Melissa Jäger
Raetia
Die Macht der Venus
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Ab urbe condita 846, im zwölften Regierungsjahr des Kaisers Titus Flavius Domitianus, unter den Konsuln Sex. Pompeius Collega und Q. Peducae
Monat Juni, am IV. Tag vor den Kalenden des Juli
Monat Juni, am III. Tag vor den Kalenden des Juli
Monat Juli, am III. Tag vor den Nonen des Juli
Monat Juli, am Tag vor den Kalenden des August
Monat August, an den Kalenden des August
Monat August, am IV. Tag vor den Nonen des August
Monat August, am III. Tag vor den Nonen des August
Monat August, am Tag vor den Nonen des August
Monat August, am III. Tag vor den Iden des August
Monat August, Tag vor den Iden des August
Monat August, an den Iden des August, Festtag der Göttin Diana
Monat August, am XIX. Tag vor den Kalenden des Septembers
Monat August, am XVIII. Tag vor den Kalenden des Septembers, Festtag der Göttin Astraea
Monat August, am XVII. Tag vor den Kalenden des Septembers
Monat August, am XVI. Tag vor den Kalenden des Septembers, Fortunalia
Monat August, am XV. Tag vor den Kalenden des Septembers
Monat August, am XIV. Tag vor den Kalenden des Septembers, Vinalia rustica
Monat August, am XIII. Tag vor den Kalenden des Septembers
Monat August, am XII. Tag vor den Kalenden des Septembers, Consualia
Monat August, am XI. Tag vor den Kalenden des Septembers
Monat August, am X. Tag vor den Kalenden des Septembers, Volturnalia
Monat August, am IX. Tag vor den Kalenden des Septembers, Mundus patens
Monat August, am VIII. Tag vor den Kalenden des Septembers, Opiconsivia
Monat August, am V. Tag vor den Kalenden des Septembers, Festtag der Göttin Victoria
Monat August, am IV. Tag vor den Kalenden des Septembers
Monat September, am III. Tag vor den Nonen des Septembers
Monat September, am VII. Tag vor den Iden des Septembers, Tag IV der ludi Romani
Monat September, am VI. Tag vor den Iden des Septembers, Tag V der ludi Romani
Monat September, am V. Tag vor den Iden des Septembers, Tag VI der ludi Romani
Monat September, am IV. Tag vor den Iden des Septembers, Tag VII der ludi Romani
Monat September, am III. Tag vor den Iden des Septembers, Tag VIII der ludi Romani
Monat September, am VIII. Tag vor den Kalenden des Oktobers
Monat Oktober, an den Kalenden des Oktobers
Monat Oktober, am VI. Tag vor den Nonen des Oktobers, Tag I der Augustalia
Monat Oktober, am V. Tag vor den Nonen des Oktobers, Tag II der Augustalia
Monat Oktober, am III. Tag vor den Iden des Oktobers, Fontinalia
Glossar
Impressum neobooks
Ilara stand vor dem Altar des Kapitolstempels, um zu heiraten. Sie trug das orangerote Flammeum und die rein weiße Tunika recta. Um den Altar waren die Priester versammelt, die das Eheversprechen vor den Göttern bezeugen sollten. Sie konnte die Stimmen der Menschen hören, die sich versammelt hatten, um Zeugen ihrer Verbindung mit Lucius Alpius Virilis zu werden. Ihre Mutter strahlte und selbst ihr Vater schien gerührt zu sein. In seinem Augenwinkel glitzerte eine Träne. Ilara drehte sich zu ihrem Verlobten um. Sie wollte seinen lieben Blick suchen. Doch wer blickte ihr entgegen? Eine teuflische Fratze! Mit glühenden Augen starrte ein furchteinflößender Mann aus einem bärtigen Gesicht auf sie herab. Er was übermenschlich groß und die langen, wirren Haare endeten in Schlangenköpfen. Sein tiefschwarzer Umhang blähte sich im plötzlich aufkommenden Wind. Der Himmel begann sich zu verdunkeln. Direkt vor ihr tat sich der Boden auf. Man konnte in die sengende Glut der Unterwelt blicken. Der Mann mit den glühenden Augen streckte die Hand nach ihr aus. Er umschloss ihren Unterarm mit seiner Pranke und zog sie mit sich in den Höllenschlund…
Ilara wachte schweißgebadet auf. Weinend schlug sie die Hände vors Gesicht. Was hatte dieser Alptraum zu bedeuten? War es ein Zeichen, einen Tag vor ihrer Vermählung einen solchen Traum zu haben? Was bedeutete dieser Traum für ihre Ehe?
Ilara wollte Gewissheit haben. Sie würde später, wenn sie der Göttin Juno opferte, einen Traumdeuter fragen, was diese erschreckende Vision zu bedeuten hatte.
Ihre Schwester Alpina und sie hatten am Abend zuvor eine alte Puppe herausgesucht und zu dem Kinderkleid gelegt, das die Mutter extra für diesen Tag aufgehoben hatte. Mit dem Opfer ihrer Puppe und des Gewandes an die Familien- und Hausgötter beendete Ilara symbolisch ihre Kindheit. Am darauffolgenden Tag würde sie vor den Altar der Götter treten, um Ehefrau zu werden. Das Kind wechselte aus der Obhut des Vaters als Frau in die Familie des Ehemannes.
Ilara freute sich, dass der Grammaticus Alpina für drei Tage freigegeben hatte. So konnte die Schwester sie bei diesen wichtigen Schritten begleiten und ihr zur Seite stehen. Sie klopfte an der Tür zu Alpinas Kammer. Die Schwester rief sie herein. Sie zog gerade ihre malvenfarbene Tunika an.
„Was ist, Ilara? Du siehst blass aus! Geht es dir nicht gut?“ Alpina klang ernsthaft besorgt.
„Ich hatte einen Alptraum, Alpina. Es war furchtbar!“ Dann erzählte sie den Inhalt ihres Traumes und fragte die Schwester nach ihrer Einschätzung.
„Tja, Ilara, dazu kann ich auch nicht viel sagen. Es erinnert mich an den Demeter-Mythos von der Entführung Proserpinas durch Pluto. Wahrscheinlich hast du diese Geschichte im Kopf gehabt, als du träumtest. Glaubst du wirklich, dass die Träume von den Göttern geschickt werden?“
„Natürlich, Alpina! Gerade vor einem solchen Ereignis, wie einer Hochzeit, sind die Träume mit Sicherheit bedeutungsvoll. Ich will unbedingt einen Traumdeuter befragen. Du weißt doch, am Forum gibt es immer welche, die ihre Dienste anbieten. Da will ich hingehen!“
Alpina nickte zustimmend. „Wie du meinst, Ilara. Aber nimm Geld mit. Umsonst werden die ihre Dienste nicht zur Verfügung stellen.“
***
Claudius Paternus Clementianus machte seine neue Aufgabe viel Spaß. Seit den Kalenden des Iunius war der Ritter als Adiutor für den Ädil Vindelicus tätig, der in der Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum für Recht und Ordnung sorgen sollte. Vindelicus unterstanden die städtischen Beneficiarii und einige Wachleute, die sich um die Sicherheit der Bürgerschaft sorgen sollten. Claudius hatte nun tagtäglich mit Taschendieben, Betrügern, Schlägern, entlaufenen Sklaven und Huren zu tun. Da Augusta Vindelicum eine eher ruhige Provinzhauptstadt war, gab es nur wenige gravierende Vorkommnisse, jedoch viele Fälle von Kleinkriminalität. Das bedeutete viel Arbeit für den Adiutor des Ädils und sehr zum Leidwesen von Claudius auch sehr viel Schreibarbeit im Officium. Außerdem hatte er einen neuen Kollegen bekommen, der als Adiutor des Ädils Martialis eingearbeitet wurde. Die jungen Männer, die eine Verwaltungslaufbahn eingeschlagen hatten, wechselten in der Regel jährlich ihren Aufgabenbereich. Sie sollten in allen Bereichen der Verwaltung Erfahrungen sammeln und sich beweisen, ehe sie in die oberste Riege der Kommunalverwaltung aufstiegen. Martialis hatte angekündigt, bei der nächsten Wahl zum Ädilenamt nicht mehr antreten zu wollen. Seine Gesundheit war angeschlagen und er wollte sich in sein Landhaus vor den Toren der Stadt zurückziehen, um seinen Lebensabend zu genießen.
Mit dem Centurio der berittenen Statthaltergarde Caius Iulius Achilleus und seinen Kollegen hatte Claudius nun oft zu tun. Die Aufgabenbereiche der Garde und des Ädils überschnitten sich, so dass sie sich nahezu jeden Tag zu Besprechungen trafen, Wachmannschaften abstimmten und Einsätze koordinierten. Wenn Achilleus mit dem Statthalter der Provinz Raetia, Caius Velius Rufus, auf Inspektionsreise war und zu den Stammesversammlungen der Raeter oder Vindeliker reiste, musste alles gut geplant werden, damit die Provinzhauptstadt ausreichend mit Soldaten versorgt und die innere Sicherheit gewährleistet blieb.
Sehr zu Claudius Leidwesen, traf er den Centurio meist im nur Praetorium, so dass er Achilleus hübsche Tochter Alpina schon lange nicht mehr gesehen hatte. Doch nun stand die Hochzeit ihrer Schwester Ilara mit Claudius´ Freund Lucius ins Haus. Eine wunderbare Gelegenheit, das Mädchen wieder zu sehen.
***
Alpina und Ilara machten sich etwa zur vierten Stunde mit ihrer Mutter auf den Weg zum Forum. Die Schwestern waren sehr unterschiedlich. Ilara war größer als Alpina und hatte die dunklen Locken des Vaters geerbt. Alpina hingegen war klein und zierlich mit rotbraunem Haar. Auch in ihrem Wesen unterschieden sich beide. Während Alpina naturliebend und wissbegierig war, liebte Ilara aufwändige Kleider und schönen Schmuck. Eine Hochzeit mit dem Luxuswarenhändler Lucius war ganz nach ihrem Geschmack. Es würde ein rauschendes Fest geben.
Ilaras Sklavin Celsa trug einen Korb mit den Opfergaben, die Mutter Elvas führte die Ziege für die Göttin Juno. Das Wetter war hervorragend und schon um diese Zeit sehr heiß. Kurz bevor sie das Forum betraten, kauften sie bei einer Frau, die Blumengirlanden und Kränze flocht, einen frischen Blumenkranz für Ilara. Celsa drückte ihn ihrer Herrin vorsichtig auf die hochgesteckten Haare.
Auf dem Altar vor dem kapitolinischen Tempel brannte ein kleines Feuer. Einige Menschen sprachen auf den Stufen oder in der Vorhalle des Tempels mit dem Kultpersonal. Die Priester und ihre Gehilfen, die von den jeweiligen Kultgemeinschaften zum Dienst im Tempel abgestellt waren, hörten sich die Bitten und Klagen der Gläubigen an, berieten die Hilfesuchenden, reichten den Opfernden Wasser zur Reinigung und nahmen die Opfergaben entgegen. Ilara steuerte auf die Frau zu, die ihr bei ihrem letzten Besuch im Tempel das Wasser zur Reinigung gereicht hatte. Sie stand auf den untersten Stufen des Podiumstempels und war gerade mit einer älteren Frau ins Gespräch vertieft. Nach einer Weile bedankte sich die Alte, gab der Kultdienerin eine Münze und entfernte sich unter Verbeugungen. Nun trat die Frau auf Ilara zu und lächelte sie offen an.
„Wie kann ich dir helfen?“, fragte sie.
Ilara nannte ihren Namen und erzählte, dass sie am kommenden Tag heiraten werde und gekommen sei, um Juno zu opfern. Die Frau bat Ilara, ihr die Opfergaben für die Göttin zu zeigen.
„Wie schön, Iulia Ilara. Dann werde ich jetzt Wasser holen, damit du dich reinigen kannst und den Sacerdos bitten, mit dir das Voropfer zu vollziehen. Du kannst ihm deine Bitte noch einmal selbst vortragen, sobald er Zeit hat.“
Sie verließ die Frauen kurz, stieg die Stufen des Tempels hinauf und kam mit einer Kanne und einer Schale aus Ton zurück. Ilara wusch sich die Hände und Unterarme mit ein wenig Wasser, dann reichte sie den Krug an ihre Mutter und die Schwester weiter. Die Kultdienerin führte sie vor den Altar. Alpina und Elvas hielten mit den Sklavinnen Abstand.
Der Priester hatte gerade einige Dufthölzer in die Feuerschale gelegt, dann drehte er sich zu Ilara um. Sie kannte den Sacerdos, er war ein angesehener Mann in der Stadt. Am kommenden Tag würde er die Hochzeitszeremonie leiten.
„Iulia Ilara, welche Freude dich zu sehen! Du willst sicher Juno um eine glückliche Ehe bitten, nicht wahr?“
Ilara nickte. Sie überlegte, ob sie den Priester zu ihrem Traum befragen sollte, traute sich dann aber nicht, weil er ein Bekannter ihres Vaters und auch der Familie ihres zukünftigen Gatten war. Der Priester nahm sie in den Tempel mit, um das Voropfer zu vollziehen. Vor der schönen, bunten Statue mit dem warmherzigen Blick, die Ilara so liebte, stand ein niedriger Tisch auf dem bereits Blumenkränze, Getreideähren, Opferkuchen und Früchte lagen. Der Sacerdos schob ein paar Dinge beiseite und arrangierte sie neu, dann legte er die Opfergaben, die Ilara ihm übergeben hatte, dazu. Ilara formulierte ihre Bitte an die Göttin, der Priester sprach ein Gebet und sie sprach es ihm nach. Er nahm Weihrauch aus einer runden Dose und warf ihn in die Flammen. Ilara sie tat es ihm gleich. Der Rauch kräuselte sich und zog in Spiralen in die Höhe. Inbrünstig hoffte das Mädchen, dass die Göttin ihre Bitte erhören und ihr eine glückliche Ehe schenken möge. Der Priester lächelte erneut gütig, drehte sich dann um und stieg mit Ilara die Treppen des Tempels hinab. Auf dem Vorplatz des Tempels angekommen, wandte er sich ihr erneut zu.
„Jetzt ist es an der Zeit, dass du Juno eine Ziege opferst.“
Ilara nickte. Sie übergab dem Opferhelfer das kleine Tier, das sichtlich nervös war. Der Priester sprach die Gebete, und als der Opferhelfer der Ziege die Kehle durchschnitt und das Blut in einer Schale auffing, überkam Ilara Übelkeit. Der Geruch des warmen Blutes und ihre Angst vor einem schlechten Ausgang der Eingeweideschau sorgten dafür, dass sie in sich zusammensackte. Schnell half Elvas ihrer Tochter, sich auf die Stufen des Tempels zu setzen, während der Opferhelfer dem toten Tier die Eingeweide entnahm. Zum Glück gab der Sacerdos ihr wenig später zu verstehen, dass die Leber des Tieres in gutem Zustand war und die Göttin somit das Opfer annahm. Ilara war erleichtert. Sie bedankte sich bei dem Priester und seinem Opferhelfer. Als sie das Tempelareal verlassen wollte, begegneten sie erneut der Kultdienerin. Ilara holte einige Münzen aus ihrem Korb und reichte sie der Frau. „Für den Kultverein der Juno“, sagte sie schüchtern zu der Tempeldienerin.
„Vielen Dank, Iulia Ilara. Es wäre schön, wenn du unserem Kultverein beitreten würdest. Wir treffen uns etwa drei bis vier Mal pro Monat und besprechen viele wichtige Dinge, nicht nur für den Junokult, sondern auch praktische Dinge, die für eine junge Ehefrau interessant und wichtig sind. Außerdem ist jede von uns abwechselnd zum Tempeldienst und zur Beratung der Frauen eingeteilt, die sich mit ihren Sorgen und Nöten an die Göttin wenden. Den Vorstand unseres Kultvereins wirst du sicher kennen. Es ist Velia Crispina, die Frau des Statthalters. Möchtest du nicht nächste Woche einmal zu uns kommen? Wir dürfen einen Raum im Statthalterpalast für unsere Zusammenkünfte nutzen. Wenn du möchtest, gebe ich dir Bescheid, wenn wir uns das nächste Mal sehen.“
Ilara lächelte freundlich. „Sehr gerne.“ Dann verabschiedete sie sich von der Frau und ging zu ihrer Mutter, der Schwester und den Sklavinnen zurück. Als sie einen letzten Blick auf den Tempel warf, sah sie, wie die Tempeldienerin ihr nachwinkte.
Die Frauen überquerten das Forum. Bevor sie den umgrenzten Bezirk mit all seinen Geschäften verließen, blieb Ilara stehen. Sie wandte sich an ihre Mutter.
„Geh du schon voraus, ich möchte Alpina noch etwas in einem der Geschäfte hier zeigen. Wir kommen dann nach.“
Elvas zuckte die Achseln. „Natürlich, Liebes. Ich muss ohnehin noch ein paar Besorgungen machen. Mirne und ich werden zum Macellum gehen. Wir sehen uns dann zuhause.“
Die Mutter verabschiedete sich und strebte mit ihrer Sklavin der Markthalle zu. Ilara nahm Alpina bei der Hand und zog sie in den Schatten des Eingangstores zum Forum. Dort stand ein Mann mit langem Bart und ungepflegt wirkenden Haaren. Der Haaransatz war schon weit zurückgewichen, so dass sein Schädel unförmig erschien. Er trug ein Buch unter dem Arm und unterhielt sich mit einem anderen Mann, der eine Sternenkarte trug. Als die Männer die jungen Frauen auf sich zukommen sahen, unterbrachen sie ihr Gespräch und erwarteten sie neugierig. Der mit der Sternenkarte in der Hand räusperte sich.
„Sucht ihr einen Astrologen? Ich bin Carneades, der Chaldäer. Ich kann euch die Sterne deuten und euch ein Horoskop erstellen, für jedes Ereignis Eures Lebens.“
Ilara lächelte verwirrt. Sie entschuldigte sich bei dem Mann und erklärte, dass sie einen Traumdeuter suche. Da löste sich der andere Mann von den Säulen des Eingangstores und trat auf die Mädchen zu.
„Dann darf ich Euch meine Dienste anbieten? Mein Name ist Aramios, Magister aus Elis. Ich bin ein Spezialist der Oneiromantie. Wie kann ich Euch helfen?“
Ilara fragte nach seinem Preis für eine Traumdeutung und sie einigten sich. Das Mädchen begann, dem aufmerksam lauschenden Traumdeuter ihren Alptraum von der vergangenen Nacht zu erzählen. Er fragte sie nach ihrem Elternhaus, nach dem Mann, den sie heiraten würde sowie nach dem Datum der Hochzeit. Dann nickte er.
„Dieser Traum ist sehr günstig, obwohl du ihn als beängstigend empfunden hast. Für eine Hochzeit ist dieser Traum geradezu ideal. Pluto ist der Herr der Unterwelt, er ist unermesslich reich, besitzt Edelsteine und Metalle wie Gold und Silber in großen Mengen. Der Traum sagt dir, dass du einen sehr wohlhabenden Mann heiraten wirst. An seiner Seite wirst du seine Königin sein, wie Plutos Proserpina, der eigene Tätigkeitsbereiche eingeräumt werden. Du wirst keinen Mangel kennen. Preise dich glücklich! Wenn du so willst, bist du die Göttin an der Seite deines Gatten, das bringt dich zwar zunächst in Gefahr, wird aber langfristig eine glückliche Ehe bedeuten. Aufregung, Bedrohung und Bedrängnisse können dir zu Anfang ins Haus stehen, aber du darfst hoffen - am Ende wird alles gut.“
Er sah Ilara tief in die Augen, als wolle er sich selbst als Ehemann anbieten. Erschrocken und beschämt schlug die junge Frau die Augen nieder.
„Bist du eingeweiht in die Mysterien der Demeter und ihrer Tochter Persephone? Nein? Dann solltest du vielleicht daran denken, dich als Myste weihen zu lassen.“
Beide Mädchen blickten ein wenig irritiert, doch der Traumdeuter schien seine Ausführungen beendet zu haben. Sein Blick schweifte bereits wieder über das Forum, als suche er einen weiteren Kandidaten für seine Kunst. Ilara bedankte sich und zog Alpina mit sich fort.
***
Nachmittags hatte Alpina sich in ihre Kammer zurückgezogen. Der ganze Rummel um Ilaras Hochzeit war ihr zuviel geworden. Seit Tagen ging es um nichts anderes mehr. Das ganze Haus surrte wie ein Bienenstock. Am Vortag waren Lasthe und Pertha, die Großeltern der Mädchen, aus Bratananium gekommen. Spät abends gesellte sich dann auch noch ihr Halbbruder Caius dazu. Sie alle mussten untergebracht werden. Alpina teilte nun die Kammer mit den Großeltern, Caius würde die Nacht in der Kammer der Sklavinnen Mirne und Celsa verbringen, die vorübergehend im Triclinium nächtigten.
Ilaras Freundin Balbina, die Schwester des Bräutigams war gekommen. Die zwei Freundinnen hatten sich zunächst ohne Alpina in der Frauentherme gereinigt, dann hatten sie sich mit Ilaras Sklavin Celsa in eine Kammer zurückgezogen, um die Brautfrisur herzurichten. Sechs Zöpfe mussten geflochten und zu einem Turm aufgesteckt werden.
Alpina versuchte sich auf die von Eirenaios gestellte Aufgabe zu konzentrieren, als es klopfte. Ihre Großmutter steckte den Kopf zur Tür herein. „Darf ich dich stören, Liebes?“
Das Mädchen legte die Papyrusrolle sorgfältig beiseite. „Selbstverständlich, Großmutter!“
Pertha setzte sich zu ihr aufs Bett. Die alte Frau war eine Hebamme, wie auch Alpinas Mutter Elvas. Sie war die erste gewesen, die Alpina in die Kunst der Geburtshilfe eingeweiht hatte. Seither wollte das Mädchen das Handwerk ihrer Mutter und Großmutter erlernen. Pertha nahm Alpinas Hand.
„Erzähl mir, Alpina, bei wie vielen Entbindungen hast du bereits mitgeholfen?“
„Fünf, Großmutter“, erzählte das Mädchen stolz. „Wenn man die mitzählt, die ich mit dir zusammen erlebt habe.“
Die alte Frau nickte. „Und, wie viele davon waren kompliziert?“
„Hm, das ist schwer zu sagen. Ich würde sagen, etwa drei. Eine ging sogar tödlich aus für Mutter und Kind. Zwei waren schnell und ohne besondere Schwierigkeiten.“
Pertha sah Alpina ernst an. „Kannst du dir vorstellen, diesen Beruf zu ergreifen?“
Das Mädchen zögerte keine Sekunde. „Aber sicher! Ich tue alles dafür, eine gute Obstetrix zu werden! Mit dem Grammaticus übersetzte ich sogar medizinische Schriften von Hippokrates und anderen Ärzten. Außerdem habe ich bereits die Bücher des Plinius gelesen, in denen er über Heilmittel schreibt.“
Die Großmutter lobte sie, dann fragte sie weiter. „Was ist, wenn eine Geburt mit dem Tod von Mutter oder Kind oder sogar von beiden endet? Wie geht es dir damit?“
Alpina dachte nach. Sofort kamen die Bilder einer Geburt im Suburbium in ihr hoch. Diese Geburt hatte mit dem Tod der Gebärenden und auch ihres Kindes geendet.
„Es ist schrecklich, so machtlos zu sein! Wie grausam es ist, wenn man zusehen muss, wie Mutter oder Kind sterben und nichts dagegen tun kann!“ Sie machte eine Pause, dann sah sie Pertha in die Augen. „Doch das Schlimmste ist die Armut, Großmutter - wenn sie verhindert, dass man helfen kann. Stell dir vor, wir waren bei einer Entbindung, bei der zunächst die Mutter und einige Tage später auch das Neugeborene starben. Sie hätten vielleicht beide gerettet werden können, wenn diese Leute das Geld für den Medicus oder zumindest für Medizin gehabt hätten. Es war schrecklich, zusehen zu müssen, wie sie den Tod in Kauf nahmen, weil sie das Geld für die notwenige Therapie nicht hatten!“
Die Großmutter nickte verständig. „Wir stehen in unserer Arbeit oft an der Schwelle zwischen Leben und Tod. Nicht immer dürfen wir die Hände des Kindes oder der Gebärenden ergreifen und sie ins Leben ziehen. Oft müssen wir den Göttern bei ihrem Spiel mit dem Schicksal zusehen. Mal ist es Klotho auf der Schwelle, die den neuen Lebensfaden spinnt, mal Atropos, die Unabwendbare, die ihn mit der Schere zerschneidet. Es tut weh, zu sehen, wie der eben erst gesponnene Faden oder der eines noch jungen, blühenden Lebens, zerschnitten wird. Leider dürfen wir meist nur zusehen, was die Schicksalsschwestern tun.“
Alpina sah Pertha traurig an. „Gewöhnt man sich daran?“
Die alte Hebamme lächelte gütig. „Nein, nicht wirklich. Es tut jedes Mal weh. Aber je häufiger es passiert, desto eher kannst du lernen, dass es die Entscheidung der Götter ist und nicht dein Fehler, wenn ein Lebenslicht ausgelöscht wird. Natürlich sucht man wieder und wieder die Schuld bei sich, bei anderen Menschen oder bei der Armut. Mit der Zeit aber versteht man, das Wirken der Götter zu akzeptieren, es nicht mehr anzuzweifeln, sondern es anzunehmen.“
Das Mädchen sah die Großmutter lange an. Sie hoffte, irgendwann so weise zu werden, wie diese wundervolle Frau. Sie nahm sich fest vor, ihre Worte nicht zu vergessen.
***
Der Centurio Caius Iulius Achilleus kam nach einem ausgiebigen Bad in der Forumstherme nach Hause zurück. Sein ältester Sohn und der Vater des Bräutigams, Titus Alpius Soterichus, hatten ihn begleitet. Alle sahen den Feierlichkeiten des kommenden Tages freudig entgegen. Zuhause trafen Vater und Sohn eine aufgeregte Schar von Frauen an. Ilara war bereits eingekleidet und von der Mutter mit einem speziellen Knoten gegürtet worden. Sie sah wunderschön aus. Über der weißen Tunika recta trug sie die safranfarbene Palla und das rote Flammeum. Sie hatte auch die passenden Schuhe angezogen. Die Männer bewunderten Ilara. Dann wandte man sich dem geschmückten Lararium zu. Mirne hatte wunderschöne Blumen- und Blättergirlanden hergestellt und den Schrein der Hausgötter gereinigt und geschmückt. Ein Räuchergefäß, eine Opferschale und eine Kanne mit Wein standen bereit. Vor dem Lararium hatten sie eine kleine hölzerne Bank aufgestellt, auf der Ilara später ihre Puppe und das Kinderkleidchen ablegen würde.
Caius wusch sich die Hände in einem Wasserbecken. Dann reichte die Sklavin es an die anderen Opferteilnehmer weiter. Als sich alle gereinigt hatten und auch der Weihrauch die Körper und Seelen der Opfernden geläutert hatte, schlug der Centurio den Bausch seiner Toga über den Kopf. Er stellte sich vor den Schrein der Ahnen- und Hausgötter und betete, dass sie seiner Tochter einen guten Übergang vom Hause des Vaters in das Haus ihres zukünftigen Gatten gewähren mögen. Als Opfergaben goss er Wein aus dem Krug, den seine Frau ihm reichte, in die Patera und stellte die gefüllte Opferschale auf die Bank vor dem Lararium. Dann trat er zur Seite und machte Ilara Platz.
Wie erwachsen seine Tochter in diesem Moment wirkte. Caius Mund wurde trocken. Er sah Bilder aus lange vergangenen Tagen vor sich aufsteigen, erinnerte sich, wie Elvas ihm ihren runden Bauch präsentiert hatte und ihn die kräftigen Tritte Ilaras durch die Haut hatte spüren lassen. Er dachte an die Geburt, die lang und schwer gewesen war. An Elvas Schreie, Perthas beruhigende Worte und seine Angst um die Frau, die er so liebte. Dann vergegenwärtigte er sich Ilaras erste Schritte, die Freude seines Sohnes Caius, als Ilara ihm in die ausgebreiteten Arme torkelte und ihre großen Augen als Elvas ihr ein Schwesterchen schenkte. Jetzt war dieses kleine Mädchen groß geworden, sie stand in ihrem Hochzeitskleid vor dem Lararium und opferte den Hausgöttern ihre Puppe und eine dunkelrote Kindertunika. Sorgfältig drapierte die Fünfzehnjährige ihr Kinderkleid auf die Holzbank und legte die Puppe dazu. Sie wiederholte das Gebet des Vaters und stand dann noch eine Weile schweigend vor dem Schrein, bevor alle sie umarmten und sich die Großfamilie zur Abendmahlzeit ins Triclinium begab.
***
Lucius hatte Claudius zu einer Art Abschied vom Junggesellendasein eingeladen. Der Händlersohn hatte dafür einen Raum im ersten Stock der Forumstherme reserviert. Neben den üblichen Kleinigkeiten, die die angeschlossene Caupona lieferte, hatten seine Sklaven exotische Köstlichkeiten aus dem Geschäft der Familie mitgebracht. Sie waren zu viert. Claudius, Vindelicus und Comitinus Apelles, ein Jugendfreund von ihrem Gastgeber Lucius. Zunächst hatten sich die drei jüngeren Männer zum Sport in der Palaestra getroffen und waren dann nach einem ausgelassenen Ballspiel in den warmen Räumen der Therme auf den Gatten von Lucius Schwester Balbina gestoßen. Nach ausgiebiger Reinigung und Massage suchte man gemeinsam den festlich hergerichteten Raum in ersten Stock auf. Lucius war ausgesprochen angespannt. Von Vorfreude auf das kommende Ereignis war bei ihm nichts zu spüren. Jede Anspielung der Freunde, dass er ab morgen seine Freiheit einbüßte, beantwortete der Sohn des Luxuswarenhändlers aus der Provinz Asia, gereizt. Es war offensichtlich, dass ihm die Vorstellung, nun an die Kette gelegt zu werden, gar nicht behagte.
Apelles, der Holzhändler war, lachte. Er hatte erst vor einem Jahr geheiratet.
„So schlimm ist es nicht Lucius! Wenn du Abwechslung willst, kannst du immer noch ein Lupanar besuchen oder dir eines der Mädchen aus einer Caupona gönnen. Selbst hier in der Therme gibt es immer wieder nette Angebote!“
Lucius bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. „Und wenn ich nach Hause komme, steht Ilara mit einem Mischkrug hinter der Tür und gibt mir eine drüber.“
Alle lachten bei der Vorstellung davon, dass Lucius von seiner Frau einen Mischkrug übergezogen bekäme.
„Nun, du wirst es schon ein wenig geschickter anstellen müssen. Aber da mache ich mir keine Sorgen, schließlich bist du ja nicht auf den Kopf gefallen!“ Apelles lachte laut und scheppernd.
Claudius war klar, warum sein Freund so schlecht gelaunt war. Es würde von nun an schwerer für ihn werden, Glycera zu treffen. Die schöne Schauspielerin hatte Lucius in ihren Bann gezogen. Er war ihr derartig verfallen, dass er die Ehe mit Ilara als Hindernis für seine Liebschaft betrachtete. Glycera war die Geliebte des Statthalters. Seit dieser von seiner Inspektionsreise zurückgekehrt war, befand sich die Laune des Händlersohnes auf dem Tiefpunkt. Die Vorstellung, dass seine Treffen mit der Schönen ab jetzt nicht nur von der Anwesenheit des Statthalters bestimmt wurden, sondern zudem vor den wachen Augen seiner Gattin verborgen werden mussten, trübten Lucius Stimmung nachdrücklich.
Claudius hatte Mitleid mit Ilara. Das Mädchen war offensichtlich sehr verliebt in seinen Freund und blickte der Hochzeit freudig entgegen. Was würde wohl werden, wenn sie entdeckte, dass ihr frisch angetrauter Ehemann eine andere Frau mehr begehrte, als sie? Der junge Ritter hoffte, dass es Ilara gelingen würde, Lucius für sich einzunehmen.
Die Stimmung löste sich nach einigen Runden gemischten Weines und als sich die Gesellschaft auflöste, steuerten Lucius und Apelles das Lupanar an, während Vindelicus und Claudius nach Hause gingen.
Das morgendliche Opfer eines Schafes im Haus der Braut war günstig ausgefallen. Der Haruspex hatte die Eingeweide des Tieres begutachtet und den Tag als geeignet für eine Eheschließung befunden. In Anwesenheit des Pontifex wurden die Stühle der Brautleute mit dem Fell des Opferschafes verbunden. Ilara, die wundervoll aussah, reichte Lucius strahlend die rechte Hand und nahm den Ring von ihm entgegen. Tibulla, die Mutter des Bräutigams, fungierte als Pronuba und führte die Hände ihres Sohnes und seiner jungen Frau zusammen. Dann teilten sich die frisch Vermählten das traditionelle Fladenbrot zur Hochzeit.
Wenig später begab sich die Familie zum gemeinsamen Opfer zum Tempel der kapitolinischen Götter. Nun kamen die engen Freunde und auch viele Schaulustige dazu, die von den prachtvollen, bunten Gewändern der Hochzeitsgesellschaft angezogen wurden. Es war eine ganz traditionelle Hochzeit, wie sie nur noch selten so aufwändig gefeiert wurde. Ilara wurde allenthalben bewundert. Die Schneiderin aus dem Suburbium hatte ganze Arbeit geleistet. Die safrangelbe Palla über der Tunika recta war aus der schönsten Seide gefertigt, die Lucius hatte besorgen können. Borten mit gestickten Akanthusblättern verzierten den Saum und die Mantelkanten. Das Flammeum umspielte die schönen Gesichtszüge der Braut seidigweich und durchscheinend.
Am Altar der höchsten römischen Götter wollte das Brautpaar ein Schwein opfern. Es stand als Symbol für die Fruchtbarkeit, die sich das junge Paar wünschte. Das wohlgenährte und mit einer bunten Decke geschmückte Tier, das eigens gekauft worden war, sträubte sich und quiekte verzweifelt. Alpina beobachtete ihre Schwester, die beim Anblick des am Seil zerrenden Tieres sichtbar die Zähne zusammenbiss. Das war kein gutes Omen. Die jüngere Schwester wusste, woran Ilara in diesem Moment dachte: an die Prophezeiung einer Chiromantin vor einiger Zeit. Diese hatte wahrgesagt, dass Ilara lange kinderlos bleiben würde.
Nach einigem hin und her spritzte schließlich doch noch das Blut des Tieres auf den Altar vor dem neuen Tempel. Man schritt zur Unterzeichnung des Ehevertrages. Elvas, Tibulla, Alpina und auch ein paar andere Frauen verdrückten ein paar Freudentränen. Dann begab sich die Festgemeinde zum Elternhaus der Braut, wo alle ein Festessen erwartete. Ilara und Lucius machten unterdessen noch eine Runde zu den Tempeln der Venus und der Diana. Sie beteten und übergaben den Priestern Gewürzkuchen. Auch Jupiter und Juno bekamen Gewürzkuchen zusätzlich zu dem Schweineopfer, dessen Überreste bereits weggeräumt worden waren.
Das Haus der Iulier war mit Blumen- und Blattgirlanden geschmückt. Die Laren und der Genius des Hausherren hatten Opfer erhalten, und sogar die Wettergötter waren mit einer Libation bedacht worden. Das Trankopfer schien gütig angenommen worden zu sein, denn die Sonne lachte vom Himmel, und als die Gäste im Hause des Achilleus eintrafen, war es schon sehr heiß.
Alpina hatte eine neue Tunika an. Ilara hatte darauf bestanden, dass sie zu ihrer Hochzeit etwas Neues haben sollte. Gemeinsam hatten sie sich für einen dunkelroten, feinen Stoff entschieden, den sie in den kommenden Sommermonaten oft würde tragen können. Den Saum zierten gestickte Vögel. Verstohlen blickte sie ab und an zu Claudius Paternus Clementianus, der die Gesellschaft bereits zum Opfer auf dem Forum begleitet hatte. Er sah gut aus, besser als vor einigen Monaten, als er von der Bürde seiner Tätigkeit als Vertreter des Ädils Martialis förmlich erdrückt worden war. Die neue Aufgabe schien ihm Freude zu machen. Ihre Blicke trafen sich, und Claudius lächelte sie an. Er verabschiedete sich von Lucius und kam auf Alpina zu. Ihr Herz schlug plötzlich bis zum Hals, und in der Magengrube schien ein Stein zu sitzen.
„Salve, schöne Alpina!“ Claudius versank in ihrem Blick. Sie schlug die Augen nieder und ärgerte sich, dass sie wieder rot wurde. „Salve, Claudius Paternus Clementianus“, hauchte sie.
„Deine Schwester sieht sehr glücklich aus“, stellte er fest.
„Ja und ich hoffe, sie wird nicht nur heute so glücklich sein.“
Tatsächlich glaubte Alpina nicht, dass Ilara so glücklich war, wie sie aussah. Die Erlebnisse der Verlobungsfeier, bei ihre Schwester ihren Verlobten in flagranti mit der schönen Schauspielerin Glycera überrascht hatte, waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Zwar hoffte Alpina, dass es Ilara gelänge, Lucius für sich einzunehmen, wenn sie erst zusammen lebten, doch sie beobachtete weiterhin misstrauisch seine unübersehbare Faszination für Glycera. Heute zumindest hatte Ilara durchgesetzt, dass das Unterhaltungsprogramm ohne die Schauspielerin stattfinden würde. Ihr Vater hatte Musiker und Artisten zur Unterhaltung der Gäste engagiert. Auf eine schauspielerische Einlage verzichtete man.
Claudius sah Alpina mit seinen braunen Augen ernst an. Er schien ihre Bedenken zu teilen. „Wir wollen das Beste hoffen! Eine Ehe ist eine langfristige Bindung. Wenn deine Schwester Geduld mitbringt, wird sie im Laufe der Zeit sicher die Liebe ihres Mannes gewinnen.“
Der Ritter mit dem dunklen Vollbart ließ einen gewissen Zweckoptimismus erkennen. Dachte er wirklich so oder wollte er das Mädchen nur beruhigen?
„War das bei Euren Eltern auch so?“, fragte Alpina neugierig.
Claudius lächelte ob der jugendlichen Neugierde. „Meine Eltern haben sich gegenseitig respektiert, und ich vermute, sie haben sich sogar geliebt. Auch wenn ich nie gehört habe, dass sie es zugaben.“
Er blickte Alpina sehr ehrlich an. Dann griff er ihre beiden Hände und zwang sie so, ihm erneut in die Augen zu sehen. „Alpina, bitte, ich möchte so gerne, dass du mir vertraust und deshalb bitte ich dich um das „du“. Nenne mich Claudius. Das wünsche ich mir sehr!“
Alpina stockte der Atem. Sie spürte ihr Herz am Kehlkopf anklopfen. „Ich weiß nicht, ob das so richtig ist“, sagte sie zaghaft. „Aber wenn du es so möchtest, gerne.“
Claudius schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Du machst mir ein großes Geschenk!“
Bevor er weitersprechen konnte, zog Ilara Alpina mit sich. Sie schien es sehr wichtig zu haben. Hilflos ließ sich die jüngere Schwester abführen.
***
Caius genoss die Feierlichkeiten. Er liebte seine Töchter und es machte ihm große Freude, seine Älteste glücklich zu sehen. So schön wie an diesem Tag hatte sie noch nie ausgesehen, und er erkannte an Lucius‘ begehrlichen Blicken, dass auch der Bräutigam es so empfand. Als im Atrium des Hauses eine Gruppe von Artisten ihr Können unter Beweis stellte, ihre Körper sich in wilden Sprüngen und Salti durch den Raum bewegten, betrachtete der Hausherr die Darbietung in der Nähe des Wasserbecken. Es dauerte nicht lange, da stellte sich Clementianus an seine Seite. Gemeinsam applaudierten sie den Artisten. Eine Dienerin kam vorbei. Der junge Ritter nahm ihr zwei Becher Mulsum ab. Einen reichte er Caius, mit dem zweiten prostete er ihm zu.
„Auf deine schönen Töchter, Achilleus! Und darauf, dass sie ein glückliches Leben führen mögen!“
Die Blicke der beiden Männer trafen sich. „Danke, Clementianus! Ja, darauf wollen wir trinken!“
Sie hoben die Becher und tranken. Dann räusperte sich Clementianus und sagte: „Schade, dass Alpina sich so gar nicht vorstellen kann zu heiraten.“ Er versuchte es beiläufig klingen zu lassen, doch Caius horchte auf.
„So? Hat sie das gesagt?“
„Ja, unlängst, als ich sie danach fragte, ob sie nicht auch bald heiraten wolle, wies sie das weit von sich. Sie erklärte, sie wolle lieber lernen, eine gute Obstetrix zu werden. Außerdem seien ihr die Studien bei Eirenaios wichtiger, als Matrone zu werden!“
Clementianus lächelte verschmitzt, und Caius kam nicht umhin, festzustellen, dass ihm die Selbstsicherheit seiner Jüngsten imponierte.
„So ist es, mein Bester! Sie hat viel von ihrer Mutter. Sowohl die Klugheit und das handwerkliche Geschick bei der Behandlung von Gebärenden und Verletzten, als auch den Starrsinn! Leider, auch den!“ Caius lächelte entschuldigend. „Aber du kennst das doch, oder nicht? Deine Mutter ist doch auch Raeterin! Sie führt ein sehr selbstbestimmtes Leben, nicht wahr?“
Der junge Ritter lachte zustimmend. „Sie ist Likatin, aber da gibt es keinen wesentlichen Unterschied. Auch meine Mutter ist stur und würde sich nicht in ihre Lebensführung dreinreden lassen. Da hast du Recht, Achilleus. Ich denke, ich kann mit dem Temperament der Alpenländerinnen umgehen!“ Er zeigte ein gewinnendes Lächeln und machte eine kurze Pause, dann setzte er erneut an: „Falls Alpina es sich dennoch irgendwann anders überlegen sollte, dann denke an mich.“
Caius glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. War das gerade eine versteckte Anfrage um Alpinas Hand gewesen? Er sah den Ritter verdutzt an. Dann lächelte er und sagte: „Ich fürchte, du wirst einen langen Atem haben müssen, Clementianus. Aber wenn du sie dann noch willst, gebe ich sie dir mit Freuden!“
Gedankenverloren musterte er den jungen Mann.
***
Ilara zog Alpina mit sich in eine ruhige Ecke des Treppenhauses. Sie war plötzlich furchtbar aufgeregt. „Hilf mir, Alpina! Bald führen sie mich weg! Ich habe Angst! Ich fürchte mich davor, dieses Haus mit seinen Lares für immer zu verlassen!“
Die jüngere Schwester nahm Ilara in den Arm. „Es wird alles gut! Ganz bestimmt! Du wirst wunderbare Schwiegereltern bekommen, und dieses Haus mit seinen Lares bleibt jederzeit für dich geöffnet. Keine Sorge, Ilara!“
Liebevoll streichelte sie den Rücken der Älteren. Ilara rang nach Luft, sie war blass.
„Was ist, wenn sich Lucius weiter mit Glycera trifft?“
Alpina versuchte überzeugend zu klingen. „Du wirst ihn bereits heute Nacht von den Qualitäten deines jungfräulichen Körpers überzeugen. Das kann Glycera ihm nicht bieten. Kopf hoch! Und jetzt komm! Ich sehe, dass die Gäste bereits nach dir suchen. Die Hochzeitsfackel ist entzündet. Es wird Zeit für dich zu gehen!“
Sie stand auf und nahm die Ältere bei der Hand. Gemeinsam traten sie ins Atrium, wo sie von den wartenden Eltern und Gästen freudig begrüßt wurden.
Unter begeisterten „Talassio!“-Rufen bewegte sich die Prozession auf das Haus des Soterichus zu. Es hagelte Nüsse und anzügliche Bemerkungen.
An der Tür des Hauses rieb Ilara die Torpfosten mit Öl ein und wickelte Wollbinden um die Scharniere. So ehrte man nach alter Überlieferung den Gott Portunus und die Göttin Cardea. Bevor Lucius seine Frau über die Schwelle des Hauses trug, sprach sie die Formel „Ubi tu Gaius ego Gaia“. Bei diesem feierlichen Schwur, wurde Ilara schwindelig. Ob es an der Hitze lag oder an den Befürchtungen, die sie mit dem Betreten des Hauses ihres Bräutigams verband - Ilara wurde schwarz vor Augen, sie sackte in die Knie. Lucius fing sie auf und trug sie unter lautem Beifall und Jubelrufen über die Schwelle des Hauses. Im Atrium benetzte Tibulla die Stirn ihrer Schwiegertochter mit Wasser aus dem Marmorbecken. Langsam kehrten Ilaras Sinne zurück. Lucius setzte sie behutsam auf dem Mosaikfußboden ab, und als sie sich wieder ein wenig gefangen hatte, reichte er ihr Fackel und Wasserkrug. Unter den neugierigen Blicken der Gäste brachte Ilara den Lares des Hauses die obligatorische Münze als Geschenk dar. Man feierte ausgelassen und fröhlich, bis es dunkel wurde.
***
Lucius freute sich auf die Hochzeitsnacht mit seiner hübschen, jungen Frau. Glycera konnte er ohnehin momentan kaum treffen. Schließlich war Rufus wieder in der Stadt. Mit wachen Augen beobachtete er die eleganten Bewegungen Ilaras. Sie sah großartig aus! Er konnte es kaum erwarten, sie endlich in sein Cubiculum zu führen.
Als es dunkelte, verschaffte sich der Bräutigam Gehör. Er nahm Ilaras Hand, dankte allen Gästen für ihr Kommen und die schönen Geschenke, die auf dem großen Tisch im Atrium lagen. Er bat alle, doch recht fröhlich weiterzufeiern, er und seine Gattin hätten noch etwas zu erledigen. Dabei zwinkerte er Ilara anzüglich zu. Er zog seine Braut zur Treppe. Von seinen Freunden, den Familienangehörigen und einigen Schaulustigen wurden sie in die Räume im ersten Stock geleitet. In seinem Wohn- und Arbeitszimmer löste Lucius umständlich den komplizierten Knoten, den die Pronuba in Ilaras Gürtel geschlungen hatte. Sie nahm das Flammeum ab und reichte es an Alpina weiter, die errötend inmitten jubelnder Festgäste stand. Bedeutete das Übernehmen des Schleiers doch, dass sie als nächste Kandidatin verheiratet werden würde.
Elvas und Tibulla begleiteten Ilara ins Cubiculum und zogen sie dort aus. Ilara versteckte sich schamhaft unter der Decke und wartete auf ihren Bräutigam.
Der ließ sich nicht lange bitten, betrat das Cubiculum und schloss unter den anzüglichen Scherzen seiner Freunde die Tür. Das Zimmer mit der großen, breiten Bettstatt, die mit vielen bequemen Decken und Kissen ausgestattet war, wurde nur schwach von einer doppelarmigen Öllampe beleuchtet. Hinter der geschlossenen Tür hörte Lucius die Freunde lärmen. Die sollten nur hören, wie er seine Braut zur Frau machte! In Ilaras Augen flackerte Angst. Sie hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Lucius setzte sich an die Bettkante und streichelte Ilaras Wange.
„Keine Angst, Süße! Ich dachte, du liebst mich? Da wirst du doch keine Angst vor der schönsten Sache haben, die Mann und Frau verbindet, oder?“
Ilara versuchte zu lächeln. Irritiert blickte sie zur Tür. Draußen war Gelächter zu hören. Lucius nahm ihre Hand.
„Lass die doch ihre Scherze machen, die Kerle. Sie sind nur neidisch. Konzentriere dich lieber auf das hier!“
Er führte ihre Hand zu seinem erigierten Penis und versuchte die kalten Finger zu ignorieren. Dann schlug er mit der anderen Hand die Decke zurück. Ilara war schlank und ihre kleinen Brüste hoben sich mit den steil stehenden Brustwarzen jungfräulich von ihrem Brustkorb ab. Schnell wie ihre Atemzüge hoben und senkten sie sich. Lucius begann sie zu streicheln. Ilara blieb stocksteif liegen. Sie machte keine Anstalten, seinen Penis zu massieren oder sich ihm zu öffnen. Also musste er nachhelfen.
Die Sache war bald vorbei. Ilara hatte nicht geschrien, aber ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass sie Schmerzen hatte. Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Lucius stand auf und reinigte sein bestes Stück mit einem weißen Tuch. Die Blutspuren würde er als Zeichen seines Erfolgs als Ehemann den feiernden Gästen zeigen. Bevor er das Cubiculum verließ, strich er der zitternden Ilara erneut über die Wange. Er tröstete sie.
„Es tut nur am Anfang weh, Kleine. Bald wirst du dich daran gewöhnt haben.“
***
Nachdem sich das Brautpaar zurückgezogen hatte, feierten die Gäste im Erdgeschoss des Hauses weiter. Alpina half den Hausdienern und Celsa, die sich ganz selbstverständlich dem neuen Haushalt unterordnete, beim Aufräumen. Sie musste sich beschäftigen, zu sehr schwirrte ihr der Kopf von all den Ereignissen des Tages. Grübelnd, was sie von der ernsthaften und zugleich so persönlichen Bitte halten sollte, Clementianus beim Vornamen zu nennen. Der Vorname war in der Regel Familienangehörigen und guten Freunden vorbehalten. Musste sie ihren Eltern davon erzählen? Schließlich gebot es sonst die Höflichkeit, dass sie den Ritter ehrerbietig behandelte. Doch er selbst hatte die Grenze überschritten, er hatte mit den Vertraulichkeiten begonnen.
Alpina hatte nicht lange Zeit, über ihr neues Verhältnis zu Claudius nachzudenken, denn Lucius war bereits kurz nachdem er die Festgemeinschaft verlassen hatte, um mit Ilara zusammen zu sein, wieder unter den Feiernden. Stolz zeigte er ein weißes Taschentuch vor, auf dem die Blutspuren der erfolgreichen Entjungferung zu sehen waren. Entsetzt beobachtete Alpina, wie Lucius mit dem Blut ihrer Schwester prahlte. Sie musste zu Ilara! Die ältere Schwester würde entweder noch im Trakt des jungen Kaufmanns oder in ihren neuen Räumen sein. Sie suchte nach ihr in der Kammer, in der Ilara den Abend der Verlobung in Schockstarre verbracht hatte. Dort wurde sie tatsächlich fündig. Ilara saß auf dem Bett, die Arme um die Knie geschlungen. Sie hatte die Decke um ihren Körper gewickelt und starrte vor sich hin - ganz so wie an jenem Abend. Alpina sagte zunächst gar nichts, sie legte nur den Arm um die Schulter der Schwester. Eine Weile saßen sie so nebeneinander. Alpina gab der Älteren Halt, bis diese schließlich ihren Kopf an die Schulter der Jüngeren legte. Ilara seufzte. Sie begann leise zu sprechen.
„Entschuldige bitte, dass ich dir das Flammeum gegeben habe. Ich weiß jetzt, dass es ein Fehler war. Versprich mir, dass du nicht so schnell heiraten wirst! Versprich es!“
Alpina versprach es. Sie hatte ohnehin nicht das geringste Bedürfnis, den Grammatikunterricht mit dem Cubiculum zu tauschen.
„War es so schlimm?“, fragte sie die Ältere.
Ilara nickte. „Es war gar nicht so sehr der Schmerz, als er in mich eingedrungen ist. Viel schlimmer war die Erinnerung an Glycera und ihn. Die ganze Zeit musste ich an die Szene denken, die ich gesehen hatte. Wie sie auf ihm ritt und beide so offensichtlich Spaß hatten. Und ich? Ich lag da wie ein Brett! Versteinert, unfähig das zu genießen, was er so gerne mit dieser Meretrix macht. Immer musste ich daran denken, dass ich es nie schaffen werde, sie auszustechen. Nie!“
Tränen der Verzweiflung rannen über Ilaras Gesicht.
Ilara wurde sanft von Celsa geweckt, die sich an die Bettkante ihrer jungen Herrin setzte.
„Domina Ilara!“ Leise rief sie ihren Namen. Dann wagte sie es, die junge Frau an der Schulter zu berühren. „Domina, Ihr werdet zum Frühstück erwartet!“
Ilara fühlte sich schlecht. Ihr war übel, ihr Unterleib schmerzte, und der Kopf war wie in Watte gepackt. Blinzelnd betrachtete sie ihre Sklavin. Seit sie ihr diente, war sie noch nie so liebevoll und freundlich zu Ilara gewesen. Meist war Celsa still und verschlossen. Gespräche beschränkten sich auf das Nötigste.
Celsa lächelte sanft. „Ich weiß, wie man sich fühlt nach dem ersten Mal, Domina.“
Die junge Ehefrau setzte sich auf und sah Celsa überrascht an. Dann fragte sie neugierig: „Und? Stimmt es, dass es bald nicht mehr so weh tut?“
Die Sklavin wog den Kopf hin und her. „Nur, wenn er Euch nicht mit Gewalt nimmt. Wenn Ihr Euch öffnen könnt, lässt es nach. Je mehr Angst Ihr habt, desto mehr weh tut es.“
Ilara sah verzweifelt aus. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, Celsa. Ich habe Angst vor ihm, vor seiner Kraft und seinem …:“
Sie beendete den Satz nicht, aber die Sklavin schien verstanden zu haben.
„Wenn es mit Liebe und Mitgefühl passiert, kann man lernen, es zu genießen. Aber wenn die Männer es mit Gewalt erzwingen, zerstören sie nicht nur das Hymen, sondern auch die zarte Seele der Frau.“
Ilara war neugierig geworden. „Erzähle, Celsa, wie war es bei dir? Warst du verheiratet? Hattest du Kinder?“ Sie stellte fest, dass sie nichts von dem Vorleben ihrer Leibsklavin wusste.
Celsa blickte zu Boden. Sie sah plötzlich sehr traurig aus. „Ja, ich war verheiratet und hatte einen Sohn. Mein Mann kämpfte gegen die Römer. Sie töteten ihn im Kampf. Ich musste ihn begraben.“ Die Dienerin stockte, die Erinnerungen überwältigten sie. Ilara legte ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern. Celsa schluckte schwer, dann fuhr sie fort. „Etwa drei Monate danach kamen die Römer in unser Dorf. Sie setzten es in Brand und verschleppten die Frauen und Kinder. Ich hatte erst kurz zuvor gemerkt, dass ich erneut schwanger war. Das Kind musste kurz vor Gregorios Tod gezeugt worden sein.“ Wieder machte sie eine Pause. Ihr Gesicht wirkte plötzlich wieder völlig versteinert. „Nächtelang haben sie meinem Körper Gewalt angetan, und schließlich verlor ich das Kind. Mit der Fehlgeburt und dem ganzen Blut, das aus meinem Unterleib rann, verlor ich auch jegliches Vertrauen in Männer. Es tropfte mit jedem Blutstropfen aus mir heraus.“
Ihre Stimme erstarb. Celsas Blick war starr und wirkte leer.
Ilara wusste nicht, was sie sagen sollte. Nun verstand sie, warum ihre Leibsklavin so verschlossen und still war. Sie hatte Schreckliches erlebt. Ihr Hass auf die Römer musste abgrundtief sein. „Was wurde aus deinem Sohn?“
Celsa hob die Schultern. „Ich weiß es nicht, Domina. Er hieß Sergios und war sechs Jahre alt, als sie ihn wegführten. Auch er ist in die Sklaverei gegangen, vermute ich.“
Die Dakerin blickte in die Ferne, als suchte sie nach ihrem verlorenen Sohn. Sie sagte kaum hörbar: „Jede Nacht sehe ich sein kleines Gesicht vor mir. Ich sehe, wie er weint und schreit, als sie ihn in Ketten legen und von mir wegzerren. Jede Nacht…“
Ilara nahm die Sklavin in den Arm und drückte sie fest an sich.
„Es tut mir so schrecklich leid, Celsa! Ich wusste ja nicht, was du durchgemacht hast. Ich schäme mich dafür, dich bisher nicht danach gefragt zu haben!“
Die Dienerin zuckte die Achseln. „Schon gut, Domina! Ihr konntet es ja nicht wissen!“
„Es muss schlimm für dich sein, einer Römerin zu dienen, nicht wahr?“ Ilara hatte ein schlechtes Gewissen.
Celsa schüttelte den Kopf. „Es kööüäü