auf als Frauen, weshalb eine BMI-Klassifizierung geschlechtsspezifisch erfolgen sollte. Nachfolgende Tabelle (DGE, 1992) gibt die zur Gewichtsklassifikation gehörigen BMI-Bereiche für Frauen und Männer an. Dabei stand Normalgewicht bisher für einen BMI-Bereich mit der höchsten Lebenserwartung. Mittlerweile haben umfangreiche Studien mit ca. 2,9 Millionen Teilnehmern gezeigt, dass es für die Lebenserwartung sogar günstiger ist, wenn man leicht übergewichtig ist. Die Sterblichkeit unter den Übergewichtigen (BMI > 24 für Frauen und BMI > 25 für Männer) lag sogar 6 % unter jener der Normalgewichtigen (Flegal et al., 2013). Auch in der Gruppe der Fettleibigen (BMI 30-34,9) war die Sterblichkeit um 5 % geringer. Erst ab einem BMI von > 35 stieg das Sterberisiko deutlich an und lag sogar 29 % über dem der Normalgewichtigen. Sowohl das Vermeiden größerer Gewichtsschwankungen im normalen und leicht übergewichtigen BMI-Bereich als auch das Fehlen von großer Fettleibigkeit wirkt sich günstig auf die Lebenserwartung aus (Klenk et al., 2014).

Tab. 1:

BMI-Tabelle in Abhängigkeit vom Geschlecht

Gewichtseinteilung

BMI [kg/m2] für Frauen

BMI [kg/m2] für Männer

Untergewicht

< 19

< 20

Normalgewicht

19-23,9

20-24,9

Übergewicht

24-29,9

25-29,9

Fettleibigkeit

30-40

30-40

Massive Fettleibigkeit

> 40

> 40

BMI-Klassifikation nach DGE (1992), WHO

Neben der BMI-Kategorisierung sind Anteil und Verteilung des Körperfetts weitere, wichtige Parameter zur Beurteilung des Gewichts und des Erkrankungsrisikos. Sportlich aktive Menschen bauen Muskulatur auf, die den BMI-Wert fälschlicherweise ungünstig erscheinen lassen würde. Deshalb sollte zur weiteren Beurteilung der körperlichen Konstitution der Körperfettanteil gemessen werden. Viel Körperfett in der Bauchgegend gilt als riskanter für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als überschüssige Pfunde an Hüfte, Gesäß oder Oberschenkeln. Der ideale Körperfettanteil hängt ab vom Alter, Geschlecht und der körperlichen Verfassung. Während für männliche Jugendliche ein durchschnittlicher Körperfettanteil von ca. 18 % normal ist, liegt dieser bei jungen Frauen bei ca. 25 %. Männer haben, genetisch bedingt, in der Regel mehr Muskelmasse, was den niedrigeren Körperfettanteil erklären lässt. Nachfolgende Übersichtstabelle beinhaltet eine Einteilung des Körperfettanteils in Abhängigkeit vom Geschlecht. Mit zunehmendem Alter steigt der Körperfettanteil aufgrund der schwindenden Muskelmasse an.

Tab. 2:

Körperfettanteil in Abhängigkeit von Geschlecht und Alter

Geschlecht/Alter [Jahre]

Niedriger Körperfettanteil [%]

Mittlerer Körperfettanteil [%]

Hoher Körperfettanteil [%]

Sehr hoher Körperfettanteil [%]

Frauen 20-39

< 21

21-33

34-38

≥ 39

Frauen 40-59

< 23

23-34

35-39

≥ 40

Frauen 60-79

< 24

24-36

37-41

≥ 42

Männer 20-39

< 8

8-20

21-24

≥ 25

Männer 40-59

< 11

11-22

23-27

≥ 28

Männer 60-79

< 13

13-25

26-29

≥ 30

Quelle: Gallagher et al. (2000)

Bei Leistungssportlern sind auch niedrigere Körperfettwerte normal und leistungsfördernd. Werte in Höhe von 7-12 % spiegeln das tägliche, intensive Training wider. Als gesundheitlich kritisch einzustufen sind Körperfettwerte bei Männern zwischen 2 und 5 %, während für Frauen 12 % zu gering sein können. Ideale Körperfettwerte sind immer als individueller Parameter anzusehen. Nicht jeder ist in der Lage, einen niedrigen Körperfettanteil ohne gesundheitliche Nebenwirkungen, wie z.B. das Ausbleiben der Menstruation, zu tolerieren. Neben der Höhe des Körperfettanteils spielt auch die Verteilung des Körperfettgewebes eine zentrale Bedeutung für die Gesundheit. Während das Körperfett an Hüfte, Gesäß und Oberschenkeln eher ein kosmetisches Problem ist, stellt die Anhäufung von Fett am Oberbauch ein gesundheitliches Risiko dar. Beim sogenannten Apfeltyp befindet sich das Körperfettgewebe bevorzugt im Oberbauch, während es beim Birnentyp hauptsächlich im Gesäß- und Oberschenkelbereich vorhanden ist. Wer als Frau einen Taillenumfang von mehr als 80 cm hat und als Mann mehr als 94 cm, sollte sich bewusst sein, dass das Risiko für übergewichtsbedingte Erkrankungen bereits deutlich erhöht ist.

Tipp: Behalten Sie insbesondere Ihren Taillenumfang im Auge und achten Sie auf einen normalen Körperfettanteil!

1.3 Zusammenfassung

In der Entwicklungsgeschichte des Menschen haben sich Lebensstil, Ernährungs- und Bewegungsverhalten von den Anfängen bis heute drastisch gewandelt, während sich das Erbgut nur sehr geringfügig zu verändert haben scheint. Charakteristisch für den neuen, modernen Lebensstil ist neben Bewegungsarmut eine täglich gefüllte Speisekammer. Sowohl Bewegungsarmut als auch eine überkalorische Ernährung sind auf Dauer entscheidend an der Entstehung ernährungsbedingter Erkrankungen, wie Übergewicht, Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck etc., beteiligt. Studienergebnisse bestätigen die Bedeutung einer frühzeitigen bedarfsgerechten und damit präventiv-wirksamen Ernährung, insbesondere in den ersten 1.000 Lebenstagen. Zu den grundlegenden Präventionsmaßnahmen zählen ein normales Körpergewicht mit einem Bauchumfang im geschlechtsspezifischen Normbereich sowie regelmäßiger Sport von mindestens 30 min am Tag. Zusätzlich sollte auf eine ausgewogene, abwechslungsreiche sowie bedürfnisgerechte Ernährung geachtet werden.

2 Vegetarische Ernährung

Die Vorbegriffe für Vegetarismus und Vegetarier lauteten Vegetarianismus und Vegetarianer und stammten von den um ca. 1840 verwendeten, englischen Ausdrücken vegetarianism bzw. vegetarian (Oxford English Dictionary, 1989). Dabei waren für vegetarianism sowohl die Wörter vegetation (pflanzliche Fauna) als auch vegetable (pflanzlich, Gemüse) und das lateinische Wort vegetare, wörtlich zu übersetzen mit „wachsen, beleben“, die Basis der Begriffsentwicklung. Ab dem 19. Jahrhundert breitete sich die Verwendung von Vegetarismus und Vegetarier in den deutschsprachigen Ländern aus. Als Begründer der vegetarischen Ernährungsweise in Europa gilt der griechische Philosoph und Wissenschaftler Pythagoras von Samos, der um 570 bis ca. 500 v. Chr. gelebt hat. Er schien insbesondere aus religiösen Gründen den Verzehr von Fleisch zu meiden, da auch Tiere eine Seele haben, die von bereits verstorbenen Verwandten stammen könne (Riedweg, 2002).

Große Weltreligionen wie der Hinduismus und der Buddhismus vertreten wegen des Glaubens an die Wiedergeburt vegetarische Ernährungsformen. Vegetarismus ist mehr als Pflanzenkost. Diese Ernährungsform steht für eine bewusste Lebensweise, die meistens auch Gedanken um Nachhaltigkeit, Umweltschutz etc. mit einbezieht. Es werden sowohl Lebensmittel pflanzlicher Herkunft als auch Produkte vom lebenden Tier verzehrt. Lebensmittel von getöteten Tieren sind tabu. Eine ausführlichere Definition für Vegetarismus kann man bei Leitzmann und Keller (2010) nachlesen. Sie lautet: Beim Vegetarismus handelt es sich um eine Ernährungsweise, bei der ausschließlich oder überwiegend pflanzliche Lebensmittel wie Getreide, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen verzehrt werden. Je nach Form des Vegetarismus können auch Produkte von lebenden Tieren, wie Milch, Eier und Honig, sowie alle daraus hergestellten Erzeugnisse enthalten sein. Ausgeschlossen sind Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch (einschließlich anderer aquatischer Tiere) und alle daraus hergestellten Produkte.

Nach Angaben des Vegetarierbunds Deutschlands (VEBU) wechseln durchschnittlich 4.000 Menschen pro Woche zur vegetarischen Ernährung. Europaweit gesehen, hat Deutschland mit ca. 6,6 Millionen (8 % der Bevölkerung) die meisten Vegetarier, wobei die Anzahl der weiblichen Anhänger deutlich überwiegt. Italien, Großbritannien und Irland folgen mit einem Anteil von 10 (5,7 Millionen) bzw. jeweils 6 % der Bevölkerung. Im Vergleich dazu leben geschätzte 3 % der Bevölkerung vegetarisch (10 Millionen Menschen), während es in Indien ca. 300 Mio. (30 % der Bevölkerung) Menschen sind (http://en.wikipedia.org/wiki/Vegetarianism_by_country). Die Anhängerschaft der vegetarischen Ernährung scheint auch zukünftig weiter zu steigen.

2.1 Verschiedene Formen des Vegetarismus

Vegetarische Ernährungsformen lassen sich je nach erlaubter Lebensmittelauswahl verschiedenartig einteilen. Vegetarischen Ernährungsformen können unterschiedliche Beweggründe z.B. religiöser, ethischer oder gesundheitlicher Art zugrunde liegen, aber allen gemeinsam ist die Tatsache, dass keine Produkte von getöteten Tieren verzehrt werden. Nachstehende Tabelle enthält die wichtigsten Vertreter einer vegetarischen Ernährungsweise.

Tab. 3:

Formen und Merkmale einer vegetarischen Ernährungsweise

Vegetarische Ernährungsvertreter

Merkmale

„Halbvegetarier“

Geringer und bewusster Fleisch- und Fischkonsum

Lakto-Ovo-Vegetarier

Fleisch und Fisch* werden nicht verzehrt.

Lakto-Vegetarier

Fleisch, Fisch* und Eier werden nicht verzehrt.

Ovo-Vegetarier

Fleisch, Fisch* und Milch werden nicht verzehrt.

Veganer

Fleisch, Fisch*, Milch, Ei und Honig werden nicht verzehrt; Verzicht auf alles, was Rohstoffe oder Zusätze tierischer Herkunft enthält (Leder, Wolle usw.).

Rohköstler

Keine Lebensmittel tierischer Herkunft, keine erhitzten Lebensmittel.

*auch alle im Wasser lebenden Tiere

Die Gruppe der sogenannten Halbvegetarier oder „Selten-Fleischesser“ (Singh, 2001) schränkt den Verzehr von Fleisch stark ein. Dabei wird meistens auf rotes Fleisch verzichtet. Der Konsum von Fisch, Geflügel, Eiern, Milch, Milchprodukten und Honig ist hingegen erlaubt. Im Vergleich dazu verzichtet der Lakto-Ovo-Vegetarier neben Fleisch auch auf Fisch. Beim Lakto-Vegetarier werden zur Nahrungszubereitung kein Fleisch, kein Fisch und auch keine Eier verwendet. Der Ovo-Vegetarier hingegen verzehrt Eier, schließt aber neben Fleisch und Fisch auch Milch und Milchprodukte aus. Der strengsten Form des Vegetarismus gehören die Veganer an, die alle vom Tier stammenden Produkte sowie auch Produkte mit Zusätzen tierischer Herkunft meiden. Auch bei der Einrichtung der Wohnung oder der Auswahl von Kleidung werden Tierprodukte abgelehnt. Eine weitere strenge Form des Vegetarismus ist der ausschließliche Verzehr von Rohkost, bei welcher neben dem Ausschluss aller Lebensmittel tierischer Herkunft auch keine erhitzten Lebensmittel verzehrt werden. Nach Angaben von Studien (Davey et al., 2003) wird der Anteil vegan lebender Vegetarier auf ca. 10-12 % geschätzt. Den Hauptanteil der Vegetarier machen Lakto- und Lakto-Ovo-Vegetarier aus.

2.2 Vor- und mögliche Nachteile einer vegetarischen/veganen Ernährung

Es gibt mittlerweile viele Studien, die sich mit dem Thema vegetarische Ernährung und Gesundheit beschäftigt haben. Während früher bei einer vegetarischen Ernährung eine unzureichende Versorgung, insbesondere von Eisen und Zink, betont wurde, zeigen sich heute jedoch auch klare Vorteile für die Gesundheit gegenüber einer üblichen Mischkost. Untersuchungen haben gezeigt, dass Vegetarier seltener übergewichtig sind, weniger häufig unter Bluthochdruck leiden und günstigere Blutfettwerte aufweisen. Eine vegetarische Ernährung kann auch hinsichtlich Diabetes Typ 2, Osteoporose, Nierenkrankheiten, Demenz sowie auch Divertikelkrankheit, Gallensteinen und rheumatischer Arthritis präventiv wirksam sein (Leitzmann, 2005).

Vegetariern und Veganern wird aufgrund ihrer Ernährungs- und Lebensweise ein niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugeschrieben. So konnten mehrere Langzeitstudien mit insgesamt mehr als 27.000 Vegetariern zeigen, dass die Sterblichkeit an Herzkrankheiten um durchschnittlich 24 % niedriger war als bei Nicht-Vegetariern, was sich vor allem durch die besseren Blutfettwerte erklären ließ. Gesundheitsfördernd wirkt sich zum einen die geringere Aufnahme an gesättigten Fettsäuren, Cholesterol und tierischem Eiweiß aus, zum anderen liefert eine Pflanzenkost mehr komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Omega-6-Fettsäuren, Magnesium, Kalium, Folsäure, Vitamin C, Vitamin E und Beta-Karotin, die Vorstufe von Vitamin A. Vitamin C, Vitamin E, Beta-Karotin und sekundäre Pflanzenstoffe (siehe Tab. 4), z.B. Polyphenole, enthalten in Obst und Gemüse, eliminieren als Antioxidantien die mit der Atemluft zugeführten und zellschädigenden Umweltradikalen. Insbesondere bei intensiven Ausdauerbelastungen kommt es zu einer vermehrten Anhäufung von zellschädigenden Sauerstoffradikalen im Körper, was sich negativ auf Gesundheit, Immunabwehr, Leistungsfähigkeit und Ermüdungsprozesse bemerkbar machen kann (Finaud et al., 2006; Powers & Jackson, 2008), wenn die antioxidative Abwehr nicht gut aufgestellt ist. Sekundäre Pflanzenstoffe sind im Gegensatz zu Kohlenhydraten, Eiweiß und Fetten keine Energielieferanten, sondern geben pflanzlichen Lebensmitteln Farb-, Abwehr- oder Wachstumsstoffe (www.dge.de). In Obst, Gemüse, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Nüssen, Vollkornprodukten und Sauerkraut sind in etwa 5.000-10.000 der bekannten Wirkstoffe enthalten. Zu den wichtigsten Vertretern gehören Polyphenole, Carotinoide, Phytoöstrogene, Glukosinolate, Sulfide, Monoterpene, Saponine, Proteaseinhibitoren und Phytosterine. Sie wirken u.a. gesundheitsfördernd, blutdrucksenkend, antibakteriell, entzündungshemmend, schützen vor verschiedenen Krebserkrankungen und fördern die Durchblutung. In der Anfangsphase konnten Phenolsäuren die Entstehung von Krebs im Speiseröhren-, Magen- und Lungenbereich unterdrücken. Die tägliche Zufuhr mit einer gemischten Kost wird auf ca. 1,5 g geschätzt, wobei bei Vegetariern eine höhere Aufnahme vermutet wird.

Interessant für die Stärkung der Immunabwehr ist Querzetin, ein Pflanzenstoff, der besonders in Schale und Haut von Obst und Gemüse vorkommt (Sak, 2014). Gute Querzetinlieferanten sind gelbe Zwiebeln, Grünkohl, grüne Bohnen, Äpfel, Kirschen, Brokkoli, Tee und weiße Mandeln (Yi et al., 2014). Die in Cranberries vorkommenden Flavonoide helfen bei Harnwegsinfekten. Der mehrtägige Verzehr von jeweils 500 ml Cranberriesaft kann deutlich Abhilfe verschaffen. Insgesamt weiß man noch zu wenig über genaue Bedarfs- und optimale Wirkmengen einzelner sekundärer Pflanzenstoffe. Deshalb empfiehlt es sich, ausreichend und abwechslungsreich Obst und Gemüse zu verzehren. Die empfohlene Menge liegt bei mindestens 650 g am Tag (DGE, 2012).