Impressum

Karin Hinse

Die Zweiflerin

Erlebnisse einer Reiki-Meisterin und Reiki-Lehrerin in Mecklenburg-Vorpommern

ISBN 978-3-86394-382-0 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2013 EDITION digital®
Pekrul & Sohn GbR
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Godern
Tel.: 03860-505 788
E-Mail: verlag@edition-digital.com
Internet: http://www.ddrautoren.deI

Vorwort

Wer hat das nicht schon erlebt? Unzufriedenheit mit sich, seinem Mann, seiner Frau, den Eltern, Kindern, Freunden. Kurz mit allem, was das Leben ausmacht. Schnell ist der tägliche Stress als Verursacher gefunden. Aber wie dem Stress entgehen?

Die Suche beginnt.

Dieses Buch wendet sich an alle, die auf der Suche sind.

 

Es beschreibt humorvoll, verständlich und leicht nachvollziehbar die Suche nach einem Weg, der zu Ausgeglichenheit, innerer Harmonie, Gesundheit, Lebensfreude und heiterer Gelassenheit führt.

Ihren Weg dorthin schildert in verblüffender Offenheit die Autorin, eine REIKI-Meisterin und REIKI-Lehrerin.

 

Ein Buch für alle, die ebenfalls suchen, jedoch noch nicht wissen, wonach eigentlich.

Machen Sie es sich gemütlich, lehnen Sie sich zurück und gehen Sie mit auf die Suche. Sie werden sich schon beim Lesen entspannen, auch schmunzeln, weil Sie sich vielleicht in der einen oder anderen Situation erkennen, nachdenklich werden und möglicherweise auch Ihren persönlichen REIKI-Weg finden.

Suche nach neuen Wegen

Es ist schon ein paar Jährchen her, da habe ich diese Unzufriedenheit selbst erlebt. Ist das schon die Midlifecrisis? Oder was ist mit mir los? Ich bin doch eine für mein Alter recht gut aussehende Frau. Was heißt für mein Alter? Gerade bin ich Ende 30 und komme mir vor, als wenn ich nächste Woche in Rente gehen kann. Wo sind meine Energie, mein Unternehmungsgeist, meine positive Grundeinstellung geblieben? Im Moment scheint alles nur noch schief zu gehen: Mein Denken ist grau in grau. Mein Körper spielt bei jeder Kleinigkeit verrückt. Der Job entwickelt sich zur mittelschweren Katastrophe und zu Hause ...? Na ja. Ganz abgesehen von den vielen „Kleinigkeiten“, die zu den so genannten Pflichten einer Ehefrau und Mitbesitzerin eines Einfamilienhauses mit Garten gehören. Wieso schaffe ich auf einmal nicht mehr, was ich doch immer geschafft habe? Es war doch bisher stets alles im Handumdrehen fertig.

 

Die Krönung hat mir jedenfalls heute mein Hausarzt, liebevoll „Doktorchen“ genannt, verpasst. VALIUM, damit ich endlich einmal zur Ruhe komme oder endlich Ruhe gebe? Zugegeben, in letzter Zeit war ich bestimmt eine seiner besten Patientinnen. Kein schwerer Fall, aber immer neue Wehwehchen. Nur, was kann ich dafür, wenn ich ständig Magenschmerzen habe, obwohl seine Laborbefunde „erfreulich gut“ sind? Oder die Sache mit der Migräne, da haben auch die schönen, roten Pillen nicht geholfen. Und erst recht die Ischiasprobleme. Was hat er nicht alles mit mir angestellt - dennoch habe ich mitten im Sommer bei fast 30 Grad im Schatten in eine dicke Decke gehüllt meine Gäste empfangen. Ein traumatisches Bild. Jetzt also VALIUM. Also gut, wenn es mir denn hilft. Als gehorsame Patientin schlucke ich auch das noch. Es muss ja wohl was dran sein.

 

Nur, was ist jetzt plötzlich los? Ich schlafe im Sommer wie ein Murmeltier im Winter, und wenn ich dann einmal aufstehe, stoße ich die Türrahmen an und entschuldige mich bei ihnen!!

Das kann es doch wohl nicht sein.

So nicht, liebe Karin. Jetzt reicht es!

Diese völlig gleichgültige Stimmung macht mich auch sehr nachdenklich. Über nichts und niemanden kann ich mich mehr aufregen, im Gegenteil! Ich finde alles nur noch lustig und kichere ständig in mich hinein.

Nein, nein und nochmals nein.

Ich stelle mir gerade vor, wie ich mit diesem „wunderbaren“ Medikament wohl in einigen Jahren herumlaufe. Was heißt herumlaufe, herumschwebe. So habe ich mir das alles nicht vorgestellt. Aber was jetzt??

Mir wurde deutlich: Ich muss etwas verändern! Nur: wie, wo, was?

Habe ich nicht letztens ein Buch über „Andere Medizin“ gesehen? „Andere Medizin“, was war das denn nur? Ach ja, Fußreflexzonenmassagen, Edelsteintherapie, Lichttherapie, Aura Soma, Bachblüten und noch einige andere Dinge, die ich noch nie im Leben gehört habe.

Über Fußreflexzonenmassage hatte ich doch letztens etwas bei meiner Kosmetikerin gelesen. Genau, die werde ich fragen.

 

Gedacht, getan. Beim nächsten Termin löcherte ich meine Kosmetikerin. Was ist das? Wie funktioniert das? Wie lange sollte man das machen? Und noch einige Fragen mehr. Zum Schluss war sie so genervt, dass sie mir eines ihrer Bücher auslieh. Das habe ich intensiv gelesen und war zunächst einmal recht kritisch. Wie sollte es auch anders möglich sein. Wie sagt man in meiner Heimat so schön: Wat de Buer nich kennt, dat freet he nich.

Seit dieser Zeit bin ich fest davon überzeugt, dass es keine Zufälle gibt, beziehungsweise alles zum richtigen Zeitpunkt zu uns kommt.

Gerade als ich mich so richtig eingelesen hatte, entdeckte ich in einer Anzeigenzeitung, die sonst von mir verschmäht wurde, ein Inserat über diese Massagen. Eine Frauengruppe bot einen Kursus in Fußreflexzonenmassagen an. Sehr zu meiner Überraschung machte es mir nichts aus, abends mein Kuschelsofa zu verlassen und eine halbe Stunde Fahrzeit in Kauf zu nehmen, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Zugegeben, mit gemischten Gefühlen. Frei nach dem Motto: Na, was das wohl für Frauen sein mögen. Sicher alles „alternative Zicken“ oder „frustrierte Singles“.

 

An der angegebenen Adresse angekommen, war ich vom Äußeren geschockt. Ich stand vor einem heruntergekommen Altbau in der Innenstadt von Schwerin. Die Haustür zu öffnen, erforderte eine mittelschwere, körperliche Anstrengung. Nachdem ich diese Prüfung bewältigt hatte, fand ich mich in einem total finsteren und seltsam riechenden Hausflur wieder. Mutig stieg ich die knarrende und ausgetretene Holztreppe langsam hinauf, immer damit rechnend durchzubrechen. Ein schwacher Lichtschein war ein Hinweis auf einen dort zu vermutenden bewohnten Raum.

Endlich geschafft! Anklopfen und Eintreten waren eins. Zu meiner größten Überraschung war dieser Raum in angenehmes, warmes Licht getaucht und mit alten, aber sehr nützlichen Dingen, wie einem Holzschreibtisch, kuscheligen Sesseln sowie gut gefüllten Bücherregalen eingerichtet. Eine junge Frau begrüßte mich überaus freundlich und so selbstverständlich, als wenn sie mich schon über Jahre kennen würde. Ich fühlte mich gleich sehr wohl. Nach und nach kamen noch mehrere Frauen hinzu. Und schau einer an. Nach dem äußeren Eindruck war keine der Frauen als „alternative Zicke“ zu erkennen. Keine selbst gestrickten, schafwollenen Pullover, keine Holzpantinen, keine Buttons mit „Frauenpowerabzeichen.“

Es kam sofort eine nette Unterhaltung in Gang. Wie ich hören konnte, war jede der Frauen erfreut, endlich einmal etwas für sich tun zu können.

 

Die Seminarleiterin war eine ausgebildete Physiotherapeutin, die sich auf Fußreflexzonenmassage spezialisiert hatte. Sie hatte eine so liebe Art an sich, dass sich gleich jede der Frauen gut aufgehoben fühlte. Das Zimmer, in dem das Seminar stattfand, wurde nur von Kerzen erleuchtet. Dezent leise Entspannungsmusik erfüllte den Raum, einige Steine und verschiedene Tücher sowie Duftlämpchen waren im gesamten Zimmer verteilt. Eine gemütliche und Vertrauen erweckende Atmosphäre breitete sich aus.

 

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde begann die „Arbeit“. Zuerst ein wenig Theorie und Grundsätzliches, dann ging es zu meiner großen Freude gleich an die praktische Seite. Was war das für ein wohliges Gefühl, die Füße massiert zu bekommen. Einfach herrlich. Schöne entspannende Musik im Hintergrund und nette Frauen um mich herum. Ein angenehmer, unaufdringlicher Rosenduft lag in der Luft. Ich konnte ruhig und völlig losgelöst vom Alltag auf einer weichen Decke auf dem Boden liegen und mich so richtig fallen lassen. Mir wurde ganz warm ums Herz. Ein Gefühl unglaublichen Genusses. Regelrecht Freude stellte sich ein. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Zwischendurch fragte ich mich, ob das wohl wahr sein kann, und ich musste lächeln. Lächeln, weil mir jemand, den ich zuvor noch nie gesehen hatte, die Füße massiert? Kaum zu glauben. Bin ich doch eher zurückhaltend oder zumindest sehr abwartend gewesen. Jetzt spürte ich irgendwo in mir eine ganz leichte Veränderung aufkommen. Ich hatte das Gefühl, eine andere Ebene der Empfindungen zu betreten. Leider nur für einen ganz kurzen Moment, dann hatte mich mein Verstand wieder fest im Griff und suchte sofort nach Aufklärung für dieses für mich untypische Verhalten.

Zumindest habe ich aber dort schon gespürt, dass es dieses „Andere“ gab.

Rückblickend war dieser winzige Moment von Glück oder Wohlgefühl der Anfang meiner persönlichen Veränderung. Ich bin froh und dankbar, diesen zarten Hauch von Möglichkeit aufmerksam wahrgenommen oder aber ganz einfach „zugelassen“ zu haben.

Hierzu musste sicher erst, natürlich in jahrelanger Kleinarbeit, mein ganz persönlicher „Leidensdruck“ entstehen. Nur dadurch war ich letztendlich bereit, diese neuen Erfahrungen zuzulassen, die darüber hinaus noch so ganz anders waren als die bis dahin ach so vertrauten schulmedizinischen Möglichkeiten.

Aber zurück auf meine weiche Kuscheldecke! Da lag ich nun mit wunderbar durchkneteten, angenehmen warmen Füßen und einem friedlichen Lächeln auf den Lippen. Bereit, hier und jetzt Genussmensch zu sein. Aber ich war ja nicht nur zum Genießen da. Ich wollte ja auch lernen. Außerdem wollte mein Mr. Verstand auch sein Recht! So tauschte ich mit meiner Partnerin und war voller Eifer bemüht, mich für ihre gelungene Tat zu revanchieren. Dabei stellte ich fest, dass es leichter aussah, als es in der praktischen Anwendung war. Zumindest an dem Abend empfand ich es als anstrengend, selber zu massieren. Hinzu kam auch die Angst, etwas falsch zu machen oder gar Schmerzen zuzufügen. Ich spürte schon eine kleine Hemmschwelle, die es zunächst einmal zu überwinden galt, um Hand anlegen zu können. Die friedliche und gelöste Atmosphäre hat mir ebenso dabei geholfen, wie meine „leidensfähige“ Partnerin und ganz besonders unsere Seminarleiterin. Mit hoher Kompetenz sowie liebevollem Einfühlungsvermögen schilderte sie Möglichkeiten und Grenzen der Reflexologie. Ihre humorvollen Erklärungen rundeten das Bild und sorgten so dafür, dass selbst der theoretische Teil Spaß machte.

Und hier kam endlich auch wieder mein Mr. Verstand voll auf seine Kosten!

 

Wir Menschen neigen dazu, alles erklären und verstehen zu wollen. Ich bin da ein exzellentes Beispiel. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin froh, dass wir Menschen diesen wundervollen Verstand haben und ihn auch nutzen. Noch schöner wäre es, wenn wir ihn auch klug nutzen würden. In jeder Beziehung.

Wir haben aber auch Gefühle, Empfindungen und Ahnungen. Diese werden nur allzu oft von unserem Verstand in den Hintergrund gedrängt. Ein gleichberechtigtes Miteinander findet selten statt und Entscheidungen, aus dem Bauch heraus getroffen, werden allzu oft als Sentimentalität abgetan. Sehr oft habe ich mir das Leben schwer damit gemacht, sehr viele Tränen geweint – und doch nicht verstanden, warum. Darauf werde ich später noch ausführlich eingehen.

 

Was aber ist denn nun Reflexzonenmassage? Das Verfahren genau zu erklären, ist nicht meine Absicht. Es gibt im Fachhandel zahlreiche Bücher mit sehr guten Anschauungsbildern und Übungen zur Selbstanwendung. Wer tiefer einsteigen möchte, ist gut beraten, sich ein solides Ausbildungsinstitut zu suchen.

Hier nur ein kleiner Überblick: Reflexzonen sind Nervenpunkte, die mit einer andern, von diesem Punkt entfernten Körperstelle in Verbindung stehen. Im ganzen Körper finden wir Reflexzonen. Sehr viele davon in den Füßen. Das hat einen guten Grund. Von Natur aus war vorgesehen, dass der Mensch barfuß geht und dann beim Gehen über Stock und Stein seine Reflexzonen in den Füßen aktiviert. Der Erfindungsgeist des Menschen und sein Hang zur Bequemlichkeit hat aber unsere Umwelt verändert. Der Boden ist nicht mehr uneben, sondern flach gewalzt und asphaltiert. Hinzu kommt das Schuhwerk. Durch jahrelanges Einzwängen wurde die Blutzirkulation unterbunden. Die Folge davon sind nicht nur kalte Füße, sondern auch schlecht durchblutete Reflexzonen.

Durch die Massage der Reflexzonen erreichen wir eine bessere Durchblutung derselben und des zugehörigen Organs. Die Durchblutung ist aber für jedes Organ lebenswichtig, denn das Blut ist das Transportmittel für sämtliche Aufbaustoffe, den Sauerstoff, die Hormone, die Abwehrstoffe und für die Abbauprodukte. Wir sollten bedenken, dass sämtliche Störungen oder Verletzungen im gesamten Organismus nur über die Durchblutung ausgeheilt werden können! Die Reflexologie ist eine sehr dankbare Methode. Einerseits geeignet, den Heilungsprozess zu beschleunigen, andererseits ein sehr gutes Mittel zur Vorbeugung. Zudem bringt eine derartige Massage sofortige Entspannung.

So viel erfuhren alle Teilnehmerinnen im Schnellüberblick und waren überzeugt. Danach „schwebten“ wir wie auf „Wolke Sieben“ mit leichten Füßen Richtung Heimat.

 

Zuhause musste sich mein lieber Mann meinen Erlebnisbericht anhören. Nicht nur das. Neugierig geworden, hielt er mir seine Füße entgegen und ich hatte sogleich einen Probanden gefunden!

Später habe ich ernsthaft überlegt, ob mein Mann nach dieser Massage süchtig geworden ist. Listig wurde ich häufig gefragt, ob ich nicht wieder einmal üben müsse. Natürlich habe ich dieses großzügige Angebot dankbar angenommen. Sein an einen Kater erinnerndes Schnurren war mein Lohn. Und ich konnte Erfahrungen sammeln.

 

Neben dem nun wöchentlich einmal stattfindenden Unterricht hatte ich hier die Möglichkeit, das Erlernte praktisch umzusetzen. Ich bekam mehr und mehr Sicherheit, die feinen Unterschiede bei Verhärtungen der Fußsohlen festzustellen. Sehr gut konnte ich die Auswirkungen beobachten und somit die Zusammenhänge besser verstehen.

Auch andere Familienmitglieder forderten die ihnen ihrer Meinung nach zustehende Fußmassage ein. Und weil Neinsagen noch nie meine Stärke gewesen ist, wurden auch alle bedient. Ein merklicher Rückgang dieser Forderungen trat allerdings ein, als meine Schwiegermutter nach einer „Behandlung“ von mir fast drei Tage die Toilette nicht verlassen konnte. Was war geschehen?

Mutter hatte mir vor der Massage nicht gesagt, dass sie seit Tagen unter Verstopfung litt. Ich habe fleißig genau die zuständigen Reflexzonen bearbeitet, weil sie mir deutlich verhärtet erschienen. Das brachte durchschlagenden Erfolg! Sehr praxisnah bekam ich einen tieferen Einblick in Wirkung und Nebenwirkung sowie auf Risiken und Begleiterscheinungen.

Nie wieder habe ich danach einen Fuß angerührt, ohne mich vorher sehr genau nach bestehenden Gesundheitsproblemen zu erkundigen. Es sei noch angemerkt, dass meine liebe Schwiegermutter diese Attacke ohne größeren Schaden überstanden hat. Auch ihr Vertrauen zu mir hat dadurch nicht gelitten.

 

Fußmassagen waren gut, sind gut und werden auch immer gut bleiben. Nach wie vor wende ich sie an. Aber sie waren für mich nur der Anfang meiner Neugierde auf die „Anderen Möglichkeiten“.

Ich probierte nach und nach verschiedene andere Verfahren aus. Mein Weg führte über Aura Soma, Bach-Blüten, Edelsteintherapie, Lymphdrainage und vieles andere mehr.

Ich gab einen Großteil meines Einkommens, welches ich als Angestellte verdiente, für Seminare aus. Aus meinen Bücherregalen verschwanden meine bis dahin heiß geliebten Krimis und wurden durch Gesundheitsratgeber, Nachschlagewerke und zunehmend Bücher über alternative Heilmethoden ersetzt. Meine Neugierde war grenzenlos.

Obwohl mir fast alles was ich ausprobierte, auch gut getan hatte, vermisste ich doch immer noch das ganz große Aha-Erlebnis. Was genau damit gemeint war, wusste ich wohl selber nicht so genau. Fast alle der bisherigen Verfahren oder Therapien beruhten entweder darauf, etwas einzunehmen oder etwas manuell anzuwenden. Jedenfalls spürte ich deutlich, dass es für mich noch etwas anderes geben musste. Zwar hatten sich meine gesundheitlichen Probleme etwas gebessert, sie waren aber noch nicht verschwunden. Unruhe und Unausgeglichenheit stellte ich nach wie vor bei mir fest. Ferner bekam ich weitere Schwierigkeiten bei der Arbeit. Stress, Frust, ja sogar Mobbing waren an der Tagesordnung. Zunehmend wurde ich gereizter und die mir scheinbar angeborene Ungeduld immer größer. Aus diesem Teufelskreis fand ich einfach keinen Ausweg. Jetzt machte ich schon sooo viele gute Sachen und trotzdem fühlte ich mich nicht wesentlich besser. Ganz davon zu schweigen, dass der Tag immer nur noch 24 Stunden hatte. Was machte ich falsch? War das von mir Ausprobierte vielleicht doch nur etwas für überzeugte und gläubige Anhänger der jeweiligen Richtung? Innerlich kämpfte ich gegen Unsicherheit und daraus resultierende Unentschlossenheit an.

Auf die Idee, dass alle genannten Verfahren auch Geduld erfordern und regelmäßig über einen längeren Zeitraum angewandt werden sollten, um ihre gesamten Heilweisen auch entwickeln zu können, kam ich nicht. Geduld erwartete ich nur von anderen – nämlich mit mir. Je ungeduldiger ich wurde, umso größer wurden meine Probleme.

Ich probierte nach dem Motto: Drei Mal habe ich schon „omm“ gesagt und es hat nicht geholfen. Also die nächste Methode ausprobieren!

Reiki

In dieser Situation hörte ich auf einem Seminar erstmalig etwas von Reiki. Eine Teilnehmerin erzählte von dieser fernöstlichen Heilmethode, bei der durch Handauflegen Lebensenergie übertragen würde. Damit seien ganz tolle Ergebnisse zu erzielen. Zudem sei diese Methode ganz einfach anzuwenden und schnell zu erlernen. Das war mein Stichwort: Schnell zu erlernen, ganz einfach, tolle Ergebnisse. Genau das brauchte ich!!

Leider konnte mir die Kollegin keine weiteren Einzelheiten berichten. Hatte sie es doch auch nur von einer Bekannten gehört, deren Freundin so ein Seminar besucht hatte.

 

Für solche Fälle hatte und habe ich meine Freundin Gisi. Gisela, genannt Gisi, lernte ich vor gut 20 Jahren kennen. Zunächst waren wir Arbeitskolleginnen. Aus der gemeinsamen Arbeit entwickelte sich eine Freundschaft, der bisher auch zahlreiche Orts- und Arbeitsplatzwechsel nichts ausgemacht haben. Gisi lebt in der Nähe von Münster – ich in Pinnow bei Schwerin. Sie beschäftigte sich schon seit geraumer Zeit mit alternativer Medizin und besuchte nebenberuflich eine Heilpraktikerschule.

Am gleichen Abend, es war bestimmt schon weit nach 22 Uhr, rief ich sie an. Das Gespräch werde ich nie vergessen. Auf meine Frage, ob sie Reiki kenne, kam zunächst ein leises und zögerndes „ja“. Mehr nicht. Völlig ungewöhnlich, wenn man Gisi kennt. Ungeduldig stampfte ich mit dem Fuß auf.

„Lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen! Erkläre mir bitte genau, was das ist, oder praktizierst du das?“

„Reiki wird Reeki ausgesprochen“, kam die Antwort, „und in so genannte Grade unterteilt. Ich habe den 2. Grad und wende es seit drei Jahren an.“

„Davon hast du mir ja nie etwas erzählt“, fiel ich ihr ins Wort. Die lange Pause am anderen Ende der Leitung zerrte an meinen Nerven.

„Wenn ich dir etwas von Reiki erzählt hätte, hättest du mich endgültig für verrückt gehalten“, war die verblüffende Antwort, „außerdem ... du und Reiki – zwei Welten prallen aufeinander. Ich kann es nicht fassen, meine Karin, die immer nur glaubt, was sie sieht, fragt nach Reiki“, überlegte sie laut. Meinen kleinlauten Versuch zu widersprechen, würgte sie ab.

„Ich schicke dir Literatur und wenn du Fragen hast, rufst du einfach an“, entschied sie, als wenn sie mit einem Kleinkind reden würde.

 

Noch lange grübelte ich über dieses Gespräch nach. Wieso sollte ich sie für verrückt halten? War Reiki etwas Übersinnliches oder Esoterisches?

Zugegeben, so manche Dinge, die Gisi gemacht hat, haben mir nicht gefallen. Auch einige ihrer „guten Bekannten“ waren meiner Meinung nach Gurus, die ihre Weltanschauung teilweise sehr radikal mit Absolutheitsanspruch vertraten. Auch einige ihrer neuen Freundinnen ordnete ich in die Kategorie „stark esoterisch angehauchte Emanzen“ ein. Gisi schien mir auf einem Selbstverwirklichungstrip zu sein, wobei sich ihre Lebenswertigkeiten stark verschoben. Ich mochte mich täuschen, aber ich bildete mir ein, diese Beobachtungen gemacht zu haben. Und natürlich traute ich mir diese „Bewertung“ zu. Gesagt hatte ich es ihr allerdings nicht.

Ja, ich war schon eine schwierige Freundin. Sehr schnell in der Be- und Verurteilung anderer und selten gewillt, eine einmal gefasste Meinung zu korrigieren. So war ich eben und so musste mich meine Umwelt ertragen. PUNKT. Jede weitere Diskussion war überflüssig. Eine andere Sichtweise der Dinge gab es für mich nicht. Wozu auch? Es war ja überaus einfach, nur eine Seite der Medaille zu betrachten. Wozu sich die Mühe machen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen? Viel zu anstrengend – und überhaupt, hatte ich nicht selber genug Schwierigkeiten?

Hatte ich im Job nicht täglich zu beweisen, dass das Durchsetzen einer eigenen Meinung enorm wichtig war? Dass eine einmal getroffene Entscheidung bis aufs Blut vertreten werden musste? Sonst würde Frau doch als wankelmütig eingestuft. Also weiter so, Augen zu und durch!

Die Einsicht, dass dieses Grunddenken vielleicht auch eine Ursache für meine anhaltenden Probleme sein könnte, blieb mir zu diesem Zeitpunkt verschlossen. So weit war ich noch nicht.

Wie heißt es doch zum Thema Selbstfindung: Es sagt sich leicht, sich selbst finden! Wie erschrickt man aber, wenn es wirklich geschieht!!

 

Zwei Tage später erhielt ich die avisierten Bücher. Es war ein wunderschönes Sommerwochenende und ich zog mich gleich mit drei Büchern in den Garten zurück. Ich wollte sie nur einmal schnell durchblättern. Stunden wurde ich dann aber nicht mehr gesehen. Was ich da las, faszinierte mich so sehr, dass ich die Welt um mich herum vergaß. Einschließlich Mann und Katze.

So lernte ich aus den Büchern Dr. Mikao Usui, den Wiederentdecker des Reiki, kennen und stellte ihn mir lebhaft vor meinem geistigen Auge vor. Ich las von seinen Lebensregeln und war schwer beeindruckt von der Natürlichkeit dieser Gebote.

Zum ersten Mal las ich etwas von Chakren, Nadis, Reiki-Meistern und in diesem Zusammenhang von der Macht der Gedanken

Die Anwendungsmöglichkeiten wurden sehr gut erklärt und die einzelnen Positionen und Handhabungen beim Händeauflegen waren anschaulich abgebildet.

 

Das Erstaunlichste aber waren für mich die im Anhang eines Buches geschilderten Erfahrungsberichte von Reiki-Schülern. Da war die Rede von fantastischer Ruhe und Tiefenentspannung. Weiterhin wurde von Aktivierung der Selbstheilungskräfte und wundersamen Heilungen allein durch Handauflegen berichtet.

Es kam mir vor, als wenn ich in einem Märchenbuch lesen würde. Oder wie in einer Science-Fiction-Geschichte.

Wie sollte das möglich sein? Ich schwankte zwischen Faszination und Unglaube. Tausend Fragen gingen mir durch den Kopf. Mr. Verstand arbeitete auf Hochtouren.

Völlig unmöglich, war seine Einschätzung.

Vielleicht war das ja etwas für naive Naturvölker, die keine anderen Möglichkeiten hatten. Für unsere medizinisch hoch entwickelte Gesellschaft ist das jedenfalls absolut indiskutabel.

 

Aber ganz tief in mir meldete sich eine leise, kaum wahrnehmbare Innere Stimme, die zaghaft flüsterte:

Und wenn es doch möglich ist? Denk an die vielen Erfahrungsberichte, die du gelesen hast. Sollten diese Leute allesamt Fantasten sein?

Ziemlich benommen packte ich die Bücher zusammen und beschloss, mir einen guten Tee zu kochen. Dabei konnte ich das Gelesene erst einmal „sacken“ lassen. Später wollte ich Gisi anrufen. Sie könnte mir sicher von eigenen Erfahrungen berichten.

 

Ich stellte den Wasserkocher an. Er war ein altersschwaches Erbstück und besaß noch keine Abstellautomatik. Total unkonzentriert, meine Gedanken waren noch bei den Büchern, versuchte ich den Stecker aus der Steckdose zu ziehen. Das Wasser kochte schon einige Zeit. Mit der rechten Hand blieb ich an dem Wasserbehälter hängen. Er kippte um. Das kochende Wasser ergoss sich über meine linke Hand und den halben Unterarm. Jeder, der schon einmal das Pech gehabt hat, sich derart zu verbrühen, wird meine Schmerzen nachempfinden können. Es tat fürchterlich weh. Tränen liefen mir über die Wangen.

Meine erste Reaktion war, den Arm unter kaltes Wasser zu halten. Das tat gut und brachte etwas Erleichterung. Aber nur solange ich an der Spüle stand und das kalte Wasser über die verbrühten Stellen lief. Sobald ich den Arm wegnahm, setzten die Schmerzen wieder ein. Arm und Hand schienen in Flammen zu stehen, und genau so sahen sie auch aus.

Vor meinen Augen tanzten Sterne und mir wurde übel.

Ich konnte nicht länger an der Spüle stehen bleiben. Ich brauchte Hilfe. Was sollte ich tun? Wo war mein Mann? Ach ja, er hatte etwas von wichtigen Akten gemurmelt und war in seine Dienststelle gefahren. Sollte ich „Doktorchen“ anrufen? Nein, ging es mir durch den Kopf, er hat ja Urlaub. Die 15 Kilometer nach Schwerin zum nächstgelegenen Krankenhaus zu fahren, traute ich mir nicht zu. Den Notarzt zu rufen, erschien mir für diese Verletzung nicht angebracht zu sein.

 

Kühlen, kühlen und nochmals kühlen war meine Idee. Die Eiswürfel aus unserer Gefriertruhe fielen mir ein. Die füllte ich in eine Plastiktüte, legte sie auf die verbrühten Hautstellen und umwickelte alles mit einem Handtuch. So versorgt, legte ich mich mit zitternden Knien auf unser Sofa im Wohnzimmer.

 

Nun setzten kuriose Gedankengänge ein. Ein Zwiegespräch zwischen Mr. Verstand und dieser leisen und zaghaften Inneren Stimme von vorhin begann.

Was könnte ich noch tun? fragte Mr. Verstand.

Du hast doch den ganzen Tag in diesen Reiki-Büchern gelesen. Probiere es doch einfach einmal aus, was dort über das Handauflegen stand, riet meine Innere Stimme.

Red keinen Quatsch! Das kann doch gar nicht funktionieren.

Warum denn nicht?

Ich habe doch gelesen, dass man, um Reiki geben zu können, zunächst ein Seminar besuchen muss. Dabei bekommt man Einweihungen oder so etwas Ähnliches. Erst dann kann dieses Reiki fließen oder wie auch immer es angeblich eingesetzt wird. Ich brauche aber jetzt handfeste Vorschläge, um ganz schnell Linderung zu bekommen.

In den Büchern steht aber auch geschrieben, jeder Mensch wird mit dieser Fähigkeit geboren. Weil sie jedoch nur selten beachtet wird, geht sie im Laufe des Lebens wieder verloren. Jetzt brauchst du Hilfe. Also mach schon!

Ja, ich habe nichts zu verlieren. Vielleicht hast du Recht. Wenn dieses Reiki wirklich so toll ist, kann es sich ja jetzt beweisen. Glauben kann ich es zwar nicht, aber Glauben ist Nichtwissen! Also gut, ich versuche es einfach.

Mit dem Mut der Verzweiflung nahm ich vorsichtig das Handtuch und die Plastiktüte weg. Augenblicklich brannten Hand und Unterarm wie zuvor.

Mit zusammengebissenen Zähnen legte ich meine rechte Hand auf meinen linken Unterarm auf. Durch die Berührung setzten noch größere Schmerzen ein.

Nicht auflegen! Abstand halten, kam irgendwo aus mir ein Kommando. Ich führte diesen Befehl willenlos, wie von einer fremden Macht geführt, aus. Ein Zeitgefühl hatte ich nicht mehr. Es könnten Minuten, aber ebenso auch nur einige Sekunden gewesen sein. Die Stelle, über der meine rechte Hand schwebte, wurde noch heißer als zuvor. Aber der Schmerz veränderte sich!

Ein Hämmern, so als wenn jeder Herzschlag aus dem Arm herauskommen würde, begann. Ganz langsam wurde dieser pochende Rhythmus sanfter, schließlich ließ er ganz nach.

Jetzt die nächste Stelle, einige Zentimeter unterhalb dieser Position einnehmen, war die nächste mysteriöse Anweisung, der ich schleunigst folgte.

Es wiederholte sich das Gleiche wie vorher. Zentimeter für Zentimeter „arbeitete“ ich mich weiter.

Ich konnte nicht denken. Mein Verstand war wie ausgeblendet. Automatisch folgte ich dieser verborgenen Stimme in mir.

Irgendwann schlief ich ein.

Wie lange ich geschlafen hatte, weiß ich nicht. Vermutlich war es ungefähr eine Stunde. Nass geschwitzt, wie nach einem Fieberschub, versuchte ich mich zu erinnern. Was war geschehen? Wieso lag ich auf dem Sofa? Was sollten das Handtuch und der Beutel mit Wasser?

Ach ja, ich hatte mir den Arm und die Hand verbrüht, ging es mir durch den Kopf.

Ich schaute auf meinen Arm und sah ... nichts! Nicht die kleinste Verletzung war zu erkennen. Ganz zu schweigen von einer Brandblase, die zu erwarten gewesen wäre. Arm und Hand waren weder gerötet noch geschwollen. Ich traute meinen Augen kaum und betastete äußerst vorsichtig die vermeintlich verletzten Körperstellen. Nichts tat weh! Die Haut war nicht empfindlicher als andere Stellen.

 

Du musst geträumt haben, meldete sich Mr. Verstand.

So etwas gibt es nicht. Deine Fantasie hat dir einen schönen Streich gespielt. Das kommt davon, wenn du dich mit diesem esoterischen Kram beschäftigst, hatte Mr. Verstand auch gleich eine Erklärung parat.

Langsam schüttelte ich den Kopf. Nein, hier war etwas ganz gravierend Wichtiges geschehen. Oder kann man ein Handtuch und eine Plastiktüte, noch dazu mit Wasser gefüllt, herbeiträumen? Schwer vorstellbar.

Du hast dir Reiki gegeben, meldete sich meine Innere Stimme, die ich ja jetzt schon besser kannte.

Verwirrt überlegte ich. Was hatte ich gemacht, bevor ich eingeschlafen war? Stimmt, ich hatte meine rechte Hand über die verletzten Hautstellen gelegt. Sollte das wirklich so gut geholfen haben?

Ich wusste einfach nicht, was ich glauben sollte.

Plötzlich erschien es mir auch nicht mehr so wichtig, eine Erklärung zu finden. Ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit kam in mir auf. Ich hatte keine Schmerzen mehr! Tränen liefen mir über die Wangen. Jetzt aber aus Freude. Ein wunderbarer Gefühlscocktail aus Dankbarkeit, Freude und Glück erfasste mich. So ein tiefes emotionales Empfinden hatte ich bisher selten in meinem Leben gespürt. Einmal nur direkt nach der sehr schweren Geburt meiner Tochter.

Warum fiel mir dieser Vergleich gerade jetzt ein? Sollte das ein Zeichen sein?

Wieder schüttelte ich den Kopf.

„Lass es gut sein“, sagte ich laut zu mir und beschloss, erst einmal zu duschen. Ich bin noch nie ein Kaltduscher gewesen. Folglich drehte ich auch jetzt den Hebel der Mischbatterie auf und duschte wie immer sehr heiß.

Bestimmt hat sich jede Hausfrau oder jeder Hausmann schon einmal verbrannt. Es kann beim Kochen oder beim Bügeln geschehen. Eine kleine Unaufmerksamkeit, und schon ist es passiert. Sie oder er wird bestätigen können, dass es dann über Tage nur mit mehr oder weniger großen Schmerzen möglich ist, zum Beispiel den Abwasch von Hand in heißem Wasser zu erledigen.

Ich aber stand unter der heißen Dusche und spürte absolut keinen Schmerz!

 

Zwischenzeitlich war mein Mann zurückgekommen. Nachdem er in der unteren Etage sein Frauchen nicht finden konnte, kam er in das Badezimmer gestürmt.

„Hallo, mein lieber Schatz, da bin ich wieder. Was hast du heute außer Lesen noch so gemacht?“, waren seine ersten Fragen, bevor er mich in den Arm nahm und mir einen Kuss geben konnte.

„Wie schön, dass du wieder da bist“, antwortete ich und legte meinen Kopf an seine Schulter.

“Ich habe Pech gehabt und mir den halben Arm und die Hand verbrüht“, berichtete ich.

„Oh je, zeig mal“, antwortete er und schob mich etwas von sich weg.

Ich hielt ihm meinen linken Arm hin.

Er sah meinen Arm an, blickte mich fragend an und sah dann wieder auf den angeblich verbrühten Arm.

„Wo denn, ich kann gar nichts erkennen?“, war seine folgerichtige Frage.

Ich erzählte ihm von meinen Erlebnissen. Ohne mich auch nur einmal zu unterbrechen, hörte er zu. Er muss an meinem Verhalten bemerkt haben, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für flapsige Bemerkungen war. Sonst wären diese so sicher wie das Amen in der Kirche gekommen.

„Könnte es eventuell sein, dass du ein wenig übertreibst?“, konnte er sich dann doch nicht verkneifen zu fragen.

Mein empörter Gesichtsausdruck ließ ihn jedoch verstummen.

„Also gut“, lenkte er ein.

„Wir machen es uns im Garten gemütlich. Dabei kannst du mir noch einmal alles in Ruhe erzählen“, schlug er vor.

 

Mein Mann Uli ist seit 30 Jahren Polizeibeamter. Kriminalist, um genauer zu sein. Als Kriminaldirektor leitet er einen Ermittlungsbereich. Von Berufs wegen gewohnt zuzuhören, gezielte Fragen zu stellen und zu analysieren, glaubte er nur, was hieb- und stichfest beweisbar ist. Ausgerechnet seine Frau erzählt ihm nun im Brustton der Überzeugung so eine Geschichte!

Die Situation hatte ihre Komik und erinnert mich noch heute irgendwie an Loriot und seine satirischen Fernsehsendungen.

 

Sehr viel später hat Uli mir gestanden, dass er sich in dieser Situation schon ein klein wenig Sorgen über meinen Geisteszustand gemacht hatte. Bis dahin hatte er aber noch nie Anzeichen von Verwirrtheit festgestellt, abgesehen von meiner nur wenige Tage dauernden VALIUM-Phase. Es erschien ihm deshalb klüger, diese Besorgnis für sich zu behalten. Er wollte erst einmal abwarten und sehen, ob noch weitere mysteriöse Dinge mit mir geschehen würden.

Zunächst suchte er logische Erklärungen. Für ihn stand fest, dass ich durch das schnelle Kühlen der Verbrühungen diesen sehr guten Heilungserfolg erreicht hatte.

Aber er nahm mich und meine Empfindungen ernst. Aus Sorge um mich, aber auch aus Interesse an der Sache.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Heilung andere Ursachen als das Kühlen haben kann. Aber du hast diese Erfahrung gemacht und nicht ich. Wenn du glaubst, dass andere Dinge dabei eine Rolle gespielt haben, so gehe der Sache nach. Informiere dich. Vielleicht gibt es hier in Schwerin oder in der Nähe ja eine Reiki-Schule. Da kann man dir bestimmt deine Fragen beantworten“, schlug er vor.

 

Ich war und bin ihm sehr dankbar für diese Offenheit, für sein Interesse und für seine Unterstützung in all den Jahren. Ohne diese Hilfe hätte ich es sicher ungleich schwerer auf meinem Weg zum Reiki gehabt.

Ein weiter Weg beginnt immer mit dem ersten Schritt. Er ist der schwerste. Wer dabei Unterstützung von lieben Menschen erfährt, hat allen Grund, aus ganzem Herzen dankbar zu sein.

Gestärkt durch die Ermunterungen meines Mannes beschloss ich, mehr über die Reiki-Methode in Erfahrung zu bringen.

 

Ich suchte schon längere Zeit nach einer wirkungsvollen Art, mir selbst zu helfen. Sie sollte praktisch in der Anwendung, leicht zu erlernen und möglichst überall auszuüben sein. Außerdem natürlich und schnell wirken. Kurz: praktisch, einfach, gut.

Auch weiß ich heute, dass ich genau dieses recht drastische und zunächst schmerzvolle Erlebnis gebraucht habe, um auf den für mich richtigen Weg geführt zu werden. Allein das Lesen von Büchern hätte mich nicht dahin geführt.

So bin ich schon als Kind gewesen. Um ein Gebot oder gar ein Verbot einzusehen oder zu akzeptieren, musste ich immer selbst ausprobieren, wie weit ich gehen konnte. Nur aus meinen eigenen, natürlich teilweise leidvollen Erfahrungen konnte und wollte ich lernen.

Ein Eventuell oder Vielleicht empfand ich als zu schwammig und wurde von mir übergangen. Ich brauchte ein deutliches Ja oder Nein. Natürlich aus dem eigenen Erleben. Eine Art Holzhammermethode, die besonders in meiner „heißen Phase“, zwischen dem 13. – 17. Lebensjahr eine extreme Herausforderung für mich und meine Umgebung gewesen war.

 

Ganz nach meiner bisherigen Lebensmaxime hatte ich hier und jetzt mit der Verbrühung mein Schlüsselerlebnis erfahren. Nun brauchte ich nur noch eine Reiki-Schule zu finden, dann konnte es losgehen. So einfach stellte ich es mir – unerfahren, wie ich war – vor.

Weder im Telefonbuch noch in den Gelben Seiten fand ich einen entsprechenden Eintrag. In den ausgeliehenen Büchern befanden sich zwar Literaturhinweise, leider aber keine Adressen von Reiki-Schulen.

Also was tun?

Na klar, Gisi anrufen.

Gisi war sehr überrascht, dass ich mich so schnell entschieden hatte, selber Reiki zu erlernen.

„Du stellst ja gar keine kritischen Fragen. Bist du etwa krank?“, war ihre ironische Frage.

Ich erzählte ihr von meinem Erlebnis. Sehr zu meiner Verwunderung schien sie darüber keineswegs überrascht. Als wenn ich über eine völlig normale Angelegenheit reden würde, stellte sie nur hin und wieder eine nüchterne Frage. Völlig cool diese Frau, war meine Feststellung.

Nein, mit derartig spektakulären Erfolgen könne sie nicht dienen. Interessant sei lediglich, dass ich diesen enormen Heilerfolg erzielt habe, obwohl ich doch noch gar nicht in Reiki eingeweiht sei.

Von so genannten Einweihungen hatte ich in den Büchern gelesen. Was es aber bedeutete, war mir nicht klar geworden.

„Was heißt eingeweiht? Muss ich dafür in eine Kirche oder gar in ein Kloster? Ist das etwa eine religiöse Gemeinschaft oder so ähnlich?“, war auch prompt meine nächste Frage an Gisela.

Sie lachte lauthals, konnte mich aber schnell beruhigen.

„Einweihungen bekommst du während des Reiki-Seminars. Es ist eine Energieübertragung, damit du dir und anderen Reiki geben kannst. Einweihen kann dich nur ein ausgebildeter Reiki-Lehrer oder eine Reiki-Lehrerin. Kein Pater oder Priester, es sei denn, er ist gleichzeitig auch Reiki-Lehrer“, war ihre wieder durch Kichern unterbrochene Ausführung dazu.

, meldete sich mein Mr. Verstand nach längerer Zeit einmal wieder.

Ist es das wert?

Über diese Frage mochte ich jetzt nicht nachdenken. Wichtiger war mir erst einmal, an die Adressen oder Telefonnummern zu kommen. Alles andere würde sich dann schon irgendwie regeln lassen. Schließlich verdiente ich ja auch etwas Geld.

Ich suchte im Telefonbuch nach einer esoterischen Buchhandlung. Leider Fehlanzeige. Also ab zur nächsten Tankstelle und Zeitschriften kaufen. Aus dem Bereich der Regenbogenpresse gab es reichlich Auswahl. Aber esoterische Zeitschriften gab es leider nicht. Auch an der zweiten und dritten Tanke fand ich nichts Brauchbares.

 

Im Kollegenkreis fragte ich, ob schon einmal jemand etwas von Reiki gehört habe. Keiner kannte es und keiner hatte auch nur einen Funken Interesse. Weiterhelfen konnte mir erst recht keiner.

Eine Kollegin nahm mich zur Seite und erklärte, dass „die Leute von hier“ andere Sorgen hätten, als sich mit so einem Quatsch abzugeben. Das müsse ich als „Wessi“ doch verstehen.

„Im Jahre Drei nach der Wende haben wir voll und ganz damit zu tun, „euren Weststandard“ zu erreichen. Möbel aussuchen, Autos kaufen und Reisen sind jetzt viel wichtiger. Wir können uns diese Art der Selbstverwirklichung nicht leisten. Außerdem sieht ja kein Nachbar oder Bekannter etwas davon“, belehrte sie mich.

„Du als verwöhnte Wessi hast offenbar keine anderen Sorgen, als dich um solche Dinge zu kümmern. Tu, was du nicht lassen kannst, aber halte um des Gottes Willen deinen Mund. Die Kollegen tuscheln schon über dich“, riet sie mir mit Verschwörermiene.

Wouw, das saß.

Ätsch, das hast du jetzt davon. Was musst du auch dein winziges Körnchen Wissen hier anbringen, grinste Mr. Verstand mich schadenfroh an.

Der aus ihrer Sicht vielleicht gut gemeinte Ratschlag traf mich wirklich tief. Zerknirscht brachte ich es gerade noch fertig, mich bei ihr zu bedanken! War es Ironie, Spott oder ganz einfach mangelndes Selbstbewusstsein von mir? Da prügelt jemand verbal auf mich ein und ich bedanke mich auch noch dafür!

Ratschläge, zumindest nicht erbetene, sind auch Schläge. Und Schläge tun immer weh.