PROLOG
EINLEITUNG
Radfahren als Lebenseinstellung
Exkurs:
Wissenswertes rund ums Radfahren
Freiheit auf Rädern
Ansichtssache
FAHRRADKUNDE, TECHNIK UND TUNING
ENTWICKLUNG UND ERFINDUNGEN BIS HEUTE – MEILENSTEINE
Der Diamantrahmen
Das Rennrad
Das Mountainbike
Die Zeitfahrmaschine
Das Triathlonrad
Das Gravelbike
Der Cyclocrosser
Räder für Frauen
Das Kinderrad
DIE KOMPONENTEN
Pedale
Bremsen
Sattel
Lenker
Griffe und Lenkerband
Kurbellänge
DAS EQUIPMENT
Radhose
Radschuhe
Innensohle
BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN
ANATOMIE
Muskeln
Ursache-Folge-Kette
Das Becken
Das Knie
Der Fuß
Beinachse
Beinlängendifferenz
Die Schulter
Die Hände
FAHRRADFAHREN UNTER DIE LUPE GENOMMEN
Zyklische Bewegung
Die Kurbelumdrehung aus biomechanischer Sicht
DAS BIKEFITTING
Problemlöser
Das magische Dreieck
RÜCKBLICK AUF FITTING-MEILENSTEINE
Historie
Aktuelle Methoden
DAS FAHRRAD UNTER DER LUPE
Bikesizing
Stack und Reach
DIE SITZPOSITION UNTER DER LUPE
Der Sweetspot ist kein Punkt
Einstellungsphilosophie
SCHNITTSTELLE PEDAL
Einlagen
Klickpedalsysteme
Cleat-Einstellung
Vorfuß-Varus
Mittig zentrale Cleat-Position
SCHNITTSTELLE SATTEL
Sattelhöhe
Exkurs: XC- und CX-Racing-Sattelhöhe
Ferse-auf-Pedal-Methode
Formelmethode
Selbstversuch
Dynamische Bestimmung
Winkelmessung am Knie
Sattelversatz
Sattelneigung
Satteldesign
SCHNITTSTELLE LENKER
Oberkörperwinkel
Sitzlänge
Vorbaulänge
Oberkörperwinkel
Aeroposition
Einstellung des Aerolenkers
Lenkerbreite
Die Einstellung ist kein Kinderspiel
FINALE ENTSCHEIDUNG
Set your Setup
Maßübertrag
BIKE MEDICAL – STÖRGERÄUSCHE AM EIGENEN KÖRPER
DIE DOSIS DER SCHMERZEMPFINDUNG
VERLETZUNGEN BEIM RADFAHREN
Tendopathien
Achillessehnenentzündung
Fußschmerzen
Morton-Neurom
Unspezifische Knieschmerzen
Patellofemorales Schmerzsyndrom
Chondromalazie
Plica-Syndrom
Patellaspitzensyndrom
Pes-anserinus-Syndrom
Entzündung am Wadenbeinköpfchen
Tractus-iliotibialis-Syndrom
Schmerzen im Schritt
Verletzungen in der Hüfte – Impingement
Radfahrerkrankheit Endofibrose
Karpaltunnelsyndrom und Ulnarisparese
Schulterschmerz
Rückenschmerzen
Nackenschmerzen
RADFAHREN ALS THERAPIE
Alter und Beweglichkeit
Arthrose und Rheuma
Psychologische Komponente
Exkurs: Die Schaufensterkrankheit von Straßenradfahrern
TRAINING, TECHNIK, WETTKAMPF
TRAINING
Dehnfähigkeit und Flexibilität
Stabilität aus der Mitte
Transfersportarten
Smartes Rollentraining
Mobile Fitness
Stabilisation der Füße
Verbesserung der Tritttechnik
Frequenztuning
Einbeiniger Tritt
Der Haltung hilft ein roter Faden
WETTKAMPFSTRESS
POSTLUDE/NACHSPIEL
Danksagung – Making-of
»Mit Geduld die endgültige Sitzposition finden. Oft dauert es mehrere Jahre, bis die Perfektion auf den Millimeter genau erreicht ist. Experimentieren und Ausprobieren kostet Zeit, während sich der Körper progressiv verändert und anpasst. Regelmäßiges Training macht ihn geschmeidiger, leistungsfähiger und zielsicherer«, so beschrieb der Franzose Claude Genzling in seinem Buch aus dem Jahr 1988 das Thema, um das es im vorliegenden Buch geht.
Mehr als 30 Jahre später ist die Sitzposition auf dem Rad immer noch eine jeweils sehr individuelle und oft herausfordernde Materie. Sie wird entweder über mehrere Jahre auf eigene Faust, mit dem dadurch entwickelten Gefühl für die Feinabstimmung, oder neuerdings vom Bikefitter des Vertrauens entwickelt. Damit ist die Trial-and-Error-Methode für den modernen Radfahrer nicht mehr zwingend notwendig, er kann sowohl in puncto Material als auch Biomechanik aus dem Vollen schöpfen.
In diesem Punkt unterscheidet sich der Radsport früherer Prägung explizit von der aktuellen Entwicklung. So sind einst ergonomische Komponenten überhaupt gar nicht erhältlich, weil noch nicht produziert. Die Form folgt der Funktion, die aber nicht zwingend benutzerfreundlich ist, scheint das Credo der Fahrradindustrie zu sein, die vielleicht schon durch die Erfindung des Mountainbikes, spätestens aber seit der Vielfalt an erhältlichen Fahrradtypen volle Fahrt aufnimmt.
Beim Bikefitting werden indes alle Zutaten gemischt. Die eigene Sitzposition muss nun nicht mehr über viele Saisons adaptiert werden, da ein Bikefitter diese mühevolle Arbeit durch sein Screening kompensiert. Dabei bestimmen sportwissenschaftliche, ergonomische und physikalische Gesichtspunkte die korrekte Grundeinstellung. Das zufriedenstellende und erfolgreiche Ergebnis baut sich durch verschiedenste Ansichtspunkte und persönliche Voraussetzungen auf, die aber in ihrer Gesamtheit zu komplex ausfallen, als dass sinnvollerweise eine generalisierte Anleitung à la Kochbuch erfolgen kann. Aus diesem Grund kann dieses Buch kein unmittelbarer und/oder allumfassender Leitfaden zum Do-it-yourself-Fitting sein.
Vielmehr werden Sie auf eine Reise eingeladen, die Ihnen hinsichtlich Ergonomie am eigenen Fahrrad Empfehlungen, nützliche Hintergrundinformation und somit mehr Verständnis bietet. Mit Sach- und gesundem Menschenverstand nähern wir uns der Problematik. Beispiel: Sollte der x-te Sattel bei der grundlegenden Problematik – Gesäßschmerzen – keine Besserung bringen, liegt die Lösung wahrscheinlich an der Einstellung. Diese Neuorientierung beinhaltet sowohl die verwendete »Hardware« als auch Adaptionen am Fahrer selbst.
Fahrradergonomie-Spezialisten werden Ihnen mittels ihrer Dienstleistung helfen, die perfekte Sitzposition zu ermitteln. Nach der Lektüre dieses Buches dürften einige Fragen dazu geklärt sein, und es sollte zumindest möglich sein, Ihrem Bikefitter des Vertrauens bei seiner Arbeit genau auf die Finger zu schauen.
Haben Sie selbst noch jene Zeiten in Körbchenpedalen erlebt, als Sie für einen Gangwechsel tief zum Unterrohr greifen mussten, um dann mangels Feineinstellung des Schalthebels den richtigen Gang aus dem Handgelenk zu zaubern?
Dann haben Sie wahrscheinlich genug Saisons an Erfahrung auf dem Buckel, sodass Sie Ihre Sitzposition auf den Millimeter genau kennen, zumindest beim Rennrad, das zu jener Zeit das einzig wahre sportliche Fahrrad darstellte. Doch auch Neueinsteiger wollen Spaß beim Radfahren erleben, noch dazu auf jedem Terrain, ohne dabei Kompromisse eingehen zu müssen. Die aktuell vielfältige und für jede körperliche Voraussetzung verfügbare Auswahl an Radkategorien kommt ihnen da entgegen. Das neu aufkeimende und breite Interesse erfreut Jung und Alt und vor allem auch Frauen. Sie nehmen unverzagt ihre Beine in die Hand und kurven ganz selbstverständlich und zugleich ohne Begleitung auf ihrem Rad.
Komplexe Bedürfnisse schaffen auch indirekt neue Anforderungen an das Material, das insbesondere in Pandemiezeiten eine boomende Nachfrage erlebt. Bikefitting unterstützt diesen Prozess, indem Hersteller auf die Erfahrungen aus diesem Bereich Rücksicht nehmen und profitieren. Ein Radsportnovize erspart sich somit viel Zeit mit Tüfteln, und ein Veteran kann sich trotz seiner etablierten Sitzposition bei Beschwerden beraten lassen.
Dieses Buch richtet sich aber nicht nur an jene, die das Privileg genießen, das sie direkt nach dem Aufstehen in die Bikeshorts schlüpfen lässt, sondern auch an uns Normalsterbliche, die kurz vor dem Frühstück von einem längeren Arbeitsweg oder an freien Tagen vom liebsten Hobby oder auch Wettkampf in den Sattel gerufen werden.
Schon beim Hineinschlüpfen in die Radhose wirkt die Vorfreude. Ob es beim Rennradler oder Graveler die bevorstehende große Runde, beim Mountainbiker der Hausberg oder beim Enduro-Junkie der Trailfun ist, jeder findet mit dem Radfahren seine Herausforderungen, einzig die Triathleten haben immer noch mindestens eine der zwei anderen Sportdisziplinen im Hinterkopf. Verschwitzt, aber gesund am Ziel angekommen, dominieren allerlei sauerstoffgebundene Glückshormone die Erschöpfung. Diese kann mittels schnell verfügbarer Energie recht elegant gedämpft werden. Es bleibt die Erinnerung an Tausende Tritte und noch viel mehr Emotionen, an Kurven, Anstiege, Abfahrten und automatisierte wie meist kontrollierte Brems- und Lenkmanöver. Umfallen an der Ampel, weil wir vergessen haben, uns aus den Klickpedalen zu befreien, ist längst Anekdote. Rampen, die im Wiegetritt weggedrückt, Schlaglöcher, die elegant umfahren, und überraschende Hindernisse, die per Handzeichen nach hinten kommuniziert werden, gehören zum Radfahreralltag dazu. Bleiben nach dem Raderlebnis, abgesehen von kleinen bis großen Ermüdungserscheinungen, keine misslichen Empfindungen zurück, können Sie sich selbst gratulieren.
Aber leider treten, unabhängig vom Trainingszustand, Fahrrad oder Alter, mitunter Beschwerden begleitend mit in die Pedale, die neben anderen Ursachen vor allem die Sitzhaltung betreffen. Der Körper reagiert auf den Ergonomie-Ausfall mit nachhaltigem Unwohlsein, ein Besuch beim Bikefitter kann da helfen. Hinter diesem Anglizismus für einen Spezialisten zum Thema Fahrradsitzposition kann sich auch eine Fachfrau verbergen. Er oder sie bestimmt die Position am Fahrrad auf dem stationären Rollentrainer dynamisch, also während der Fahrt.
Die ersten Zweiradschritte im Gleichgewicht macht die Menschheit auf der Draisine, der Laufmaschine. Sie stabilisiert sich anhand der sich drehenden Räder und wird im Jahr ohne Sommer erfunden, als 1816 der überaktive Vulkan Tambora auf Indonesien weltweit den Himmel verdunkelt. Dies hat Ernteausfälle zur Folge, was sich auch auf Verfügbarkeit und Preis des Pferdefutters auswirkt. Es muss letzten Endes eine Lösung für die Mobilität her, die sich im mechanischen Pferd anbietet. Die nächste Entwicklungsstufe zündet mit dem Veloziped. Dabei bedienen die Füße am Vorderrad befestigte Tretkurbeln, wodurch Lenkbewegungen allerdings nur eingeschränkt möglich sind.
Wir kennen diese Prinzipien noch heute, und zwar bei Kindermodellen. Ersteres findet sich heutzutage am Laufrad wieder, Letzteres beim Dreirad. Gerade mit der »Laufraddraisine« lernt der Nachwuchs, die Balance zu halten, und die erlernte intrinsische Stabilität wird ganz selbstverständlich vom Laufrad auf das Fahrrad übernommen. Stützräder, die das motorische Lernen verhindern oder die Antizipation ins Leere laufen lassen, braucht es nicht. Der richtige Bewegungsablauf wird schon beim ersten Fahren abgespeichert.
Das Gleichgewicht wird intuitiv mit feinen, permanent stattfindenden Lenkbewegungen gehalten und ein Leben lang nicht mehr vergessen. Der Kipptendenz stellen sich subtile Lenkbewegungen mitsamt steter Körpergewichtsverlagerung in den Weg. Diese verborgene Schlängelbewegung tritt beispielsweise beim Zeitfahren augenscheinlich zutage, wo sich trotz geschwindigkeitsbedingter gesteigerter Fahrstabilität die kurvige Bahn des Vorderrades feststellen lässt. Unterschiedliche Geschwindigkeiten zeigen auch ihre kuriose Wirkung auf das Lenkverhalten.
Des verblüffenden fahrdynamischen Phänomens, des Spiels mit dem Ungleichgewicht, kann man sich in Kurven bedienen: Statt aktiv in die Kurve einzubiegen, wird der Lenker an der Seite belastet, in die gesteuert werden will, und das Gefährt neigt sich wie von Geisterhand in die gewünschte Richtung.
Es gibt wahrscheinlich kaum einen Gegenstand, bei dem Lust und Last so nah beieinanderliegen wie beim Fahrrad. Als umweltschonendes Transportmittel ist es über jede Kritik erhaben, zusätzlich wird es als Sportgerät im TV ins beste Licht gerückt. Wir fiebern bei den Rennen mit oder treten selbst in die Pedale, sodass es die Körpertemperatur auch so in die Höhe treibt. Allerdings geraten wir beim finanziellen Aufwand, der teilweise abverlangt wird, auch so ins Schwitzen, gerade die Ausgaben für das übrige Equipment werden oft unterschätzt. Ein schützender Helm, die obligatorischen Radschuhe und die Radhose sorgen für ein perfektes sportliches Erlebnis sowie ein leeres Bankkonto. Weil das Fahrrad inklusive Ausrüstung immer öfter vernünftige Budgets sprengt, muss das Gesamtoutfit im Raddress individuelle Ansprüche mehr als erfüllen.
Steht das Fahrrad gewissermaßen nackt in der Auslage, weckt es Emotionen und Bedürfnisse. Vergleiche mit dem Profisport oder gängigen Empfehlungen vonseiten der Industrie machen orientierungslos. Eine moderne, aggressive Optik will auch am eigenen Rad gefallen, ob der tiefstehende Lenker nun passt oder nicht. Das glanzvolle Erscheinungsbild des Rennrads vom aktuellen Tour-Sieger präsentiert sich zwar sportiv und protzt vor Strahlkraft, viel entscheidender ist aber das Gespann aus Fahrer und Rad zusammen – die Kombination sollte eigentlich cool daherkommen.
So wird aus dem geplanten Radkauf aus der Formel 1 der Radsportwelt nach nochmaliger, vernünftiger Entscheidung eventuell gar ein anderer Radtyp, so fällt beispielsweise beim Mountainbike die Differenz im Raddesign zwischen Leistungs- und Freizeitsport nicht so eklatant aus.
Egal, in welcher Preisklasse sich Ihr Sportgerät ansiedelt, es hat jedenfalls klaglos zu funktionieren. Technische Einschränkungen sind inakzeptabel, jedoch bleibt elektronisch schalten ein Luxus, und Felgenbremsen verzögern genauso. Damit der Fahrradkauf nicht zum Fehlkauf wird, lohnt es sich, auf Entdeckungstour zu gehen und die Möglichkeiten auszuschöpfen.
Sind die Ziele definiert, ist der Rest meist ein Kinderspiel, einen Kompromiss darf es nur im Notfall geben.
Die Freiheit auf zwei Rädern war noch nie so ein Bedürfnis wie seit Ausbruch der aktuellen Pandemie. Raus aus den vier Wänden und hinein ins Vergnügen, so richtig befreiend wird das Schmuckstück erst, wenn man darauf sitzt. Gleichzeitig erlebt man manches Mal auch Einschränkungen, die einem den Spaß am Radfahren ordentlich verhageln können.
Hängt der Fahrspaß von Handling und verwendetem Material ab, so bedarf es einer passenden Einstellung der Kontaktpunkte, was sich beim Bikefitting justieren lässt. Auch die Anforderungen für das Haupteinsatzgebiet werden unter die Lupe genommen, um die maximale Schnittmenge aus Freude, Komfort und Leistung zu erzielen.
Die Frage nach den eigenen Bedürfnissen muss aber vorab geklärt sein. Radfahren ist gewiss mehr, als einfach nur in die Pedale zu treten. Schnelle Abfahrten, scharfe Kurven, abrupte Bremsmanöver, Überleben in der Gruppe, Fahrt- und Gegenwind, ordentlich Höhenmeter und hohe Geschwindigkeiten verlangen nach vorausschauender Planung.
Um sein eigenes Rad besser kennenzulernen, helfen der Händler, das Studium von Fachzeitschriften, Herstellerprospekten oder diversen Radforen im Internet. Doch erst der Einsatz in der Praxis bringt Klarheit für den Einzelnen. Hat man mit dem neuen Gefährt die Katze im Sack gekauft, macht sich das oft schon auf den ersten Kilometern bemerkbar.
Das Wunschrad ist mehr als der Kauf beim Händler oder gar Online-Versandshop. Die Hardware reagiert erst mit dem Menschen, der sie bedient. Das ist beim Fahrrad mehr als entscheidend, schließlich treibt es der darauf Sitzende aus eigener Kraft an und mit Softskills an Hindernissen vorbei.
Der Designgrundsatz »Form follows function« gilt im Fahrradbereich gefühlt erst seit dem Zeitpunkt, als sich Radfahren als Breitensport etabliert hat (man denke nur an die kraftfordernde Bedienung von so manchem Bremshebel eines Vintage-Rennrads). Die Radprofis aus dieser Zeit waren, wohl auch wegen der Natur der Sportart, hart im Nehmen und hegten keine großen Ansprüche ans Material. Es gab noch nicht einmal einen ordentlichen Kopfschutz.
Die technische Entwicklung der letzten Jahre hat zuletzt ein enormes Potenzial eröffnet. Neue Fahrradtypen bringen mit ihrer veränderten DNA frischen Wind in das Geschäft. Davon profitieren schlussendlich alle Fahrradfahrer, und der gegenseitige Transfer lässt nicht nur Radsportherzen höher schlagen.
Historisch darf sich dabei ein Grundelement ganz in den Mittelpunkt stellen: Die Luft im Reifen ist sozusagen ebenso selbstverständlich wie jene beim Einatmen. Im Jahr 1888 gelingt es dem Arzt John Dunlop, den Luftreifen zu entwickeln; er hat das Durchrütteln beim Radfahren aus gesundheitlichen Gründen gründlich satt. Edouard Michelin bringt 1889 den abnehmbaren Drahtreifen auf den Markt, und für verbesserte Haltbarkeit sorgt Charles Goodyear, der 1898 die Vulkanisierung erfindet. Der Druck im Schlauch bestimmt auch über 100 Jahre später maßgeblich den Komfort und die Fahreigenschaften, ausprobieren lohnt sich also auch bei Ihrem Rad.
Die Fahrradkette, wie wir sie heute kennen und beanspruchen, wird 1898 als Doppelrollenkette von den Brüdern Nevoigt erfunden. Die verminderte Reibung der sich drehenden Rollen auf Hülsen bringt die Räder mit enormem Wirkungsgrad zum Drehen.
Revolutionär ist auch die Idee von John Rader. Weil er sein Mountainbike leichter machen will, erfindet er 1990 den gewindelosen Steuersatz – der neue Standard macht den Vorbauwechsel zum Kinderspiel. Fast spielerisch gelingt auch der Umstieg von Haken- auf Klickpedale, die Giro- und Toursiege durch Bernard Hinault 1985 helfen der festen und fixen Verbindung zusätzlich auf die Sprünge. Effizienter Tritt plus Umhergehen in Radschuhen, ohne wie ein Pinguin zu wirken, ist seit 1990 möglich, als Shimano das Cleat in der Sohle versenkt. Der erste Mountainbike-Weltcupsieg auf 29-Zoll-Laufrädern bringt das bisherige 26-Zoll-Format in Bedrängnis, was spätestens im Jahr 2011 als veraltet gilt.
Sporthistorisch drängt sich aber jenes Bauteil ins Rampenlicht, das erst durch eine sportliche Geschichte richtig ins Bewusstsein kommt.
Die letzte Etappe der 76. Tour de France von Versailles nach Paris soll eigentlich ein Showdown für den Gesamtführenden werden, den Franzosen Laurent Fignon, genannt der Professor. Wäre da nicht sein ehemaliger Teamkollege, nun aber Dauerwidersacher Greg LeMond aus den USA. Er vermasselt die vermeintliche Triumphfahrt für ganz Frankreich, indem er auf einer Distanz von 24,5 Kilometer den Rückstand von 50 Sekunden in den knappsten Vorsprung der Tour-Geschichte verwandelt – mit dem revolutionären Aerolenkeraufsatz, an dem LeMond noch kurz vor dem Start herumschraubt, sowie seinem Zeitfahrhelm ist sein Setup weitaus windschlüpfriger als das von Fignon, der die Tour somit auf der letzten Etappe um mickrige acht Sekunden verliert. Der Triathlonlenker erfährt seine weltweite Feuertaufe.
Eine andere Art der Kraftunterstützung beim Zeitfahren bildeten Sättel mit Steißbeinstütze. Sie erleben einen ähnlich kurzen Auftritt wie die Miniaerolenker von Spinaci und Tiramisu.
Das Fahrrad existiert in seiner Grundkonstruktion seit über 100 Jahren: Die Anordnung aus Trapez und Dreieck wird Diamantrahmen genannt. Das Trapez besteht aus dem Steuerrohr, Unterrohr, Sitzrohr sowie Oberrohr, das hintere Dreieck teilt sich mit dem Sitzrohr die gepaarten Ketten- und Sitzstreben. Diese Anordnung ergibt eine leichte, steife und kompakte Form. Spektakuläre andersartige Rahmenformen sind ein nach heutigen UCI-Regeln unzulässiger Versuch, das konventionelle Rahmendesign zu sprengen.