Eine (sehr) kurze Geschichte des Lebens

Über Henry Gee

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Dr. Henry Gee, Jahrgang 1976, ist ein britischer Paläontologe und Evolutionsbiologe. Er graduierte in Cambridge und arbeitet seit über dreißig Jahren als Senior Editor im Bereich Biologie für die renommierte Wissenschaftszeitschrift Nature, die weltweit am häufigsten zitierte interdisziplinäre Fachpublikation. Er lehrte an der University of California und hat Artikel im Guardian, der Times und in Le Monde veröffentlicht. Zudem ist er Autor mehrerer Bücher, zuletzt erschien Across the Bridge: Understanding the Origin of the Vertebrates (University of Chicago Press, 2017).

 

Der Übersetzer

Alexander Weber, Jahrgang 1969, ist promovierter Anglist und lebt als freier Übersetzer in Berlin. Er übertrug u.a. Werke von Robert Gerwarth, Melanie Golding und Gay Talese ins Deutsche.

Endnoten

Siehe R.M. Canup und E. Asphaug, »Origin of the Moon in a giant impact near the end of the Earth’s formation«, Nature 412, 708712, 2001; J. Melosh: »A new model Moon«, Nature 412, 694695, 2001.

Das erklärt die ähnliche Zusammensetzung von Erde und Mond und auch, wieso der Mond so besonders ist. Verglichen mit anderen natürlichen Satelliten im Sonnensystem ist der Mond im Verhältnis zu seinem Primärkörper (in diesem Fall der Erde) sehr groß. Siehe Mastrobuono-Battisti et al., »A primordial origin for the compositional similarity between the Earth and the Moon«, Nature 520, 212215, 2012.

Wie aktiv die Erde auch heute noch ist, sieht man etwa daran, dass sich die tektonische Platte, auf der Australien liegt, nordwärts in Richtung Indonesien schiebt und die dortige Platte staucht – und das etwa doppelt so schnell, wie die Fingernägel von Professor Bert Roberts von der University of Wollongong wachsen (jedenfalls hat Bert mir das gesagt – das Wachstum von Fingernägeln ist von Mensch zu Mensch verschieden). Das klingt zwar recht langsam, aber es kommt doch einiges zusammen mit der Zeit. Eine Folge dieser Norddrift Australiens ist, dass die nördlichen Ränder Javas nach unten gedrückt werden und versinken. Wenn Sie schon einmal die Nordküste Javas überflogen haben, wird Ihnen aufgefallen sein, dass die nördlichsten Stadtteile Jakartas bereits in historischer Zeit dem Meer überlassen wurden. Und Bert muss sich dauernd die Nägel schneiden.

Da ich dieses Buch eher im Stil einer Geschichte und weniger im Duktus eines Fachartikels erzähle, ist manches von dem, was ich berichten werde, besser wissenschaftlich gesichert als anderes. Die genauen Umstände des Ursprungs allen Lebens gehören womöglich zu den umstrittensten Ereignissen, die in diesem Buch zur Sprache kommen – mit Ausnahme weiter Strecken von Kapitel 12. Dieser Abschnitt kommt dem Reich der Phantasie gewiss am nächsten. Ein Teil des Problems liegt darin, dass das Leben selbst sehr schwer zu definieren ist, ein Thema, das Carl Zimmer in seinem Buch Life’s Edge (2020) behandelt.

So laden sich diese Membranen etwa elektrisch auf und nutzen die Energie der Entladung dann, um chemische Reaktionen anzustoßen. Diese Funktionsweise gleicht der einer Batterie. Damals wie heute wurden Lebewesen von Elektrizität angetrieben. Sie ist erstaunlich kraftvoll. Wenn man bedenkt, dass der Ladungsunterschied zwischen Innen- und Außenseite einer Zelle messbar ist, die Distanz jedoch mikroskopisch gering, kann die mögliche Differenz zwischen dem Innen und dem Außen beachtlich sein, zwischen 40 und 80 mV (Millivolt). Eine lebendige Darstellung der Rolle von Elektrizität bei der Entstehung des Lebens (und vieles mehr) bietet Nick Lane in Der Funke des Lebens.

Man denke nur an Teenager, deren aufkeimendes Verständnis und Gewissen auf Kosten der Ordnung in ihrer unmittelbaren Umgebung zunimmt.

Die ältesten noch erhaltenen Gesteine aus der Frühzeit der Erde sind zwischen 3,8 und 4 Milliarden Jahre alt. Dennoch kennt man winzige, aber sehr robuste Kristalle eines Minerals namens Zirkon, die über 4,4 Milliarden Jahre überdauert haben. Sie sind aus noch früheren Gesteinen erodiert, die inzwischen vollständig zerfallen sind. Einige dieser uralten Zirkonkristalle weisen vage Spuren auf – nicht mehr als schemenhafte Anzeichen –, die das Leben vor mehr als vier Milliarden Jahren hinterlassen hat. Lebende Materie hat eine einzigartige chemische Zusammensetzung, die vor allem Kohlenstoffatome betrifft. Fast alle Kohlenstoffatome liegen in einer bestimmten Variante vor, einem Isotop, das man Kohlenstoff-12 nennt. Ein winziger Anteil dieser Kohlenstoffatome besteht aus dem Isotop Kohlenstoff-13, das etwas schwerer ist. Bei den chemischen Reaktionen, die in Lebewesen ablaufen, wird Kohlenstoff-13 abgestoßen, sodass lebende Materie im Verhältnis zur anorganischen Umgebung mit Kohlenstoff-12 angereichert ist – und diese Diskrepanz ist messbar. Extrem alte kohlenstoffhaltige Gesteine, die in Relation zu Kohlenstoff-12 etwas weniger Kohlenstoff-13 enthalten, als erwartbar wäre, verraten uns, dass es dort einst Leben gab, auch wenn die realen körperlichen Überreste längst verschwunden sind – so wie die Anwesenheit der längst verschwundenen Grinsekatze durch ihr in der Luft hängendes Lächeln offenbar wird. Auf dieser Entdeckung fußt die These, dass schon vor mindestens 4,1 Milliarden Jahren Leben auf der Erde existierte. Der Beweis stammt von einem Zirkonkristall mit einem Fleck Kohlenstoffgraphit, der über einen verhältnismäßig großen Kohlenstoff-12-Anteil verfügt, was nahelegt, dass das Leben auf der Erde älter ist als das älteste Gestein. Siehe Wilde et al., »Evidence from detrital zircons for the existence of continental crust and oceans on the Earth 4.4 Gyr ago«, Nature 409, 175178, 2001.

Siehe E. Javaux, »Challenges in evidencing the earliest traces of life«, Nature 572, 451460, 2019. Eine heilsame Mahnung, die einem die Probleme bei der Deutung sehr alter Fossilien in Erinnerung ruft.

Gegenwärtig stammen die ersten allgemein anerkannten Belege für Leben auf der Erde aus einem Gesteinskörper namens Strelley Pool Chert in Australien, in dem nicht nur ein oder zwei Fossilien erhalten sind, sondern ein gesamtes Riff-Ökosystem, das vor rund 3,43 Milliarden Jahren in einem warmen sonnenbeschienenen Ozean gedieh. Siehe Allwood et al., »Stromatolite reef from the Early Archaean era of Australia«, Nature 441, 714718, 2006. Es gibt noch andere Kandidaten, die über vier Milliarden Jahre alt sein sollen, doch deren Ansprüche sind umstritten.

Zumindest bis zum Aufkommen von Tieren, die sie fressen konnten. Heute überleben Stromatolithen nur an den wenigen Orten, wo es keine Tiere gibt. Einer dieser Orte ist die Shark Bay in Westaustralien, ein Gewässer, das so salzhaltig ist, dass dort nur Schleim überleben kann.

Das ist merkwürdig, denn die Sonne schien damals nicht so hell wie heute – ein Umstand, den man als »Paradoxon der schwachen jungen Sonne« bezeichnet. Das Paradoxon liegt darin, dass unser Planet eigentlich eine Eiskugel hätte sein müssen. Allerdings war die damalige Atmosphäre voll von potenten Treibhausgasen wie Methan, sodass es die Erde weiter mollig warm hatte.

Die Ursachen der Großen Sauerstoffkatastrophe sind noch immer hoch umstritten. Es gibt Hinweise auf eine Phase stärkerer tektonischer Aktivität, die Gase aus dem Erdinneren an die Oberfläche befördert haben könnte. Siehe Lyons et al., »The rise of oxygen in the Earth’s early ocean and atmosphere«, Nature 506, 307315, 2014; Marty et al., »Geochemical evidence for high volatile fluxes from the mantle at the end of the Archaean«, Nature 575, 485488, 2019; sowie J. Eguchi et al., »Great Oxidation and Lomagundi events linked by deep cycling and enhanced degassing of carbon«, Nature Geoscience doi:10.1038/s41561-019-0492-6, 2019.

Wie schon Joni Mitchell sang: »By the time we got to Woodstock we were half a million strong«, worauf ein festivalmüder Musikjournalist antwortete: »… und 300000 von uns suchten die Toiletten.«

Siehe Vreeland et al., »Isolation of a 250 million-year-old halotolerant bacterium from a primary salt crystal«, Nature 407, 897900, 2000; J. Parkes, »A case of bacterial immortality?« Nature 407, 844845, 2000.

Gut möglich, dass diese Neigung durch die Verwerfungen der Großen Sauerstoffkatastrophe befördert wurde.

Streng genommen sind Bakterien und Archaeen (Singular: Archaeon) recht unterschiedliche Arten von Organismen. Doch beide sind klein und weisen denselben Organisationsgrad auf, sodass ich sie hier unter dem geläufigen Sammelbegriff »Bakterien« zusammenfasse.

Siehe Martijn et al., »Deep mitochondrial origin outside sampled alphaproteobacteria«, Nature 557, 101105, 2018.

Die Verschmelzung verschiedener Arten von Bakterien und Archaeen zu kernhaltigen Zellen ist von Experten auf dem Gebiet der molekularen Archäologie, die sich auf solche Fusionsereignisse spezialisiert haben, erforscht worden. Siehe M.C. Rivera und J.A. Lake, »The Ring of Life provides evidence for a genome fusion origin of eukaryotes«, Nature 431, 152155, 2004; W. Martin and T.M. Embley, »Early evolution comes full circle«, Nature 431, 134137, 2004. Die Herkunft des Archaeon, aus dem sich der Kern entwickelte, ist unklar, da es auch Merkmale kernhaltiger Zellen besessen haben muss, über die Archaeen nicht verfügen, wie etwa ein winziges Skelett aus Eiweißfasern. Solche Archaeen sind jüngst in Sedimenten von Meeresböden entdeckt worden. (Siehe Spang et al., »Complex archaea that bridge the gap between prokaryotes and eukaryotes«, Nature 521, 173179, 2015; T.M. Embley und T.A. Williams, »Steps on the road to eukaryotes«, Nature 521, 169170, 2015; Zaremba-Niedzwiedska et al., »Asgard archaea illuminate the origin of eukaryote cellular complexity«, Nature 541, 353358, 2017; J.O. McInerney und M.J. O’Connell, »Mind the gaps in cellular evolution«, Nature 541, 297299, 2017; Eme et al., »Archaea and the origin of eukaryotes«, Nature Reviews Microbiology 15, 711723, 2017.) Nach langjährigen Bemühungen ist es gelungen, solche Zellen im Labor zu züchten. (Siehe Imachi et al., »Isolation of an archaeon at the prokaryote-eukaryote interface«, Nature 577, 519525, 2020; C. Schleper und F.L. Sousa, »Meet the relatives of our cellular ancestor«, Nature 577, 478479, 2020.) Seltsamerweise sind diese Zellen sehr klein, strecken aber lange Ranken von sich, mit denen sie benachbarte Bakterien, die sie zum Teil zum Überleben brauchen, umschlingen – eine mögliche Vorstufe der Zellbildung. Siehe Dey et al., »On the archaeal origins of eukaryotes and the challenges of inferring phenotype from genotype«, Trends in Cell Biology 26, 476485, 2016.

Auch heute noch leben die meisten Eukaryoten in der Beengtheit einer einzelnen Zelle. Zu den einzelligen Eukaryoten gehören die Amöben und Pantoffeltierchen, die in jedem Gartenteich zu finden sind, sowie viele Organismen, die Krankheiten wie Malaria, die tropische Schlafkrankheit und Leishmaniose verursachen. Zu den Eukaryoten, deren Körper aus vielen verbundenen Zellen bestehen, gehören Tiere, Pflanzen und Pilze sowie viele Algenarten wie etwa die Seegräser, obwohl sogar mehrzellige Eukaryoten Abschnitte ihres Lebenszyklus als Einzelzelle verbringen. Auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, sind aus einer einzigen Zelle entstanden.

»Sex« muss hier dezidiert von »Geschlecht« unterschieden werden. Anfangs brachten die beteiligten Lebensformen Geschlechtszellen von mehr oder weniger gleicher Größe hervor. »Geschlechter« im heutigen Sinne gab es erst, als ein Paarungstyp eine kleine Anzahl großer Geschlechtszellen produzierte, die man Eier nennt, und ein anderer eine große Anzahl sehr kleiner Zellen, die man als Spermien bezeichnet. Spermienproduzenten sind darauf aus, so viele Eizellen wie möglich zu befruchten, was allerdings mit den Interessen der Eizellenproduzenten kollidiert, die, was die Qualität der Spermien angeht, viel wählerischer sind und nicht jedem erlauben wollen, ihren begrenzten Vorrat an Eizellen zu befruchten. Ergo: Der Krieg der Geschlechter hatte begonnen.

Mehrzelliges Leben hat sich schon mehrere Male unabhängig voneinander entwickelt (siehe Sebé-Pedros et al., »The origin of Metazoa: a unicellular perspective«, Nature Reviews Genetics 18, 498512, 2017). Außer den Tieren zählen dazu noch die Pflanzen und ihre engen Verwandten, die Grünalgen, diverse Spezies von Rot- und Braunalgen sowie allerlei Arten von Pilzen. Die meisten Eukaryoten allerdings sind noch immer einzellig, so wie alle eukaryotischen Geschlechtszellen, einschließlich menschlicher Ei- und Samenzellen. In gewisser Weise könnte man also Vielzelligkeit als Hilfsmittel betrachten, das lediglich eine effizientere Versorgung mit Geschlechtszellen gewährleisten soll.

Diese erdgeschichtliche Periode wird von Geologen, die ohne die Aussicht auf ein verheerendes tektonisches Desaster gar nicht erst aufstehen, abschätzig als die »öde Milliarde« (boring billion) bezeichnet.

Die Protisten umfassen eine Vielzahl sehr unterschiedlicher einzelliger eukaryotischer Organismen, die man einst unter dem unscharfen Sammelbegriff der Protozoen zusammenfasste. Neben den üblichen Gartenteichbewohnern wie Amöben und Pantoffeltierchen zählen zu der Gruppe auch für das Ökosystem äußerst wichtige Organismen wie die Dinoflagellaten, die Algenblüten verursachen, die Foraminiferen und Coccolithophorida, die berückend schöne Kalkstrukturen ausbilden; die medizinisch bedeutenden Malariaparasiten und Trypanosomen, die die Schlafkrankheit verursachen, sowie generell faszinierende und erstaunliche Wesen wie das zu den Dinoflagellaten gehörende Nematodinium, das über ein perfekt geformtes Auge mitsamt Hornhautschicht, Linse und Netzhaut verfügt (siehe G.S. Gavelis, »Eye-like ocelloids are built from different endosymbiotically acquired components«, Nature 523, 204207, 2015). Protisten sind wie Jack-Russell-Terrier: Was sie an Größe vermissen lassen, machen sie durch ihre Persönlichkeit wett.

Siehe Strother et al., »Earth’s earliest non-marine eukaryotes«, Nature 473, 505509, 2011.

Flechten sind Gemeinschaften von Algen und Pilzen, die so eng verwoben sind, dass sie als eigene Spezies gelten. Eine äußerst unterhaltsame Abhandlung über Flechten findet sich in Merlin Sheldrakes Buch Verwobenes Leben: Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen (Berlin: Ullstein, 2020).

Siehe N.J. Butterfield, »Bangiomorpha pubescens n. gen. n. sp.: implications for the evolution of sex, multicellularity, and the Mesoproterozoic/Neoproterozoic radiation of eukaryotes«, Paleobiology 26, 386404, 2000.

Siehe C. Loron et al., »Early fungi from the Proterozoic era in Arctic Canada«, Nature 570, 232235, 2019.

Siehe El Albani et al., »Large colonial organisms with coordinated growth in oxygenated environments 2.1 Gyr ago«, Nature 466, 100104, 2010.

Die Plattentektonik »atmet ein und aus«: Alle paar 100 Millionen Jahre fügen sich die Kontinente zu einer einzigen superkontinentalen Landmasse zusammen, um anschließend erneut auseinanderzubrechen, wenn Magmaströme aus dem Erdinneren sie von unten her durchstoßen und wieder voneinander trennen. Der jüngste Superkontinent war Pangäa, der seine größte Ausdehnung vor etwa 250 Millionen Jahren erreichte. Den vorherigen nennt man Rodinia, den davor Columbia, und Studien legen nahe, dass es davor sogar noch frühere gab. Alles, was Sie jemals über Plattentektonik wissen müssen, lässt sich in dem Buch Superkontinent meines Freundes Ted Nield nachlesen (München: Kunstmann, 2008). Ted versicherte mir, dass es trotz des mehrdeutigen Titels in dem Buch nicht um Beckenbodengymnastik geht.

Ein Großteil der folgenden Ausführungen beruhen auf Lenton et al., »Co-evolution of eukaryotes and ocean oxygenation in the Neoproterozoic era«, Nature Geoscience 7, 257265, 2014.

Wann genau sich die Schwämme entwickelt haben, ist umstritten. Die mineralisierten Stacheln, die das Skelett von Schwämmen bilden, erscheinen, wenn überhaupt, nur selten vor dem Kambrium, und »molekulare« Fossilien, die man für Anzeichen von Schwämmen hielt, hätten genauso gut von Protisten stammen können. Siehe Zumberge et al. »Demosponge steroid biomarker 26-methylstigmastane provides evidence for Neoproterozoic animals«, Nature Ecology & Evolution 2, 17091714, 2018; J.P. Botting und B.J. Nettersheim, »Searching for sponge origins«, Nature Ecology & Evolution 2, 16851686, 2018; Nettersheim et al., »Putative sponge biomarkers in unicellular Rhizaria question an early rise of animals«, Nature Ecology & Evolution 3, 577581, 2019.

Siehe Tatzel et al., »Late Neoproterozoic seawater oxygenation by siliceous sponges«, Nature Communications 8, 621, 2017. Dies weckt unweigerlich Erinnerungen an Darwins letztes Buch Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer, erschienen 1881, kurz vor seinem Tod. Man muss wohl lange nach einem Buch mit einem griffigeren Titel suchen, wenngleich mir auf dem Regal der an Nature eingesandten Rezensionsexemplare einst ein dicker Wälzer namens Aktivierter Schlamm begegnet ist. Aber ich schweife ab. Würmer (wie es unter Darwin-Kennern gewöhnlich genannt wird) zeigt, wie die Tätigkeit von Regenwürmern, die den Boden umgraben, über sehr große Zeiträume hinweg eine Landschaft verändern kann. Wenn man bedenkt, dass dieser schmale Band die großen Themen von Zeit und Veränderung, die Darwins Leben beherrschten, in einer für jedermann zugänglichen Sprache auf den Punkt bringt, ist Würmer wohl nicht weniger als die Krönung seines Schaffens. Mit der für ihn typischen Sorgfalt dokumentierte er das Wirken der Würmer, indem er aufzeichnete, wie lange ein Stein auf dem Rasen hinter seinem Haus tatsächlich brauchte, um durch die Tätigkeit der darunter lebenden Würmer im Boden einzusinken.

Streng genommen bezeichnet der Begriff Plankton einen bestimmten Teil des Meeres und weniger die darin lebenden Organismen. Das Plankton ist die sonnenbeschienene Oberflächenschicht des Ozeans, die reich an von photosynthetischen Algen gebildetem Sauerstoff ist, sowie die Gemeinschaft von Tieren, die sich von diesen Algen und voneinander ernähren. Viele Tiere, die im Erwachsenenstadium den Meeresgrund bewohnen (wie etwa Schwämme), leben als Larven noch im Plankton.

Siehe Logan et al., »Terminal Proterozoic reorganization of biogeochemical cycles«, Nature 376, 5356, 1995.

Siehe Brocks et al., »The rise of algae in Cryogenic oceans and the emergence of animals«, Nature 548, 578581, 2017.

Der Name dieser sogenannten Ediacara-Fauna geht auf die Bergkette in Südaustralien zurück, wo die ersten Fossilien aus dieser Zeit entdeckt wurden. Seither hat man an vielen Orten auf der Welt Ediacara-Fossilien gefunden, vom arktischen Russland über das windgepeitschte Neufundland und die Wüsten Namibias bis hin zur vergleichsweise milden Umgebung Mittelenglands.

Heute nimmt man an, dass es sich bei Dickinsonia um eine Art von Tier handelt, welche genau ist allerdings unklar. Siehe Bobrovskiy et al., »Ancient steroids establish the Ediacaran fossil Dickinsonia as one of the earliest animals«, Science 361, 12461219, 2018.

Siehe Fedonkin und Waggoner, »The Late Precambrian fossil Kimberella is a mollusc-like bilaterian organism«, Nature 388, 868871, 1997.

Siehe Mitchell et al., »Reconstructing the reproductive mode of an Ediacaran macro-organism«, Nature 524, 343346, 2015.

Gregory Retallack vertritt die These, einige der Ediacara-Tiere hätten an Land gelebt – eine Behauptung, die, gelinde gesagt, umstritten ist. Siehe G.J. Retallack, »Ediacaran life on land«, Nature 493, 8992, 2013; S. Xiao und L.P. Knauth, »Fossils come in to land«, Nature 493, 2829, 2013.

Siehe Chen et al., »Death march of a segmented and trilobate bilaterian elucidates early animal evolution«, Nature 573, 412415, 2019.

Die harten Körperpartien von Tieren bestehen ausnahmslos aus Kalziumverbindungen. Bei Muscheln ist es Kalziumkarbonat. Bei Wirbeltieren wie Fischen und Menschen handelt es sich um Kalziumphosphat. Siehe S.E. Peters und R.R. Gaines, »Formation of the ›Great Unconformity‹ as a trigger for the Cambrian Explosion«, Nature 484, 363366, 2012.

Welche Art von Tier die kegelartig gestapelten Skelette namens Cloudina hinterlassen hat, ist schwer herauszufinden. Die wenigen erhaltenen Fossilien von Weichteilen legen nahe, dass sie von wurmartigen Tieren mit durchgehenden Därmen stammen. Siehe Schiffbauer et al., »Discovery of bilaterian-type through-guts in cloudinomorphs from the terminal Ediacaran Period«, Nature Communications 11, 205, 2020.

Siehe S. Bengtson und Y. Zhao, »Predatorial borings in Late Precambrian mineralized exoskeletons«, Science 257, 367369, 1992.

Die Gliederfüßer sind die mit Abstand erfolgreichste Tiergruppe. Zu ihnen gehören die Insekten und ihre im Wasser lebenden Verwandten, die Krebstiere sowie Tausendfüßer und Hundertfüßer, Spinnen, Skorpione, Milben und Zecken, die eher obskuren Asselspinnen, die Pfeilschwanzkrebse sowie eine Vielzahl ausgestorbener Arten wie die Eurypteriden (Seeskorpione) und freilich auch die Trilobiten. Enge Verwandte der Gliederfüßer sind die kuriosen Stummelfüßer, heutzutage bescheidene Bewohner tropischer Waldböden, die jedoch eine glorreiche Vergangenheit im Meer vorweisen können, und die Bärtierchen oder Wasserbären – kleine Geschöpfe, die unter Moos leben, seltsam putzig aussehen und praktisch unzerstörbar sind. Man kann sie kochen, einfrieren und dem Vakuum des Weltraums aussetzen, ohne dass sie eingehen. Falls jemand von Marvel oder DC Comics dies liest: Wie wär’s denn mit Bärtierchen-Man? Bitte schön, den schenk ich euch sogar.

Tamisiocaris, ein Verwandter von Anomalocaris, scheint etwas friedliebender gewesen zu sein: Er hatte fransenartige Bürsten an seinen klauenartigen Kopffortsätzen, die sich gut zum Sieben von Plankton eigneten, ähnlich wie die Barten eines Wals oder die Kiemenreusen eines Riesenhais (siehe Vinther et al., »A suspension-feeding anomalocarid from the Early Cambrian«, Nature 507, 496499, 2014). Anders als viele andere kambrische Arten überdauerten die Anomalocarida bis ins Ordovizium, in dem manche Arten von Filtrierern bis zu einer beachtlichen Größe von zwei Metern anwuchsen. Siehe Van Roy et al., »Anomalocaridid trunk limb homology revealed by a giant filter-feeder with paired flaps«, Nature 522, 7780, 2015.

Das ist heute wohl etwas strittiger als noch in den 1980ern, als Stephen Jay Gould Zufall Mensch schrieb, seine Ode an den Burgess-Schiefer und jenes Buch, das diese Einblicke in das frühe Meeresleben einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. Gould nahm damals an, dass viele der Burgess-Tiere nicht näher mit heute lebenden Tieren verwandt waren.

Siehe Zhang et al., »New reconstruction of the Wiwaxia scleritome, with data from Chengjiang juveniles«, Scientific Reports 5, 14810, 2015.

Siehe Caron et al., »A soft-bodied mollusc with radula from the Middle Cambrian Burgess Shales«, Nature 442, 159163, 2006; S. Bengtson, »A ghost with a bite«, Nature 442, 146147, 2006.

Siehe M.R. Smith und J.-B. Caron, »Primitive soft-bodied cephalopods from the Cambrian«, Nature 465, 469472, 2010; S. Bengtson, »A little Kraken wakes«, Nature 465, 427428, 2010.

Siehe z.B. Ma et al., »Complex brain and optic lobes in an early Cambrian arthropod«, Nature 490, 258261, 2012. Dies ist natürlich umstritten – manche Forscher sind der Meinung, bei den vermeintlichen Abformungen des Nervensystems von Fuxianhuia handle es sich lediglich um bakterielle Spuren, die vom Zerfall innerer Organe herrühren. Siehe Liu et al., »Microbial decay analysis challenges interpretation of putative organ systems in Cambrian fuxianhuiids«, Proceedings of the Royal Society of London B, 285: 20180051.http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2018.005.

Eine differenzierte Betrachtung des Übergangs vom Ediacarium zum Kambrium findet sich in Wood et al., »Integrated records of environmental change and evolution challenge the Cambrian Explosion«, Nature Ecology and Evolution 3, 528538, 2019.

Wenngleich man hinzufügen sollte, dass viele heute lebende Tierarten entweder lückenhaft oder überhaupt nicht durch Fossilienfunde nachgewiesen sind. Viele werden Parasiten mit Weichkörpern gewesen sein. Der Fossilbericht der Fadenwürmer etwa ist so gut wie (aber nicht ganz) leer. Von fossilen Bandwürmern gibt es überhaupt keine Spuren.

Siehe Han et al., »Meiofaunal deuterostomes from the basal Cambrian of Shaanxi (China)«, Nature 542, 228231, 2017. Obwohl es Saccorhytus wirklich gab, beruht die hier beschriebene innere Anatomie auf reinen Vermutungen, und viele Aspekte der Frühgeschichte der Wirbeltiere sind umstritten. Eine der strittigsten Fragen ist die, ob die sonderbaren Tiere, die man Vetulicolia nennt – wir werden sie später noch kennenlernen –, ein Notochord besaßen. Wer die ganze Geschichte hören will, sei auf mein Buch Across The Bridge verwiesen (Chicago: University of Chicago Press, 2018).

Siehe Shu et al., »Primitive deuterostomes from the Chengjiang Lagerstätte (Lower Cambrian, China)«, Nature 414, 419424, 2001. Auf den Artikel antworte ich in einem beigefügten Kommentar: Gee, Henry, »On being vetulicolian«, Nature 414, 407409, 2001.

Im Naturhistorischen Museum von Shanghai gibt es ein animiertes 3D-Diorama, das die Chengjiang-Biota des kambrischen Südchina eindrucksvoll zum Leben erweckt. Neben vielen anderen Faszinosa zeigt es einen Schwarm von Vetulicolia, der durch das offene Wasser huscht.

Obwohl auch andere Deutungen möglich sind, wie nicht selten bei derart seltsamen und alten Fossilien, folge ich hier Chen et al. (»A possible early Cambrian chordate«, Nature 377, 720722, 1995; »An early Cambrian craniate-like chordate«, Nature 402, 518522, 1999). Siehe etwa Shu et al., »Reinterpretation of Yunnanozoon as the earliest known hemichordate«, Nature 380, 428430, 1996.

Siehe S. Conway Morris und J.-B. Caron, »Pikaia gracilens Walcott, a stem-group chordate from the Middle Cambrian of British Columbia«, Biological Reviews, 87, 480512, 2012.

Shu et al., »A Pikaia-like chordate from the Lower Cambrian of China«, Nature 384, 157158, 1996.

Dass die Form des Wirbeltierkörpers im Grunde eine recht heikle Zweckgemeinschaft zwischen zwei sehr verschiedenen Körperregionen war – einem Rachen (oder Pharynx) zur Nahrungsaufnahme und einem Schwanz zur Fortbewegung –, zeigt Alfred Sherwood Romer in seinem komplexen und doch hellsichtigen Aufsatz »The vertebrate as a dual animal — somatic and visceral«, Evolutionary Biology 6, 121156, 1972.

Chen et al., »The first tunicate from the Early Cambrian of China«, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 100, 83148318, 2003. Die Manteltiere sind bis dato eine oft vernachlässigte, aber überaus erfolgreiche Tiergruppe. Einige von ihnen weichen jedoch von dem hier beschriebenen Lebenszyklus ab: Bei manchen Arten reift die Larve voll heran, während sie noch beweglich ist. Diesen Arten, den Salpen und den Larvacea, kam im Ökosystem der offenen Meere eine wichtige Rolle zu. Larvacea mögen klein sein, doch jede von ihnen baut sich ein eigenes Haus aus Schleim; diese bemerkenswert komplexen Strukturen sind wichtige Bestandteile des Kohlenstoffkreislaufs im Ozean. Ihre Zerbrechlichkeit und entfernte Lage machen es überaus schwierig, sie überhaupt sichtbar zu machen, was erst seit kurzem möglich ist (siehe Katija et al., »Revealing enigmatic mucus structures in the deep sea using DeepPIV«, Nature 583, 7882, 2020). Andere Manteltiere wiederum bilden Kolonien aus Hunderten oder Tausenden von Einzeltieren, die zu einem einzigen Superorganismus verschmolzen sind, der entweder fest an einem Ort verankert ist oder im Wasser treibt. Die Feuerwalzen zum Beispiel bilden riesige schwimmende trompetenförmige Kolonien. Obwohl jedes einzelne Individuum winzig ist, kann die Kolonie so groß sein, dass Taucher in ihr herumschwimmen können. Einige Manteltiere pflanzen sich nicht sexuell, sondern nur durch Knospung fort. Andere haben ein atemberaubend komplexes Sexleben. Das Leben der Manteltiere gleicht einem einzigen freizügigen Unterwasserparadies.

Nun ja, fast alle. Einige Manteltiere haben sich zu Fleischfressern entwickelt, eine Ernährungsweise, die manche Lebewesen verlockend finden, ganz gleich, wie unpassend sie im Einzelfall erscheint. Jeder kennt fleischfressende Pflanzen. Aber gerade, als man dachte, wenigstens in der Badewanne wäre man sicher, gibt es plötzlich auch noch fleischfressende Schwämme! Siehe J. Vacelet und N. Boury-Esnault, »Carnivorous sponges«, Nature 373, 333335, 1995.

Außer Katzen.

Bei Fischen (sprich Wasserwirbeltieren) ist dies das Seitenlinienorgan. Bei Landwirbeltieren (oder Tetrapoden) hingegen hat es sich zum Gleichgewichtsorgan im Innenohr zurückgebildet, das uns sagt, wo oben und unten ist und wo in unserer Umgebung wir uns gerade befinden.

S. Conway Morris und J.-B. Caron, »A primitive fish from the Cambrian of North America«, Nature 512, 419422, 2014.

Shu et al., »Lower Cambrian vertebrates from south China«, Nature 402, 4246, 1999.

Die Verwandlung eines filtrierenden Rachens in eine Reihe von Kiemen mag drastisch erscheinen, und das ist sie auch. Doch es gibt ein Wirbeltier, dass sie auch heute noch vollzieht: die Larve des Neunauges. Die Larve, auch Querder genannt, verbringt ihr Leben, ähnlich wie ein Lanzettfischchen, mit dem Schwanz voran vergraben im Meeresboden. Schließlich kommt es zur Metamorphose, und der filtrierende Pharynx verwandelt sich in den Rachen des erwachsenen Räubers. Neunaugen und ihre Verwandten, die Schleimaale (die, soweit bekannt, keine Larvenstadien als Filtrierer aufzuweisen haben), ähneln den frühesten Fischen insofern, als sie einen weichen, von einem elastischen Notochord gestützten Körper besitzen und auch keinen Kiefer. Ihr Maul ist mit Zähnen aus einer hornartigen Substanz ausgekleidet. Neunaugen und Schleimaale gelten als fähige Räuber, was zeigt, dass das Fehlen eines Kiefers dem Leben als Jäger nicht im Weg steht.

Wie die Wirbeltiere so groß werden konnten, ist, was die zugrunde liegenden Vorgänge betrifft, recht rätselhaft. Zwei mögliche Antworten, die sich gegenseitig allerdings ausschließen, lauten wie folgt: Die erste ist, dass ihr Genom (die Gesamtheit des genetischen Materials) zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Evolutionsgeschichte wieder und wieder dupliziert wurde. Obwohl viele dieser duplizierten Gene anschließend verloren gingen, haben Wirbeltiere mehr als doppelt so viele Gene wie wirbellose Tiere. Die zweite These erklärt die Größe damit, dass Embryos von Wirbeltieren eine sogenannte Neuralleiste besitzen. Dieses Gewebe besteht aus einer Gruppe von Zellen, die aus dem sich entwickelnden Zentralnervensystem heraus durch den gesamten Körper wandern, um – wie magischer Feenstaub – noch undifferenzierte Teile des Körpers in etwas völlig Neues zu verwandeln. Ohne die Neuralleiste hätten Wirbeltiere weder Haut noch Gesicht, Augen oder Ohren. Die Neuralleiste lässt noch eine Fülle anderer Kleinteile entstehen, von den Nebennieren bis hin zu Teilen des Herzens. Gut möglich, dass die von der Neuralleiste hervorgerufene Zunahme an Komplexität die relative Größe der Wirbeltiere zur Folge hatte (siehe Green et al., »Evolution of vertebrates as viewed from the crest«, Nature 520, 474482, 2015). Das Lanzettfischchen zeichnet sich durch das Fehlen einer Neuralleiste aus, wenngleich man sie bei Manteltieren vermutet. Siehe Horie et al., »Shared evolutionary origin of vertebrate neural crest and cranial placodes«, Nature 560, 228232, 2018; Abitua et al., »Identification of a rudimentary neural crest in a non-vertebrate chordate«, Nature 492, 104107, 2012.

Das größte bekannte wirbellose Tier ist der Koloss-Kalmar (Mesonychoteuthis hamiltoni), der ein Gewicht von rund 750 Kilogramm haben soll, vergleichbar mit einem sehr großen Bären. Das kleinste bekannte Wirbeltier, bezogen auf die Länge, ist wahrscheinlich der nur 7,7 Millimeter lange Paedophryne amauensis, ein Frosch aus Neuguinea, dessen Gewicht allerdings unbekannt ist. Die massenmäßig kleinsten Säugetiere sind die Etruskerspitzmaus Suncus etruscus (weniger als 2,6 Gramm) und die Schweinsnasenfledermaus Craseonycteris thonglongyai (weniger als zwei Gramm). Um einen Kolosskalmar aufzuwiegen, bräuchte man 375000 Schweinsnasenfledermäuse.

Eine Einführung in den Fossilbericht früher Wirbeltiere bietet P. Janvier, »Facts and fancies about early fossil chordates and vertebrates«, Nature 520, 483489, 2015.

Nun, fast. Einige muschelartige Tiere, die Armfüßer, haben Schalen aus Kalziumphosphat. Auch heute noch besitzen Wirbeltiere einige Gewebe, die aus Kalziumkarbonat bestehen – etwa die Otolithen oder »Ohrensteine«, die man im Gehör von Fischen und im menschlichen Innenohr findet, wo sie den Gleichgewichtssinn unterstützen.

Wieso sich Wirbeltiere für Kalziumphosphat statt Kalziumkarbonat entschieden haben, ist unbekannt. Allerdings ist Phosphat ein lebenswichtiger Nährstoff, der im Gegensatz zum allgegenwärtigen Karbonat in den Meeren oftmals knapp ist. Gut möglich, dass Wirbeltiere Kalziumphosphat sowohl als Phosphatvorrat als auch zur Verteidigung nutzten. Phosphat ist ein wesentlicher Bestandteil des Genmaterials, der DNA. Große Tiere mit einem schnellen Stoffwechsel, wie Wirbeltiere, benötigen mehr Phosphat als kleinere, etwas geruhsamere Lebewesen, was zur Verwendung von Kalziumphosphat geführt haben könnte – als Phosphatspeicher sowie zur Panzerung.

Siehe A.S. Romer, »Eurypterid influence on vertebrate history«, Science 78, 114117, 1933.

Siehe Braddy et al., »Giant claw reveals the largest ever arthropod«, Biology Letters 4, doi/10.1098/rsbl.2007.0491, 2007. Es ist ein recht beunruhigender Gedanke, dass Verwandte von Jaekelopterus hin und wieder an Land kamen und durch die düsteren Wälder dieser fremdartigen Zeit streiften, siehe M. Whyte, »A gigantic fossil arthropod trackway«, Nature 438, 576, 2005.

Siehe M.V. H. Wilson und M.W. Caldwell, »New Silurian and Devonian fork-tailed ›thelodonts‹ are jawless vertebrates with stomachs and deep bodies«, Nature 361, 442444, 1993.

Es gibt einen seltenen Geburtsdefekt namens Zyklopie, bei dem der Fötus keine Nase und nur ein einziges mittig gelegenes Auge hat. Auch das Gehirn ist nicht in eine linke und rechte Hälfte geteilt. Solche Föten kommen fast immer tot zur Welt oder leben nach der Geburt nur noch wenige Stunden. Bei dieser verstörenden Fehlbildung ist es dem Gehirn nicht gelungen, sich in zwei Hälften zu teilen und das Gesicht zu verbreitern. Womöglich handelt es sich um eine Art Rückfall in ein frühes Stadium der Gesichtsentwicklung.

Gai et al., »Fossil jawless fish from China foreshadows early jawed vertebrate anatomy«, Nature 476, 324327, 2011.

Einen kompakten Einblick in die frühe Entwicklung kiefertragender Wirbeltiere bieten M.D. Brazeau und M. Friedman, »The origin and early phylogenetic history of jawed vertebrates«, Nature 520, 490497, 2015.

Kiefertragende Wirbeltiere besitzen folglich zwei Paar paarig angeordneter Flossen. Diese insgesamt vier Flossen sind die Vorläufer unserer Arme und Beine. Niemand weiß, wieso wir genau zwei Paar davon besitzen und nicht drei, vier oder überhaupt keine. Zu den paarigen Flossen kommen bei den meisten Fischen noch die unpaarigen Mittellinienflossen wie Rücken-, After- und Schwanzflossen.

Sie mögen zwar zahnlos gewesen sein, Sexmuffel waren die Placodermi jedoch mitnichten: Es gibt hinreichend Fossilien, die vermuten lassen, dass Placodermi bereits die interne Befruchtung praktizierten und möglicherweise sogar lebende Junge zur Welt brachten wie einige der heutigen Haie. Siehe etwa J.A. Long et al., »Copulation in antiarch placoderms and the origin of gnathostome internal fertilization«, Nature 517, 196199, 2015.

Das soll nicht bedeuten, die Evolution würde rückwärts verlaufen, nur dass vieles von der Geschichte der Placodermi noch unbekannt ist und wahrscheinlich noch im frühen Silurgestein schlummert. Das Gleiche gilt für die frühen Knochenfische, die man in denselben Lagerstätten in Südchina findet. Genaueres zu Entelognathus bietet M. Zhu et al., »A Silurian placoderm with osteichthyan-like marginal jaw bones«, Nature 502, 188193, 2013; sowie M. Friedman und M.D. Brazeau, »A jaw-dropping fossil fish«, Nature 502, 175177, 2013.

Na ja, so gut wie alle. Selbst ein so hoch entwickelter Knochenfisch wie der Quastenflosser behält sein Leben lang ein Notochord, als wäre er ein Neunauge oder Schleimaal.

Die verknorpelten Hirnschädel der Acanthodii sind äußerst selten erhalten. Allerdings weiß man genug über die Schädel der devonischen Form Ptomacanthus und der Acanthodii des Perms, um eine Verwandtschaft mit den Haien zu belegen. Siehe M.D. Brazeau, »The braincase and jaws of a Devonian ›acanthodian‹ and modern gnathostomes origins«, Nature 457, 305308, 2009, und S.P. Davis et al., »Acanthodes and shark-like conditions in the last common ancestor of modern gnathostomes«, Nature 486, 247250, 2012.

Zhu et al., »The oldest articulated osteichthyan reveals mosaic gnathostome characters«, Nature 458, 469474, 2009.

Siehe Strother et al., »Earth’s earliest non-marine eukaryotes«, Nature 473, 505509, 2011.

Siehe G. Retallack, »Ediacaran life on land«, Nature 493, 8992, 2013.

Heute im Osten Nordamerikas.

Diese Spur nennt man Climactichnites – ihr Verursacher war womöglich eine Art Riesenschnecke. Siehe P.R. Getty und J.W. Hagadorn, »Palaeobiology of the Climactichnites tracemaker«, Palaeontology 52, 753778, 2009.

Einen guten Überblick über das erste Leben an Land bietet W.A. Shear, »The early development of terrestrial ecosystems«, Nature 351, 283289, 1991.

Dabei handelt es sich um die Ordovizische Radiation (auch Great Ordovician Biodiversification Event oder GOBE genannte). Eine Einführung in diese so fruchtbare Periode in der Geschichte des Lebens bieten T. Servais und D.A. T. Harper, »The Great Ordovician Biodiversification Event (GOBE): definition, concept and duration«, Lethaia 51, 151164, 2018.

Siehe Simon et al., »Origin and diversification of endomycorrhizal fungi and coincidence with vascular land plants«, Nature 363, 6769, 1993.

Eine ausgezeichnete und sehr ausführliche Darstellung der frühen Wälder findet sich in George R. McGhee, Jr., Carboniferous Giants and Mass Extinction: The Late Paleozoic Ice Age World (New York: Columbia University Press, 2018).

Siehe Stein et al., »Giant cladoxylopsid trees resolve the enigma of the Earth’s earliest forest stumps at Gilboa«, Nature 446, 904907, 2007.

Dies ist reine Spekulation. Wenn man jedoch bedenkt, dass Placodermi und sogar Vertreter heutiger Fischarten erstmals im Silur aufkamen, ist es vielleicht nicht ganz so abwegig.

Siehe Zhu et al., »Earliest known coelacanth skull extends the range of anatomically modern coelacanths to the Early Devonian«, Nature Communications 3, 772, 2012.

Siehe P.L. Forey, »Golden jubilee for the coelacanth Latimeria chalumnae«, Nature 336, 727732, 1988.

Siehe Erdmann et al., »Indonesian ›king of the sea‹ discovered«, Nature 395, 335, 1998.

Der Australische Lungenfisch hat das größte Genom der bekannten Tierwelt: Es ist 14-mal größer als das des Menschen. Obwohl es dem Genom von Landwirbeltieren ähnelt, steckt es voller Genmüll, den es im Laufe seiner langen Evolutionsgeschichte aufgelesen hat. Siehe Meyer et al., »Giant lungfish genome elucidates the conquest of the land by vertebrates«, Nature 590, 284289, 2021.

Siehe Daeschler et al., »A Devonian tetrapod-like fish and the evolution of the tetrapod body plan«, Nature 440, 757763, 2006.

Siehe Cloutier et al., »Elpistostege and the origin of the vertebrate hand«, Nature 579, 549554, 2020.

Siehe Niedźwiedzki et al., »Tetrapod trackways from the early Middle Devonian period of Poland«, Nature 463, 4348, 2010.

Oder zumindest wie Ursula Andress in James Bond – 007 jagt Dr. No.

Siehe Goedert et al., »Euryhaline ecology of early tetrapods revealed by stable isotopes«, Nature 558, 6872, 2018. Es mag seltsam anmuten, dass die frühen Tetrapoden – im Grunde noch Amphibien – direkt aus dem Meer kamen, obwohl die meisten Amphibien, die man kennt, in Süßwasser zu Hause sind. Dennoch gibt es auch heute noch ein paar Amphibien, die zumindest zeitweise in salzwasserhaltigen Lebensräumen wie Mangrovensümpfen leben. Siehe G.R. Hopkins und E.D. Brodie, »Occurrence of amphibians in saline habitats: a Review and Evolutionary Perspective«, Herpetological Monographs 29, 127, 2015.

Siehe C.W. Stearn, »Effect of the Frasnian-Famennian extinction event on the stromatoporoids«, Geology 15, 677679, 1987.

Siehe P.E. Ahlberg, »Potential stem-tetrapod remains from the Devonian of Scat Craig, Morayshire, Scotland«, Zoological Journal of the Linnean Society of London 122, 99141, 2008.

Siehe Ahlberg et al., »Ventastega curonica and the origin of tetrapod morphology«, Nature 453, 11991204, 2008.

Siehe O.A. Lebedev, [Der erste Fund eines Tetrapoden aus dem Devon in der UdSSR.] Doklady Akad. Nauk. SSSR. 278: 14071413, 1984. (auf Russisch)

Siehe Beznosov et al., »Morphology of the earliest reconstructable tetrapod Parmastega aelidae«, Nature 574, 527531, 2019; N.B. Fröbisch und F. Witzmann, »Early tetrapods had an eye on the land«, Nature 574, 494495, 2019.

Siehe Ahlberg et al., »The axial skeleton of the Devonian tetrapod Ichthyostega«, Nature 437, 137140, 2005.

Siehe M.I. Coates und J.A. Clack, »Fish-like gills and breathing in the earliest known tetrapod«, Nature 352, 234236, 1991.

Siehe Daeschler et al., »A Devonian Tetrapod from North America«, Science 265, 639642, 1994.

Siehe M.I. Coates und J.A. Clack »Polydactyly in the earliest known tetrapod limbs«, Nature 347, 6669, 1990.

Siehe Clack et al., »Phylogenetic and environmental context of a Tournaisian tetrapod fauna«, Nature Ecology and Evolution 1, 0002, 2016.

Siehe J.A. Clack, »A new Early Carboniferous tetrapod with a mélange of crown-group characters«, Nature 394, 6669, 1998.

Siehe T.R. Smithson, »The earliest known reptile«, Nature 342, 676678, 1989: T.R. Smithson und W.D. I. Rolfe, »Westlothiana gen. nov.: naming the earliest known reptile«, Scottish Journal of Geology 26, 137138, 1990.

Siehe Yao et al., »Global microbial carbonate proliferation after the end-Devonian mass extinction: mainly controlled by demise of skeletal bioconstructors«, Scientific Reports 6, 39694, 2016.

Siehe J.A. Clack, »An early tetrapod from ›Romer’s Gap‹«, Nature 418, 7276, 2002.

Siehe Clack et al., »Phylogenetic and environmental context of a Tournaisian tetrapod fauna«, Nature Ecology and Evolution 1, 0002, 2016.

Siehe Smithson et al., »Earliest Carboniferous tetrapod and arthropod faunas from Scotland populate Romer’s Gap«, Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America, 109, 45324537, 2012.

Siehe Pardo et al., »Hidden morphological diversity among early tetrapods«, Nature 546, 642645, 2017.

Und damit meine ich sehr langsam. Es könnte mehrere Jahre gedauert haben …

Alle heutigen Insekten, die scheinbar nur ein Flügelpaar besitzen, verfügen auch über ein – wenn auch verborgenes – zweites. Bei Käfern hat sich das vordere Flügelpaar zu robusten Flügeldecken entwickelt. Bei Fliegen indes hat sich das zweite Flügelpaar zu einem Paar winziger rotierender Organe zurückgebildet, die als Gyroskope dienen, was die berühmte Wendigkeit der Plagegeister erklärt – und wieso sie mit einer zusammengerollten Zeitung so furchtbar schwer zu treffen sind.

Siehe A. Ross »Insect Evolution: the Origin of Wings«, Current Biology 27, R103–R122, 2016. Palaeodictyoptera weilen leider nicht mehr unter uns – sie starben am Ende des Perms aus, zusammen mit den Wäldern, in denen sie zu Hause waren.

Ich danke George McGhee für seine anschauliche und ausführliche Schilderung des Lebens in den großen Kohlewäldern in Carboniferous Giants and Mass Extinction (Columbia University Press, 2018).

Schillernde Einblicke in die Lebenswelt des frühen Karbons und die Anfänge der großen Kohlewälder gewährt ein Kalksteinbruch in East Kirkton nahe dem schottischen Edinburgh. Vor etwa 330 Millionen Jahren lag er in Äquatornähe und birgt bemerkenswerte Überreste früher Amphibien, Amnioten (und ihrer nahen Verwandten) sowie vieler Gliederfüßer, darunter Tausendfüßer, Skorpione, der früheste bekannte Weberknecht und Teile gigantischer Seeskorpione. Diese Schatzkammer entstand aufgrund des Zusammentreffens ungewöhnlicher geologischer Bedingungen: Das Gebiet war geologisch aktiv und besaß heiße Quellen, was dem Leben im Wasser abträglich gewesen wäre, und in der Nähe waren einige aktive Vulkane, die hin und wieder alles mit heißer Asche bedeckten. Gleichzeitig gab es eine Menge schwarzen, zähflüssigen, sauerstofffreien Schlamm, in dem Lebewesen fast unversehrt erhalten wurden. Fische gab es keine. Zur Geologie des Ortes und für einen allgemeinen Überblick siehe Wood et al., »A terrestrial fauna from the Scottish Lower Carboniferous«, Nature 314, 355356, 1985; A.R. Milner, »Scottish window on terrestrial life in the early Carboniferous«, Nature 314, 320321, 1985. Neben dem fast schon amniotischen Westlothiana und vielen anderen Arten hat East Kirkton auch einen Vertreter der Baphetidae hervorgebracht – einer Tiergruppe, die weder amniotisch noch amphibisch war, was zeigt, wie schwer es damals war, allein durch das Betrachten der Tiere herauszufinden, welches zu welcher Gruppe gehörte. Auch weiß man nicht, welche Art Ei von welchem Tier stammt oder ob es eine Übergangsform zwischen Amphibien- und Amnioteneiern gab. Dieses Wesen wurde, in Anlehnung an seine Umgebung, Eucritta melanolimnetes getauft – das Monster aus der Schwarzen Lagune (J.A. Clack, »A new early Carboniferous tetrapod with a mélange of crown-group characters«, Nature 394, 6669, 1998).

Obwohl ich hier spekuliere, bedienen sich heutige Amphibien all dieser Strategien und noch einiger mehr. Folglich liegt die Vermutung nahe, dass ihre Vorfahren etwas Ähnliches taten.

Wir Menschen legen zwar keine Eier, doch auch bei uns gibt es diese verschiedenen Membranen. Das Amnion ist die Fruchtblase, in der sich der Fötus entwickelt. Wenn eine werdende Mutter sagt, dass »ihre Fruchtblase geplatzt« ist, meint sie das Aufplatzen des Dottersacks, dem bald das Schlüpfen folgt. Oder, in unserem Falle, die Geburt.

Selbst die Schalen von Dinosauriereiern waren ledrig, wie auch die der größten bekannten fossilen Eier, die womöglich von einem Meeresreptil stammen. Siehe Norell et al., »The first dinosaur egg was soft«, Nature doi.org/10.1038/s41586-020-2412-8, 2020; Legendre et al., »A giant soft-shelled egg from the Late Cretaceous of Antarctica«, Nature doi.org/10.1038/s41586-020-2377-7, 2020; J. Lindgren und B.P. Kear, »Hard evidence from soft fossil eggs«, Nature doi.org/10.1038/d41586-020-01732-8, 2020.

Wer mehr über die Entstehung von Pangäa und deren Folgen wissen möchte, insbesondere den Niedergang fast allen Lebens gegen Ende des Perms, dem seien folgende Bücher ans Herz gelegt: Ted Nield, Superkontinent (München: Kunstmann, 2008) und Michael J. Benton, When Life Nearly Died (London: Thames and Hudson, 2003).

Siehe Sahney et al., »Rainforest Collapse triggered Carboniferous tetrapod diversification in Euramerica«, Geology 38, 10791082, 2010.

Siehe M. Laurin und R. Reisz, »Tetraceratops is the earliest known therapsid«, Nature 345, 249250, 1990.

Nicht zu verwechseln mit Theropoden – geschweige denn Therapeuten.

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