KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 60

 

 

ALLAH IL ALLAH!

Bearbeitung aus

Deutsche Herzen, deutsche Helden

 

 

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

 

 

 

Herausgegeben von

Dr. Euchar Albrecht Schmid

und Roland Schmid

© 1990 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1560-4

 

 

 

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

 

Inhalt

 

1. Krüger-Bei

2. Die Khanum der Beni Sallah

3. Der Scheik der Beni Abbas

4. Ein Faustkampf und ein Wettschießen

5. Im ‚Bett der Steine‘

6. Der Kampf um die Oase

7. Scheik Tarik bewährt sich

8. Das Grab am See el Chiyam


 

Die vorliegende Reiseerzählung spielt Anfang der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts und ist ein in sich abgeschlossener Teil aus dem von Karl May in den Jahren 1885/1886 geschriebenen vierten Münchmeyer-Roman „Deutsche Herzen, deutsche Helden“ (Bd. 60 und 61-63 der Ges. Werke). Über die Entstehungsgeschichte, den Werdegang und die Geschicke der fünf Münchmeyer-Romane findet man Näheres in Band 34 der GW „ICH“ und in den Sonderbänden „Karl-May-Bibliografie 1913-1945“ und „Der geschliffene Diamant“.


Einleitung

 

Manchem Leser der ersten sechs Bände meiner Reiseerzählungen ist vielleicht aufgefallen, dass sich in der Kette der Erlebnisse, die in Tunesien beginnen und bei den Bewohnern der ‚Schwarzen Berge‘ enden, eine räumliche und zeitliche Lücke befindet. Und er wird sich gefragt haben, ob sich auf dem langen Ritt von Tunesien über Tripolitanien bis nach Ägypten gar nichts Erzählenswertes ereignet habe.

Mehr als genug! Aber diese Ereignisse stehen mit den früheren und späteren Erlebnissen in keinem inneren Zusammenhang, sodass ich es für besser hielt, darüber hinwegzugehen und lieber in einem besonderen Band davon zu berichten.

Die vorliegende Erzählung füllt diese merkbare Lücke aus und versetzt uns zurück in die Zeit, da ich meinen Hadschi Halef Omar noch nicht lange kannte. Und ich denke, die Leser, deren Teilnahme und Freundschaft Halef gewonnen hat, werden gern mit mir zurückkehren in diese erste Zeit unseres Beisammenseins und uns willig auf den Pfaden folgen, auf denen es uns bestimmt war, ins Geschick so mancher lieber Menschen helfend einzugreifen.

 

 

 

1. Krüger-Bei

 

„Sihdi, nun muss es endlich heraus, wenn du nicht willst, dass ich ersticken soll. Ich habe es in mir all die Zeit herumgetragen wie die Henne, die ein Ei legen will und nicht weiß wohin. Aber jetzt ist meine Geduld zu Ende.“

Also sprach – nun, wer kann es, seiner Ausdrucksweise nach zu schließen, gewesen sein, wenn nicht mein Diener Halef, mit dem ich durch Algerien und durch die Schluchten des Auresgebirges gewandert war und vor einigen Tagen das fürchterliche Abenteuer auf dem Schott el Dscherid erlebt hatte, das wohl auch meinen Lesern noch in Erinnerung sein wird[1].

Ich hatte den türkischen Wekil in Kbilli aufgesucht, um von ihm Gerechtigkeit für das Verbrechen zu fordern, das von Hamd el Amasat auf dem Schott begangen worden war, und um mich zugleich an ihm schadlos zu halten für den Verlust unserer Tiere, die in dem unergründlichen, tückischen Salzsumpf verschwunden waren.

Der Leser weiß, wie der Wekil Gerechtigkeit übte. Aber ich war nicht gewillt, mich auf diese Weise abfertigen zu lassen. Mein Auftreten und die kräftige Befürwortung der holdseligen Gattin des Wekils veranlassten den Beherrscher des Nifzaua, mir für die verloren gegangenen Tiere einen Ersatz zu schaffen, mit dem wir durchaus zufrieden sein konnten. So waren wir vorzüglich beritten, als wir Kbilli verließen, um die Reise durch die Regentschaft Tripolis und über die Oase Kufarah nach Ägypten fortzusetzen.

Südlich des Schotts, im Gebiet des Uëlad Merasig, hatte ich einen Khabir[2] gemietet, der uns zu den Homrabeduinen bringen sollte, die diesseits und jenseits der Grenze zwischen den beiden Regentschaften Tunis und Tripolis, soweit man zu den damaligen Zeiten von einer Grenze reden konnte, ihre Weidegründe besaßen.

Hier, in der Nähe der Grenze – oder hatten wir sie schon hinter uns? – war es, wo mich Halef nach langem Schweigen, das sonst nicht seine Art war, ebenso plötzlich wie eindringlich anredete. Der wortkarge Führer, der nur dann ein Wort sprach, wenn es notwendig war, ritt einige Pferdelängen voraus.

„Nun, so schieß los!“, erwiderte ich auf den Herzenserguss Halefs.

„Sihdi, du weißt, dass ich dir ein treuer Diener gewesen bin und auch in Zukunft sein will.“

„Ich bin davon überzeugt, lieber Halef.“

„Und darum schmerzt es mich, dass ich dir in so manchen Punkten überlegen bin. Ich möchte so gern, dass mein Gebieter, den ich liebe, nicht nur in meinem Herzen, sondern auch in meiner Wertschätzung die Stelle einnimmt, die ihm gebührt.“

Ich blickte ihn erstaunt an. Worauf wollte er hinaus? Dass er sich mir überlegen fühlte, wusste ich wohl, nur hatte er mir das noch nie so unverblümt ins Gesicht gesagt. Wollte er vielleicht wieder mit seinen Bekehrungsversuchen anfangen? So schwieg ich denn lieber, als dass ich mir in seinen Augen eine Blöße gab. Aber mein Schweigen war nicht geeignet, den Wasserfall seiner Rede aufzuhalten.

Er schüttelte mitleidig den Kopf.

„Sihdi, du bist ein Mann, wie ich noch keinem begegnete. So mild und gut und doch auch so kraftvoll und kühn. Dennoch fehlt dir etwas, was zu einem Mann so notwendig gehört wie der Schlägel zur Darabukka[3], mit der der Soldat Lärm macht.“

„Und das wäre?“, fragte ich, jetzt wirklich neugierig geworden.

„Du hast keinen Namen.“

„Was du nicht sagst! Ich dächte doch!“

„Nein, Sihdi, du hast keinen Namen, wenigstens nicht das, was ich unter einem Namen verstehe.“

„Und was verstehst du darunter?“

„Schau, Sihdi, wir kommen in Gegenden, wo nicht nur der Mann etwas gilt, sondern wo es fast ebenso viel auf den Glanz seines Namens ankommt. Was wirst du nun sagen, wenn dich jemand nach deinem Namen fragt?“

„Ich werde ihn nennen: Kara Ben Nemsi.“

„Allah il Allah! Was ist Kara Ben Nemsi? Du hast mir erzählt, dass in den Oasen deiner Heimat Hunderttausende, ja Millionen wohnen. Ben Nemsi können also alle diese Ungezählten heißen. Was ist das Besonderes? Ein Hauch, der im Wind verweht! Die Spur eines Vogels, die im Sand verrinnt!“

„Aber du hast mir doch selber diesen Namen...“

„Uskut – schweig!“, unterbrach er mich zornig. „Das war am Anfang, als ich dich noch nicht so kannte wie jetzt. Das ist aber seitdem anders geworden. Ich habe deinen Wert erkannt und fühle, dass du einen Namen verdienst, wie ihn nur wenige besitzen.“

„Das ist doch mit meinem Namen der Fall. Ich bin noch keinem Menschen begegnet, der außer mir diesen Namen führt.“

„Sihdi, mach mich nicht zornig! Du verstehst mich gar wohl; du tust nur so, als ob du mit Blindheit geschlagen wärst. Ich wiederhole meine Frage: Was ist Kara Ben Nemsi? Sieh dir dagegen meinen Namen an! Kann sich Kara Ben Nemsi vergleichen mit Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah?“

„Nein“, lächelte ich, „das kann er nicht. Aber dafür darfst du doch nicht mich verantwortlich machen!“

„Allah Kerihm! Hast du keinen Vater, keinen Vatersvater und keinen Vatersgroßvater, deren erleuchtete Namen du dem deinigen anfügen könntest, damit alle, die dir begegnen, sich in Demut vor dir beugen?“

„Wenn es nur das ist! Ich kann dir sogar mit dem Namen meines Urgroßvaters dienen“, lachte ich.

„Elhamdulillah – Allah sei Dank! Endlich wirst du vernünftig! Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben. Aber nun werden wir mit vereinten Kräften einen herrlichen, unvergleichlichen Namen bilden, so wie man die Glieder einer kostbaren Kette zusammenfügt.“

Nach diesen Worten setzte er sich im Sattel zurecht, zog die Brauen erwartungsvoll in die Höhe und zupfte unternehmend an den wenigen Schnurrfäden des nur in seiner Einbildung vorhandenen Bartes.

„Den einen Namen kenne ich bereits. Er ist für die Lippen eines Bedawi schwer auszusprechen und ich habe daraus Kara gemacht. Bist du damit einverstanden?“

„Ich habe nichts dagegen.“

„Jeder rechte Mann hat aber mindestens zwei Namen. Mit welchem bist du also bei Beginn deiner irdischen Pilgerfahrt in die Bücher des Kadi eingetragen worden?“

„Mein Familienname lautet May.“

Da gab sich Halef einen Ruck, dass sein Pferd verwundert die Ohren spitzte.

„Maschallah! Ich habe nicht recht gehört. Sag deinen Namen noch einmal!“

„May.“

„Allah akbar! Meine Ohren haben mich also nicht betrogen. Du sagtest wirklich und wahrhaftig Majj. Aber Sihdi, so kann doch kein Mann heißen, so nennen sich bei uns viele Frauen und Töchter der Beni Arab!“

„Dafür kann aber doch ich nichts. Nicht ich habe mir diesen Namen gegeben.“

„Haida ma bisir, ma bisir abadan – das geht nicht, das geht unter keinen Umständen. Weißt du nicht, dass das Weib kein Mann ist? Und weißt du nicht, dass unter den wahren Söhnen des Propheten vermieden wird, auch nur den Namen einer Bent el Amm[4] zu nennen. Und du, ein Mann, wie ich noch keinen kennengelernt habe, willst den Namen eines Weibes führen?“

„Warum nicht? In meiner Heimat hat dieser Name nicht die Bedeutung, von der du sprichst.“

„Haida ma bichnussi – das geht mich nichts an. Sihdi, du bist jetzt nicht in den Wadis und Oasen von Dschermanistan, sondern in den Weidegründen und den Duars der Beni Arab. Und man wird dich nicht nach den Gebräuchen deiner Heimat, sondern nach den Gewohnheiten dieses Landes behandeln.“

„Aber was ist da zu tun?“

„Warte! – Welches ist der Name deines Vaters?“

„Auch May.“

„O Allah! Schon wieder Majj! Und der Name deines Vatersvaters?“

„Ebenfalls May. Auch mein Vatersgroßvater hat so geheißen und alle seine Vorvatersväter.“

Da warf er die Linke bedauernd in die Luft und stieß einen kläglichen Laut aus:

„Ja mussihbe, ia za’al – o Unglück! O Verdruss! Mein Herz ist erfüllt mit Traurigkeit und meine Seele möchte in Bitterkeit zerfließen. Sihdi, ich wollte dich durch deinen Namen berühmt machen in allen Duars und Oasen, soweit die Erde reicht und darüber hinaus, aber die Widerspenstigkeit deines Namens hat den Faden meiner vortrefflichen Absicht zerrissen und die unerschöpflichen Tiefen meines Herzens zugeschüttet. Allah bjarif – Allah weiß es!“

Die Enttäuschung Halefs machte mir heimlich Spaß. Ich ließ mir indes nichts merken, sondern tat, als ob ich sein Gebaren nicht verstünde.

„Aber was ist denn weiter dabei? Name ist doch Name!“

Jetzt wurde er ernstlich böse.

„Allah jisallim aklak – Allah bewahre dir deinen Verstand, damit er dir nicht ganz abhanden kommt! Du fragst, was das weiter bedeutet? Ja, verstehst du denn nicht, dass du dich durch deinen Namen lächerlich machen würdest?“

„Nein, das verstehe ich nicht. Ich bin der Meinung, dass der Wert und nicht der Name den Mann ausmacht.“

Er warf den Kopf in den Nacken und stieß ein lautes Lachen aus.

„Schweig still! Schweig ja still! Was verstehst du vom Wert eines Mannes? Nichts, gar nichts!“

Das war mir denn doch zu viel, das durfte ich mir nicht bieten lassen. Wenn ich auch wusste, wie es gemeint war, so musste ich doch tun, als ob ich gekränkt sei.

„Halef, was fällt dir ein? Vergiss nicht, wer von uns der Herr und wer der Diener ist!“

Das wirkte. Er sank in sich zusammen und meinte in gemäßigtem Ton:

„Sihdi, verzeih! Ich sehe ein, dass ich zu weit gegangen bin. Bedenke indes, dass mich nur meine Hochachtung für dich so weit trieb, dein Missfallen hervorzurufen! Aber so stelle dir doch einmal vor: Du kommst in ein Duar. Die Krieger des Stammes reiten dir entgegen und feiern dich mit der Baruhda, mit dem Pulverspiel des Willkommens. In festlichem Zug wirst du ins Duar begleitet. Vor dem Zelt des Scheiks steigst du ab und trittst ein. Eine Sklavin kommt mit Salz und Brot, dem Zeichen der Gastfreundschaft. Doch bevor du davon nimmst, fragt dich der Scheik nach deinem Namen. Und aus deinem Mund kommen die Worte: Ich bin Kara Ben Majj Ibn Majj Ibn el Ibn Majj. Kannst du dir vorstellen, was die Folge ist? Die Männer werden vor dir ausspucken, und die Weiber und Kinder werden mit Fingern auf dich zeigen. Das ist der Mann, werden sie sagen, dessen Väter ohne Namen sind und dessen Stammbaum sich von lauter Tanten und Muhmen der Ruhmlosigkeit herleitet. Und die Töchter der Beni Arab werden ihr Haupt verhüllen und werden vor dir entfliehen wie vor einem räudigen Hund, vor dir, der doch leuchten könnte wie Abd el Kader, der Held der Beduinen, oder wie der große Feldherr der Franken, der von den Beni Arab achtungsvoll Sultan el Kebihr[5] genannt wird.“

Damit schwieg er betrübt. Um dem Leser den Schmerz Halefs begreiflich zu machen, ist es allerdings notwendig, den Namen ins Deutsche zu übertragen, der ihm solchen Kummer verursachte. Im Deutschen würde dieser Name ungefähr folgendermaßen klingen: Karl, Sohn der Maja, Enkel der Maja und Urenkel der Maja. Nach beduinischen Begriffen allerdings ein unmöglicher Name! Ich ließ seinen Schmerz sich einige Zeit austoben, ohne ihn weiter mit den Namen meiner Ahnen und Urahnen zu reizen.

„Du willst es ja nicht anders“, sagte ich nach einer ganzen Weile mit aller Sanftheit, die ich aufzubringen vermochte, „als dass ich zum Spott aller uns Begegnenden werde.“

Da ließ er die Zügel fallen und spreizte abwehrend die Finger beider Hände aus.

„Rhemallah – das verhüte Allah! Wie kommst du auf diese mir unbegreifliche Zumutung?“

„Weil du mir unbedingt und unter allen Umständen einen Namen geben willst.“

„Das wollte ich, damit der Mann, der unter meinem Schutz steht und mit mir schon ungezählte Taten des Ruhms verrichtet hat, auch durch die Länge seines Namens berühmt werde.“

„Willst du mir nicht einige dieser ,ungezählten‘ Heldentaten nennen?“

„Sind wir nicht mit einer beispiellosen Kühnheit über den Schott des Verderbens geritten und...“

„...und dabei eingebrochen“, unterbrach ich ihn.

„Lass mich doch ausreden, Sihdi. Ich wollte sagen, dass wir uns mit einer geradezu unvergleichlichen Geistesgegenwart gerettet haben.“

„Ja, ich habe dich am Lauf meiner Flinte aus dem Schlamm gezogen, so wie man einen Krebs aus dem Wasser zieht.“

„Bitte, verkleinere doch nicht die unbezahlbaren Vorzüge unserer Eigenschaften! Dann haben wir den widerspenstigen Wekil von Kbilli gezähmt und unseren Wünschen dienstbar gemacht.“

„Du vergisst hinzuzufügen, dass uns dabei unser Gefangener entwichen ist.“

„Dafür trifft doch nicht uns die Schuld. Es kann also auch nicht unseren Ruhm beeinträchtigen. Dann haben wir...“

„Halt ein!“, unterbrach ich ihn lachend, um zu verhindern, dass er die Litanei unserer angeblichen Ruhmestaten bis ins Endlose fortsetzte, „reden wir lieber von etwas anderem! Du hast vorhin Abd el Kader genannt, den Helden von Algier. Nun ist es ja sicher, dass dieser Mann in seinem vollständigen Namen eine Reihe von berühmten Männern zählt, aber bei uns in Dschermanistan ist er nur als Abd el Kader bekannt und berühmt. Seinen ganzen Namen kennen höchstens einige wenige Talibs[6].“

„Meinst du?“, fragte er zweifelnd.

„Ganz gewiss. Und dann der Sultan el Kebihr hat überhaupt nur zwei Namen gehabt, nämlich Napoleon und Bonaparte. Hat ihn dieser bedauerliche Mangel aber nur im Geringsten in seiner Laufbahn gehindert oder beeinträchtigt?“

„Stimmt das von den zwei Namen aber auch wirklich?“

„Ich werde dich doch nicht belügen. – Du siehst also, dass es nicht auf den Namen ankommt, den ein Mann führt, sondern auf die Taten, die er vollbringt.“

„So meinst du, dass es bei deinem bisherigen Namen Kara Ben Nemsi bleiben soll?“

„Gerade das meine ich.“

Halef gab eine Weile keine Antwort. Nur hörte ich neben mir einen tiefen Seufzer. Dann war es wieder still. Erst nach einer langen Pause bequemte er sich, den Faden des Gespräches weiterzuspinnen.

„Du hast Recht, ich gebe es zu. Ich sehe also davon ab, dich durch das Geschenk eines klingenden Namens berühmt zu machen. Aber glaube nur ja nicht, dass ich deinem Beispiel folgen und nun ebenfalls auf meine sämtlichen Väter und Urahnenväter verzichten werde. Ich bin und bleibe Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah.“

Und als ich nichts erwiderte, fügte er hinzu:

„Aber zur Lehre des Propheten werde ich dich doch bekehren, du magst wollen oder nicht.“

Aha, da hatte ich es wieder! Die ganze Namengeberei zielte also nur darauf ab, mich, wie man sagt, einzuseifen. Zuerst der Name, alles Übrige würde sich dann schon mit der Zeit von selbst ergeben.

„Was meinst du, Sihdi, ob es Omar Ben Sadek wohl gelungen sein mag, den Mörder seines Vaters, diesen Schurken Hamd el Amasat, zu fangen und zu bestrafen?“, wechselte der schlaue kleine Kerl schnell das Thema, um der Abfuhr vorzubeugen, die er sich immer wieder bei seinen Bekehrungsversuchen geholt hatte.

„Das kann ich doch ebenso wenig wissen wie du. Wir haben leider seine Spur im Sand der Wüste verloren, und die Wüste ist endlos weit. Du kennst sie ja besser als ich. Vielleicht treffen wir Omar heute oder morgen wieder, vielleicht niemals. Allah allein weiß das!“

Halef wollte eine Antwort geben, aber er wurde daran gehindert.

Der Khabir hielt sein Pferd an und deutete mit der ausgestreckten Rechten nach Osten. Die anfangs nur spärlich mit Gras bewachsene Steppe hatte sich zuletzt mehr und mehr mit Grün belebt. Die einzelnen Büsche traten zu größeren Gruppen zusammen, ein sicheres Zeichen, dass es hier Wasser gab. Wir hielten auf einer kleinen Bodenerhöhung, von der wir einen weiten Ausblick über die vor uns liegende Ebene hatten. Ganz hinten, nahe am Horizont, waren mehrere Punkte aufgetaucht, die sich rasch vergrößerten. Sie hatte der Führer gemeint, als er durch sein Halten unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

Die nahenden Reiter mussten uns ebenso bald wahrgenommen haben wie wir sie, denn wir bemerkten, dass sie eine lange Linie bildeten, deren Enden sich scheinbar von uns zu entfernen strebten.

Ich erriet ihr Vorhaben gar wohl; sie wollten uns von allen Seiten fassen. Da es indes nicht in meiner Absicht stand, einer Begegnung mit den Beduinen auszuweichen, so blickten wir den Ankömmlingen mit den Waffen in der Hand ruhig entgegen.

Sie brausten wie der Sturm heran, in ihrer Mitte ein starker, sehniger Araber. Sein Gewand zeichnete sich durch nichts Besonderes aus. Um seine Hüfte lag ein einfacher Kamelstrick, und ebenso einfache Schnüre, aus Dattelfasern gedreht, waren auch um seinen riesigen Turban gewunden. Aber die Schimmelstute, die er ritt, war von der reinsten Rasse. Sie war von jener eigentümlich grauen Färbung, die man nur unter den Nachkommen des Pferdes findet, das Mohammed, der Prophet, am liebsten ritt.

Man erzählt sich, dass der Prophet, als er noch sehr wenige Anhänger hatte, in ein arabisches Zeltdorf kam, um sich ein Pferd zu kaufen. Er wurde nach dem Weideplatz geführt, und als er dort anlangte, scheuten alle Tiere, als ob sie von seiner Herrlichkeit geblendet wären. Nur das einzige graue unter ihnen kam herbei und beugte seine Knie vor dem Gesandten Allahs, um ihm zu huldigen.

Der aber stieg sofort auf und sagte:

„Gesegnet sei dieses Ross! Es soll den ersten Diener Allahs tragen, und verflucht sei, wer an seinen Nachkommen einen Fehler findet!“

Seit jenen längst vergangenen Tagen tragen alle Abkömmlinge dieses Pferdes die graue Farbe. Sie werden heilig gehalten, nur selten, und dann zu unglaublich hohen Preisen, verkauft, und auf ihre Zucht verwendet man solche Sorgfalt und Mühe, dass ihr Stammbaum niemals einen Makel zeigt.

Also solch eine Stute ritt der Mann in der Mitte, wohl der Scheik. Der Reiter an seiner rechten Seite war von kurzer, starker Gestalt. Auch er war vorzüglich beritten. Er saß auf einem Vollblutrappen und hatte den weißen Beduinenmantel überhängen; aber unter diesem, da, wo er geöffnet war, glänzten dicke, goldene Uniformschnüre hervor, die ich deutlich bemerkte, als die Reiter auf ungefähr hundert Pferdelängen herangekommen waren.

Beim Anblick des Waffenrocks stieg eine Vermutung in mir auf. Schnell zog ich den Zipfel meines Haïks[7] so über das Gesicht, dass der obere Teil verdeckt war. Es war nicht notwendig, dass der Mann im Militärrock mich auf den ersten Blick erkannte.

Denn wenn ich mich nicht täuschte, so gehörte zu dieser gedrungenen, beleibten Gestalt ein hochrotes Gesicht mit einem gewaltigen Schnurrbart, ein Gesicht, das trotz aller zur Schau gestellten Derbheit den Eindruck der Gutmütigkeit machte. Und dieses Gesicht war Eigentum meines Freundes Krüger-Bei, ‚Herr der Heerscharen‘ des Beis von Tunis Mohammed es Sadok Pascha. Diesem Krüger-Bei war ich zum ersten Mal vor ein paar Jahren weiter nördlich begegnet, als mich die Verfolgung des Krumir weit in das Innere Tunesiens geführt hatte.[8]

Der tapfere Oberst der Leibwache war von Geburt ein Deutscher. Er stammte aus der Mark Brandenburg und hatte als Braugeselle die Heimat verlassen, um sein Glück in der Fremde zu suchen. Er hatte es gefunden.

Nach vielen Kreuz- und Querfahrten war er nach Tunis gekommen und hatte sich dort anwerben lassen. Von Haus aus recht gut begabt, furchtlos und tapfer, war er nach und nach immer höher gestiegen und zuletzt Kommandant der Leibscharen geworden. Natürlich hatte er sich da zum Islam bekennen müssen, war aber im Herzen doch ein Christ und dazu ein guter, ehrlicher Deutscher geblieben.

Im Lande eine allbekannte und überall beliebte Persönlichkeit, wurde er besonders von den Fremden um einer Eigentümlichkeit willen gern aufgesucht, die ihn zu einem wirklichen Original stempelte. Diese Eigentümlichkeit war seine Art, sich im Deutschen auszudrücken.

Das Türkische und das Arabische waren ihm vollständig geläufig geworden, er beherrschte beides wie ein Eingeborener. Anders aber stand es um seine Muttersprache. Von wirklicher Schulbildung konnte bei ihm keine Rede sein, und er kannte sein Deutsch nur so, wie es eben ein Brauknecht und dazu ein echter Brandenburger spricht – also im dortigen Dialekt. Später aber bot sich ihm jahrelang keine Gelegenheit mehr, sich des Deutschen zu bedienen, und er hatte seine Muttersprache zu Dreivierteln vergessen. Was ihm noch übrig geblieben war, das gebrauchte er nach den Regeln der türkischen und der arabischen Sprache, und dadurch entstand eine Ausdrucksweise, die nahezu unbeschreiblich ist.

Hinzu kam, dass er sehr gern sprach. Nichts machte ihm größere Freude, als wenn ihn einmal ein Deutscher besuchte. Dann tat er sich eine förmliche Güte und machte mit dem ernstesten Gesicht derart kuriose Sprachfehler, dass der Zuhörer alle Selbstbeherrschung anwenden musste, um sich nicht vor Lachen auszuschütten. Arabisch und Türkisch sprach er in derselben blumen- und bilderreichen Sprache wie die Eingeborenen, und da er die gleichen Blumen und Bilder auch im Deutschen brachte, wo sie gar nicht hinpassten, so steigerte sich das Komische umso mehr, je gewählter er zu sprechen vermeinte. –

Ich musste allerdings staunen, ihn, den Führer der Leibgarde Mohammed es Sadok Paschas, in dieser südlichen Gegend wieder zu sehen. Denn bis hierher erstreckte sich der Machtbereich des Beis von Tunis sicherlich nicht. Was hatte Krüger-Bei, wenn er es wirklich war, bei einem Stamm zu suchen, der keinen Herrn über sich anerkannte und dessen räuberischer Übergriffe sich Mohammed es Sadok Pascha nur durch eine jährliche Abgabe – er nannte sie allerdings ‚Geschenk‘ – von Ehrenburnussen erwehren konnte?

Ich hatte keine Zeit, diese Erwägungen fortzusetzen, denn jetzt waren die Reiter da. Im vollen Lauf kamen sie herangestürmt; und erst, als uns die Spitzen ihrer Lanzen hätte berühren können, rissen sie die Pferde mit einem Ruck, der sie beinahe in die Hechsen warf, zur Seite und stürmten an uns vorüber. Wir waren an derlei Reiterkünste schon gewöhnt und zuckten nicht mit der Wimper.

Die Reiter zügelten ihre Tiere und schlossen dann einen engen Kreis um uns.

Der, in dem ich den Scheik vermutete, betrachtete uns mit finsteren Augen und wandte sich dann an mich, wohl weil er mich für den Vornehmsten von uns dreien hielt.

„Wer bist du?“

„Ein Fremder.“

„Das sehe ich. Wärst du nicht ein Fremder, so würde ich dich kennen. Wie lautet dein Name?“

Ich hatte keine Lust, mich in dieser Weise von ihm ausfragen zu lassen. Schon die erste Begegnung entscheidet darüber, ob man von diesen Halbwilden geachtet wird oder nicht.

„Noch kenne ich den deinigen nicht!“, sagte ich ruhig.

„Allah hat dir den Verstand genommen! Du meinst, dass ich dir meinen Namen sagen muss, um den deinigen zu erfahren?“

„Ja, das meine ich.“

„Wer bist du, dass du das zu sagen wagst? Wisse, dass ich der Herr und Gebieter dieses Bodens bin, Herr über Tod und Leben; auch über das deinige!“

„Du irrst. Mein Leben gehört Allah und mir. Er hat es mir gegeben und ich werde es mir zu erhalten wissen, bis er es von mir fordert.“

Ich sah gar wohl, wie die Beduinen, gespannt, wie diese Unterredung enden würde, ihre Augen mit Begierde auf meine Waffen richteten. Der Wüstenbewohner ist ein geborener Räuber, und nur der ist bei ihm sicher, der es verstanden hat, seine Gastfreundschaft zu erlangen.

„Du bist sehr stolz“, fuhr der Araber zornig fort. „Ich habe es nicht nötig, mich mit dir zu streiten. Hier ist einer, den ich kenne. Er wird mir antworten müssen.“ Dann wandte er sich an unseren Khabir. „Wer ist dieser Mann?“

„Ich weiß es nicht. Er bezahlt mich und ich führe ihn. Was geht mich sein Name an? Fragt ihn selbst!“

„Wohin sollst du ihn bringen?“

„Zu dir.“

„Wie? Er will zu mir? Zu dem Scheik der Krieger vom Stamm der El Homra?“

„Ja.“

Ah, also dieser Mann war wirklich der Scheik dieses Gebietes. Dann durfte ich allerdings den Bogen nicht zu straff spannen.

„Wenn du wirklich der Scheik der El Homra bist, wie ich von meinem Khabir höre“, sagte ich, „so bin ich bereit, dir zu antworten.“

„Du hattest mir schon vorher Rede zu stehen!“

„Nein, ich befand mich vor dir an diesem Platz, und wer an einen Ort kommt, an dem sich bereits andere befinden, der hat den Gruß zu sprechen. Du aber grüßtest nicht. Wie konnte ich dir da antworten?“

„Du redest so stolz, als wärest du ein Scheik. Aber du wirst jetzt begreifen, dass ich als Gebieter dieser Gegend das Recht habe, nach deinem Namen zu fragen.“

„Ich begreife es. Und darum will ich dir antworten. Mein Name ist...“

„Halt, Sihdi!“, wurde ich da von Halef unterbrochen. „Erlaube, dass ich es übernehme, uns vorzustellen.“ Und zum Scheik gewandt fuhr er fort: „Dieser Held aus dem Abendland, der dich bittet, sein Haupt in deinen Zelten zur Ruhe legen zu dürfen, könnte einen Namen führen, der von der Erde bis zu den Sternen reicht. Aber er zieht es vor, sich einfach Kara Ben Nemsi zu nennen. Unseren Khabir vom Stamm der Merasig kennst du schon. Ich aber, der Freund und Beschützer dieses Mannes, nenne mich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah!“

Wenn Halef glaubte, mit seiner Vorstellung auf den Scheik einen gewaltigen Eindruck gemacht zu haben, so täuschte er sich allerdings sehr. Der Scheik warf einen finsteren Blick auf mich.

„Dieser Mann behauptet, du seist aus dem Abendland. Ist es so?“

„Ja.“

„Dann bist du wohl gar kein Anhänger des Propheten, sondern ein verfluchter Giaur?“

„Wenn du damit sagen willst, dass ich ein Christ bin, so gebe ich dir Recht. Den Ausdruck, ,verfluchter Giaur‘ weise ich jedoch zurück.“

Der Scheik lächelte verächtlich.

„Wie wolltest du es hindern, dass ich dich auch fernerhin so nenne?“

Mit einer sprechenden Bewegung legte ich die Hand an meine Gewehre.

„Das würdest du erfahren.“

„Willst du mich lachen machen? Was vermag ein schwacher Franke gegen zehn tapfere Söhne der Wüste? Doch um es kurz zu machen: Für einen Giaur ist kein Platz in den Zelten der El Homra.“

Mein erstes Augenmerk bei der Ankunft des Bedawi war, wie gesagt, auf den Mann in Militärkleidung gerichtet gewesen, der abseits vom Scheik hielt.

Ja, er war es wirklich, mein Freund von früher her, der ehemalige Fremdenlegionär und jetzige Oberst der tunesischen Leibwache, der alte Sprachverderber aus dem Brandenburgischen.

Ich freute mich auf die Überraschung, die das Wiedererkennen bringen würde, und war überzeugt, dass er der Angelegenheit eine neue Wendung geben werde.

Deshalb ließ ich mein sorglosestes Lächeln sehen.

„Und ich sage dir, du wirst mir das ,Marhaba‘[9] nicht verweigern.“

Der Scheik blickte mich groß an.

„Maschallah! Du wagst es, Fremdling, mir zu widersprechen? Ich schwöre dir beim Bart des Propheten, dass ich dich...“

„Halt, schwöre nicht, o Scheik, denn du könntest deinen Schwur nicht halten! Oder würdest du die Wangen deines Gastes, den meine Augen an deiner Seite erblicken, schamrot machen?“

„Wahre deine Zunge, Fremder! Was hat Krüger-Bei mit dir zu tun?“

„Er wird dir sagen, dass es für ihn eine unverzeihliche Schande bedeuten würde, wenn du mich, seinen Freund, durch Verweigerung des Gastrechtes kränktest.“

Der Oberst war der Unterredung aufmerksam gefolgt. Jetzt zuckte es über sein rotes Gesicht in höchster Überraschung.

Er richtete seine Augen forschend auf meine halb verborgenen Züge.

„Du nennst dich meinen Freund? Ich kenne dich nicht.“

„Sollte ich mich so verändert haben, dass Sie mich wirklich nicht mehr kennen?“, fragte ich in deutscher Sprache, indem ich mit einer Kopfbewegung den Haïk zurückwarf und ihm die Rechte entgegenstreckte. „Grüß Gott, Herr Oberst! Es freut mich, Sie so gesund und frisch wiederzutreffen.“

Krüger-Bei riss die Augen auf, als ob er ein Gespenst vor sich hätte. Dann haschte er nach meiner Hand und quetschte sie in seinen Fäusten, dass sie mich schmerzte.

„Dunderwetter! Sie! Also Sie! Allah ist jroß! Das sehe ich ein in Allmählichkeit! Wat das vor eene Überrumplung ist! Wer hätte das jedacht! Ich jebe Sie hier meine Hände und heiße Ihnen ein Willkommen mit lauter Pauken und Trompeten. Jesegnet soll sind Ihr Anjesicht unter allen Anjesichtern der hiesigen Umjebung!“

Nach dieser glänzenden Sprachprobe wandte er sich an den Scheik und stellte mich als einen Mann vor, den er zu seinen besten Freunden zähle.

Das veränderte die ganze Lage. Die Mienen der Beduinen wurden freundlicher und der Scheik streckte mir die Hand entgegen.

„Verzeih! Das konnte ich nicht wissen. Habakek – sei mir willkommen! Wenn wir im Lager angelangt sind, wirst du Salz und Brot mit mir essen und den Becher mit mir teilen. Deine Freunde sollen die meinigen sein und deine Feinde auch die meinigen!“

Auf einen Wink des Scheiks öffnete sich der Kreis um uns und der Zug trat die Rückkehr an.

Wie ich erst jetzt bemerkte, hatte man sich auf der Jagd befunden. Ein Beduine trug einen Falken, dem die lederne Kappe über den Kopf gezogen war, und hinter dem Sattel von zwei anderen sah ich je einen erlegten Strauß angeschnallt.

Die Beduinen jagten dem Lager in stürmischem Galopp entgegen, dem sich auch mein Führer anschloss. Ich selber ritt mit Krüger-Bei langsam hinterdrein. Halef hielt sich, obgleich er nichts von der folgenden Unterhaltung verstand, an meiner Seite.

„So!“, sagte der Oberst. „Jetzt sind wir allein, und wir können mit uns reden, ohne dass uns jestört zu werden dürfen. Also Sie wieder hier! Wat suchen Sie in diese jefährliche Jejend?“

„Was ich überall suche. Sie wissen doch, dass ich reise, um Land und Leute kennenzulernen.“

„Jut jebrüllt, alter Löwenonkel! Also immer noch derselbige! Mich dajejen hat eine schwierige Aufgabe zu erfüllen. Können Sie sich vorzustellen, wat ich zu besorjen müssen muss?“

„Oh, ich denke, dass Sie hier irgendeine politische Mission zu erfüllen haben

„Politisch? – Sind Sie des Teufels?“

„Meinen Sie, dass die Diplomaten zum Teufel gehören?“

„Diplomat? Ah, dat ist etwas anderm!“

„Ach so! Sie unterscheiden zwischen Diplomaten und demjenigen, der Politik treibt?“

„Janz natürlich!“

„Dürfte ich Sie bitten, mir diesen Unterschied zu erklären?“

„Aber jerne! Diesem Unterschied jibt es janz einfach. Wer Politik mit Glück anzufangen jewusst, dem heiße ick ein Diplomat. Wer die Politik aber nicht jeraten tut, der is nur und bleibt Politiker.“

„Wirklich einfach, aber treffend! Ich gestehe aufrichtig, dass ich auf diese feine Unterscheidung nie gekommen wäre.“

„Ja, hier hat es ihm!“

Der brave Oberst deutete dabei nach seiner Stirn.

„Haben Sie Glück gehabt in Ihrer diplomatischen Mission?“

„Ausjezeichnet! Mir haben eene Menge Pferde jekauft für den Marstall des Bei.“

„Nicht doch! So meine ich es nicht. Oder sind Sie bloß deswegen so weit südlich gekommen, um Pferde zu kaufen? Das hätten Sie viel einfacher bei den nördlichen Stämmen besorgen können.“

Krüger-Bei lächelte verschmitzt.

„Wenn Sie eine schwere Aufjabe zu erfüllen haben werden, obendrum mit Menschen, die Ihnen vorsichtig behandelt zu werden scheinen, werden Sie dann sofort mit die Tür in dem Haus fallen, wie uns Deutsche zu sagen belieben haben?“

„Allerdings nicht“, lachte ich.

„Na eben insofern! Dem Schein nach Pferde jekauft für dem Marstall, der Wirklichkeit aber Erfüllung allen Wünschen, deren Mohammed es Sadok Pascha zu haben jeruht.“

„Dann ist Ihr Aufenthalt hier wahrscheinlich nur noch von kurzer Dauer?“

„Versteht sich! Ick reise morjen ab, wenn auch übermorjen, im Falle mir ein Jeschäft jemacht zu haben werden. Ick koofe mich nämlich eene Frau.“

Ich sah ihn überrascht an. „Verstehe ich Sie recht? Sie wollen sich eine Frau kaufen?“

„Ja und immerhin.“

„Hier bei diesen Leuten?“

„Versteht sich!“

„Ich denke, dass ein Beduinenmädchen niemals verkauft werden kann.“

„Eijentlich nie nich. Aber es is een Gast hier vom Stamm der Tuareg. Die Tuareg verkoofen zuweilen ihre Frauen und Mädchen. Der Kerl hat zwei Mädchen, von denen die eene det Anjesicht eines Engels hat.“

„Ach so! Sie haben hier ein schönes Mädchen gesehen und sind dabei auf den Gedanken gekommen, es zu kaufen?“

„Ja, für meinen Harem.“

„Was? Sie haben sogar einen Harem? Ist er stark?“

„Stark? Hm. Die eine, die Älteste, ist sogar sehr stark, viel stärker noch als mich. Wiegt beinahe drei Zentner. Den anderen sind alle schlank.“

„Sie sind also verheiratet, sogar mehrfach! Das wusste ich nicht. Darf man Ihnen dazu Glück wünschen, Herr Oberst?“

Krüger-Bei machte ein pfiffiges Gesicht.

„Ick kann mir schon denken, wat Sie jetzt denken, oller Löwenonkel! Nee – es hat allet seine Schattenseiten!“

„Und dennoch wollen Sie sich noch eine weitere Frau anschaffen? Ich glaube, Sie sind alles in allem doch ein richtiger Mohammedaner geworden – habe ich Recht?“

„Ja, natürlich! Oder meinen Sie: unnatürlich? Is et nich ejal, ob Sie sagen Allah oder ob man lautet auf Jott oder den Heilijen Drei Königen? Lassen Sie Ihnen und mir davon schweigen! Hat die Religion dem Herzen, so sind die äußerlichen Sachen keinem Wert und Bedeutung! Aber, wat meine Neue betrifft – diese Anjelejenheit is nich so, wie Sie zu denken scheinen. Werde die Sache später erklären, jetzt is keene Zeit mehr dazu. Schau! Hier sieht man das Lager!“

Der Oberst hatte Recht. Von da, wo wir hielten, hatten wir einen vollen Überblick auf das Lager des Beduinenstammes. Es bildete eine lange Doppelreihe von Zelten, und außerhalb dieser Zeltreihe weideten die Herden: auf der einen Seite Pferde und wenige Rinder, auf der anderen Kamele und zahlreiche Schafe.

Die Pferde, besonders jene von ihnen, die besserer Rasse angehören, haben einen wohl unüberwindlichen Widerwillen gegen die Kamele, deren Ausdünstung sie nicht vertragen können. Muss man nun bei Wanderungen diese beiden Tierarten eng beieinander haben, so trennt man sie doch auf der Weide; das Pferd würde sonst nicht gedeihen.

Als wir uns den Zelten näherten, quoll zwischen ihnen eine dicht gedrängte Menge Reiter hervor. Sämtliche männlichen Bewohner des Lagers schienen sich auf die Pferde geworfen zu haben und sprengten uns jetzt schießend und schreiend entgegen, um die neuen Gäste zu begrüßen.

Und als wir dann die Gasse hinaufritten, um uns nach dem Zelt des Scheiks zu begeben, standen zahlreiche Frauen und Mädchen vor den Zelten, um die neuen Ankömmlinge zu betrachten.

Es waren aber dennoch einige männliche Bewohner des Duars zurückgeblieben. So bemerkte ich vor einem der Zelte einen Mann, der uns beobachtete. Er war groß, hager und sehnig. Die helle Hautfarbe, die schwarzen Augen und Haare, das kaukasisch gebildete Gesicht waren mir Beweis, dass ich einen Targi vor mir hatte, wenn auch die stark aufgeworfenen Lippen und die hervortretenden Backenknochen den sicheren Beweis gaben, dass das Blut der schwarzen Rasse in seinen Adern rollte.

Die Tuareg oder Imoschar, wie sie sich selber nennen, sind ein nomadisierendes kriegerisches Berbervolk, das den ganzen mittleren Abschnitt der Sahara bis zur Linie Tuat-Timbuktu im Westen besiedelt und sich in Sitten und Gebräuchen vielfach von seinen arabischen Nachbarn unterscheidet. Manche Tuaregstämme sind berühmt durch ihre Kamelzucht.

Auch schon die Kleidung des Mannes wies ihn als Targi aus. Wenngleich er nicht den charakteristischen dunkelblauen Litham, den Gesichtsschleier, trug, so war er doch mit einem schmutzigen weißen Tikamist, dem langärmeligen Baumwollhemd, und mit einer blauen Karteba, der bauschigen Baumwollhose, die um die Hüften von einem langen roten Gürtel festgehalten wurde, bekleidet. Und wenn er auch sonst nicht bewaffnet war, so hätte ich doch wetten mögen, dass unter den Hemdsärmeln an der inneren Fläche seiner Vorderarme mit Spangen Dolche befestigt waren. Die Tuareg umarmen nämlich im Kampf ihren Feind und stoßen ihm dann die beiden Messer von hinten in die Lunge.

Eben als wir in seine unmittelbare Nähe gekommen waren, öffnete sich der Vorhang des Zeltes und ein Mädchen trat heraus, anscheinend um die Gäste zu betrachten. Bei dem Geräusch, das sie dabei verursachte, drehte sich der Targi schnell um.

„Was fällt dir ein?“, brüllte er sie zornig an. „Schnell hinein! Bei allen Scheitans der Dschehennah! Oder ich steche dir das Messer in den Leib!“

Wie der Targi, die Zähne grimmig zusammengebissen, vor ihr stand, sah er ganz so aus, als wollte er dem kleinen Vergehen eine schwere Strafe folgen lassen.

Das Mädchen fuhr erschrocken zurück und verschwand.

Trotz der Kürze des Augenblicks hatte ich die eigenartig schöne Gestalt vollständig gesehen. Sie war unverschleiert gewesen.

Während die in den Städten wohnenden Maurinnen ihr Gesicht stets verhüllen, nehmen es die Töchter der freien Beduinen damit nicht so genau. Sie wissen, dass sie sich blicken lassen können, und sind auch zu stolz, um durch das Verschleiern mittelbar einzugestehen, dass irgendeine Herzensgefahr ihnen drohen könnte, wenn sie ihre Züge zeigen.

Diese junge Wüstenbewohnerin, die so rasch wieder hatte verschwinden müssen, war von hoher Gestalt und vollen Formen, während sonst die Beduinenmädchen einen schlanken, zierlichen Gliederbau besitzen. Wären ihre Züge nicht echt orientalisch gewesen, so hätte man sie wegen der blendenden Weiße ihrer Haut für eine nordische Europäerin halten können. Jedenfalls hatte diese bezaubernde Araberin es niemals nötig gehabt, sich wegen irgendeiner Beschäftigung den Strahlen der Sonne auszusetzen. Ihre Hautfarbe ließ auf eine hohe, vornehme Abkunft schließen.

Ihre dunklen Augen waren samtweich und mir kam es vor, als ob sie einen kurzen Augenblick wie in inniger Bitte auf mir geruht hätten. Doch war das wohl eine Täuschung; denn was sollte das Mädchen von mir, dem Fremdling, wünschen, was ihr ihre Stammesgenossen nicht ebenso gut gewähren konnten?

Die Zöpfe ihres nachtdunklen Haares hingen lang und stark bis fast zur Erde herab und waren mit eingeflochtenen Korallen und glattgeschliffenen Löwenzähnen geschmückt. Die Art des Schmuckes ließ erraten, dass die männlichen Angehörigen ihrer Familie tapfere und unerschrockene Krieger und Jäger waren und ihre Tochter oder Schwester sehr lieb hatten, da sie ihr sonst die Siegeszeichen der gefährlichen Löwenkämpfe gewiss nicht zu einem so wenig kriegerischen Zweck geschenkt hätten.

Als wir am Zelt vorüber waren, stieß mich Krüger-Bei mit dem Griff der Reitpeitsche an.

„Haben Sie ihr jesehn?“

„Wen?“

„Nun, dieses Mädchen. Wie jefällt es Ihnen?“

„Es ist sehr schön.“

„Nicht wahr? Das ist die, von der ick vorhin zu Ihnen jesprochen jehabt habe.“

„Ich beglückwünsche Sie.“

„O bitte! Det Ding ist anders, als Sie meinen. Eijentlich darf ich ihr nicht koofen, sofern ick bin jezwungen, ihr zu heiraten.“

„Um Ihren Harem zu vergrößern?“

„Nicht und niemals.“

„Dann begreife ich doch nicht, aus welchem Grund Sie sie kaufen oder gar heiraten wollen.“

„Det will ick Ihnen zu erklären beabsichtigen. Ick will ihr nämlich nicht für mich, sondern für den Mohammed es Sadok Bei von Tunis haben. Weil ihr keine Schwarze ist, darf ihr auch nicht verkauft sein, sondern wer ihr haben will, muss ihr heiraten. Dadrum heirate ick ihr und lasse mich dann gleich dem Scheidebrief ausfertigen.“

„Ah so! Wann wird die Heirat vor sich gehen?“

„Heute Abend noch oder folglichen Tag bei frühem Morgen. Der Bote ist bereits fort, um dem Mullah zu holen, dem mohammedanischen Pfarrer, wie Sie vielleicht zu wissen jeneigt sind. Wenn diesem Mullah noch heute kommt, sodann wird sie mich anjetraut werden, und dann wird er mir auch gleich wieder von sie scheiden. Sie ist dann mein Eijentum, aber nicht mehr meine Frau, und ick werde ihr den Bei als Anjebinde verehren.“

Dieses eigentümliche Gespräch konnte nicht fortgesetzt werden, da wir an einem großen Zelt angelangt waren, wo der Scheik uns erwartete.

Es war kostbarer ausgestattet als die anderen. Mehrere Speere steckten vor dem Eingang in der Erde, und daran hingen Bogen, Pfeile und Schilde als Zeichen, dass hier der Herr des Lagers seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte.

Der Scheik trat jetzt an mein Tier heran und ergriff es am Zügel.

„Steig ab, Effendi, und tritt in meine arme Hütte! Sie ist dein Eigentum und das deines Dieners.“

Ich sprang vom Pferd.

Da wurde ein Teppich, der den Eingang zum Zelt bildete, zurückgeschlagen. Ein halbverschleiertes Weib trat heraus, das auf einem runden Holzteller Salz, eine Dattel und ein Stück ungesäuertes Brot nebst einer Schale Wasser trug.

„Trink mit mir!“

Bei diesen Worten tat der Scheik einen Schluck, und ich trank das übrige Wasser. Dann erhielt ich die halbe Dattel und die Hälfte des Brotes, das in Salz getaucht wurde. Der Scheik selber genoss das Übrige.

So war ich der Gast des Arabers, der von jetzt an nach der Sitte des Landes verpflichtet war, alles für mich zu tun, was in seinen Kräften stand. Natürlich war Halef in die Gastfreundschaft eingeschlossen.

Der Oberst verabschiedete sich nun von uns, er wohnte in einem eigenen Zelt.

Wir traten in das Zelt des Scheiks. Es bildete einen einzigen Raum. Das pflegt sonst nicht der Fall zu sein. Gewöhnlich ist eine Abteilung für die weiblichen Bewohner abgesondert. Doch war der Scheik reich genug, um für seine Frau ein besonderes Haremszelt zu besitzen.

Auf dem Boden waren Teppiche, Matten und Kissen ausgebreitet. Wir ließen uns nieder und wurden von der erwähnten Frau bedient.

Es gab einstweilen nur so viel, um den Hunger zu stillen. Später sollte ein Schaf geschlachtet und am Spieß gebraten werden. Dann erst, wenn dieser Braten fertig war, konnte die eigentliche Mahlzeit gehalten werden.

Der Wirt erhob sich bald wieder und bat, uns verlassen zu dürfen, da er die Anordnungen für das Nachtmahl zu treffen habe.

Wir blieben allein. Halef war, seit Krüger-Bei mich erkannt hatte, nicht mehr zu Wort gekommen. Jetzt holte er das Versäumte gründlich nach und erging sich in Ausdrücken des Staunens und der Genugtuung, dass wir es so gut getroffen und eine so freundliche Aufnahme gefunden hätten. Dann forschte er mich über Krüger-Bei aus und ich musste ihm von unserem damaligen Zusammentreffen erzählen.

„Du sagtest doch, dass dieser Bei aus dem Land stamme, das auch deine Heimat ist?“

„Ja, er ist ein Deutscher.“

„Ich wundere mich, dass ein Nemsi, ein Ungläubiger, eine so hohe Stellung einnimmt in einem Land, das den wahren Gläubigen gehört.“

„Er ist kein Ungläubiger mehr nach deinem Sinn.“

„Wie meinst du das?“

„Er hat die Lehre deines Propheten angenommen.“

„Maschallah – Wunder Gottes! Was höre ich! Er ist ein rechtgläubiger Sohn des Propheten geworden! Und ich habe ihn für einen Giaur gehalten, schon wegen seiner Nase.“

„Wegen seiner Nase?“

„Ja, Sihdi! Sie ist so rot, dass ich auf den Gedanken kam, er liebe die Getränke, die der Prophet verboten hat. Und das tut doch kein gläubiger Bekenner des Koran.“

Nun, was diesen Punkt betraf, so konnte ich selber nicht an die ‚Rechtgläubigkeit‘ meines biederen Landsmannes glauben. Ich hütete mich freilich wohlweislich, Halef meinen Zweifel zu gestehen.

„Willst du nicht dem Beispiel dieses Mannes folgen, Sihdi, und dich ebenfalls zum Propheten bekehren?“, fügte er mahnend hinzu. „Du siehst an diesem jetzigen Bei und früheren Diener des Hopfens und der Gerste, was der Koran aus seinen Anhängern zu machen im Stande ist.“

Aha! Nun hatte Halef wieder sein Steckenpferd bestiegen und es war vorauszusehen, dass er diesen Gesprächsstoff nicht so bald wieder aufgeben würde.

Dieser Gefahr wollte ich mich indes lieber nicht aussetzen; ich erhob mich, um vor dem Abendessen noch einen Rundgang durch das Duar zu machen. Doch bevor ich das Zelt verließ, rief mir Halef noch siegesgewiss nach:

„Und ich werde dich trotzdem zur Lehre des Propheten bekehren, du magst wollen oder nicht!“

 

*

 

Langsam schritt ich durch die Zeltgasse in der Richtung, aus der wir gekommen waren.

Ich musste dabei an den Targi und das schöne Mädchen denken, das ich einen Augenblick lang gesehen hatte. Unwillkürlich lenkte ich meine Schritte nach dem Zelt, das der Targi bewohnte.

Ich hatte es indes noch nicht erreicht, so sah ich seitlich eine Frauengestalt zwischen den Zelten hervortreten und winken. Galt das mir oder einem anderen?

Ich blickte mich um. Es war kein Mensch in der Nähe. Also musste ich das Winken auf mich beziehen.

Unauffällig ging ich der Frau nach. Ich sah sie die Richtung hinter das Duar einschlagen und dann zwischen den Büschen verschwinden, die hart ans Lager grenzten. Vorsichtig schaute ich nach rechts und links und strebte ebenfalls den Büschen zu.

Dort wartete die Frau. Sie hatte den Schleier entfernt, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte. Es war alt und von unzähligen Falten durchzogen; doch hatte es keinen abstoßenden Ausdruck. Die Frau war in jungen Jahren jedenfalls schön und begehrenswert gewesen.

Jetzt lag der Ausdruck von Angst und Sorge in ihren Zügen.

„Winktest du mir?“, fragte ich, als ich sie erreicht hatte.

„Ja, Sihdi! Zürne mir nicht!“

„Was wünschst du?“

„Ich bitte dich um Allahs und des Propheten willen, meine Herrin und mich zu retten.“

Mir kam eine Ahnung.

„Wer ist deine Herrin?“

„Sie ist die Tochter des berühmten Scheiks der Beni Abbas.“

„Wie kommt sie dann hierher?“

„Wir reisten durch die Wüste und wurden von den Tuareg überfallen. Sie töteten unsere Begleiter und nahmen uns gefangen. Der eine von ihnen will uns ans Meer bringen, um uns zu verkaufen.“

„Wie kommt es, dass ihr eine solche Reise wagtet?“

„Wir wollten bis nach Masr[10].“

„Allah! Welch eine weite Reise für zwei Frauen!“

„Das Herz rief uns und das Herz trieb uns. Hast du vielleicht einmal von der Khanum[11] der Wüste gehört?“

„Nein.“

„Sie ist die Schwester meiner Herrin und wohnt an der Grenze von Masr. Wir wollten sie besuchen.“

„Wie heißt deine Herrin?“

„Hiluja.“

Das bedeutet ‚die Süße‘ und passte gewiss mehr als jeder andere Name auf die schöne Tochter der Beni Abbas.

„Ist deine Herrin vermählt?“

„Nein, Herr!“

„Ist sie vielleicht einem eurer Jünglinge versprochen?“

„Nein. Ihr Herz hat noch nicht gewählt. O Herr, wenn du sie retten wolltest!“

„Warum wendet sie sich gerade an mich?“

„Sie hat dich bei deiner Ankunft erblickt und Vertrauen zu dir gefasst. Auch bist du ihr heute Nacht im Traum erschienen, um sie zu retten.“

Das war ja recht schmeichelhaft für mich! Jedenfalls hatten sich das die beiden Schlauen ausgedacht, um meiner Hilfe desto sicherer zu sein. Ich musste innerlich lachen, doch bewahrte ich äußerlich meinen Ernst.