Inhalt


Einleitung

1. Rechtsrum, linksrum:
Das Leiden am Veränderungstempo

2. Schneller als der eigene Schatten:
Die Treiber der Veränderung

3. Die Folgen des Veränderungskarussells:
Flexibel sei der Mensch, biegsam und gut

4. Das Baumarkt-Prinzip:
Wer nicht passt, wird passend gemacht

5. Das mörderische Spiel mit dem Leben:
Der Veränderungs-Kollaps

6. Über den Wolken: Change von oben

7. Im Einklang mit dem Ich:
Die Veränderungs-Balance

Nachwort von Prof. Dr. Myriam N. Bechtoldt

Einleitung

Es ist, als ob eine Raupe langsam zwischen zwei Buchdeckeln zerdrückt wird. Kleine Kinder haben ja leider manchmal solche Einfälle. In einer Ecke des Gartens hockend wird der kleine Max von der Experimentierfreude gepackt: Wollen wir doch mal sehen, wie der kleine grüne Organismus auf den zunehmenden Druck reagiert! Ist ja irre, wie sich der zähe kleine Leib dehnen lässt. Wie Kaugummi. Oder Knete. Und dann diese lustigen zappelnden Stummelbeinchen, die immer mehr Mühe haben, sich zu bewegen. Was wird wohl passieren, wenn ich den Druck weiter erhöhe? Nur noch ein kleines bisschen mehr …

»Max, lass sofort das arme Tier frei!« Das gequälte Geschöpf hat Glück: Die Mutter verhindert die bevorstehende Schandtat gerade noch rechtzeitig.

Sie finden das eklig? Tierquälerei? Ab zum Psychologen mit dem kleinen Sadisten?

In den Unternehmen geschieht tagtäglich genau das. Nur dass es dabei nicht um Raupen geht, sondern um Menschen wie Sie und mich. Der Druck wird nicht durch zwei Buchdeckel erzeugt, die jemand zusammendrückt, sondern durch immer mehr Change-Prozesse.

Und die Führungskräfte, die diese Prozesse anstoßen und gnadenlos vorantreiben, pfeift leider niemand zurück.

Vermutlich sind Sie mittendrin. Sie spüren den ständigen Anpassungsdruck jeden Tag. Keine Zeit zum Durchatmen. Eine Veränderung jagt die andere. Wie oft haben Sie schon gedacht: Was soll der ganze Scheiß! Ich habe keine Lust mehr! Vielleicht kennen Sie auch das Gefühl, in einer Change-Endlosschleife zu stecken: Gerade wussten Sie noch, wo es langgeht, schon kommt wieder etwas Neues um die Ecke. Und Sie fragen sich: Wie komme ich da noch mit? Wie lange halte ich das alles eigentlich aus?

Das sind berechtigte Fragen. Das zunehmende Change-Tempo ist gefährlich, weil es Menschen nicht guttut. Nicht einmal denen, die grundsätzlich flexibel und veränderungsbereit sind.

In diesem Buch werden Sie Menschen kennenlernen, die mir ihre Geschichte erzählt haben. Sie haben mir berichtet, was sie bei Change-Prozessen erlebt und erlitten haben. Um ihre Identität zu schützen, treten sie nicht unter ihrem Klarnamen auf. Ihre Erfahrungen dagegen spiegeln die auf vielfältige Weise erschreckende, bedrückende und manchmal einfach nur verrückte Change-Realität in den Firmen wider, über die bisher nicht öffentlich gesprochen wird.

Dieses Buch möchte all den Change-Opfern erstmals eine Stimme geben. Wie viele dieser Schicksale gibt es? Tausende? Zehntausende? Millionen gar? Es ist schwer zu sagen, denn diese Statistik will niemand erstellen. Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Menschen faktisch Schaden am Change nehmen. Sie lesen höchstens mal etwas darüber, wie mal wieder im Rahmen von Umstrukturierungen Arbeitsplätze abgebaut werden. Doch was ist mit all den anderen? Wie ergeht es der weitaus größeren Zahl von Menschen, die in den Firmen bleiben? Wie erleben sie den vielbeschworenen permanenten Wandel?

Ich möchte sichtbar machen, was diesen Mitarbeitern so alles widerfährt. Die Recherchen für dieses Buch lassen eine ungeheure Dunkelziffer von Change-Opfern vermuten, die größtenteils unentdeckt vor sich hin leiden. Ich finde diesen Zustand nicht länger haltbar. Für mich ist die Situation vergleichbar mit der Dunkelziffer von häuslicher Gewalt: Jeder weiß, es sieht schlimm aus. Jeder ahnt, dass die Dimensionen weitaus größer sind, als die offiziellen Meldungen es andeuten. Doch es wird der Mantel des Schweigens darübergehüllt.

Besonders bedauerlich finde ich, dass viele Change-Opfer im Stillen leiden. Ihnen fehlt das Ventil. Oft glauben sie, es ginge nur ihnen allein so, und alle anderen kämen zurecht. Sie schweigen und beißen die Zähne zusammen, weil sie glauben funktionieren zu müssen. Denn da ist diese Angst, dass ihre Chefs oder Kollegen sie als »Querulant«, »Jammerlappen« oder auch »Change-Bremse« abstempeln. Schlimmer noch: Der Chef könnte auf die Idee kommen, sich von ihnen zu trennen, weil sie nicht flexibel genug und belastbar sind.

Dieses Buch ist ein Appell, genau hinzuschauen, was in unseren Unternehmen vor sich geht, und nicht mehr die Augen vor der Realität zu verschließen. Ich möchte dazu beitragen und auch Sie ermutigen, dieses Thema in die öffentliche Diskussion zu tragen. Helfen Sie mit, die Mechanismen zu enttarnen, die Sie kaputtverändern. Denn die Auswirkungen dessen, was gerade täglich von Aachen bis Zwiesel geschieht, sind weder für Sie persönlich noch für unsere Wirtschaft und Gesellschaft folgenlos.

Doch ich habe auch eine gute Nachricht für Sie: Sie sind dem Change-Horror nicht hilflos ausgeliefert. Sie können etwas tun. Dazu finden Sie in diesem Buch Rat. Sie lernen die psychologischen Mechanismen kennen, die Sie in eine krankmachende Veränderungsfalle tappen lassen. Wie Sie erfahren werden, spielen dabei häufig ausgerechnet hochgelobte Tugenden und Wertsysteme in unserem Arbeitsleben eine tragische Rolle, an die wir bisher alle glaubten.

Im Mittelpunkt des Buches stehen zwei Fragen: Wie viel Veränderung können Sie als Mensch überhaupt aushalten? Und was passiert, wenn die Grenze überschritten ist?

Machen wir uns nichts vor: Eigentlich ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Unserem Gehirn haben wir eine eingebaute Change-Aversion zu verdanken. Es liebt die Routine und die Wiederholung, weil das viel kraftsparender ist, als ständig neue neuronale Verbindungen aufzubauen.

Wenn wir ständig mit Veränderungen konfrontiert sind, ist das für unser Gehirn so, als wenn Sie mit Ihrem Auto mit Vollgas auf einer Buckelpiste fahren und dabei mal nach rechts und mal nach links geschaukelt werden. Gerade, wenn Sie denken, dass es nun wieder ruhiger läuft, haut die nächste Bodenwelle Sie so richtig aus dem Sitz. Jedes Mal müssen Sie gegensteuern, um noch auf der Fahrbahn zu bleiben. Wie schön wäre es dagegen, auf einer glatten Straße einfach nur dahinzufahren!

Doch diese glatten Straßen sind in der Arbeitswelt ein Wunschtraum. Die Change-Buckelpiste ist die Realität, der wir täglich ausgesetzt sind. Und sie wirft sehr viele Menschen voll aus der Bahn.