Sean Covey, Chris McChesney, Jim Huling, Andreas Maron

Die 4 Disziplinen der Umsetzung

Sean Covey Chris McChesney Jim Huling Andreas Maron

Die 4 Disziplinen der Umsetzung

Strategien sicher umsetzen und Ziele erfolgreich erreichen

Übersetzung aus dem Englischen von Nikolas Bertheau

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

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1. Auflage 2022

© 2022 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2021 by FranklinCovey

Die englische Originalausgabe erschien 2021 bei Simon & Schuster unter dem Titel The 4 Disciplines of Execution.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Nikolas Bertheau

Redaktion: Marijke Leege-Topp

Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-86881-854-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-347-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-348-2

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Für Jim Stuart, unseren Freund und Kollegen, den Urheber
dieses Konzepts – für deine Brillanz, dein Wissen und
deine Leidenschaft für eine erfolgreiche Umsetzung!

Inhalt

Vorwort

Vorwort zur 1. Ausgabe

Einführung

TEIL 1
WAS IST 4DX?

Kapitel 1
Das wahre Problem mit der Umsetzung

Kapitel 2
Die 1. Disziplin: Fokus auf die strategisch entscheidende Veränderung

Kapitel 3
Die 2. Disziplin: Betätigen Sie die richtigen Hebel

Kapitel 4
3. Disziplin: Engagement durch transparenten Fortschritt

Kapitel 5
Die 4. Disziplin: Schaffen Sie einen Rhythmus der Verbindlichkeit

TEIL 2
WIE HÖHERE FÜHRUNGSKRÄFTE 4DX ANWENDEN

Kapitel 6
Entscheiden, worauf man sich fokussiert

Kapitel 7
Die Topziele des Unternehmens in Teamziele übersetzen

Kapitel 8
Die Führungskräfte ins Boot holen

Kapitel 9
4DX und Projekte

Kapitel 10
Resultate und Engagement durch 4DX dauerhaft aufrechterhalten

TEIL 3
4DX FÜR TEAMLEITER:INNEN

Kapitel 11
Was Sie erwartet

Kapitel 12
Die 1. Disziplin in der Praxis: Fokus auf die strategisch entscheidende Veränderung

Kapitel 13
Die 2. Disziplin in der Praxis: Betätigen Sie die richtigen Hebel

Kapitel 14
Die 3. Disziplin in der Praxis: Engagement durch transparenten Fortschritt

Kapitel 15
Die 4. Disziplin in der Praxis: Schaffen Sie einen Rhythmus der Verbindlichkeit

Die fehlende Zutat

Gedanken zum Schluss

Glossar

Anmerkungen

Danksagungen

Über die Autoren

Vorwort

Es gibt besondere Momente im Leben – und diese gehen meist mit außergewöhnlichen Gefühlsregungen einher. So geschehen auch in einem großen Konferenzraum einer deutschen Fabrik eines amerikanischen Nahrungsmittelherstellers.

Im Raum befand sich die höchste deutsche Managementriege des Konzerns und sie erwarteten eine 15-minütige Präsentation über die Ergebnisse einer Initiative, die der damalige Fabrikleiter Jake eingeführt hatte, um die Leistung der Fabrik signifikant zu steigern.

Ich saß als Gast der Veranstaltung in der Nähe des Podiums und konnte sehr gut beobachten, wie die Managerriege etwas erstaunt dreinblickte, als Jake nach einer kurzen Begrüßung nicht selbst präsentierte, sondern das Wort an einen seiner Schichtleiter in der Fabrik abgab. So etwas hatte es offensichtlich in diesen Sphären noch nicht gegeben – anders konnte ich mir das Raunen im Raum nicht erklären.

Ich kannte den Schichtleiter sehr gut aus unserer gemeinsamen 4DX-Projektarbeit der letzten Wochen und aus einem 7-Habits-Kurs, den Jake vor der besagten 4DX-Initiative zur Steigerung der Performance als Grundlage für die Veränderungen in der Fabrik für alle Mitarbeiter:innen durchführen ließ.

Da stand nun der Schichtleiter – zum ersten Mal in seinem Leben vor einer Riege Entscheidungsträger in Anzug, Schlips und gewienerten Schuhen. Im Raum war es totenstill und auch meine eigene Anspannung konnte ich nur durch einen Griff zum Wasserglas etwas besänftigen. Dann geschah etwas, was ich den Rest meines Lebens nicht vergessen werde: Der Mann, der noch nie in seinem Leben vor so einem Gremium eine Präsentation gehalten hatte, ging zum Flipchart, nahm einen Stift und seine allerersten Worte waren: »Meine Herren, was ist das Ergebnis dieser Gleichung?« Während er mit einer Riesenschrift »1+1=?« auf das Papier schrieb.

Fast hätte ich mich am Wasser verschluckt und die Augen der Manager wurden immer größer. Irgendwo aus den hinteren Reihen kam die Antwort »2« und unser Schichtleiter lächelte und sagte: »Das dachte ich bisher auch, aber das stimmt nicht immer.«

Und so begann er seine Präsentation und ich sah niemanden mehr verstohlen auf sein Handy schauen, um die neuesten E-Mails abzurufen. Sie alle schauten nach vorne und waren gespannt auf das, was unser Schichtleiter zu berichten hatte.

Er erzählte davon, wie er zum ersten Mal mit den 4 Disziplinen der Umsetzung in Berührung kam. Er hatte schon viele Initiativen in seiner Zeit in der Firma kommen und gehen sehen. Aber dieser Ansatz erschien ihm von Anfang an plausibel. Er erzählte davon, wie er von seinem Abteilungsleiter in einer Sitzung für alle Schichtleiter das absolut wichtigste strategische Abteilungsziel, abgeleitet vom strategisch wichtigsten Fabrikziel, vorgestellt bekam und nun vor der Aufgabe stand, für sein Team der Mehlverpackung ein eigenes Team-Ziel zu definieren (Disziplin 1), sich dann mit seiner Mannschaft passende Hebelkennzahlen zu überlegen, wie sie dieses Team-Ziel erreichen könnten (Disziplin 2), ein einfaches, aber motivierendes Scoreboard zu entwickeln, um im Tosen des Tagesgeschäfts immer zu wissen: »Gewinnen wir oder verlieren wir gerade?« (Disziplin 3) und schließlich ein kurzes regelmäßiges Meeting einzuberufen, um sich und sein Team gegenseitig immer wieder verantwortlich für ihr Teamziel zu halten (Disziplin 4).

Er blendete schließlich seine ersten Folien ein und erzählte davon, wie sie diesen Prozess relativ schnell bei sich etablierten. Auf der ersten Folie zeigte er die Resultate für das Teamziel: »Wir reduzieren die Überschussmenge bei der Mehlversackung von acht auf drei Prozent bis 30. September.« Die Folie zeigte grafisch, wie sie nach vier Monaten das Ziel nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen hatten. Der aktuelle Wert stand sogar bei 2,1 Prozent und er zeigte sich optimistisch, diesen Wert in den kommenden Monaten sogar noch weiter zu senken.

Weiterhin berichtete er mit Stolz, dass ihnen in den regelmäßigen Meetings sogar die Idee für eine Verfahrensänderung gekommen sei, die sie nicht nur dem Ziel näherbrachte, sondern darüber hinaus die geplante Investition einer neuen Abpackmaschine überflüssig machte. Als unser Schichtleiter dann auch noch eine Folie zeigte, in der er penibel aufführte, welche Kosten in Euro der Konzern in den nächsten drei Jahren durch die Zielerreichung einsparen werde, und welche Investitionssumme durch die Teamkreativität für andere Zwecke genutzt werden könne, konnten sich einige Manager im Raum nicht zurückhalten und quittierten diese Ausführungen mit spontanem Applaus.

Der Schichtleiter bedankte sich verlegen und präsentierte noch kurz die Ergebnisse einer seiner gewählten Hebelkennzahlen: »Wir steigern die Mitarbeiterzufriedenheit in unserem Team von derzeit 4,7 auf über acht auf unserer internen 10er-Skala.«

Auch hier zeigte er anhand seines Team-Scoreboards den aktuellen Wert von 8,5 und berichtete mit bewegter Stimme, wie der Prozess der 4 Disziplinen der Umsetzung ihnen geholfen habe, sich weniger über die Probleme des Alltags zu echauffieren, sondern sich stattdessen auf das gemeinsame wichtigste Ziel und die Umsetzung zu konzentrieren. »Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass nichts so motivierend und produktiv ist, wie das Gefühl, zu gewinnen«, sagte er, während er langsam wieder zu seinem anfänglichen Flipchart schritt und schrieb: »1+1=100«. – »Das, meine Herren, ist die Formel für Synergie! Danke für die Aufmerksamkeit.«

Anschließend berichtete Jake noch kurz davon, wie die Werksziele mit 4DX übertroffen wurden und das Werk nunmehr vor einer guten Zukunft stehe.

Ich bezeichne diesen Moment bis heute als die schönste Erfahrung in meiner beruflichen Karriere – egal, ob als Manager in meinen früheren Konzernen oder jetzt als Berater bei FranklinCovey.

»You manage things, but you lead people.« Diese Kurzfassung eines berühmten Satzes von Peter Drucker führt mir immer wieder vor Augen, dass unser Erfolg in den Unternehmen immer noch nicht von der Technologie, sondern immer noch vom Engagement unserer Mitarbeiter:innen abhängt.

Menschen in ihrem Potenzial zu erkennen und mit ihnen als Partner eine Unternehmensmission, -vision und -strategie erfolgreich umzusetzen, ist eines der großartigsten Dinge, die wir als Führungskräfte tun können. Der damalige Fabrikleiter Jake hatte diese Grundhaltung. Er ist bis heute für mich ein Vorbild als Mensch und als Führungskraft. Er glaubte an ein System wie die »4 Disziplinen der Umsetzung«, um sowohl die wichtigsten strategischen Ziele im Kampf gegen das Tagesgeschäft umzusetzen und gleichzeitig das Engagement seiner Mannschaft zu steigern. Er glaubte nicht nur daran, sondern er hatte die eigene Kraft und Disziplin, das System gegen alle Widerstände zu etablieren.

Hier ein Auszug aus seinem persönlichen Leitbild: »To be remembered as an enabler for others by helping them to realize and recognize the barriers in their life and how to overcome them. … I will help others understand their contributions at work, or toward the success of any team they are part of …«

Nach über 35 Jahren im Geschäft komme ich zu dem Schluss, dass es wirklich viele hervorragende Manager gibt, aber wesentlich weniger wirklich gute Führungskräfte. Gute Führung kann man lernen – das ist nicht das Problem. Zunächst muss man jedoch erkennen, dass es überhaupt einen Unterschied zwischen Management und Führung gibt. Dann muss man sich entscheiden, nicht nur ein guter Manager für Quartalsziele, Budgets, Projekte, Krisen et cetera sein zu wollen, sondern auch eine wirklich gute Führungskraft, die ein Team von Menschen in eine bessere Zukunft mitnehmen kann – unabhängig davon, wie groß die aktuellen Hürden auch immer sind.

Wer das sein möchte, der braucht hierfür ein System zur Umsetzung. Eine solche Art Betriebssystem für gute Führung und Ergebnisse sind die 4 Disziplinen der Umsetzung.

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dem Buch und der Reise in eine erfolgreiche Zukunft.

Andreas Maron

Vorwort zur 1. Ausgabe

»Die 4 Disziplinen der Umsetzung bieten mehr als ein theoretisches Konzept, wie sich Organisationen strategisch weiterentwickeln können. Die Autoren erklären nicht nur, was prinzipiell zur erfolgreichen Umsetzung dazugehört, sondern sie zeigen sehr genau anhand von zahlreichen Beispielen auf, wie die Umsetzung gelingen kann – und zwar nicht nur einmalig, sondern immer und immer wieder. Ein Buch, das jede Führungskraft lesen sollte!«

Clayton Christensen
Clayton Christensen war Kim B. Clark Professor of Business Administration
an der Harvard Business School und ist der Autor von The Innovator’s
Dilemma und anderen Business-Büchern und -Publikationen.

Andy Grove, einer der Intel-Gründer sowie langjähriger CEO und Vorsitzender des Chipherstellers, hat mir Außergewöhnliches beigebracht. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Meeting mit ihm und einigen seiner engeren Mitarbeiter:innen zur bevorstehenden Einführung des Celeron-Mikroprozessors. Ich war zu der Zeit für das Unternehmen als Berater tätig. Mithilfe der Disruptionstheorie war es uns gelungen, eine ernste Bedrohung für Intel zu identifizieren. Zwei Firmen – AMD und Cyrix – nahmen das untere Ende des Halbleitermarktes unter Beschuss, indem sie Anbieter von Computer-Einsteigermodellen mit preisgünstigeren Chips versorgten. Mittlerweile hatten sie einen beträchtlichen Marktanteil errungen und damit begonnen, in höherpreisige Regionen vorzudringen. Intel musste also reagieren.

Während einer Meeting-Pause fragte mich Grove: »Wie soll ich das tun?« Ohne lange zu grübeln, antwortete ich, er müsse eine separate Geschäftseinheit mit einer anderen Overhead-Struktur und einem eigenen Vertrieb ins Leben rufen.

In seiner typisch grummeligen Art erwiderte Grove: »Was für ein naiver Akademiker Sie doch sind! Ich habe Sie gefragt, wie ich das tun soll, und Sie sagen mir, was ich tun soll.« Er fluchte und sagte: »Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich weiß nur nicht wie.«

Ich hatte das Gefühl, vor einer Gottheit zu stehen, vor der es kein Entrinnen gab. Es stimmte ja: Ich war ein naiver Akademiker. Ich hatte Grove soeben bewiesen, dass ich nicht zwischen wie und was unterscheiden konnte.

Während meines Rückflugs nach Boston dachte ich darüber nach, ob ich nicht vielleicht den Schwerpunkt meiner akademischen Forschungen verlagern und eine Theorie des Wie entwickeln sollte. Dann aber verwarf ich die Idee wieder, weil auch ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wie eine solche Theorie aussehen sollte.

Bis heute forsche ich über das Was im Unternehmensgeschehen – wir sagen dazu auch Strategie – und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Die meisten Forscher, Berater und Autoren zum Thema Strategie vermitteln uns lediglich Momentaufnahmen von strategischen Konstellationen – Schnappschüsse von Technologieentwicklungen, Unternehmen und Märkten. Diese Schnappschüsse beleuchten die Merkmale und Vorgehensweisen erfolgreicher Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Wie es bei den weniger erfolgreichen Unternehmen aussieht, interessiert kaum jemanden. Sie beleuchten die Eigenschaften und Merkmale jener Führungskräfte, die zu genau diesem Zeitpunkt erfolgreicher dastehen als andere. Explizit oder implizit heißt es dann: Wenn Sie ebenfalls zu den Besten gehören wollen, sollten Sie es den besten Unternehmen und den besten Führungskräften gleichtun.

Meine Kollegen und ich halten wenig von Standfotografie. Stattdessen fertigen wir Strategie-Filme an. Vielleicht keine typischen Filme, wie Sie sie aus dem Kino kennen, wo Sie Fantasiegeschichten aus dem Blickwinkel von Regisseur und Drehbuchautor präsentiert bekommen. Die Filme, die wir in Harvard produzieren, sind Theorien. Sie beschreiben, warum bestimmte Dinge geschehen. In diesen Filmen besteht die Handlung also aus Theorien. Anders als die Handlung gewöhnlicher Kinofilme, die voller Spannung und Überraschungen sind, ist die Handlung unserer Filme vollkommen vorhersehbar. Man kann die Akteure – Menschen, Unternehmen und Branchen – durch andere ersetzen und sich die Filme anschließend noch einmal anschauen. Man kann frei wählen, was diese Charaktere tun. Weil aber die Ereignisse in diesen Filmen streng den Gesetzen der Kausalität folgen, sind die Ergebnisse dieser Handlungen stets vorhersehbar.

Langweilig? Kann sein, solange es um den Unterhaltungswert geht. Führungskräfte aber, die wissen müssen, ob ihre Strategie – das Was ihrer Tätigkeit – richtig oder falsch ist, benötigen so viel Gewissheit wie nur möglich. Weil Theorie und Handlung identisch sind, kann man diese Filme zurückspulen und sich die Vergangenheit wiederholt anschauen, um zu verstehen, was wozu geführt hat und warum. Ein anderer Vorteil von Filmen dieser Art ist, dass sie einen Blick in die Zukunft ermöglichen – bevor sich die Dinge in der Wirklichkeit ereignen. Man kann seine Pläne ändern und an verschiedene denkbare Situationen anpassen, um anschließend im Film zu sehen, zu welchem Ergebnis das führen würde.

Ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn ich sage: Nimmt sich eine Führungskraft die Zeit, sich mit unseren Theorien – oder Filmen – vertraut zu machen und sie zu verstehen, erhöht sich die Erfolgswahrscheinlichkeit signifikant.

Bleibt das Wie: Wie managt man eine Organisation in Zeiten des Umbruchs? Dazu gab es bis zu diesem Buch kaum Untersuchungen. Ein Grund, warum das Wie so lange nicht zufriedenstellend untersucht wurde, ist, dass dazu viel umfangreichere Forschungen vonnöten sind. Kausale Theorien zur Strategie – zum Was – basieren typischerweise auf der detaillierten Untersuchung einzelner Organisationen, wie beispielsweise im Fall meiner Diskettenlaufwerksstudie. Das Wie der strategischen Veränderung hingegen ist ein ständiger Begleiter jeder Organisation. Um eine Theorie des Wie zu entwickeln, reicht es nicht, eine einzelne Organisation ein einziges Mal unter die Lupe zu nehmen. Einen Schnappschuss des Wie gibt es nicht. Vielmehr müssen wir uns über Jahre hinweg viele Organisationen wieder und wieder im Detail anschauen. Das mag erklären, warum andere Akademiker und ich das Wie der strategischen Veränderung bislang außer Acht gelassen haben. Wir hatten schlicht nicht die Ressourcen dazu. So ein Unterfangen erfordert den Blickwinkel, das Wissen und die Größe eines Unternehmens wie FranklinCovey.

Aus diesem Grund fasziniert mich dieses Buch so sehr. Es enthält nicht einfach nur Geschichten von Organisationen, die irgendwann einmal erfolgreich waren. Es stellt vielmehr eine Kausalitätstheorie vor, die erklärt, wie Umsetzung nachhaltig erfolgreich praktiziert werden kann. Die Autoren präsentieren uns keinen Schnappschuss der Umsetzung, sondern Filme, die wir beliebig vor- und zurückspulen können, um sie im Detail zu studieren, und in die wir unsere jeweils eigene Organisation und unsere Mitarbeiter:innen als Akteure einsetzen können. Und dann können wir schauen, wie sich die Zukunft entwickeln wird.

Grundlage dieses Buches ist das Studium einer großen Zahl von Organisationen über lange Zeiträume hinweg, in denen sie neue Methoden testeten und umsetzten – Filiale für Filiale, Hotel für Hotel und Abteilung für Abteilung.

Ich hoffe, dass Sie dieses Buch mit so viel Genuss lesen werden, wie ich es getan habe.

Clayton Christensen (1965–2020)

ANMERKUNG ZUR VORLIEGENDEN ÜBERSETZUNG

Eine deutsche Übersetzung der Erstfassung dieses Buches erschien im Jahr 2016, ebenfalls im Redline Verlag. Die überarbeitete Fassung des englischen Originals gibt uns jetzt Gelegenheit, einige Teile des Konzepts im Deutschen sprachlich etwas anders wiederzugeben, um die Grundideen noch klarer herauszuarbeiten und einem größeren Kreis von Leser:innen einen Verständniszugang zu bieten.

Wesentliche Kernbegriffe wie »WIG«, »Scoreboard« und »Ergebniskennzahl« sind gleich geblieben. Andere haben wir ersetzt; aus dem »Frühindikator« wurde beispielsweise die »Hebelkennzahl« und aus den »Verpflichtungen«, »Versprechungen« und »Zusagen« im Rahmen der WIG-Session einheitlich das »Commitment«.

Wir haben im Übrigen beschlossen, einige zentrale Begriffe wie Teamleiter:innen und Mitarbeiter:innen zu gendern. Mögen einige das auch für eine vorübergehende Modeerscheinung halten, so glauben wir doch, dass es in der heutigen Zeit den richtigen Ton anschlägt und das richtige Zeichen setzt. Der Lesbarkeit des Textes sollte es jedenfalls keinen Abbruch tun.

Übersetzer und Verlag

Einführung

Als wir im Jahr 2009 die erste Ausgabe von Die 4 Disziplinen der Umsetzung zu Papier brachten, konnten wir bereits auf acht Jahre zurückblicken, in denen wir mehr als 1000 Organisationen – Unternehmen und anderen Institutionen wie beispielsweise Schulen – geholfen hatten, 4DX zu implementieren. Als das Buch schließlich im Jahr 2012 erschien, war die Zahl der Implementierungen auf mehr als 1500 angewachsen. Die nunmehr erscheinende zweite Ausgabe stützt sich auf unsere Erfahrungen aus 4000 Implementierungen.

Wie es so häufig bei laufenden Projekten vorkommt, würden wir uns wünschen, wir hätten bereits damals über unseren heutigen Erkenntnisstand verfügt und das Buch in seiner nun vorliegenden Form herausgebracht. Wir sind unseren Leser:innen aus aller Welt (und allen 16 Sprachen, in die das Buch übersetzt wurde) zutiefst dankbar für ihr Feedback, das es uns ermöglicht hat, nicht nur die 4 Disziplinen zu verfeinern, sondern auch ihre Anwendung stark zu vereinfachen.

Was uns von Anfang an beeindruckt hat, war die Beobachtung, dass unsere Leser:innen das Buch nicht nur lasen, sondern die Disziplinen tatsächlich implementierten. Sie wurden aktiv. Das mag vielleicht wenig überraschend sein, ist aber nicht die Norm bei Business-Titeln, die traditionell eher die Bibliotheken schmücken als wirklich zur Anwendung zu kommen.

Unsere Leser:innen aber sagen in der Regel nicht: »Ich habe 4DX gelesen«, sondern: »Wir arbeiten mit 4DX!« Das Wissen darum, dass unsere Empfehlungen auf so starkes Interesse stoßen und Unternehmen und Institutionen nicht zögern, sie für sich zu übernehmen, ist uns zusätzlicher Ansporn, mindestens ebenso großes Gewicht auf die Klarheit wie auf die Korrektheit unserer Ausführungen zu legen. Und das führt uns zu einem wesentlichen Grund und Anlass für diese zweite Ausgabe.

Allzu häufig kam es in den vergangenen Jahren vor, dass wir sagen mussten: »Ich verstehe, warum Sie dachten, wir wollten dies oder jenes sagen, aber es ist nicht exakt das, was wir meinten.« Bis 2017 hatten wir schließlich ausreichend viele dieser Gespräche geführt, um zu wissen, wo und wie wir den Text signifikant verbessern konnten und mussten.

Die zweite Ausgabe enthält mehr als 30 Prozent neuen Inhalt, in welchem wir frische Ideen präsentieren, Empfehlungen klarer herausarbeiten und versuchen, Missverständnisse auszuräumen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf drei Bereichen:

  1. Höhere Führungskräfte (damit meinen wir Führungskräfte, die wiederum Führungskräfte führen) wenden 4DX anders an als Teamleiter:innen (Führungskräfte, die individuell Beitragende führen). Die Prinzipien sind dieselben, aber ihre Anwendung sieht anders aus. Wir erwähnten das zwar in der ersten Ausgabe, aber allzu zaghaft. Die zweite Ausgabe baut jetzt auf dieser wichtigen Unterscheidung auf und widmet einen ganzen Teil bestehend aus fünf Kapiteln der Frage, wie höhere Führungskräfte 4DX in ihren Organisationen anwenden können.
  2. Zu wissen, wo sich 4DX sinnvoll anwenden lässt, ist mindestens ebenso wichtig wie das Wie der Anwendung. Wenngleich auch die erste Ausgabe bereits wertvolle Hinweise zu diesem Punkt enthielt, verfügen wir jetzt über bessere Fallbeispiele, klarere Illustrationen und neue Erkenntnisse, um Führungskräften verständlich zu machen, wo (und wie) 4DX seine optimale Wirkung entfaltet und wo nicht.
  3. Führt ein Unternehmen oder eine Institution 4DX ein, wirkt sich das häufig unmittelbar auf die Ergebnisse aus; um jedoch tiefgreifende Veränderungen in der Organisation zu bewirken, ist es erforderlich, 4DX nachhaltig zu praktizieren. Heute profitieren wir von unseren Partnerschaften mit Führungskräften, die 4DX bereits seit Jahren – oder sogar seit mehr als einem Jahrzehnt – praktizieren. Eine Sache ist es, gute Ergebnisse zu erzielen, eine andere, diese Ergebnisse über längere Zeit hinweg zu halten und stetig weiter zu verbessern. Unsere neu gewonnenen Erkenntnisse und Empfehlungen zum Thema Nachhaltigkeit hätten allein schon eine zweite Ausgabe dieses Buches gerechtfertigt. Führungskräfte lernen so nicht nur, wie sie ihre Top-Ziele erreichen, sondern wie sie eine Kultur der erfolgreichen Umsetzung schaffen können.

STRATEGIE UND UMSETZUNG

Einer Führungskraft stehen im Prinzip zwei Hebel zur Verfügung, um die Ergebnisse zu beeinflussen: die Strategie (der Plan) und die Umsetzung dieser Strategie.

Halten wir einen Augenblick inne und fragen uns: Womit tut sich die typische Führungskraft schwerer – mit der Entwicklung einer Strategie oder mit ihrer anschließenden Umsetzung? Wann immer wir wo immer auf der Welt Führungskräften diese Frage stellen, lautet die spontane Antwort: »Mit der Umsetzung!«

Fragen wir uns als Nächstes: Falls wir Betriebswirtschaft studiert oder entsprechende Kurse besucht haben – wovon war dort häufiger die Rede: von Umsetzung oder von Strategie? Wann immer wir Führungskräften diese Frage stellen, kommt auch hier die Antwort wie aus der Pistole geschossen: »Strategie!« Wen überrascht es, wenn sich Führungskräfte mit Dingen schwerer tun, in denen sie weniger bewandert sind?

Unsere Arbeit mit Führungskräften und Teams in den unterschiedlichsten Branchen, in Schulen und in staatlichen Institutionen in aller Welt hat uns gelehrt: Sobald der Entschluss gefallen ist, was getan werden soll, besteht die größte Herausforderung darin zu erreichen, dass die Mitarbeiter:innen die einmal entwickelte Strategie mit der erforderlichen Konsequenz und in der erforderlichen Qualität umsetzen.

Warum ist die Umsetzung so schwer? Sollte es nicht genügen, dass die Strategie klar definiert ist und Sie als Führungskraft voll und ganz hinter ihr stehen, damit die Mitarbeiter:innen fortan alles tun, um sie in die Praxis umzusetzen? Wie Sie vermutlich nur zu gut aus eigener Erfahrung bestätigen können, lautet die Antwort schlicht: Es genügt nicht.

Das vorliegende Buch fasst zusammen, was wir im Rahmen unserer jahrelangen Forschungen über die Praxis der Umsetzung gelernt und erfahren haben. Den Kern bilden unsere 4 Disziplinen, die bereits Zehntausenden von Führungskräften und Hunderttausenden von Mitarbeiter:innen geholfen haben, außergewöhnliche Ergebnisse zu erzielen.

GUIDO WARRINK: EIN ERFAHRUNGSBERICHT

Guido Warrink ist seit mehreren Jahren Leiter des Beteiligungscontrollings der NWI Management GmbH – einer Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Bremen. Sie kaufen in der Regel internationale Industrieunternehmen und entwickeln diese in Eigenregie weiter. Manchmal entwickeln sie aber auch eigenständig Unternehmen ohne Vororganisation. Der Fokus lag schon zu Beginn auf der kontinuierlichen Verbesserung der Effizienz der Unternehmen mit Lean-Prinzipien. Was jedoch immer fehlte, war die Verbesserung der Effektivität der Unternehmen durch eine außergewöhnlich erfolgreiche Strategieumsetzung.

Als ich meine kaufmännische Karriere Ende der 1990er-Jahre begann, gab es für mich nur Ergebniskennzahlen. Alles drehte sich für mich und die Unternehmen ausschließlich darum, Ergebniskennzahlen (Umsatz, Kosten, et cetera) zu planen und Abweichungen zu berichten. Dabei ging es zunächst auch nicht darum, die Zahlen tatsächlich zu beeinflussen, sondern diese darzustellen.

Später fing man zumindest damit an, die geplanten Zahlen mit Maßnahmen zu hinterlegen, die zur Erreichung der natürlich verbessert geplanten Zahlen dienen sollten. Das aber misslang aus mehreren Gründen. Zum einen gab es zu viele Maßnahmen, die zudem unspezifisch waren. Zum anderen wurden keine Verantwortungen definiert und nachgehalten. Auch dies verhinderte das erhoffte Ergebnis. Budgets wurden nicht erreicht. Auf negative Abweichungen wurde oft nur mit Personalmaßnahmen geantwortet, da diese am einfachsten umzusetzen waren.

Nachdem man festgestellt hatte, dass auch dieses Vorgehen ineffektiv war, beschäftigte man sich mit Strategieumsetzungswerkzeugen. Diese hatten den Vorteil, dass man sich mehr mit der Umsetzung und mit der Verantwortung beschäftigte. Allerdings fehlte diesen Werkzeugen die gegenseitige Verantwortungs- und Verhaltensebene. Außerdem waren die Werkzeuge sehr technokratisch und schwerfällig. Es wurden zu viele Ziele gesetzt, die nicht erreicht wurden. All das führte sowohl bei mir, aber auch auf der Führungsebene und bei den Mitarbeiter:innen zu großer Unzufriedenheit und fehlender Akzeptanz.

Und dann schenkte mir mein Vorgesetzter das Buch Die 4 Disziplinen der Umsetzung. Dieses Buch änderte für mich und unser Unternehmen alles, weil wir alle erkannten, dass in dem Buch alle Antworten auf Schwachpunkte bei der Strategieumsetzung enthalten waren:

Auf Basis der Einschätzung, dass 4DX der Schlüssel zur verbesserten Strategieumsetzung ist, kontaktierten wir FranklinCovey, um gemeinsam einen Implementierungsplan für uns zu erarbeiten. Wir entschieden uns dazu, bei mehreren unserer Unternehmen zeitgleich 4DX zu implementieren und dabei das dazugehörige Softwaretool 4DXOS zu nutzen. Außerdem nutzten wir unser bestehendes Lean-Inhouse-Consultant-Team, um den Prozess zu begleiten und zu unterstützen.

Dabei machten wir in der ersten Phase wichtige Erfahrungen, die uns bei dem weiteren Rollout sehr geholfen haben.

Bei gut geführten Teams

Bei schlecht geführten Teams sah die Welt jedoch zu Beginn mal wieder anders aus. Nur sehr selten konnten die erhofften Ergebnisse im ersten Anlauf erzielt werden. So wurden bei schlechten Führungskräften schon bei der ersten Disziplin entweder irrationale Ziele gesetzt oder Ziele, die zu leicht zu erreichen waren und die unternehmerischen Top-Ziele zudem nicht beeinflussten. Die Anwendung und Akzeptanz der anderen Disziplinen blieb ebenfalls zunächst unterdurchschnittlich. Jedoch half uns 4DX, diese Führungsdefizite schonungslos offenzulegen und konsequent daran zu arbeiten.

Auf Basis dieser ersten Erfahrungen nahmen wir Optimierungen vor, um die Schwachstellen zu beheben. Zusätzlich begannen wir damit, die »7 Wege zur Effektivität« von FranklinCovey in den Unternehmen zu implementieren und zu verankern, da die Verhaltensebene aus unserer Sicht den wichtigsten Hebel zu nachhaltigem Erfolg von 4DX, aber auch des Gesamtunternehmens darstellt.

Nach zwei Jahren kommen wir nunmehr zu folgendem Fazit: 4DX ist tatsächlich das effektivste Instrument zur Strategieumsetzung. Und es ist tatsächlich überall einsetzbar. Vom Vertrieb über die Produktentwicklung und den Produktionsbereich bis hin zum administrativen und finanziellen Bereich.

4DX ist leicht einzuführen. Es sollte dabei aber beachtet werden, dass dieser Prozess (Aufstellung des Teams, Festlegung der WIGs und Hebelkennzahlen, Durchführung der WIG-Sessions) eng begleitet werden sollte.

Außerdem sollte man insbesondere bei der Wahl der Teamleiter:innen sehr darauf achten, dass diese einen besonderen Anspruch an sich selbst und an einen Veränderungsprozess haben. Multiplikatoren sind für die Umsetzung essenziell. 4DX in Verbindung mit den »7 Wegen zur Effektivität« kann die Unternehmenskultur nachhaltig positiv und effektiv beeinflussen.

4DX lohnt sich jeden Tag für das Unternehmen und die Mitarbeiter:innen, weil der Unternehmenserfolg und auch der eigene Erfolg beeinflussbar geworden sind.

Guido Warrink

TEIL 1

WAS IST 4DX?

KAPITEL 1

Das wahre Problem mit der Umsetzung

MARRIOTT

Ein großes Haus der Marriott-Hotelkette wollte seine Ergebniskennzahlen verbessern – umso mehr, als es im unmittelbaren Blickfeld der Firmenspitze gelegen war. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiter:innen und den Hoteleignern nahm Geschäftsführer Brian Hilger in einem ersten Schritt eine 20 Millionen US-Dollar teure Renovierung vor, im Zuge derer die Zimmer neu gestaltet, eine eindrucksvolle Lobby eingerichtet und ein Restaurant hinzugefügt wurden – alles Optimierungen, von denen sich das Hotel bessere Kundenbewertungen erhoffte. Aber obwohl das Hotel nun fantastisch aussah, erreichten die Kundenbewertungen nach wie vor nicht das angestrebte Niveau. Also ging man zum zweiten Schritt über und sorgte dafür, dass sich sämtliche Mitarbeiter:innen noch intensiver um das bemühten, was für das Hotel oberste Priorität besaß: die Aufenthaltsqualität jedes einzelnen Gastes.

Nach einem Jahr feierten Brian und seine Mitarbeiter:innen stolz die besten Kundenbewertungen in der 30-jährigen Hotelgeschichte. Wie Hilger sagt: »Zuvor bibberte ich jeden Freitag besorgt den neuesten Kundenzufriedenheitswerten entgegen. Heute kann ich gar nicht erwarten, dass es Freitagmorgen wird.«

COMCAST

LeAnn Talbot war als frisch gekürte leitende Vizepräsidentin bei Comcast für den Großraum Chicago zuständig. Diese Region, die zu den größten innerhalb des Unternehmens gehört, belegte unter den mehr als einem Dutzend Vertriebsregionen des Unternehmens auf dem internen Leistungsranking den letzten Platz.

LeAnn Talbot: »Schon seit neun Jahren war die Region – unter wechselnder Führung – in Bezug auf nahezu alle von Comcast erhobenen Ergebniskennzahlen Klassenletzte gewesen. Das war keine angenehme Situation, und kaum jemand von den besseren Leuten wollte das Risiko eingehen, sich mit einem Wechsel nach Chicago den eigenen Lebenslauf einzutrüben. Doch weil die Region für Comcast so wichtig war, erhielten wir ein beträchtliches Maß an Aufmerksamkeit – oder ›Liebe‹, wie man bei uns zu sagen pflegt –, was den Druck zusätzlich verstärkte. Wir brauchten einen disziplinierten Plan, wie wir unsere Umsetzung verbessern konnten, und wir brauchten ihn unverzüglich.«

Binnen zwei Jahren kletterte der Großraum Chicago im internen Leistungsranking vom letzten auf den ersten Platz. LeAnn Talbot: »Das schlug sich nicht nur in den Ergebnissen nieder, sondern wirkte sich auch kolossal auf die Mitarbeiter:innen aus. Unsere regionale Einheit wurde von der Chicago Tribune zu einem der 100 besten Arbeitsplätze gekürt. Ich hätte mir zu Beginn dieses Entwicklungsprozesses niemals vorstellen können, dass dies alles so schnell geschehen würde.«

CNRL

Canadian Natural hatte rund 20 Milliarden US-Dollar in sein Förderprojekt Horizon Oil Sands in der nördlichen Provinz Alberta investiert, aber die Produktion erfüllte nicht die Erwartungen. Die Bitumenproduktion erreichte gerade einmal eine Auslastung von 72 Prozent. Der zuständige Vizepräsident Casey McWhan wusste, dass er schnell handeln musste, entsprach doch jedes Prozent Minderauslastung einem Verlust in der Jahresbilanz von 15,7 Millionen US-Dollar. Er wusste, es lag nicht am fehlenden Einsatz: Seine Leute arbeiteten rund um die Uhr, um den reibungslosen Betrieb der hochkomplexen Raffinerieanlagen zu garantieren. Betriebsleiter Colin Savastianik bringt den Frust, den sie damals alle empfanden, treffend zum Ausdruck, wenn er beschreibt, wie er abends mit Kopfschwindel in seinem Büro saß und sich fragte: Was habe ich heute gemacht? Er wusste, dass er hart arbeitete, aber am Ende des Tages schien es ihm, als hätte er so gut wie nichts geschafft.

Binnen Jahresfrist hatten Casey und sein Team die Einsatzbereitschaft der Anlage auf nahezu 100 Prozent gesteigert. Während es die zusätzlich generierten Gewinne Canadian Natural ermöglichten, einen der wichtigsten Konkurrenten zu übernehmen, sagt Casey: »Was mich am meisten mit Stolz erfüllt, ist dieses Team – zu sehen, wie die Abteilungsleiter:innen und Manager:innen hinzugelernt und eine Kultur der Verbindlichkeit und der Identifizierung mit ihrer Tätigkeit entwickelt haben.«

Diese Geschichten von Guido Warrink (NWI), Brian Hilger (Marriott), LeAnn Talbot (Comcast) und Casey McWhan (CNRL) mögen unterschiedlich klingen, sie sind es aber nicht. Alle diese Führungskräfte standen im Prinzip vor der gleichen Herausforderung. Und dasselbe galt für die Lösung.

Die Umsetzung einer Strategie, die eine nachhaltige Verhaltensänderung der Mitarbeiter:innen zur Voraussetzung hat, stellt so ungefähr die größte Herausforderung für eine Führungskraft dar, die man sich denken kann. Die 4 Disziplinen der Umsetzung sind mehr als nur eine »interessante Theorie«; sie geben Ihnen vielmehr ein erprobtes Instrument an die Hand, mit dem Sie diese Herausforderung zuverlässig meistern können.

DIE EIGENTLICHE HERAUSFORDERUNG

»Um eine Kultur zu verändern, müssen wir lernen, anders zu kommunizieren. Dazu wiederum benötigen wir neue Begriffe, die insbesondere die Verhaltensweisen beschreiben, mit denen wir gute Ergebnisse erzielen.«

Liz Wiseman (Autorin von Multipliers)

Nennen Sie es Strategie, Ziel oder Verbesserungsinitiative: Was immer Sie als Führungskraft unternehmen, um Ihr Team oder Ihre Organisation entscheidend voranzubringen, fällt in eine von zwei Kategorien. Entweder genügt dazu ein »Federstrich« – eine einmalige Aktion oder ein einmaliger Beschluss per Unterschrift vonseiten der Führungskraft – oder es erfordert einen »Durchbruch« – eine nachhaltige Verhaltensänderung aller Beteiligten.

Federstrich-Initiativen setzen Sie um, indem Sie schlicht die Order oder das Freizeichen geben, dass etwas so und nicht anders geschehen soll. Wenn Sie das Geld und die Befugnis haben, können Sie es geschehen machen. Das kann eine größere Kapitalinvestition, die Gründung eines neuen Vorstandsbereiches, ein verändertes Vergütungssystem, eine Anpassung von Rollen und Zuständigkeiten, eine Aufstockung der Belegschaft oder eine neue Werbekampagne sein. Mögen diese Strategien auch Planung, Konsens, Mut, Verstand und Geld erfordern, Sie können sicher sein, dass das Gewünschte am Ende auch geschehen wird – vorausgesetzt Sie verfügen über ein gutes Projektmanagement.

Durchbrüche, die eine nachhaltige Verhaltensänderung erfordern, sind von ganz anderer Art. Sie lassen sich nicht einfach »anordnen«. Ihre Umsetzung gelingt nur, wenn die – häufig sehr zahlreichen – Mitarbeiter:innen bereit sind, großen Einsatz zu zeigen und ganz neue Wege zu beschreiten, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Wenn Sie schon einmal versucht haben, andere dazu zu bewegen, ihr Verhalten zu ändern, dann wissen Sie, wie schwierig das ist. Schon das eigene Verhalten zu ändern, ist schwierig genug.

Haben Sie beispielsweise einmal versucht, Vertriebskräfte dazu zu bewegen, ihre Kunden ausführlicher zu beraten? Haben Sie versucht, Ihre Konstrukteure davon zu überzeugen, sich in Fragen des Produktdesigns mit der Marketingabteilung abzusprechen?

Oder hatten Sie schon einmal die Aufgabe, eine Callcenter-Crew auf eine neue Software-Plattform einzuschwören? Es reicht nicht, dass Sie eine E-Mail herumschicken: »Wir möchten, dass ihr von morgen an euren Kunden stärker beratend zur Seite steht.« Möglicherweise sind die alten Verhaltensweisen, die Sie durch neue ersetzen möchten, bereits seit Jahrzehnten eingefahren. Und selbst wenn niemand bestreitet, dass mit den alten Methoden kein Staat zu machen ist, tun sich die Menschen mit Verhaltensänderungen schwer. Initiativen, für die auf den ersten Blick ein Federstrich reicht, erweisen sich bei genauerem Hinsehen häufig als Durchbrüche, die nicht ohne nachhaltige Verhaltensänderungen umsetzbar sind.

Unser Kollege Jim Stuart hat diese Herausforderung wie folgt beschrieben: »Wenn Sie ein Ziel erreichen wollen, welches Sie noch nie erreicht haben, müssen Sie Dinge tun, die Sie noch nie getan haben.« Wenn die Umsetzung Ihrer Strategie erfordert, dass sich Ihre Mitarbeiter:innen anders verhalten, als Sie es bislang gewohnt waren, so sprechen wir von einem Durchbruch. Und der wird mit Sicherheit nicht einfach werden.

Initiativen, die eine Organisation voranbringen, können von zweierlei Art sein ...

Nahezu jede Führungskraft kann davon ein Lied singen. Vielleicht haben Sie schon einmal auf dem Weg zur Arbeit vor sich hingemurmelt: »Um Himmels willen, ist es denn so schwer, diese eine Regel zu befolgen?« Dann kennen Sie auch das Gefühl, die Unfähigkeit Ihrer Mitarbeiter:innen, diese eine Änderung zu akzeptieren, sei das Einzige, was zwischen Ihnen und den Ergebnissen steht, die Sie sich wünschen. Sie wären damit nicht allein.

In einer Studie zu Veränderungsprozessen in Organisationen kommt das internationale Beratungsunternehmen Bain & Company zu dem Schluss: »Über 65 Prozent aller Initiativen zur Leistungssteigerung erfordern signifikante Verhaltensänderungen seitens der Mitarbeiter:innen – ein Umstand, der bei der Planung häufig außer Acht gelassen wird.«1

Den Führungskräften ist die Signifikanz dieses Problems häufig nicht bewusst. Sie sagen dann nicht etwa: »Ich wünschte, ich verstünde mich besser auf die Umsetzung von Strategien, für die es erforderlich ist, dass meine Mitarbeiter:innen ihr Verhalten ändern.« Stattdessen hört man sie sagen: »Ich wünschte, ich müsste mich nicht mit Mitarbeitern wie Tom, Paul oder Sue herumschlagen.«

Dass Führungskräfte zunächst annehmen, die Mitarbeiter:innen seien das Problem, ist vielleicht nicht überraschend, denn schließlich sind es eben diese Mitarbeiter:innen, die nicht tun, was eigentlich zu tun wäre. Und dennoch ist es falsch: Die Mitarbeiter:innen sind nicht das Problem!

W. Edwards Deming, der Vater der Qualitätsbewegung, lehrte uns, dass immer dann, wenn die Mehrheit der Mitarbeiter:innen sich überwiegend in einer bestimmten Weise verhält, sie nicht das Problem sind. Vielmehr liegt das Problem im System begründet.2 Als Führungskraft haben Sie das System mitzuverantworten. Natürlich kann ein einzelner Mitarbeiter oder eine einzelne Mitarbeiterin zu einem Problem werden. Wenn Sie aber regelmäßig die Schuld bei Ihren Mitarbeiter:innen suchen, sollten Sie die Situation noch einmal neu betrachten.

Als wir anfingen, uns mit dieser Herausforderung zu beschäftigen, interessierte uns folgende Frage: »Worin liegen die Ursachen für eine unbefriedigende Umsetzung?« Wir gaben eine internationale Studie in Auftrag, die die Arbeitsprozesse in Hunderten von Unternehmen und staatlichen Institutionen unter die Lupe nahm. Zu Beginn unserer Forschungsaktivitäten fanden wir Probleme, wohin wir schauten.

Als Hauptschuldigen für eine ungenügende Umsetzung verdächtigten wir eine unklare Zielsetzung. Den Mitarbeiter:innen in den untersuchten Organisationen war schlicht nicht klar, welche Ziele sie umsetzen sollten. In unseren ersten Studien zeigte sich beispielsweise, dass nur jede:r siebte Beschäftigte in der Lage war, auch nur eines der wichtigsten Ziele des eigenen Arbeitgebers beim Namen zu nennen. Sie haben richtig gelesen – nur 15 Prozent wussten eines der drei Topziele anzugeben, die ihre Vorgesetzten identifiziert hatten. Die übrigen 85 Prozent gaben etwas an, von dem sie annahmen, es sei das Ziel, was jedoch häufig nicht im Entferntesten dem ähnelte, was ihre Führungskräfte zu Protokoll gegeben hatten. Je weiter der Abstand zur Unternehmensspitze, desto weniger klar waren die Zielvorstellungen. Und das war erst der Anfang der Probleme, auf die wir stießen.

Ein weiteres Problem war fehlendes Engagement oder die mangelnde Identifizierung mit dem Ziel. Selbst wer das Ziel kannte, zeigte wenig Eifer, es zu erreichen. Nur 51 Prozent gaben an, dass ihnen das Teamziel am Herzen lag – fast jede:r zweite Beschäftigte leistete also lediglich Dienst nach Vorschrift.

Auch bei der Verbindlichkeit haperte es. Erschreckende 81 Prozent der Befragten gaben zu Protokoll, nicht regelmäßig Rede und Antwort stehen zu müssen, welchen Beitrag sie zum Erreichen der Organisationsziele leisteten. Und diese Ziele wiederum wurden nicht in konkrete Arbeitsschritte übersetzt – 87 Prozent gaben an, keine klare Vorstellung davon zu haben, was sie im Sinne dieser Ziele zu tun hätten. Kein Wunder also, dass die Umsetzung nur so selten wirklich gelingt!

Um es zusammenzufassen: Es mangelte an Zielbewusstsein, Engagement und der praktischen Übersetzung der Ziele in Arbeitsschritte, zudem wurden die Mitarbeiter:innen für ihr Tun nicht mit der nötigen Regelmäßigkeit in die Verantwortung genommen.

Das waren die auffälligsten Erklärungen dafür, warum es mit der Umsetzung haperte. Bei genauerer Betrachtung zeigten sich darüber hinaus Probleme beim Vertrauen, bei den Vergütungssystemen, der Mitarbeiterentwicklung und der Entscheidungsfindung.

Unsere erste Reaktion war es, zu sagen: »Bringt das alles in Ordnung! Macht alles richtig, und ihr solltet kein Problem mehr mit der Umsetzung eurer Strategie haben.« Wir erwarteten wahre Herkulestaten von den Organisationen.

Als wir den Ursachen weiter nachgingen, stießen wir auf ein viel grundsätzlicheres Problem, weswegen die Umsetzung so häufig misslang. All die zuvor genannten Punkte – Mangel an Klarheit, Engagement, Kooperation und Verbindlichkeit – trugen sicherlich zur Schwierigkeit bei, Strategien umzusetzen. In Wahrheit aber verstellten sie lediglich den Blick auf das wahre Problem – ein Problem, welches uns ständig umgibt, ohne dass wir es als solches wahrnehmen: den »Wirbelwind«.

DER WIRBELWIND

Der wahre Feind der Umsetzung ist das normale Tagesgeschäft und der Aufwand, den es kostet, es aufrechtzuerhalten. Wir sprechen hier vom Wirbelwind. Dieser Wirbelwind nimmt uns in aller Regel so sehr in Anspruch, dass uns keine Zeit und keine Kraft bleibt für Neues – für die Umsetzung von Strategien, die über das eingefahrene Tagesgeschäft hinausweisen und uns weiterbringen.

Führungskräfte unterscheiden selten zwischen Wirbelwind und strategischen Zielen, weil beides für das Überleben der Organisation wichtig und notwendig ist. Jedoch sind die Chancen ungleich verteilt: Im Wettstreit um Zeit, Ressourcen, Energie und Aufmerksamkeit zieht die eine Seite regelmäßig den Kürzeren und Sie werden unschwer erraten, um welche es sich handelt.

Der Wirbelwind kann für sich das Argument der Dringlichkeit beanspruchen. Er bläst von morgens bis abends und treibt das gesamte Team vor sich her. Die strategischen Ziele aber, die Sie sich gesetzt haben, um das Team voranzubringen, sind mittel- und langfristig mindestens ebenso wichtig. Wenn aber Dringlichkeit auf Wichtigkeit trifft, obsiegt regelmäßig die Dringlichkeit. Ist uns dieser Gegensatz bewusst, begegnet er uns überall – nicht zuletzt in unseren Teams, wenn wir versuchen, etwas Neues umzusetzen und einen Durchbruch zu erzielen.

Denken Sie an Ihre eigenen Erfahrungen. Können Sie sich an eine wichtige Initiative erinnern, die vielversprechend startete und dennoch nicht zum Ziel führte? Wie sah ihr Ende aus? Ist sie krachend gescheitert oder ging sie still und leise im Wirbelwind unter? Wir haben diese Frage unzähligen Führungskräften gestellt und immer dieselbe Antwort erhalten: »Erstickt im Wirbelwind!« So, als ob Sie irgendwann ganz unten in der Schublade ein ausgeblichenes T-Shirt finden: »Ach ja, die KVP-Initiative: Was wohl daraus geworden ist?« Sie ist gestorben – ohne Beerdigung und ohne Trauerfeier.

Um inmitten des Wirbelwinds die erforderliche Zeit und Energie aufzubringen, eine Strategie umzusetzen, müssen wir nicht nur den Ausschließlichkeitsanspruch des Wirbelwinds infrage stellen, sondern auch der verlockenden Anziehungskraft des Altvertrauten widerstehen. Wir behaupten nicht, dass der Wirbelwind per se schlecht ist. Er ist der Garant für den Fortbestand unseres Teams, unseres Unternehmens oder unserer Institution. So manches, was »dringend« ist, steht nicht zur Disposition, weil kurzfristig unser Überleben davon abhängt. Wenn wir darüber aber die Umsetzung einer Strategie vernachlässigen, die allein in der Lage ist, unser längerfristiges Überleben zu sichern, tötet uns das vielleicht nicht heute, aber morgen. Solange wir uns also ausschließlich im Wirbelwind bewegen, machen wir keine Fortschritte – wir verwenden alle Zeit und Kraft darauf, den Stürmen zu trotzen und den Status quo zu erhalten. Die Herausforderung besteht somit darin, inmitten des Dringenden dem Wichtigen genügend Raum zu geben.