Pippi Langstrumpf ist das stärkste und lustigste Mädchen der Welt. Seit Tommy und Annika Pippi kennen, ist jeder Tag ein Abenteuer. Egal ob sie 18 Kilo Bonbons kaufen, Pippi einen entlaufenen Tiger einfängt oder Besuch von ihrem Vater, dem Kapitän Langstrumpf, bekommt: Mit Pippi ist nichts mehr wie früher!
Astrid Lindgren (1907–2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die »wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten« (DIE ZEIT) wurde u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
Mehr über Astrid Lindgren erfahrt ihr hier.
Katrin Engelking, 1970 in Bückeburg geboren, studierte an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg Illustration und arbeitet seit 1994 als freie Künstlerin. 1995 veröffentlichte sie bei Oetinger ihr erstes Buch, heute gehört sie zu den wichtigsten Illustratorinnen des Verlages. In Bildern voller Farben- und Lebensfreude interpretiert sie Klassiker von Astrid Lindgren neu, macht Kirsten Boies »Kinder aus dem Möwenweg« sichtbar und erzählt eigene Geschichten – mit großem Erfolg und zum Vergnügen ihrer Leser und Leserinnen!
Mehr über Katrin Engelking erfahrt ihr hier.
Wie hat Dir das Buch ›Pippi Langstrumpf geht an Bord‹ gefallen?
Schreib hier Deine Meinung zum Buch
Stöbere in Beiträgen von anderen Lesern
© aboutbooks GmbH
Die im Social Reading Stream dargestellten Inhalte stammen von Nutzern der Social Reading Funktion (User Generated Content).
Für die Nutzung des Social Reading Streams ist ein onlinefähiges Lesegerät mit Webbrowser und eine bestehende Internetverbindung notwendig.
© 2007 Verlag Friedrich Oetinger GmbH (AG Hamburg, HRB 105882), Poppenbütteler Chaussee 53, 22397 Hamburg, USt-ID: DE 260141424, Vertretungsberechtigte Geschäftsführer: Silke Weitendorf, Julia Bielenberg, Telefon: +49 40 607909-02, Telefax: +49 40607-2326, E-Mail: oetinger@verlagsgruppe-oetinger.de, Internet: www.oetinger.de
Alle Rechte für die deutschsprachige Ausgabe vorbehalten
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© Text: Astrid Lindgren 1946 / The Astrid Lindgren Company AB
Die schwedische Originalausgabe erschien bei Rabén & Sjögren Bokförlag, Stockholm, unter dem Titel „Pippi Långstrump går om bord“
In deutscher Übersetzung erstmalig erschienen 1950 im Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg
Deutsch von Cäcilie Heinig
Cover und Illustrationen von Katrin Engelking
Auslandsrechte vertreten durch The Astrid Lindgren Company AB, Lidingö, Schweden. Mehr Informationen unter info@astridlindgren.se
www.astridlindgren.com
www.astrid-lindgren.de
E-Book-Umsetzung: Arhebis Digital Systems, Timisoara, Rumänien, 2019
ISBN 978-3-96052-114-3
www.oetinger.de
www.oetinger.de/ebooks
NEUNTES KAPITEL
Pippi verschloss sorgfältig die Tür zur Villa Kunterbunt. Den Schlüssel hängte sie daneben an einen Nagel. Dann hob sie das Pferd von der Veranda – zum letzten Mal hob sie es von der Veranda herunter! Herr Nilsson saß bereits auf ihrer Schulter und kam sich sehr wichtig vor. Er begriff wohl, dass etwas Besonderes im Gange war.
»Ja, das war’s wohl«, sagte Pippi. Tommy und Annika nickten. Ja, das war alles. »Es ist noch nicht so spät«, sagte Pippi. »Wir gehen zu Fuß, das dauert etwas länger.«
Tommy und Annika nickten wieder, aber sie sagten nichts. Dann machten sie sich auf den Weg zur Stadt. Zum Hafen. Zur »Hoppetosse«. Das Pferd trottete hinterher.
Pippi warf einen Blick über die Schulter zur Villa Kunterbunt.
»Nette Bude das«, sagte sie. »Keine Flöhe und in jeder Hinsicht angenehm. Und das ist vielleicht mehr, als man von den Lehmhütten sagen kann, wo ich von jetzt ab wohnen werde.« Tommy und Annika sagten nichts.
»Falls es ganz furchtbar viel Flöhe in meiner Lehmhütte geben sollte«, fuhr Pippi fort, »werde ich sie zähmen und in eine Zigarrenkiste tun und abends ›Letztes Paar heraus‹ mit ihnen spielen. Ich werde ihnen kleine Schleifen um die Beine binden. Und die zwei treuesten und anhänglichsten Flöhe werde ich Tommy und Annika nennen, und die dürfen nachts in meinem Bett schlafen.«
Nicht einmal das konnte Tommy und Annika gesprächiger machen.
»Was in aller Welt ist mit euch los?«, fragte Pippi gereizt. »Ich will euch nur sagen, dass es gefährlich ist, zu lange zu schweigen. Die Zunge verwelkt, wenn man sie nicht gebraucht. Ich kannte einmal einen Ofensetzer in Kalkutta, der immer schwieg und schwieg. Aber dann kam es auch, wie es kommen musste. Er wollte zu mir sagen: ›Leb wohl, liebe Pippi, glückliche Reise und Dank für die schöne Zeit!‹ Und könnt ihr euch denken, was geschah? Erst schnitt er ein paar schreckliche Grimassen, denn die Mundangeln waren zugerostet, sodass ich sie mit etwas Nähmaschinenöl schmieren musste. Und dann kam es: ›U buj uje muj!‹ Da schaute ich ihm in den Mund, und denkt bloß, da lag die Zunge wie ein kleines welkes Blatt! Und solange er lebte, konnte dieser Ofensetzer niemals etwas anderes sagen als: ›U buj uje muj!‹ Es wäre schrecklich, wenn es euch ebenso ginge! Lasst mal hören, ob ihr es besser sagen könnt als der Ofensetzer: ›Glückliche Reise, liebe Pippi, und Dank für die schöne Zeit!‹ Versucht es mal!«
»Glückliche Reise, liebe Pippi, und Dank für die schöne Zeit«, sagten Tommy und Annika folgsam.
»Gott sei Dank!«, sagte Pippi. »Ihr könnt einen ja richtig erschrecken! Wenn ihr gesagt hättet: ›U buj uje muj‹, dann weiß ich nicht, was ich getan hätte.«
Nun waren sie am Hafen. Und da lag die »Hoppetosse«. Kapitän Langstrumpf stand auf dem Deck und erteilte brüllend seine Befehle. Die Matrosen liefen hin und her, um alles für die Abfahrt bereit zu machen. Auf dem Kai waren alle Menschen der kleinen, kleinen Stadt versammelt, um Pippi ein Lebewohl zuzuwinken. Und hier kam sie nun, zusammen mit Tommy und Annika und dem Pferd und Herrn Nilsson.
»Hier kommt Pippi Langstrumpf! Macht Platz für Pippi Langstrumpf!«, wurde gerufen, und die Menschen gingen zur Seite, um Pippi vorbeizulassen. Pippi nickte und grüßte nach rechts und links. Dann nahm sie das Pferd und trug es über den Landungssteg. Das arme Tier glotzte misstrauisch, denn Pferde mögen Schiffsfahrten nicht besonders.
»Na, da bist du ja, mein geliebtes Kind«, sagte Kapitän Langstrumpf und brach mitten in einem Kommandoruf ab, um Pippi zu umarmen. Er drückte sie an seine Brust, und sie drückten einander so, dass ihre Rippen knackten.
Annika war den ganzen Morgen mit einem Klumpen im Hals herumgegangen. Und als sie Pippi das Pferd an Bord tragen sah, da löste sich der Klumpen. Sie stand am Kai, an eine Kiste gedrückt, und fing an zu weinen. Erst ganz leise, aber nach und nach immer heftiger.
»Heul nicht!«, sagte Tommy böse. »Du blamierst uns ja vor allen Leuten!«
Die Folge war, dass Annika in eine richtige Sturzflut von Tränen ausbrach. Sie weinte so, dass sie zitterte. Tommy stieß an einen Stein, sodass der vom Kai rollte und ins Wasser fiel. Am liebsten hätte er ihn ja auf die »Hoppetosse« geworfen. Dieses elende Schiff, das ihnen Pippi entführte! Wahrhaftig – Tommy hätte auch gern ein bisschen geweint, wenn es niemand gesehen hätte. Aber das ging ja nicht. Er stieß noch einen Stein ins Wasser.
Jetzt kam Pippi über den Landungssteg gelaufen. Sie stürmte auf Tommy und Annika zu. Sie nahm ihre Hände.
»Noch zehn Minuten«, sagte sie.
Da warf Annika sich über die Kiste und weinte, als ob ihr das Herz brechen wollte. Es waren keine Steine mehr da, gegen die Tommy hätte treten können. Er biss die Zähne zusammen und sah mörderisch aus.
Alle Kinder der kleinen, kleinen Stadt sammelten sich um Pippi. Sie hatten ihre Kuckuckspfeifen mitgebracht und bliesen ein Abschiedsdideldum für Pippi. Das klang unbeschreiblich traurig, denn es war ein sehr, sehr klagendes Dideldum. Annika weinte so, dass sie kaum auf den Füßen stehen konnte. Plötzlich fiel es Tommy ein, dass er Pippi zu Ehren ein Abschiedsgedicht geschrieben hatte. Und er holte ein Stück Papier hervor und fing an zu lesen. Es war bloß schrecklich, dass seine Stimme so dabei zitterte:
»Leb wohl, liebe Pippi, du fährst jetzt fort,
und wir, wir bleiben an diesem Ort.
Wir werden immer denken an dich,
und, liebe Pippi, vergiss uns nicht.«
»Wahrhaftig, das hat sich alles gereimt«, sagte Pippi zufrieden. »Das werde ich auswendig lernen und den Taka-Tukanern vorlesen, wenn wir abends um das Lagerfeuer sitzen.«
Von allen Seiten drängten sich die Kinder vor, um Pippi Lebewohl zu sagen. Da hob Pippi die Hand und bat um Ruhe.
»Kinder«, sagte sie. »Von jetzt ab werde ich nur kleine Taka-Tuka-Kinder haben, mit denen ich spielen kann. Mit was wir uns amüsieren werden, kann man noch nicht wissen. Vielleicht spielen wir Fangen mit wilden Nashörnern und gründen eine Schlangenbeschwörerei und reiten auf Elefanten und haben eine Schaukel in der Kokospalme vor der Hütte. Irgendwie werden wir uns wohl die Zeit vertreiben.«
Pippi machte eine Pause.
Tommy und Annika fühlten, wie sie diese Taka-Tuka-Kinder verabscheuten, mit denen Pippi in Zukunft spielen würde.
»Aber«, fuhr Pippi fort, »vielleicht kommt mal ein langweiliger Tag in der Regenperiode, und wenn es auch lustig ist, ohne Kleider herumzulaufen, wenn es regnet – mehr als nass kann man jedenfalls nicht werden. Und wenn wir ordentlich durchgeweicht sind, dann kriechen wir vielleicht in meine Lehmhütte, falls nicht die ganze Hütte zu Brei geworden ist. Denn dann könnten wir Lehmkuchen backen. Aber wenn sie nicht zu Brei geworden ist, dann setzen wir uns rein, die Taka-Tuka-Kinder und ich, und dann sagen vielleicht die Kinder: ›Pippi, erzähl uns was!‹ Und dann werde ich ihnen von einer kleinen, kleinen Stadt erzählen, die weit, weit weg in einem anderen Erdteil liegt, und von den kleinen weißen Kindern, die dort wohnen. ›Ihr glaubt nicht, was für nette Kinder dort wohnen‹, werde ich sagen. ›Die sind am ganzen Körper weiß, außer an den Füßen. Sie können auf dem Tonkuckuck blasen, und – das Beste von allem – sie können Plutimikation.‹ Wenn dann vielleicht die kleinen schwarzen Kinder ganz verzweifelt darüber sein werden, dass sie nicht Plutimikation können, was soll ich dann mit ihnen anfangen? Na ja, schlimmstenfalls nehm ich die Lehmhütte auseinander und mach Brei aus ihr, und dann backen wir Lehmkuchen und graben uns bis zum Hals in den Lehm ein. Es wäre doch gelacht, wenn ich sie nicht dazu kriegen sollte, an etwas anderes zu denken als an Plutimikation. Ich danke euch allen. Und lebt wohl!«
Und die Kinder bliesen ein noch traurigeres Dideldum auf ihren Pfeifen als vorher.
»Pippi, es ist Zeit, an Bord zu gehen!«, schrie Kapitän Langstrumpf.
»Aye, aye, Käpt’n«, sagte Pippi.
Sie wandte sich zu Tommy und Annika. Sie schaute sie an.
Wie komisch ihre Augen aussehen, dachte Tommy. Genauso hatte seine Mama ausgesehen, als Tommy einmal sehr, sehr krank gewesen war. Annika lag wie ein kleines Häufchen auf der Kiste. Pippi nahm sie tröstend in die Arme.
»Leb wohl, Annika, leb wohl«, flüsterte sie. »Weine nicht.«
Annika schlang die Arme um Pippis Hals und stieß einen klagenden Laut aus.
»Leb wohl, Pippi«, schluchzte sie hervor.
Nun nahm Pippi Tommys Hand und drückte sie fest. Dann lief sie über den Laufsteg. Da rollte eine große Träne an Tommys Nase herunter. Er biss die Zähne zusammen, aber das half nichts. Es kam noch eine Träne. Er nahm Annikas Hand, und sie standen da und starrten Pippi nach. Sie konnten sie oben auf dem Deck sehen. Aber es wird immer alles verschwommen, wenn man durch einen Tränenschleier sieht.
»Pippi Langstrumpf soll leben!«, riefen die Menschen auf dem Kai.
»Zieh den Laufsteg ein, Fridolf!«, rief Kapitän Langstrumpf.
Und das tat Fridolf. Die »Hoppetosse« war zu ihrer Fahrt nach fremden Erdteilen bereit. Aber da …
»Nein, Papa Efraim«, sagte Pippi. »Es geht nicht. Ich halt das nicht aus!«
»Was hältst du nicht aus?«, fragte Kapitän Langstrumpf.
»Ich halt es nicht aus, dass ein Mensch auf Gottes grüner Erde meinetwegen weint und traurig ist. Am allerwenigsten Tommy und Annika. Wieder raus mit dem Laufsteg! Ich bleib in der Villa Kunterbunt!«
Kapitän Langstrumpf stand eine Weile still.
»Mach, was du willst«, sagte er schließlich. »Das hast du immer getan.«
Pippi nickte zustimmend.
»Ja, das hab ich immer getan«, sagte sie ruhig.
Und dann umarmten sie sich wieder, Pippi und ihr Papa, sodass ihre Rippen knackten.
Und sie beschlossen, dass Kapitän Langstrumpf sehr, sehr oft kommen und Pippi in der Villa Kunterbunt besuchen sollte.
»Wie es auch sei, Papa Efraim«, sagte Pippi, »für ein Kind ist es doch wohl am besten, ein ordentliches Zuhause zu haben und nicht so viel auf dem Meer herumzukutschieren und in Lehmhütten zu wohnen. Meinst du nicht auch?«