Widmung

Für ein spannendes und erotisches Lesevergnügen.

 

Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist rein zufällig.

Martina Stubenschrott

Complicated Relations

Komplizierte Beziehungen

© 2018 Martina Stubenschrott

Autorin: Martina Stubenschrott

Titelbild: Andrea Stubenschrott

Verlag: myMorawa von Morawa Lesezirkel

ISBN: 978-3-99070-910-8 (Paperback)

ISBN: 978-3-99070-911-5 (Hardcover)

ISBN: 978-3-99070-912-2 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Party

Oh mein Gott, sie hatte es tatsächlich gewagt und sich zu dieser ominösen Party überreden lassen. Ihre verrückte Freundin war von der letzten so begeistert gewesen und belagerte sie schon seit Wochen, es einmal zu wagen. Die Party hatte bereits vor zwei Stunden begonnen. Mercedes zögerte bis zum Schluss, mitzugehen. Jetzt stand sie doch neben Savannah, während diese kräftig an der Tür klopfte.

„Wer begehrt Einlass?“, fragte eine freundliche und angenehm weiche Stimme auf der anderen Seite. Savannah sagte das Codewort: „Freiwild.“

Mercedes schluckte. Sav hatte ihr erklärt, dass alles auf freiwilliger Basis ablief. Niemand musste irgendetwas tun, manche beobachteten nur, während andere es wiederum genossen, im Rampenlicht zu stehen.

Eine attraktive Frau in ihren 30ern mit dunklem Pagenkopf öffnete ihnen die Tür. Sie trug um die Augen eine fein glitzernde, in allen Farben schillernde Gesichtsmaske und war ganz in Schwarz gekleidet. Ihr Top war enganliegend und hob ihre kleinen Brüste hervor. Es musste lange gedauert haben, die vielen winzigen Perlenknöpfe zu schließen. Ihr Rock reichte elegant bis zu ihrer Wade und wies links und rechts zwei hoch verlaufende Schlitze auf. Dazu trug sie sehr hohe und feine Pumps.

Mercedes und Savannah traten ein. Die Frau schloss hinter ihnen die Tür, sah ihnen in die Augen und lächelte. „Meine Lippen sind zum Küssen da. Sie sind die Pforte, die euch Einlass gewährt.“

Mercedes nahm sich ein Glas Champagner von einem Tablett, trank einen Schluck und küsste die Fremde scheu auf ihre weichen Lippen. Savannah lächelte die Frau an, kniete sich auf den Boden, hob ihren Rock und küsste sie auf ihre anderen Lippen.

Ohne Scheu und ausgiebig.

Mercedes Augen wurden groß. Sie sah, dass die Yoni der Fremden völlig rasiert war. Jedes Detail war sichtbar. Es machte sie offenbar sehr an, hier inmitten der Leute geleckt zu werden.

Mercedes riss ihren Blick los und wagte ein paar Schritte in die luxuriöse Wohnung. Es war eine Privatparty in einer New Yorker Eigentumswohnung, die irgendeiner Künstlerin gehörte. Savannah meinte, dass zwischen 20 und 30 Leute kommen würden.

Im Wohnzimmer bemalte eine Frau mit sichtlicher Hingabe einen Mann mit bunter Farbe, der nackt zu ihrer Verfügung stand. Sein Penis war halb erigiert. Die Frau war in eine farbenfrohe Tunika gehüllt, die dort und da nackte Haut durchblitzen ließ. In der Küche bot sich eine Partybesucherin als Lebendbuffet an. Sie lag auf dem Esstisch und war über und über mit Schlag und Früchten bedeckt. Zwei Männer leckten langsam und genüsslich an ihr.

Mercedes ging nervös weiter. Vom Whirlpool drang leises Lachen zu ihr. Zwei nackte Männer und zwei nackte Frauen flirteten heftig miteinander. Zwei großzügige Schlafzimmer waren – noch – frei. Falls jemand mehr Privatsphäre wünschte, bestand die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und die Tür zu schließen. In einem der Zimmer war eine Liebesschaukel montiert. Mercedes wollte immer schon mal wissen, wie der Sex mit diesem Gerät war.

Sie setzte ihre Erkundungstour fort. In einem anderen Raum war ein Mann dabei, eine Frau kunstvoll mit einem Seil zu fesseln, während zwei Männer und eine Frau ihm dabei zusahen. Sie wusste, dass diese Art von Spiel „Bondage“ genannt wurde. Dort und da standen gefüllte Wein- und Champagnergläser bereit und Teller mit exquisitem Fingerfood: Fleischbällchen mit Limettendip, Feta-Spieße mit Gurken und Oliven, Color Rolls, gebratene Garnelen, eine bunte Vielfalt an Süßem und Pikantem.

Mercedes atmete tief ein und wieder aus. Sie fühlte, dass sie feucht war. Die vielen nackten Körper zeigten Wirkung. Es war unmöglich, nicht erregt zu sein. Zugleich sträubte sich etwas in ihr, mit diesen wildfremden Leuten beliebigen Sex zu haben. Die Hälfte der Gäste war bereits nackt, die andere Hälfte war leicht bekleidet.

Mercedes war als eine der wenigen noch vollständig angezogen. Sie trug ein feines, schwarzes Seidenhöschen und einen schwarzen BH aus Seide. Ihre Nippel waren steif und drückten sich gegen ihre straff sitzende, weiße Bluse. Zu ihrem kurzen, enganliegenden Rock hatte sie edle Stiefel mit hohen Absätzen gewählt. Ihr Haar war im Nacken geknotet. Sie hatte sich bewusst gegen eine Gesichtsmaske entschieden. Es war schließlich nicht Karneval und verstecken wollte sie sich auch nicht. Mercedes stellte ihr leeres Champagnerglas ab und nahm stattdessen ein volles Weinglas, um sich in irgendeine Ecke zurückzuziehen. Sie überlegte ernsthaft, wieder zu gehen. Sie fühlte sich dem ganzen freizügigen Sex hier nicht gewachsen.

Sie öffnete die Schiebetür zum Balkon und trat ins Freie, um bis zum Geländer nach vorne zu treten und den Anblick zu genießen, den New York bei Nacht bot. Eine Strähne löste sich aus ihrem Haar. Sie strich die widerspenstigen dunkelbraunen Haare hinters Ohr und seufzte.

„Gefällt ihnen die Party nicht?“, fragte eine eindeutig männliche Stimme hinter ihr ruhig.

Mercedes überlegte, was sie antworten sollte. „Es ist… ein bisschen viel.“

„Warum sind sie hergekommen?“, fragte er interessiert. Sie lachte angespannt. „Um etwas Neues auszuprobieren, aber ich weiß nicht, ob das das ist, was ich will.“ Er sagte nichts darauf.

Mercedes überlegte, wie sie in Worte fassen konnte, was sie störte. „Alle sind nackt, halbnackt oder kurz davor, sich zu entblößen und mitten im Geschehen. Es ist so vorhersehbar, was kommen wird. Wo bleibt da die Erotik, die Spannung… die Verführung.“

Er lachte jetzt herzlich und laut. Seine Stimme klang angenehm. Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht eines attraktiven Mannes Anfang 40. Er war relativ groß und zu ihrer Erleichterung vollständig bekleidet. Er trug einen stinknormalen, grauen Businessanzug und hielt ebenfalls ein Weinglas in der Hand. Auf seiner Stirn waren einige Falten und rund um seinen Mund kleine Lachfältchen sichtbar. Sein Haar war dunkelbraun und kurz geschnitten. Er hatte einen dieser typischen Männerhaarschnitte – straight – wie sie es mochte. Seine Figur war durchschnittlich, keine sichtbaren Muskeln, aber auch kein Bierbauch. Sie spürte, dass ihr Unterleib sich meldete. Der Mann da gefiel ihr verdammt gut.

„Warum sind sie hier?“, fragte sie und hoffte, dass er an ihrer Stimme nicht hörte, wie aufgeregt sie plötzlich war.

„Wegen dem Sex“, antwortete er direkt.

Sie lachte. Sie hatte irgendwie erwartet, er würde etwas anderes sagen.

„…das ist die erste Sexparty auf der ich bin, fuhr er fort. Ich vermute, das haben wir gemeinsam.“

Sie nickte. „Cheers.“ Sie stießen mit dem Weinglas an und tranken beide einen Schluck. Sie sah ihm in die Augen und spürte, wie sie errötete. Ihr Höschen klebte an ihr. Sie fühlte, wie ihre Yoni weich und dick wurde und ihr Saft zu fließen begann. Sie wandte den Blick ab. Die vorwitzige Haarsträhne löste sich wieder und fiel ihr ins Gesicht.

Er strich sie ihr hinters Ohr.

Sie hielt den Atem an.

„Ich war gerade dabei heimzugehen…“, begann sie, um irgendetwas zu sagen und die Spannung erträglicher zu machen.

„Und jetzt haben sie es sich anders überlegt?“, fragte er anzüglich und lachte leise.

Sie antwortete nicht.

Er stellte das Glas auf die Brüstung und küsste sie in den Nacken. Sie blieb stehen, wo sie war. Hitze überströmte sie. Sie schluckte.

Seine Finger wanderten ihren Hals entlang, strichen ganz leicht über ihre Bluse und berührten ihre vollen Brüste.

Sie stöhnte leise. Ja, dieses Spiel gefiel ihr.

Er öffnete die obersten Knöpfe ihrer Bluse, packte ihre Brüste aus und nahm sie in seine Hände. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken und seinen steifen Schwanz an ihrem Hintern. Sie drehte sich zu ihm um.

Er hob sie hoch, setzte sie auf das Geländer und küsste sie auf den Mund. Es war ein neckender, sanfter Kuss – unerwartet spielerisch. Er löste sich von ihr. Sie packte sein Hemd und zog ihn wieder zu sich, um mehr von ihm zu schmecken. Er lachte.

„Du willst mehr?“

„Ja“, antwortete sie und spürte, wie sie dieses Zugeständnis anmachte. Sie küsste ihn verlangend, erkundete seinen Mund und saugte an seinen Lippen. Er erwiderte ihren Kuss ebenso heftig. Sie atmete seinen Geruch ein und spürte die Bartstoppeln an ihrer Wange.

Er zog mit seinem Mund eine kleine Spur aus Küssen und öffnete zugleich die Knöpfe ihrer Bluse, um sein Gesicht in ihrem großen, weichen Busen zu vergraben. Er saugte an ihren Knospen.

Ihr Atem ging heftig. Sie rutschte von der Brüstung herunter. Seine Hände wanderten unter ihren Rock und glitten über ihre Schenkel zu ihrem Slip. Während er ihr das Höschen über den Po zog, strichen seine Finger über ihre runden Backen. Sie ließ ihn gewähren und genoss jede Berührung. Sie spürte die frische Luft an ihrer Yoni, als der Slip zu Boden fiel und begann, seinen Gürtel zu öffnen, um ihm die Hose abzustreifen.

„Nicht so schnell…“ Er hielt ihre Hände fest, küsste sie, drehte sie um und wanderte mit seinen Fingern langsam über ihren Hals, ihren Busen, ihren Bauch und ihren Po, um dann ihren Rock hochzuschieben und ihre Schenkel entlang zu streichen. „Spreiz deine Beine…“

Sie stöhnte und stellte sich breitbeiniger hin. Es machte sie an, wenn er aussprach, was sie tun sollte. Seine Finger wanderten die Innenseiten ihrer Schenkel hoch und berührten sanft ihre Mitte.

„So feucht?“

Sie antwortete nicht. Sie war kurz davor zu kommen. Er schob den Rock ganz nach oben und spreizte ihre Lippen.

„Ich mag deine nasse Fotze.“ Er leckte ihre Ritze entlang und saugte an ihren Lippen.

Sie seufzte leise.

Er leckte ihre Blüte hingebungsvoll und ausgiebig. Sie ließ sich gehen. Wenige Minuten später kam sie. Für ein paar Sekunden war sie vollkommen losgelöst von allem.

Ihr Körper zuckte unkontrollierbar.

Am Rande bekam sie mit, wie er seine Hose öffnete und seinen Schwanz in sie schob, um sie zu ficken. Sie hörte das klatschende Geräusch und genoss jeden seiner festen, schnellen Stöße. Sie drückte ihm ihren Po entgegen, um ihn tief in sich zu spüren. Ein paar Minuten später kam er.

Wenige Augenblicke danach löste er sich wieder von ihr. Sie hätte ihn sehr gern noch länger in sich gespürt. Sie schob ihren Rock wieder nach unten und drehte sich um. Sie war etwas verlegen.

Gott, sie hatte sich vollkommen gehen und diesen wildfremden Mann gewähren lassen, wie er wollte. Erleichtert stellte sie fest, dass er ein Kondom benutzt hatte. In ihrer Geilheit hatte sie darauf vergessen. Der Gummi war ihr wichtig wegen der Geschlechtskrankheiten. Sie wusste schließlich nichts von ihm.

Er sah ihr in die Augen und lächelte sie an. Sie sah als Erste weg und nahm ihr Weinglas, um es auszutrinken. Er packte seinen Schwanz wieder ein.

Die Balkontür wurde aufgeschoben. Lärmend und lachend kam ihnen ein Grüppchen von Männern und Frauen entgegen. Mercedes schloss rasch die Knöpfe ihrer Bluse. Einer der Gentlemen ging auf den ihr nun nicht mehr ganz so fremden Mann zu.

„Collin? Ich dachte schon, du bist heimgegangen. Komm mit uns!“ Und zog ihn weg zur Gruppe.

Mercedes atmete tief durch. Sie hatte genug Abenteuer für heute erlebt und beschloss, das Weite zu suchen. Am liebsten wäre sie ihm nachgegangen und hätte ihn nach seinem Namen und seiner Handynummer gefragt – aber sie wusste nicht, ob sie sich damit gänzlich blamierte. Schließlich war der Sinn dieser Sexpartys zwangloser Sex ohne Verbindlichkeiten. Sie war unentschlossen, er schien sich gut zu unterhalten mit seinen Freunden. Sollte sie – oder nicht…

Gott.

Das Grüppchen verließ den Balkon und Collin –

wenn sie seinen Namen richtig verstanden hatte – ging mit ihnen. Somit hatte er ihr die Entscheidung abgenommen. Sozusagen. Enttäuschung durchflutete sie. Was hatte sie auch erwartet? Sie fluchte und ging ebenfalls wieder ins Innere der luxuriösen Wohnung. Sie wollte nur Savannah Bescheid geben, dass sie sich auf den Heimweg machte.

Mercedes sah sich suchend um. Hier konnte sie ihre Freundin nirgends entdecken. Sie warf einen Blick in den „Bondage Raum“ und dann in eines der Schlafzimmer. Savannah saß in der Liebesschaukel und wurde gerade von einem ihr unbekannten Mann verwöhnt. Mercedes drehte um, da wollte sie jetzt auch nicht stören. Im Gehen entdeckte sie die Frau mit dem Pagenkopf und bat sie, ihrer Freundin Bescheid zu geben, dass sie die Party verlassen habe. Die Dame in Schwarz nickte.

Mercedes ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und fuhr mit dem Lift nach unten, um sich ein Taxi zu rufen. Sie spürte die kühle Luft an ihrer Yoni. Ihr Höschen lag oben auf dem Balkon. Es war ein sonderbares Gefühl ohne Slip unterwegs zu sein. Sie kam sich nackt vor, obwohl sie doch vollständig bekleidet war. Sie zog ihre feine Jacke enger um sich, während sie auf das Taxi wartete.

Zuhause genoss sie die heiße Dusche und ging mit gemischten Gefühlen ins Bett. Er spukte ihr im Kopf herum. Sie hätte gern mehr Privatsphäre mit ihm gehabt, zumindest die Chance, ein paar Worte zu wechseln oder sich wenigstens auf irgendeine Art und Weise zu verabschieden. Oder Kontaktdaten auszutauschen. Sie verfluchte ihre Schüchternheit. Savannah wäre ihm einfach nachgegangen und hätte locker lässig nach seiner Telefonnummer gefragt, das wusste sie.

Andererseits hätte er sie ebenso fragen können. Vielleicht war ihm die Gruppe ganz gelegen gekommen, um so einfach wieder aus der Szene raus zu können. Sie würde es wohl nicht erfahren. Die Chancen standen schlecht, ihn je wieder zu sehen. Schließlich waren diese Sexpartys anonym, deshalb ließen die Leute ihre Hemmungen fallen. Zumindest war das ihr Eindruck gewesen. Sav würde sicher Genaueres wissen. Einige schienen sich doch nicht zum ersten Mal begegnet zu sein.

Sie fiel in einen unruhigen Schlaf.

Neustart

Mercedes verbrachte einen gemütlichen Sonntag mit Fernsehen auf der Couch. Abends raffte sie sich auf, um eine Runde zu joggen.

Morgen war ihr erster Tag bei „SOL Corp“. Sie hatte an der Philadelphia University Marketing studiert und gute zehn Jahre Vollzeit Berufserfahrung vorzuweisen, mit Teamleitung. Ihre Aufgaben in der großen Software Firma würden sowohl den klassischen Marketingbereich umfassen, als auch Assistenzarbeiten der Geschäftsführung. Sie freute sich auf ihren ersten Arbeitstag. Zugleich war sie sehr aufgeregt.

Sie wählte ein elegantes und geradliniges Businesskostüm und dazu ihre Lieblingsschuhe mit den bequemen Absätzen. Ihr Haar knotete sie, wie meistens, im Nacken. Sie war mit ihren 1,63 m nicht gerade eine große Frau, hatte aber keine Lust den ganzen Tag in mega High Heels herum zu rennen. Es gab Wichtigeres. Schließlich wollte sie aufgrund ihrer Arbeit überzeugen und nicht wegen ihres Aussehens, obwohl ihr durchaus klar war, wie wichtig professionelles Auftreten war. Gerade sie als Marketingfachfrau war sich dessen überaus bewusst.

Um 08 Uhr begann ihr erster Arbeitstag. Sie hatte am Vortag alle ihre Unterlagen vorbereitet, um gut in ihren ersten Tag zu starten. Bevor sie ging, trug sie noch ihr Lieblingsparfum auf und schlüpfte in ihren Mantel. Ihre Firma war nur zehn Minuten von ihrer kleinen Wohnung in Manhattan entfernt. Sie erschien pünktlich, grüßte die Dame am Empfang freundlich und plauderte ein wenig mit ihr.

Viele blickten auf das Fußvolk herab. Da sie selbst lange zu besagtem Fußvolk gehört hatte und wusste, wie arrogant und aalglatt manche Menschen werden konnten, wenn sie Höhenluft geschnuppert hatten, lag ihr nichts ferner als das. Mercedes wollte von Anfang an einen guten Start hinlegen und dazu gehörte auch, sich die Vornamen der Leute zu merken, denen sie täglich begegnen würde.

Brenda, die Empfangsdame in ihren 40ern, schien Einiges drauf zu haben und sie wollte es sich mit ihr auf keinen Fall verscherzen.

Der Tag begann ruhig. Um 10 Uhr würde sie an ihrem ersten Meeting teilnehmen. Sie freute sich sehr darauf. Als es so weit war, begleitete sie ihr neuer Kollege Simon in den Konferenzraum und stellte sie kurz vor. Mercedes schüttelte allen die Hand.

Ein Platz war noch frei – der Chefsessel. Die Tür öffnete sich, sie blickte auf und hielt die Luft an. Sie spürte, wie ihre Wangen sich rot färbten.

„Guten Morgen!“, grüßte er freundlich in die Runde. Sie bemerkte seinen überraschten Blick, als er in ihr Gesicht sah. Zumindest hatte er sie auch wiedererkannt.

Simon stellte sie einander vor. „Mr. Parker, das ist unsere neue Marketingfachfrau Ms. Bergmann.“ Er reichte ihr die Hand und sah ihr dabei in die Augen. „Willkommen im Team!“ Sie brachte gerade noch ein „Danke!“ heraus. Dann begann das Meeting.

Collin.

Das durfte doch nicht wahr sein. Kurz war ihr, als ob der Ton auf lautlos oder so ein komisches Rauschen gestellt war. Es fiel ihr verdammt schwer, irgendetwas von dem zu hören, was geredet wurde. Er schien sich hingegen sehr schnell gefangen zu haben und führte professionell durchs Meeting. Schließlich, nach den ersten zehn Minuten, gelang es ihr doch wieder, ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie versuchte, sich so gut es ging auf den Inhalt zu konzentrieren und sich dazu noch ein paar Gesichter zu merken.

Ihr neuer Kollege Simon war nett. Er hatte ihr gleich angeboten, dass sie sich beim Vornamen nannten und ihr das 5. Stockwerk gezeigt. Nach einer Stunde war das Meeting zu Ende. Mercedes verließ gemeinsam mit Simon den Konferenzraum. Sie erfuhr von ihm, dass ihr Team zu Mittag häufig in ein Lokal ging, anstatt in die Mensa.

Am liebsten wäre sie im Büro geblieben, um etwas Zeit für sich zu haben und in Ruhe durchzuatmen, aber sie wusste, dass es wichtig war, welchen Eindruck sie am Anfang hinterließ. Also ging sie mit zu dem kleinen Italiener und freundete sich mit Irene an, einer weiteren Kollegin aus dem gleichen Stockwerk. Dieser Kontakt war wertvoll, vor allem, da in der Firma hauptsächlich Männer zu arbeiten schienen, zumindest je weiter es nach oben ging. Irene war eine Plaudertasche und das war nützlich in einer großen Firma.

Um 12:50 Uhr brachen alle wieder auf, um weiterzuarbeiten. Kaum war sie an ihrem Schreibtisch angekommen, erschien Collin im Türrahmen.

„Ms. Bergmann, haben sie kurz Zeit?“ Sie nickte und folgte ihm in sein Büro. Ihr schwante nichts Gutes. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch auf den Drehsessel. Sie nahm auf dem Stuhl davor Platz und betrachtete das Foto, das auf seinem Schreibtisch stand. Frau und Kind.

Der Tag wurde ja immer besser.

„Mr. Parker, ihre Frau auf Leitung 2.“

Das passte. Ihr wurde schlecht.

Er nahm den Hörer ab. Das Gespräch schien ziemlich frostig abzulaufen und war nach ein paar Sätzen wieder beendet. Mercedes war froh über die kurze Unterbrechung, die ihr wenigstens eine Minute bescherte, um das nächste Detail zu verdauen. Einen besseren Typ hätte sie ja wohl nicht wählen können, um frei, wild und hemmungslos Sex zu haben.

Boss, verheiratet mit Kind.

„Würden sie die Tür schließen?“

Aha. Mercedes stand auf, schloss die Bürotür und setzte sich wieder. Sie fühlte sich wie in der Schule, wenn sie etwas Ausgefressen hatte und zum Direktor zitiert wurde. Es war ihr erster Arbeitstag, sie war im Probemonat, er brauchte nicht einmal einen Grund, um sie zu feuern. Sie wartete.

„Wollen wir darüber reden?“, fragte er schließlich.

Sie schaute ihn irritiert an. „Nein!“, kam es klar und deutlich von ihr.

Er schien erleichtert. „Ich habe dich für diesen Job persönlich ausgewählt, aufgrund deiner langjährigen Marketingerfahrung und deiner Doppelnationalität. Wir arbeiten eng mit Deutschland zusammen und im Moment sind die Geschäftsbeziehungen etwas angespannt. Ich hatte gehofft, dass du aufgrund deiner Sprachkenntnisse und deinem persönlichen Bezug zu…“

Mercedes hörte nicht mehr zu. Der Arsch hatte gewusst, wer sie war und sie trotzdem gefickt? Hatte er sie noch alle? War das zu toppen?

Er schien zu merken, dass sie längst woanders war, stoppte mitten im Satz und sah sie fragend an. Dann schien es klick bei ihm zu machen.

„Wir haben seit geraumer Zeit diese Auflage, potenzielle Bewerbungsunterlagen ohne Namen und Foto zu bewerten, um einer möglichen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Rasse vorzubeugen. Wir hatten diesbezüglich bereits eine Klage am Hals, aufgrund unserer geringen Frauenquote und der Tatsache, dass wir männliche Bewerber im Alter von 25 und 35 bei gleicher Qualifizierung den Frauen vorgezogen haben…“ Er stoppte kurz. „Wegen den karenzzeitbedingten Ausfällen. Ich wusste nur, dass du 33 Jahre alt bist. Ich habe aufgrund deiner beruflichen Qualifikation entschieden.“

„Ok.“ Sie atmete hörbar aus. Wenigstens ein positives Detail am Rande. Sie versuchte, Anschluss zu finden zu dem, was er vorhin gesagt hatte. Der Job war nur noch zu retten, indem sie sich professionell verhielt. „Sie hatten die Hoffnung, meine Doppelnationalität würde sich vorteilhaft auf die Geschäfte mit Deutschland auswirken“, begann sie.

Er nickte. „Das ist eines meiner Projekte, die mir wichtig sind und ich habe dich als meine persönliche Assistentin ausgewählt, da ich auf deinen Einsatz zähle...“ Er stoppte wieder.

Mercedes ahnte, was ihm durch den Kopf ging. Ihr Start hatte alles verdammt kompliziert gemacht und er überlegte gedanklich bereits, das Arbeitsverhältnis wieder zu lösen. Sie war noch nicht bereit, auch noch die Stelle zu verlieren. Alles andere hatte sie ohnehin schon abgeschrieben, das war logisch.

„Haben sie einen konkreten Arbeitsauftrag für mich?“, fragte sie ruhig.

Er schien erleichtert, dass sie ihm auf die Sprünge half. „Ja. Morgen ist unser nächstes Meeting mit unseren deutschen Kollegen. Ich möchte, dass du dabei bist und dir heute noch diese Präsentation ansiehst und Verbesserungsvorschläge einbringst.

Um 08 Uhr findet die Vorbesprechung im Konferenzraum statt. Um neun Uhr kommen unsere Geschäftspartner aus Berlin. Wir treffen uns alle ein bis zwei Monate persönlich, da wir festgestellt haben, dass das effizienter ist, als die Telefonkonferenzen, zumindest solange das Produkt noch im Entstehen ist.“

Mercedes nickte. „Ok.“ Er drehte den Bildschirm zu ihr hin, ließ die Präsentation ablaufen und erklärte ihr, worum es ging. Ein Softwareprogramm für einen deutschen Handyanbieter.

USA und Deutschland arbeiteten bereits seit einigen Jahren eng zusammen und profitierten gegenseitig vom regen Warenverkehr.

Deutschland exportierte 2016 Waren im Wert von über 100 Milliarden Euro in die USA und importierte Waren im Wert von knapp 58 Milliarden. Das war ihr noch vom letzten Länderbericht aus den USA im Gedächtnis. Vor allem Ford, General Electric, McDonald’s oder auch Hewlett Packard schafften Arbeitsplätze in Deutschland. Es ging also um große Summen.

Mercedes hörte ihm aufmerksam zu. „Ok. Dann sehen wir uns morgen um 08 Uhr“, meinte sie, als er ihr das Wesentliche erklärt hatte. Er nickte und sie verließ sein Büro.

Als sie die Tür hinter sich zuzog, atmete sie wieder hörbar aus. Sie hatte während der Präsentation ein paar Ideen gehabt und sie wollte ein paar Nachforschungen anstellen, warum sich die Geschäftsbeziehung zu ihren deutschen Kollegen verschlechtert hatte. Sie wusste auch, wen sie da fragen konnte: Irene. Zum Glück gab es jede Menge zu tun, dass sie von der anderen Sache ablenkte. Mercedes machte sich an die Arbeit.

Er lehnte sich in seinem Drehsessel zurück. Sie war süß. Und wahrscheinlich auch kompetent. Aber das würde nichts werden. Es war einfach zu kompliziert. Er würde das Dienstverhältnis nach dem Besuch ihrer deutschen Geschäftspartner auflösen.

Mercedes musste ihn für einen kompletten Vollarsch halten. Er hatte ihre Reaktion auf das Foto auf seinem Schreibtisch sehr wohl mitbekommen.

Dabei war die Ehe zwischen ihm und seiner Frau Anja seit fünf Jahren tot. Wenn sie je lebendig gewesen war. Er und Anja hatten sich vor 15 Jahren kennen gelernt. Ihm hatte ihr schickes Auftreten imponiert. Er hatte ihre Spleens und besonderen Wünsche als Indiz für die gehobene Klasse gehalten und wollte sie unbedingt rumkriegen. Mittlerweile nervten ihn ihre Extravaganzen nur mehr.

Vor fünf Jahren waren sie das letzte Mal miteinander im Bett gewesen. Sie war kühl und unnahbar und ungefähr so leidenschaftlich wie ein Gefrierschrank. Dafür hatte sie lange Beine, eine Wespentaille, war ständig auf Diät und sah jederzeit todschick aus. Sie schien zu denken, dass ihre einzige Aufgabe im Leben darin bestand, schön zu sein. Sie war gut darin, ihr Äußeres zu ihrem Daseinszweck zu machen.

Bei Anja drehte sich immer alles um Anja. Er hatte ewig um sie geworben und dann, als sie zusammengekommen waren, war sie kurz darauf schwanger geworden. Er vermutete, wenn dem nicht so gewesen wäre, dann hätten sie sich ein Jahr später wieder getrennt, anstatt zu heiraten.

So waren die Dinge immer komplizierter geworden. Dylan ihr Sohn, das gemeinsame Haus, der gemeinsame Besitz. Er hatte sein Bestes gegeben, die Beziehung am Leben zu halten.

Sie beschwerte sich häufig über seine langen Arbeitszeiten und ständig wollte sie irgendetwas von ihm. Ein größeres Haus, ein teureres Auto, einen größeren Klunker am Finger, ein Wochenendhaus… Es stand für sie schon damals außer Frage, dass er ihren Lebensstil finanzierte. Zugleich bekrittelte sie, dass er keine Zeit für sie habe.