Eugen Pletsch

Der Fluch der weißen Kugel

»Ich sah die besten Köpfe meiner Generation,
von Golfwahn zerstört, hungrig, von Ehrgeiz zerfressen,
im Morgengrauen über neblige Fairways irrend,
auf der Suche nach dem perfekten Schwung,
Golfsüchtige mit verbrannten Köpfen,
hohläugig, verzweifelt, getrieben, Stablefordpunkte jagend,
die alles verloren, sich nicht mehr besinnen,
das Haupt dem Himmel entblößen,
perlender Angstschweiß, die Hände zitternd, vom Wahnsinn gezeichnet,
rechts Aus, links Wasser, grausam und lüstern, Hook und Slice,
die beiden Dämonen höllischer Tragödien …«

 

Es war der Tag, an dem ich versuchte, Allen Ginsbergs großes Sucht-Epos »Das Geheul« ins Golferische zu übersetzen, als ein leises »Ping« die Ankunft elektronischer Post meldete.

Mein Verlangen, die Dämonen des Golfsports lyrisch zu bannen, wurde schließlich von meiner Neugier besiegt. Also öffnete ich die Mail und las zu meinem größten Erstaunen eine Anfrage meines Verlages: Ob ich mir vorstellen könnte, ein zweites Golfbuch konzeptionell anzudenken. Etwas Modernes vielleicht – mein humoristischer Golfratgeber würde sich überraschend gut verkaufen.

Ob ich mir vorstellen könnte, ein zweites Golfbuch konzeptionell anzudenken? Ich hatte immer geglaubt, dass in meinem ersten Buch alles beschrieben sei, was man über den Golfsport wissen muss. Oder sagen wir besser: was ich darüber weiß. Sollte es wirklich noch mehr geben? Ich grübelte vor mich hin, während ich auf meine Ode starrte.

»Ich sah die besten Köpfe meiner Generation, von Golfwahn zerstört,hungrig, von Ehrgeiz zerfressen …«

Warum keine Golfgedichte? Ellenlange, tragische Heldengesänge, die von Abenteuer, Ruhm und Schmach künden, ein großes lyrisches Werk, Wagners Götterdämmerung in St. Andrews … aber wäre das modern?

Dann fiel mir ein, dass ich schon immer einen Golf-Science-Fiction schreiben wollte. Genau! So würde ich anfangen:

»Auf dem 18. Grün tanzten drei betrunkene, halbnackte Frauen zu dem grauenhaften Dumpfbackenpop, der vom Clubhaus herüberdröhnte. Sie hatten ihre Pumps auszogen, um die Grüns zu schonen, warfen die Arme in die Luft, bewegten ihre steifen Hüften hin und her und bildeten sich ein, wild und ekstatisch die unvergessliche Nacht ihres Lebens zu feiern. Keine der Frauen bemerkte das golfballgroße UFO, das hinter ihnen in dem Teich verschwand, in dem bereits Tausende von golfballgroßen UFOS gelandet waren. Die Invasion stand bevor und das Einzige, was die Menschen vor den Aliens schützte, war dieser grauenhafte Dumpfbackenpop.«

Ob das die richtigen Sätze wären, ein Golfbuch zu beginnen, fragte ich beim Redakteur an. Das wäre doch eine klare Positionierung zu dem, was ich von dröhnenden Golfclub-Partys und betrunkenen Frauen halte. Der Verlag antwortete, ich möge in meinem zweiten Erstlingswerk etwas Milde walten lassen. Die Zielgruppe lesender Golfer sei zu klein um Frauen, gesellige Golfer und Außerirdische gleich im ersten Satz auszugrenzen.

Die Zielgruppe lesender Golfer! Wenn ich das schon höre. Ein Golfer liest nicht, er spielt Golf. Wenn er ein Buch hat, dann, um etwas nachzuschlagen, was sein Spiel verbessern könnte. Aber dass ein Golfer irgendwelche Geschichten lesen will, ist reine Spekulation. Vielleicht sollte ich ein Buch schreiben, dass auch dem Nichtgolfer Wohl, Wehe und Wahn des Golfsports erschließt. Nichtgolfer sind eine viel größere Zielgruppe und damit würde sich die Auflage um ein Vielfaches erhöhen.

Ich schrieb meinem zuständigen Redakteur, dass ich ein Anti-Golfbuch konzipieren würde, in dem die Schrecken dieser Leidenschaft so beschrieben wären, dass auch dem jungen, von Horrorfilmen abgestumpften Menschen schlecht wird und Frauen zum Golfplatz rasen, um ihre Männer zu retten. Arbeitstitel: »Der Fluch der weißen Kugel«. »Leidenschaft« sei auch so ein Stichwort. Das letzte große Tabu: Haben Golfer wirklich keinen Sex? Hat überhaupt noch irgendwer Sex? Eine großangelegte Studie zum Thema »Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?« würde darüber Aufschluss geben.

An der Uni machte ich einen Aushang im Fachbereich Soziologie. Dummerweise gab ich meine Adresse an. Es hagelte Beschimpfungen. Eine Studentin schrieb mir, dass sie als politisch motivierte Vegetarierin lieber Robben schlachten würde, als ihre Zeit so einem unappetitlichen Thema zu widmen. Als studentische Aushilfskraft im regionalen Golfclub leidgeprüft, wäre sie gerne bereit, diesen alten Ferkeln, die sie täglich auf der Clubhausterrasse mit den Augen auszögen, per Knopfdruck einen letzten elektrischen Impuls ins Gemächt zu jagen. Dummdreiste Vollidioten, die sie anmachen und sogar antatschen würden, während sie sich für unwiderstehlich hielten mit dem dritten Netto im Arm und fünf Weizenbier im Kopf. Es bräuchte nur einen Tag aus der Perspektive einer Bedienung, um zu sehen, dass diese morbiden Auswüchse einer fehlgeleiteten Libido keiner weiteren Untersuchung bedürften. Was da noch zucke, sei krank, und die einzige wirksame Maßnahme, die sie nach Rücksprache mit einer Kollegin von der medizinischen Fakultät, die ähnliche Erfahrungen gemacht habe, empfehlen könne, sei die Amputation.

Ich merkte an den Reaktionen, dass ich ein echtes Tabu angefasst hatte. Lust im Alter! So appetitlich, wie wenn sich Helge Schneider bei »Wetten, dass …?« die Fußnägel schneiden würde. Bei meinen Recherchen wurde mir bewusst, dass ich mir vor wenigen Jahren auch nicht hätte vorstellen können, dass man jenseits der 50 noch irgendwelche erotischen Ambitionen haben könnte. Echte Liebe oder eheliche Symbiose – na klar. Wenn eine Beziehung einen golfenden Partner aushält, dann muss die Liebe echt sein. Aber Eros im Alter? Und dazu noch in Verbindung mit Golf? So unwahrscheinlich wie geschmacklos. Als ich meinen Fünfzigsten ausgenüchtert hatte, war ich bereits lange genug im Golfsport aktiv, um alle anderen Aktivitäten mit desillusionierter Langeweile zu betrachten.

Aber jetzt erschien es mir als ein Thema von brisanter Sprengkraft. Ich schrieb ein Konzept für eine Umfrage in allen regionalen Bordellen und Eheinstituten, um diese beiden Antipoden über Golfers Lust und Leid auszufragen. Auf meine Bitte um Spesenerstattung antwortete der Redakteur, er fände das Konzept in Ordnung. »Machen Sie nur«, schrieb er, »aber vergessen Sie bei Ihrer Studie nicht, dass wir ein großes Sortiment Jagdliteratur haben. Jäger haben vermutlich ähnliche Probleme wie Golfer. Und wenn bei Ihren soziologischen Studien noch eine Jagdgeschichte herauskäme, würde uns das helfen.«

Er schloss damit, dass Spesen leider nicht gezahlt werden könnten.

»Golf ist Jagd«, schrieb ich zurück. »Unendlich grausam, ein Kampf jeder gegen jeden und gegen sich selbst. Selbstzerfleischender Kannibalismus bei Kaiserwetter in herrlicher Natur.«

Kannibalismus bei Kaiserwetter! Das klänge sehr vielversprechend, antwortete der Redakteur, der vom Thema Alterserotik persönlich nicht überzeugt war. Die Rechte für bezaubernde Naturbilder und Originalaufnahmen vom Festschmaus einer Gruppe Kannibalen habe der Verlag kürzlich gekauft. Die Illustrationen würden also kein Problem darstellen. Irgendetwas mit Alligatoren wäre auch schön. Da gäbe es einen Trend! Also verschwand die Golferotik in der Schublade und ich änderte den Arbeitstitel in »Ein Golfer auf Krokodiljagd«.

Dabei blieb es für eine Weile. Die Zeit verging und der Sommer war zu schön, um zu schreiben. Ich spielte fast täglich Golf, um Krokodile aufzuspüren – fand aber keine. Nach einigen Wochen, in denen ich den Ball sehr gut traf und auch die Putts fielen, kam ich auch von dem Gedanken ab, den Golfsport zu verteufeln oder als Zeitvertreib für juvenile Perverse niederzumachen. Golf ist doch eigentlich eine schöne Sache, solange man es nicht übertreibt, dachte ich. Frische Luft, Bewegung, Ruhe. Außerdem erschreckte mich der Gedanke, dass einige Männer nach der Lektüre über die tödlichen Schrecken des Golfsports auf die Idee kommen könnten, für ihre Frauen Golfstunden zu buchen, um sie auf diese grausame Weise zu entsorgen. Das durfte nicht geschehen. Also schrieb ich dem Verlag, dass ich das Konzept geändert hätte und ein paar lustige Geschichten und Erinnerungen aufschreiben würde. In Form eines anarchistischen Golfromans gedachte ich, die üblichen Themen wie Steuerhinterziehung, Kapitalflucht, Alkoholsucht, Drogenmissbrauch, sexuelle Exzesse beim Sommerball, sowie einige regionale Skandale im Spannungsfeld zwischen Politikfilz und Pornografie aufzuarbeiten. Eine zeitkritische Posse. Namen würden genannt, aber niemand erschossen werden. Solange es kein Krimi sei, schrieb der Redakteur zurück, wäre das schon in Ordnung. Ein Kriminalroman würde nämlich nicht ins Verlagsprogramm passen. Diese Antwort machte mich langsam misstrauisch. Nehmen die wirklich alles, außer Krimis? Ich schrieb zurück, dass die Posse auf Eis läge, da ich mittlerweile in einem Polit-Thriller feststecken würde. Die Eröffnungsszene beschriebe die legendäre Golfrunde zwischen Che Guevara und Fidel Castro, ein Lochspiel, bei dem der Verlierer die Revolution in Südamerika verbreiten müsse. Im zweiten Kapitel würde ich die golfspielenden Größen des amerikanischen Showbusiness beschreiben und dann die großen Kriminellen der amerikanischen Geschichte, inklusive aller golfenden Präsidenten. Danach würde ich mich ausführlich mit internationalen Golfgrößen aus Politik, Wirtschaft und Kultur befassen. Meine These: Golf sei der gemeinsame Nenner einer planetaren Verschwörung. Die Schrecken der Globalisierung, das Ozonloch, den ganzen globalen Holocaust verdankten wir einer geheimen Bruderschaft von Golfern, die unsere liebe Mutter Erde wie Heuschrecken leer fräßen. Meine schrecklichste Vermutung: Die Außerirdischen seien längst gelandet und zwar die übelste Sorte! In jedem Land, in dem sie einfielen, legten sie zur Tarnung grüne Feuchtwiesen mit gelben Sandlöchern an. Wo immer Golfbälle lägen, ließen sie ihre kleinen, weißen Eier fallen, weil sie zwischen den Golfbällen ideal getarnt seien. Manche Eier legten sie in den Sand, wo sie ausgebrütet würden, andere in die Wasserlöcher, wo die Eier feucht blieben. Diese Golfheuschrecken würden sich immer weiter ausbreiten, bis das Land und die Menschen rundherum ausgelaugt und vergiftet seien. Mein Buch würde damit enden, dass ich – erstmalig im Westen – die Ideologie arabischer Freiheitskämpfer auf verständliche und sympathische Weise vorstellen würde. Eine kleine Anleitung zum Bombenbau, um Plünderheuschrecken aus ihren Sandlöchern zu vertreiben und um die Menschheit zu retten, sei am Ende des Buches gedacht. Der Redakteur schrieb zurück, dass ihm manches auf der Welt nie eingeleuchtet habe, zum Beispiel die Staus in Stuttgart oder die tägliche Verspätung bei der Bundesbahn. Meine Vermutung, dass Außerirdische hinter allem stecken würden, habe Sinn. Das ganze Konzept, auch mit dem Bombenbau, sei großartig, da seinem Verlag mit dem berühmten Chemiebaukasten ein praktisches und preiswertes Produkt zum Crossmarketing zur Verfügung stünde. Sein Haus zeige Interesse, sofern auch eine Geschichte für Angler dabei sei, denn der Verlag sei seit jeher als Spezialanbieter von Angelbüchern eingeführt. Etwas aus der Astronomie, seinem Fachgebiet, würde er persönlich auch sehr begrüßen.

Na prima! Ich schrieb zurück, dass Golfer, besonders die mit latenter Prostatitis, nach jedem Weizenbier auszutreten pflegten, was sich an der Eiche hinter dem Parkplatz genussvoller ausleben lasse als in der Reihe auf der Herrentoilette, wo sich das Weizenbier nur als nervöses Rinnsal äußert. Draußen an der Eiche, da schaue der Golfer zu den Sternen auf. Manchmal sähe er einen Meteor, der mit einem herrlichen, unendlich zarten Draw am Firmament entlangstreift und verlischt. Dank der Sternschnuppe habe der Golfer einen Wunsch frei und deshalb wünsche er sich, auch so einen schönen, hohen Draw schlagen zu können. So kämen Himmel und Erde zusammen, wie Laotse sagt. Darüber könnte ich schreiben, sowie ich meine Kurzanleitung zum Atombombenbau fertiggestellt hätte. »Au ja«, war die begeisterte Antwort, »hinauf zu den Sternen!«

Aber ich schrieb nichts mehr. Ich spielte nur noch Golf. Jeden Tag. Irgendwann, ich stand am ersten Abschlag und brütete über meinem Ball, sah ich einen gelben Hasen namens Erwin, mit rosa Streifen an den Ohren. Erwin erzählte mir, er käme von da draußen, wo die Sternlein funkeln und der Mond so voll ist wie eine Clubmannschaft auf Mallorca. Seine rosa Streifen auf den Ohren blinkten fröhlich. Dann sah ich vor meinem inneren Auge eine große, rote Kugel. Die Welt blieb stehen, die Zeit hielt an und im Universum war kein Laut mehr zu hören. Es war aber keine Erleuchtung, eher das Gegenteil. Mir wurde bewusst: Ich war vollkommen GOLFGAGA geworden.

Der Scoreflüsterer

Golfschamanen, wie mein Freund Manni Mulligan, können dissonant schwingende Driver auf einer feinstofflichen Quantenebene harmonisieren, indem sie mit der Schwanzfeder eines Erpels1 am Schaft entlangstreichen, um die Atome neu zu ordnen.

Auch ich übte mich darin, wie man Golfschläger entstören und energetisch aufladen kann. Mit dieser Energiearbeit hatte ich gewisse Erfolge in meinem Bekanntenkreis esoterisch ambitionierter Golfer. Irgendwann begann ich, meinen Mitspielern aus dem Schwung zu lesen. Wie bekannt sein dürfte, führt der Golfschwung durch alle Tierkreiszeichen. Nach kurzer Zeit konnte ich ziemlich exakte Prognosen über Ehe, Beruf, Geld und Erfolg geben. Immer öfter wurde ich von Mentaltrainern und Journalisten angeschrieben, die sich über meine Arbeit informieren wollten.

In jenem Sommer litten die Golfplätze unter grässlicher Dürre. Alle stöhnten über Hitze und Trockenheit. Die Fairways glichen einer Mondlandschaft, die OPEN wurde in Badehosen gespielt, die Hitze war mörderisch.

Es war ein heißer Tag im Juno, als ich mich mit einem Psychologen traf, der sich auch als Journalist einen Namen gemacht hatte. Bezüglich geistiger Aussetzer beim Golfspiel sei ich ihm als Experte empfohlen worden. Ich vermied, ihn darauf hinzuweisen, dass meine Kenntnisse der Materie komplett auf der Patientenseite gesammelt waren. Doch wenn man mich so sieht – weißes Polohemd, gebügelte Hosen, graue Schläfen, dicke Brille –, nimmt man mir sofort den Therapeuten ab.

Wegen der glühenden Hitze saßen wir zurückgezogen im schattigen Clubrestaurant. Auf dem Tisch stand ein Eiskübel mit dunkelblauen Wasserflaschen. Wie es so meine Art ist, hielt ich mich nicht mit langen Vorreden auf, sondern begann sofort, meinen Lebenslauf ausführlich zu schildern, wobei ich die karmischen und vorgeburtlichen Aspekte nicht aussparte. Nach etwa zwei Stunden in der mittleren Phase meines Lebens angekommen, begann ich, meine Laufbahn als Golfer auszubreiten. Es war drinnen wie draußen unerträglich heiß. Wir tranken literweise Wasser. Hin und wieder bestellte sich mein Gast einen Espresso, vermutlich um wach zu bleiben. Nach vier Stunden kam ich auf mein Lieblingsthema zu sprechen: die mentalen Fragen des Golfsports. Mittlerweile ziemlich erschöpft, wollte er etwas Konkretes über meine Arbeitsweise wissen. Ob ich ihm Beispiele nennen könne.

»Nun«, begann ich gewichtig, »man nennt mich hier den Scoreflüsterer! Ich arbeite meist mit Patienten, die das ›Paralysis-by-analysis-Syndrom‹ haben«. Klang schon mal gut. Er nickte.

»Diese Golfer leben in einem komatösen Schockzustand, in dem sich verschiedene Schwunggedanken und depressive Erinnerungen in einer mentalen Endlosspule repetieren. Solche Leute müssen ständig an ihrem Driver rumfingern, ihren Rückschwung einleiten und dabei die Ebene korrigieren, selbst wenn sie gerade in einem Restaurant beim Essen sitzen.« Wie ich denn konkret arbeiten würde, wollte mein Besucher wissen.

»Vocal-Musak«, sagte ich. »Eine geheime Tradition alter Golfmeister. Eine endlose Folge von Lauten, die in eine Trance führen. Dabei ist der Patient hellwach.« Jetzt war auch der Psycho-Journalist wieder hellwach und rückte seinen Sessel näher. Er hatte seine Story. Er roch die Fährte. Sein rotes Gesicht leuchtete vor Hitze und Aufregung. Schamanengesänge in der Mongolei, fragmentale Chibibo-Strukturen am Amazonas, Trancen in der Hopi-Kiwa – alles schon gehabt, aber Vocal-Musak als Golftherapie, davon hatte er noch nicht gehört.

»Mit solchen Leuten beginne ich eine leichte Unterhaltung«, fuhr ich fort. »Ich lulle sie ein. Ich dämpfe ihre Gedanken in einem Wattepolster von Worten, kurz gesagt: Ich höre mir keine Probleme an, denn Probleme habe ich selbst genug. Ich schwalle die Leute zu. Wenn meine Patienten dann im Wabbelpudding meiner Wortsülze feststecken, beginnen meine Gedanken ihre Gedanken zu überlagern. Ich beschäftige ihren Geist derart, dass sie erstens nicht merken, dass sie Golf spielen und zweitens keinen Platz mehr für eigene dumme Gedanken haben.«

Der Journalist schaute mich neugierig an. »Aber das können Sie doch nicht auf der Runde bringen?«

»Warum nicht«, sagte ich. »Der Patient merkt es nicht. Es ist wie eine Hypnose. Nach wenigen Worten weiß er nicht mehr, was ich mit ihm rede. Er spielt nur noch sein bestes Golf.«

Jetzt war er verunsichert.

»Hören Sie«, sagte ich. »Ich bin dafür bekannt, dass ich auf der Runde wenig rede, am Abschlag schon gar nicht. Ich spiele seit 20 Jahren. Ein Gentlemen-Golfer von altem Schrot und Korn. Vielleicht ein kurzes, trockenes Knurren, falls jemand den Ball gut getroffen hat. Wenn mein Partner am 8. Loch ein Ass spielt, nicke ich knapp, und wenn jemand am 16. Loch zum Eagle einputtet, ist gerade mal ein ›Nice putt‹ angemessen. Am Ende der Runde schaue ich meinem Mitspieler in die Augen, sage ›Danke für die Runde‹, und jeder geht seiner Wege. So wird Golf gespielt.«

Ich richtete mich auf, winkte dem Butler und rückte mein Monokel zurecht: »Meine Patienten denken, ich hätte kaum mit ihnen gesprochen. In Wirklichkeit aber, habe ich ihren Gedankenkreislauf zum Stillstand gebracht.«

Der Journalist nippte an seinem Espresso. Er sah nicht wirklich überzeugt aus.

»Na gut«, sagte ich. »Ein Beispiel: Sehen Sie den Burschen dort drüben am ersten Abschlag? Ein armer Hund mit einstelligem Handicap, der für Wochen keinen Ball traf. Seine Welt brach alle zehn Minuten zusammen. Sein Kopf war voll von Notprogrammen: Schwunggedanken haben, keine Schwunggedanken haben, dazwischen an Sex denken (ist noch jung), an das nächste Turnier denken, daran denken, dass sein Ball auf der Driving Range 280 Meter bergauf fliegt, aber vom Abschlag direkt ins Nirwana geht und so weiter. Schauen Sie wie er jetzt lächelt. Wie er mit seinem Schläger spricht. Der ist geheilt.

Ich werde Ihnen mal erzählen, wie das ablief: Er stand kürzlich am ersten Tee und war so richtig schön daneben, als ich mit einem neuen Driver im Bag dazukam. Er wusste nicht mal, dass er eine Therapiesitzung mit mir hatte …

›Okay für dich, wenn ich meinen neuen Driver spiele?‹

›Klar, warum nicht?‹, sagte er mürrisch und nickte.

Was sollte er auch sonst sagen. Ihm war egal, womit sich andere Leute quälen. Dass ich mitging, war ihm eigentlich ganz recht, weil er gerade am Rad drehte und Ablenkung brauchte. Nachdem er seinen Ball den Hügel hinauf kurz vor das Grün des Par 4 genagelt und ich den kleinen Bachlauf hinter dem Damenabschlag mit Bravour genommen hatte, sagte er:

›Der neue Titleist?‹

›Yep!‹

War seine Frage der Versuch, mir, dem als Schweiger bekannten Spieler, mitzuteilen, dass ihm eine kleine Konversation durchaus recht wäre? Eine kleine Ablenkung, ein wenig Kurzweil, die sich zwischen seine Gedankenfetzen von Wahnsinn, Trübsal und unendlichem Weh schieben könnte. Ich verstand das sofort.

›Dieser Driver …‹, begann ich und dann erzählte ich ihm, dass ich alle Driver von Titleist seit dem D-Modell hatte. Die nächsten hundert Meter kommentierte ich die Testergebnisse, verglich die Schäfte und kam dann auf die klassische Tropfenform zu sprechen. Nach einem kleinen Vortrag über die Lackierung spürte ich, dass er bereits vollkommen abgeschaltet hatte. Ich erzählte ihm von all meinen Golfschlägern, die bei mir zu Hause als Familiengruppen zusammenstehen, liebevoll in verschiedenen Bags sortiert. Das interessierte ihn, da er an der Uni mal Psychologie belegt hatte und das eine seiner Kernkompetenzen gewesen war (er arbeitet jetzt im Personalbereich).

Wir hatten längst unseren zweiten Schlag gemacht. Sein Ball lag am Stock. Er lochte gedankenlos zum Birdie ein, während ich ihm beschrieb, wie ich meine Schlägersets zusammenstelle. Natürlich die Loftkomposition, ist klar. Dann ist da der Schaft. Für einige Zeit habe ich die Schläger eines Sets nicht mehr nach dem Kickpoint der Schäfte zusammengestellt, sondern danach, ob die Schäfte farblich zur Tasche passen beziehungsweise untereinander vom Design her harmonieren.

›Interessant‹, meinte er am nächsten Tee und zog sein Eisen 5 durch den Ball, der ohnmächtig auf das Grün des Par 3 fiel.

Ich holte mein 19-Grad-Fairwayholz heraus und verpasste das Grün nur kurz.

›Tja, und dann bin ich darauf gekommen, mit meinen Schlägersets vor Turnieren Familienaufstellung zu machen. Ich entwerfe zu Hause Spielsituationen und visualisiere Lösungen. Dann frage ich die Schläger, wer sich einer solchen Situation gewachsen fühlt. Ich erspüre intuitiv die Antworten und stelle die Schläger dann gegenüber. Was immer die sich zu sagen haben – ich mache einen kinesiologischen Muskeltest und der Schläger, bei dem mein Arm fest bleibt, darf mit auf die Runde.‹

›Du redest mit deinen Schlägern?‹

Sein Birdie am zweiten Loch hatte er gar nicht bemerkt, sein Drive an der dritten Bahn schoss auf der Tigerline2 carry hinter die Bunker rechts, so dass er noch ein Wedge ins Grün hatte. Ich versuchte auf der linken Seite der Bahn zu bleiben, spielte aber einen fürchterlichen Slice, so dass wir gemeinsam weitergehen konnten.

›Klar rede ich mit meinen Schlägern. Du nicht?‹

›Bisher nicht.‹

›Solltest du mal tun. Ich habe früher nur Ärger mit meinen Bällen gehabt und war immer am Streit schlichten. Dann fing ich an, mit den Schlägern zu reden, damit die sich um die Bälle kümmern. Heute ist das für mich ganz normal.‹

Wir fanden meinen Ball, ich hackte mich voran.

›Ich habe viele Schläger. Generationen. Eine große Familie. Ist doch klar, dass man dann auch Familienaufstellung macht. Zum Beispiel, wenn es eine Trennung gibt.‹

›Trennung?‹

Sein Pitch lag wieder am Stock, rollte dann aber durch den Backspin fast drei Meter vom Loch weg.

›Klar. Scheidung tut weh, auch einem Putter. Besonders, wenn man dann weiterhin zusammen unter einem Dach lebt. Früher habe ich Schläger verkauft, wenn ich sie nicht mehr spielen wollte. Heute bringe ich das nicht mehr fertig. Auch wenn es Ärger mit Alex gibt.‹

Ich puttete zum Doppelbogey und er lochte gedankenlos zum dritten Birdie.

›Wer ist Alex?‹

›Meine Partnerin. Alex Mitchell. Ein Persimmon3-Holz 4. Hab ich aus Schottland mitgebracht. Wir leben seit fast zehn Jahren zusammen. Ich hab sie immer nur wegen ihrer Schönheit angestarrt und manchmal gestreichelt, aber jetzt hat es geknallt zwischen uns. Jetzt sind wir ein Paar.‹

Die vierte Bahn war ein Par 5 bergab. Auf der linken Seite lag der Wald sowie die Ausgrenze. Gute Spieler fürchten dieses Loch, weil sie hier Gas geben können, aber mit der Gefahr, den ersten Ball, manchmal auch den zweiten Ball, in den Wald zu hooken. Das Angstloch meines Freundes.

›Geknallt, Paar …‹ Er holte tief Luft. ›Und, ähh, wie ist das, mit einem Holz 4 zusammenzuleben? Ich meine, mal im Ernst: Das ist schon etwas ungewöhnlich, oder?‹

Sein Drive war der feinste Draw, den ich in meinem Leben gesehen hatte, sagen wir, außerhalb der European Tour. Ich zuckte die Schultern.

›Was ist heute schon ungewöhnlich. Ein Mann und ein Holz 4. Was soll‘s. Wie gesagt: wir haben schon zehn Jahre zusammengelebt, eine große Familie. Natürlich gab es erst mal Szenen, Dramen, Geheul. Früher hatte ich ständig neue Putter im Bett, aber das ist jetzt natürlich vorbei. Ich weiß, dass Alex das nicht mag, also lasse ich es. Ich bin ihr treu. Sie ist jetzt der einzige Schläger in meinem Schlafzimmer.‹

Mein dritter Schlag hoppelte links an den Grünrand. Wir näherten uns seinem Ball, der kurz vor dem Fairwaybunker lag. Das müssen gut und gerne 350 Meter gewesen sein. Wie gesagt bergab, aber immerhin.

›Und wo ist Alex?‹ Er deutete auf das 19-Grad-Metallholz in meinem Bag und lächelte süffisant. ›Heute doch mal fremdgehen?‹

›Nein, natürlich nicht, sag mal, also wirklich. Alex darf in ihrem Zustand nicht spielen.‹

›In ihrem Zustand?‹

›Ja, sie ist schwanger. Der Arzt sagte nach dem Ultraschall, wir bekommen einen kleinen Persimmon-Putter!‹

Jetzt sagte er nichts mehr. Er ging zu seinem Ball und lochte zum Eagle ein. ›Dein Holz 4 ist schwanger. Das soll ich dir glauben?‹

›Nein‹, sagte ich. ›Ich hab‘ nur Spaß gemacht. Alex kann keine Kinder mehr kriegen. Sie ist zu alt. Übrigens‹, ich schnippte vor seinen Augen mit den Fingern. ›Weißt du eigentlich, dass du jetzt nach vier Loch fünf unter Par liegst?‹«

Der bekannte Mentalcoach und Journalist schwieg eine Weile.

»Fünf unter nach vier Loch? Interessante Methode, mit der Sie da arbeiten.«

Er sann einen Moment nach, beugte sich dann zu mir vor, nahe an mein Ohr.

»Ich bin ein Slicer«, flüsterte er. In seinen Augen spiegelten sich Hoffnungslosigkeit und Scham. Er lehnte seinen Kopf an meine Schulter und begann leise zu wimmern.

»Ich bin ein Slicer«, wiederholte er, jetzt lauter schluchzend.

»Ich weiß«, sagte ich mit meiner wärmsten Stimme. »Ich wusste es vom ersten Moment an als ich Sie sah. Aber alles wird wieder gut.«

Er nickte tapfer und wischte sich die Tränen ab.

»Und«, fragte ich, »noch was? Sie haben ihren Putter und ihr Wedge sehr, sehr lieb?« Er nickte.

»Und ihre Frau?«

»Ist weg.«

»Hmmm«, dachte ich, »das wird wieder ein langer Abend.«

Etbin, der Kellner, kam auf Zehenspitzen und brachte eine Rolle »Wisch und Weg«. Er kannte diese Sitzungen.

Persimmon-Diary

Schon seit Tagen war ich absolut schlecht gelaunt. Mann, was hatte ich eine miese Laune. Es war einfach zu heiß, um zu spielen. Wenn ich morgens aufstand, um einen kurzen Blick aus dem Fenster auf diese grelle Sonne zu werfen, war schon wieder alles gelaufen.

An jenem Morgen holte ich auch noch dummerweise die Post hoch. Ein Spaßvogel schrieb mir, dass er über mein Buch überhaupt nicht lachen könne. Ein bisschen schmunzeln vielleicht, aber richtig lachen – Fehlanzeige. Über mein Buch nicht und auch sonst nicht. Na und? Was glaubt er denn, wie es mir geht? Ich bin angeblich humoristischer Golfautor. Dabei ist »Golf und Humor« in einem Atemzug gesagt ein Widerspruch in sich. Wie alle Humoristen, Satiriker und Asthmatiker bin auch ich eine miesepetrige Natur. Morgens grantelig, mittags muffig und abends schlecht gelaunt. Was ich vollkommen in Ordnung finde. Warum sollte man anders sein? Gibt es irgendeinen Grund zur Freude? Ein Birdie spielen vielleicht? Pah. Prompt folgt mit ewiger himmlischer Gesetzmäßigkeit ein Triplebogey. Soll ich mich freuen, wenn ich 38 Stablefordpunkte spiele? Damit so ein kahlköpfiger BWL-Student mit nagelneuem BMW, der nie trainiert und erst gestern neue Schläger bekam, heute damit 60 (!) Stableford-Punkte spielt und natürlich auch noch den »Longest Drive« holt?

Ähnlich den Clowns, die privat höchst depressiv sind und als suizidgefährdet gelten, haben auch wir Humoristen keine echte Freude am Leben. Jede Zeile, die unseren Lesern ein schmales Lächeln abringt, ist unter Schmerzen erkämpft. Ich selbst habe ewig nicht mehr gelacht. Das Leben ist nun mal ein Jammertal, besonders wenn man überall diese grinsenden Blödköppe sieht, die stets zu Scherzen aufgelegt sind und alles toll finden, was selbst man am liebsten verbrennen würde.

Ich saß in meiner abgedunkelten Wohnung, schnitt ein paar Rosen die Köpfe ab und überlegte, was ich schreiben sollte. Wenn ich etwas schriebe, würde sich irgendjemand darüber ärgern und dann ginge es mir besser. Ich schlurfte gerade in die Küche, als es klingelte. Wer sollte das sein? Kaum jemand kennt mich, niemand besucht mich. Wenn es klingelt, bedeutet das normalerweise Ärger. Vorsichtig schaute ich über den Balkon. Es war ein Paketmann von diesen neumodischen Ausfahrerdiensten. Ich öffnete ihm und ließ mir seinen Ausweis zeigen. Man weiß ja nie. Man hört so viel. Nachher kommt er rein, quasselt mich voll und raubt mir eine Idee! Aber er hatte gottlob keine Zeit. Er schwitzte in seinem kackbraunen Hemd und seinen kurzen Hosen. Immerhin hatte er Arbeit. Ich krakelte etwas auf ein Plastikgerät, das auf KEINEN FALL nach meiner Unterschrift aussehen durfte. Das wird nämlich eingescannt und an Geheimdienste und Versicherungen geschickt. Plötzlich ist man entweder Terrorist oder man hat einen Goldfisch gegen Feuer versichert, den man gar nicht besitzt. Nicht mit mir, solche Tricks! Was wohl in dem Päckchen war? Es war lang und schmal und sehr leicht.

Zurück in meiner Stube schob ich die Stilvase auf dem Tisch beiseite und legte den Karton darauf und schaute ihn an. Er rührte sich nicht, deshalb hob ich ihn noch mal mit einer Hand und schüttelte. Es raschelte. Ich saß da und dachte nach. Was, wenn mir jemand einen Streich spielen wollte? Tiefgekühlte Fliegen, die alle gerade aufwachen, wenn ich die Pappe einen Spalt aufritze? Ich hasse Fliegen. Das ganze Gesumse und Gezuppe. Wenn ich mir den Karton ans Ohr hielt und rüttelte, knisterte es leise. Ich nahm ein kleines Messer, um den Karton zu öffnen und eine Machete, um sofort zuzuschlagen, wenn etwas Widerwärtiges aus dem Karton kriechen würde. Mir wurde schlecht, als ich mit dem Messer bei dem Klebstreifen einstach und vorsichtig die Seite auftrennte. Von wem war das Päckchen? War es nicht vollkommen leichtsinnig, das Ding alleine zu öffnen? Wäre das nicht eher Aufgabe der Feuerwehr? Mir fiel ein, dass ich die zwei kleinen Streuner weggeschickt hatte, die angeblich für die freiwillige Feuerwehr Geld sammeln wollten. Mir wäre nur recht, wenn meine Hütte endlich abbrennt. Das Loch, in dem ich hause, um vor Entführungen sicher zu sein, lässt sich weder verkaufen noch abreißen. Höchstens als Sondermüll entsorgen.

Jetzt hatte ich den Karton an der Seite einen kleinen Spalt weit geöffnet, bereit, jederzeit zuzuschlagen. Aber es war nur Zeitungspapier darin. Ich zog das erste, verknüllte Blatt heraus und begann zu lesen. Schau, schau. Wir hatten also eine neue Regierung. Zu allem Ärger schien dieser Kanzler eine Frau zu sein. Auf der zweiten Seite der Zeitung, die ich aus dem Karton fummelte und glatt strich, waren die Todesanzeigen! Die mag ich. Na, alter Junge, hat doch nicht gehalten, der teure Plastikdeckel auf der Pumpe? Tja, aber dein Doc kann sich jetzt neue Golfschläger kaufen. Golfschläger? Irgendetwas in meinem Gedankenkramskasten räusperte sich. Könnte in diesem Karton ein Golfschläger sein? Es war ein Aufkleber drauf. Ein Strichcode. Noch so ein Trick der Amis oder Chinesen, um uns auszuspionieren. War nicht zu entziffern. Die Schrift war zu klein. Wieder rüttelte ich. Jetzt klackerte etwas. Sollte da wirklich ein Golfschläger drin sein? Ich konnte es nicht mehr halten und rannte zum Klo. Dort saß ich und überlegte: Wer sollte mir einen Golfschläger schicken? Vielleicht dieser missmutige Leser, der nicht lachen konnte, um sich zu rächen?

In der Stube lag der Karton, wie ich ihn verlassen hatte. Zu allem bereit, öffnete ich die restlichen Klebstreifen mit einem Ratsch des Messers. Ein dunkelgoldener Schaft glänzte hervor. Der Schlägerkopf, noch in Zeitungspapier gewickelt, war schnell befreit. Er steckte in einer weichen, schwarzen Lederhaube mit einer roten Beschriftung und einem roten ZEN-Kreis. ZEN-Leute, wie mir schien. Das sind die komplett Wahnsinnigen. Wer sich mit der eigenen Erleuchtung beschäftigt, hat alle Hoffnung fahren lassen oder offensichtlich sonst nichts zu tun. Ich zog den Schläger aus der weichen, engen Hülle und starrte ihn an. Ein Persimmon-Driver! Offensichtlich nagelneu. Nie gespielt. Größerer Kopf als die alten Driver. Den Loft schätzte ich auf 13 oder 14 Grad. Wie das klassische Holz 2, das ich früher zu spielen pflegte. Das nussbraune Holz glänzte wie eine Stradivari. Auf der Hand liegend hatte der Schläger eine perfekte Gewichtung. Der Schaft war lang, sogar noch länger als meine Rarität mit Aluminium-Insert, ein Toney-Penna-Driver, den einst Roger Chapman in seinen jungen Jahren auf der Tour spielte. Auf der Bodenplatte war ein Name verzeichnet: Persimmon Golf Europe. Der Schläger hatte die schlanke Eleganz eines Elbenschwertes. Im schwarzen Insert waren vier tiefergelegte Rillen, dazu waren im Halbkreis fünf goldene Punkte angeordnet. Irgendetwas erwachte in mir. Eine alte Leidenschaft. Ein Gefühl, das man bekommt, wenn man seine Jugendliebe auf einem Klassentreffen wiedersieht. Ich hatte fast vergessen, wie schön ein Golfschläger sein kann, obwohl ich alte Persimmon-Schläger in meiner Sammlung habe. Aber um einen Persimmon-Driver zu treffen, müsste ich jeden Tag trainieren. Dazu müsste ich unter Menschen gehen, die mich ansprechen oder lachen oder irgendetwas von mir wollen. Am Ende der Runde wollen sie einem die Hand geben, voll mit Viren, Bakterien, Streptokokken und dem ganzen Gezuppe, was auf der Haut rumkriecht. Igitt. Also habe ich meine Persimmon-Schläger seit Jahren versteckt. Nur Alex, mein Holz 4, nehme ich manchmal in die Hand, um es zu betrachten. Es weckt alte Erinnerungen in mir.

Das Holz entdeckte ich einst in Falkirk, wo unsere Uroma lebt. Falkirk liegt zwischen Glasgow und Edinburgh, oben in Schottland. Es stand zwischen Latten und Stangen in Jimmy Jarvies Garage. Es war schmutzig, das Insert kaputt, die Wickelung locker. Unter der losen Messingplatte, wie unter den Fingernägeln eines Trolls, klebte uralter, steinharter Dreck. Ein Name war in die Messingplatte eingraviert: »Alex Mitchell«.

»Was ist das für ein Ding, Jimmy?«, fragte ich den Nachbarn.

»Aaahggnnn mrrrdbaffynäääusedrrr, yoeuuu, ngää, jo,boy!«

»Aye«, sagte ich und schnappte mir das Teil.

Als ich Jimmy kennenlernte, war er 72 und spielte, wie ich damals, Handicap 14. Mehr als vier Jahre zog er mich auf einem kleinen Inlandcourse mit Bergziegendesign regelmäßig ab. Als er 76 war, schlug ich ihn das erste Mal. Da hatte er aber schon mehrere Ersatzteile im Körper. Es war an dem Tag sehr heiß und zusätzlich stellte ich seinen Elektro-Trolley – ein Monster, das vermutlich noch von Edison selbst gebaut war – auf schwächste Leistung, so dass der alte Knabe bergauf schieben musste, anstatt sich von seiner Karre ziehen zu lassen, wie er das sonst gewohnt war. Ich versteckte auch sein Eisen 9 in meinem Bag. Mit diesem Teil hatte er mich lange genug gedemütigt. Jimmy schlug seine Drives ca. 165 Meter Mitte Fairway, ich um die 200 Meter in die Pampa. Jimmy nahm seinen Baffler4 und peitschte das Bällchen (er spielte grundsätzlich die alte englische Größe und schien davon noch Wagenladungen gehortet zu haben) an den Grünrand. Ich schlug meinen Ball aufs Grün. Dann nahm Jimmy sein Eisen 9 und chippte ein oder sein Ball lag tot am Stock. Ich brauchte zwei oder drei Putts.

»Aaawwboy«, röchelte er, »goddammgoodchippn, aye, hee?!«

Und dann gackerte er los.

Nee, Jimmy, diesmal nicht. Ohne sein Eisen 9 und mit reduzierter Akkuleistung war Jimmy nur noch ein Schatten seiner selbst, der um Luft rang und das Match um ein Loch verlor.

Im letzten Jahr ist Jimmy mit knapp 90 Jahren gestorben. Schade um den Kerl. Hat mir die letzten Jahre immer Spaß gemacht, dem alten Knaben zu Weihnachten ein paar neue Titleist zu schicken. HA! Das ist die Höchststrafe! Einem alten schottischen Golfer, der nicht mehr spielen kann, neue Bälle schicken. Hätte mich ja nicht so zerlegen müssen, in den Jahren zuvor. Na gut. Wo war ich?

Jedenfalls stand das Alex-Mitchell-Viererhölzchen jahrelang bei mir rum, bis ich es eines Tages zu Armenio Cortes nach Köln brachte, dem Meister der Persimmon-Restauration. Ich hab nie gedrängelt, dass das Ding fertig wird, wozu auch. Spielen wollte ich damit sowieso nie. Wollte nur mal sehen, wie es ausschaut, wenn Armenio Hand anlegt. Es wurde ein Meisterstück. Wie eine alte Geige. Dieses Hölzchen holte ich raus und stellte es neben den neuen Driver. Als kämen die beiden vom gleichen Baum. Alter, Weisheit, Würde, Ruhe, zeitlose Schönheit. Stille umfing mich. Ein Gefühl, angekommen zu sein. Kein Hasten und kein Husten mehr, nur heitere Gelassenheit. Genau! Die Hölzer strahlten jene heitere Gelassenheit aus, um die ich mich seit Jahren umsonst bemühe. Irgendetwas in meinem trüben, schwermütigen Leben war aufgerissen und aus dem Riss in der dunklen Wolkendecke blinzelte vorsichtig die gute Sonne hervor. Hat das Leben doch einen Sinn?

Am nächsten Tag fuhr ich raus. Der Platz war vorne voll, hinten voll und von der Driving Range her klang das Geschepper von Drivern wie kopulierende Blecheimer im Liebesrausch: Plänk. Bänk! Auf der 10 sah ich einen Silberrücken-Single an seinem Bag rumfummeln. Offensichtlich hatte er bereits abgeschlagen und warf die Turbinen seines Monster-Trolleys an, um seinem Ball nachzufliegen. Er winkte mir zu, dass ich mit abschlagen könne. Ein resignierender Blick auf die 11. Bahn und ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, den netten Herrn zu fragen, ob ich durchspielen dürfe. Drüben auf der Bahn war mein Lieblings-Ehepaarvierer damit befasst, das Alte Testament auswendig zu lernen. Zumindest standen sie oben am Abschlag und hatten die Hände in der Höhe, als wollten sie Jahwe, dem alten Schmock, ein Opferlamm darbringen. Aber nein. Sie hatten – für uns kaum hörbar – FORE! gerufen. Das konnte nur bedeuten, dass weitere Krebsgänger in der Senke vor dem Bach rumkrochen, die sich dort unten schon so lange versteckt hielten, dass man sie oben im allgemeinen Geplapper vergessen hatte. Dann war Vadder gedankenlos aufs Tee gestürmt und hatte »seine Bertha fressen lassen«. Vom hohen Haaransatz her hoffte er, ein wenig wie Kevin Costner in »Tin Cup« auszusehen, ein Gedanke, auf den außer ihm niemals jemand gekommen wäre. Ein bisschen auch ein Seitenhieb auf sein mageres Weib. Ähnlich dürr wie die Hauptfigur in Costners Golferfilm Dr. Molly Griswold (Rene Russo), hatte sie mit Atkins-Diät konsequent jene Gewebeteile ihres Körpers mumifiziert, die zur Zeit ihrer Hay´schen Trennkost noch mühselig durchblutet wurden. Jetzt stand sie frierend in der sommerlichen Nachmittagssonne und hauchte »Fore«, denn Vadders flotter Abgang hatte mittlerweile die 150-Metermarke überschritten und steuerte im Gleitflug direkt auf jenes Gespann selbstvergessener Ballsucher zu, das sich im Biotop ein Nest gebaut hatte.

Was kümmerte es mich. Mit einem resignierten Blick auf meinen neuen Mitspieler sah ich, dass er noch atmete und offensichtlich in der Lage war, sich von seinem Trolley ziehen zu lassen. Ich turnte aufs Tee. Ich hatte weiche Bälle und Holztees dabei, ein Muss bei Persimmon-Hölzern. Die Defloration geschah, ohne nachzudenken, mit einem weichen Schlag durch den Ball. Geschmeidig kickte der Schaft. Der Schläger klang, als würde man mit einer Blockflöte leicht auf einen Ledersandsack schlagen. Ein sanftes »Klack«. Sonst nichts. Der Ball war lang. Er flog in den linken Fairway-Bunker. Der zweite Schlag meines neuen Freundes war gar nicht schlecht, in Anbetracht der Tatsache, dass er nur gelegentlich spielte, wie er mir erzählt hatte. »Höchstens einmal am Tag«, dachte ich. Ein Italiener, der sein Leben in Deutschland verbracht hatte und sich beim Golf geschickter anstellte, als ich befürchtet hatte.

Ich kam bei meinem Ball im Bunker an und chippte auf die Bahn. Jetzt noch eine Premiere, Jimmies Hölzchen! Mit Alex hatte ich bisher noch nie geschlagen. Der Treffmoment war weich, der Ball flog sehr flach und hoppelte dann endlos Richtung Grün. Am Grün des Par 5 angekommen, lag der Ball einen Meter von der Fahne weg. Das waren gut 200 Meter bergauf. Okay – es war trocken. Trotzdem.

Der Himmel hatte Erbarmen. Sowohl die Biotopbewohner als auch der Ehepaarvierer zogen es offensichtlich vor, vom 11. Grün direkt zur Clubhausterrasse zu marschieren. Das schuf Luft im unendlichen Raum des Universums. Vor uns war es jetzt einigermaßen frei, weil die, die »nur noch rasch ein paar Löcher spielen wollten« längst am Tresen hockten, um dummes Zeug zu erzählen.

Am Abschlag der 12 druckste mein Mitspieler rum und fragte dann, was das denn für ein Schläger sei, den ich da spielen würde. Er hatte noch nie ein »echtes Holz« gesehen. Typisch. Ein Persimmon-Holz gehört wenigstens zu Ansichtszwecken in jeden Proshop und müsste neuen Spielern bei Schnupperkursen und Regelabenden gezeigt werden. Einfach, damit die mal sehen, dank welcher Handwerkskunst der Affe den Aufrechtgang erlernte und zum Menschen wurde.

Aber ich war froh, dass er fragte. Meine Persimmon-Hölzer sind ein Augenschmaus und es ist für einen Gentlemen keine Art, ordinär mit seinem Golfbesteck zu protzen. Man wartet, bis man gefragt wird. Und hätte der Herr noch lang gewartet – Jehova ist mein Zeuge – ich wäre bald geplatzt. Jetzt konnte ich ihm endlich als Ouvertüre die Geschichte des Golfschlägers seit den holländischen Keulen im Zeitraffer lautmalen, dabei die Herstellung und Lagerung des kostbaren Persimmon-Holzes seit Auchterlonie in St. Andrews streifen, das Drama des Niedergangs aus Materialmangel in Moll legen, um dann, in einem leichten Scherzo, die persönlichen Lieblingsschläger aus meiner Sammlung herunterzuflöten. Im Finale meiner kleinen, italienischen Privatoper triumphierte dann der moderne Persimmon-Schläger als Held über das böse Rough. »Bravo«, rief der Herr. »Bravissimo!« Nein, rief er nicht. Hatte ich mir nur so vorgestellt. Er nickte nur und wurde dann von seiner Blase in eine andere Richtung gezerrt. Sein weißes Löwenhaupt verschwand in den Büschen. Das Adagio Prostata tröpfelte Ton für Ton, wie die Blockflöte der kleinen Luise auf Tante Almas Geburtstag.

Es ist nicht meine Art, den verehrten Leser mit der Beschreibung der ganzen Runde zu langweilen. Nur so viel: Es spielte sich schön und der Herr Italiener und ich vertrugen uns so gut, dass ich ihm auf dem 17. Tee anbot, auch mal einen Ball mit meinem Molto gratioso Persimonosa zu schlagen.

Zugegeben: mein kleines, eitles Ego, das ich – meist – mit den drei M (Medikamente, Meditation und Masogolf) im Griff habe, schielte nach besonderer Anerkennung. Hätte Adam Weißhaupt erst mal drei Bälle 50 Meter links und 70 Meter rechts im Rough versenkt, dann wäre ihm endlich bewusst geworden, wie schwierig es war, ein Persimmon-Holz zu spielen. Dann hätte er mich mit seinen wässrigen, kleinen, braunen Augen ehrfurchtsvoll angestarrt, der ich, Titan in Menschengestalt, bescheiden abgewunken hätte. Und was machte er, der Herr? Er schlug den Ball knapp 200 Meter geradeaus. Sein bester Schlag heute.

Wo man so einen kaufen könne, fragte er. Der sei ja wunderbar leicht zu spielen. Was für mich der Beweis war, dass diese neuen Persimmon-Dinger offensichtlich anders sind, als die alten Keulen, mit denen man sich früher so schön blamieren konnte.

Es mag dem Junggolfer vielleicht gar nicht bewusst sein, aber es ist noch nicht lange her, da hatten die Topspieler noch Echtholz im Bag. Langer war einer der letzten, die auf Metall umstiegen. Der neue, etwas größere Kopf in Verbindung mit einem modernen Schaft war zu dieser Zeit aber noch nicht auf dem Markt. Heutzutage muss jeder Hersteller jede Saison eine neue Kollektion »innovativer Produkte« aus dem Hut zaubern. Der riesige Marketingaufwand rechnet sich nur, wenn weltbekannte Top-Spieler solche Produkte benutzen. Es würde mich jedoch mal interessieren, ob ein Langer oder Ballesteros, die nicht mehr in der Weltspitze mitspielen können und genug Geld haben, um darin zu baden, ob die nicht mal irgendwann auf die Idee kommen, alte Schläger in neuem Gewand zu spielen. Laut Test sind neue Persimmon-Modelle nur unwesentlich kürzer, vermitteln dafür aber ungleich mehr Gefühl. Hat Ballesteros seinen Schwanengesang nicht etwa zu der Zeit angestimmt, als er seine Persimmon-Hölzer weglegte und seinen Slazenger-Pulli auszog, um sich das Fürchten zu lehren?

Von der Unendlichkeit der Zeit

Drei Wochen später wieder ein Päckchen. Das Vorspiel bestand im langsamen Öffnen des Kartons, den ich zwar im Blickfeld, aber sonst links liegen ließ, so, wie man scheinbar unbeteiligt auf die Bar zusteuert, obwohl die schönste Frau auf Erden am anderen Ende des Raumes steht. Mit gespieltem Desinteresse schnitt ich die Klebstreifen auf und versuchte, meine Gier zu zügeln, um dann, fassungslos stammelnd, sowohl das erhoffte Fairway-Holz, als auch den wunderschönen, schwarzen Persimmon-Putter aus ihrer Verpackung zu schälen. Das Fairway-Holz hatte den gewünschten Schaft, der Putter verfügte über zwei zusätzliche Gewichte, um ihn den jeweiligen Geschwindigkeiten der Grüns anzupassen. Jetzt war ich komplett und musste mich nur noch beherrschen, bis die meisten Spieler vom Platz weg und Richtung Bar abgewandert waren. Leider klappte das nicht. Es war und blieb Mittag. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich stellte den Wecker auf 16 Uhr und packte mir etwas Futter ein. Als ich wieder an der Uhr vorbeikam, dachte ich: »Ei pardauz, wie die Zeit vergeht, schon so spät, jetzt aber los.« Ich sprang in mein wunderbares Endzeit-Automobil, das meine Eile nicht mehr so ganz verstand, geschweige denn umsetzen konnte, und so tuckerten wir gemächlich durch die hessischen Voralpen zum nächsten Club.

Dort war mein kleiner Zeitsprung nicht nachvollzogen worden. Das 1. Tee war noch belegt. Eine freundliche Schar netter Menschen, etwa acht Personen, unterhielt sich auf herzliche Weise über ihre wunderbaren Erlebnisse in fremden Ländern. Unnötig zu sagen, dass die erste Bahn in unberührter Stille lag, weshalb auch ich sie nicht stören wollte.

Ich ging zum 10. Abschlag, dankbar, dass es noch irgendwo auf der Welt Frieden und Frohsinn gab. Dort stand bereits ein freundliches Paar, das bereit war, mich mitspielen zu lassen. Es stellte sich nach wenigen Schlägen heraus, dass sie kein Paar waren, denn er verzichtete darauf, ihren Schwung zu korrigieren, während sie seine Schläge lobte. Es waren Zahnärzte, wie ich einige Loch später erfuhr, Kollegen, die den Mittwochnachmittag zur Regeneration nutzten, um ihren dankbaren Patienten mit frischem Atem den letzten Nerv zu rauben. Zahnärzte! Meine besonderen Freunde, die ich als Menschen, Golfspieler und gewissenhafte Handwerker immer wieder in meinen Zeilen würdigen durfte.

Wir warteten. Worauf? Es war mir nicht ersichtlich, aber es wurde mir erzählt. Vor uns seien zwei Senioren jenseits des Rentenalters in einem Buggy unterwegs, denen man bereits seit neun Loch hinterherspielen dürfe. Die hätten schon am 1. Tee gestanden, als meine beiden Dentisten dort eintrafen. Es habe eine Weile gedauert, bis es dem einen Herrn gelungen sei, seinen Buggy zu besteigen, da er offensichtlich an einer schweren Gehbehinderung und einem angerosteten Hüftgelenksimplantat litt.

Nach alter Golfer Sitte ist kein Brauch bekannt, nach dem Senioren den jüngeren Spielern Vortritt zu gewähren hätten. Das hat einen einfachen Grund: Wenn ein flotter Achtzigjähriger seinen wesentlich älteren Kumpel überredet, den Katheterbeutel abzulegen, um noch mal eine heiße Runde auf einem der schwierigsten Plätze Hessens runterzureißen, dann ist es entgegen aller Vorschrift wahrscheinlich, dass auf dem Buggy zu dritt gefahren wird, denn Freund Hein wird es sich nicht nehmen lassen, diese Runde mit seinem ewigen Eisen zu begleiten.

Es ist also verständlich, dass der jüngere Mensch, der statistisch noch mehr Runden spielen kann, gefälligst zu warten hat, denn ab einem gewissen Alter könnte jeder Schlag der letzte sein.

Meine beiden Zahnärzte hatten sowohl den Respekt als auch den Anstand, das Ungemach gewähren zu lassen. Die beiden alten Herren genossen das Glück, viele Schläge machen zu dürfen, denn keiner ging viel weiter als etwa 25 Meter. Wären die Zausel bereit gewesen, mit einem einfachen Eisen 7 einen Spaziergang zu machen, während eine hilfsbereite Schwester den Buggy bereitgehalten hätte, um bei einem Schwächeanfall helfen zu können, dann wäre alles kein Problem gewesen. Aber die Herren bestanden darauf, die ersten 25 Meter vom Tee mit Drivern, die zweiten 5 Meter aus dem Rough mit dem Holz 3 zu spielen, um dann stets den quälenden Versuch zu unternehmen, in den Buggy zu klettern. Mir kam die Frage in den Sinn, welchem Club die beiden entsprungen waren und warum sie nicht im Bad Homburger Kurpark auf jenem herrlichen Kurzplatz ihre Furchen zogen, der zu der Zeit erbaut wurde, als der Ältere der beiden noch dem Kaiser auf dem Pferd zuwinken durfte.