Index

Adams. R. M. 314

Ake, C. 155

Albritton, R. 93, 369

Anscombe, G. E. M. 88, 104, 297, 369

Aristoteles 152, 190, 363

Armstrong, D. M. 229, 363

Augustinus 75

Austin, J. L. 369, 370

Beethoven, L. 24

Bennett, J. 88

Berkeley, G. 13

Berlin, Sir Isaiah 367, 369

Bogen, G. E. 213

Boorse, C. 109

Camus, A. 36, 43

Castañeda, H.-N. 304

Cavell 370

Chamberlain, N. 51

Chisholm, R. 271

Chomsky, N. 256, 288, 369, 370

Clarke, Th. 39, 49, 370

Cohen, M. 103, 366

Davidson, D. 236, 246, 370

Dennett, D. 229, 322, 367

De Sade, D.A.F. 78

Descartes, R. 299

Donnellan, K. 313, 369, 370

Dummett, M. 302

Dworkin, R. 172, 367

Feigl, H. 253

Feinberg, J. 55

Fiss, O. M. 145

Foot, P. 88, 369

Forster, E.M.l 117

Franklin, B. 52

Frankfurt, H. 271, 369

Frege, G. 309, 322

Freud, S. 256, 363, 365

Fried, C. 279

Gaugin, P 50, 51

Gazzaniga, M. S. 211, 213, 222

Geschwind, N. 213

Goldstein, R. 267

Gordon, H. W. 215 .

Gray, T. 57

Grice, H. P. 74, 364, 369, 370

Hare, R. M. 108, 366

Harman, G. 184, 370

Hart, H. L. A. 369

Hitler, A. 52

Hobbes, Th. 345, 362

Hume, D. 40, 204, 248, 256

Kamm, F. M. 338, 343

Kant, I. 45-47, 50, 55-56, 152, 273

Kaplan, D. 213, 304, 322, 370

Katz, J. 370

Keats, W. 26

Kolakowski, L. 367

Kripke, S. A. 229, 243, 260, 322, 326, 370

Lawrence, D. H. 77

Leibniz, G. W. 309

Lemmon, E. J. 109

Levy, J. 215

Lewis, B. 348

Lewis, D. K. 229, 304, 313, 370

Locke, J. 236, 248

Lukrez 24, 26

Mailer, N. 77

Malcolm, N. 297, 369, 370

Mclntyre, A. 367

McGinn, C. 367

McTaggert, J. M. E. 302

Merleau-Ponty, M. 52

Mill J.St. 158, 173

Miller, H. 352

Molière 259

Moore, G. E. 289

Morton, A. 146

Myers, R. E. 212, 213

Nagel, W. 369

Nietzsche, F, 14

Nino, C. 359

Nozick, R. 26, 102, 119, 126, 139, 173, 338

O’Shaugnessy, B. 366

Owen, G. E. L. 369, 370

Parfit, D. 26, 154, 168, 175, 281

Pascal, B. 282

Paulus 75

Pears, D. 367, 369, 370

Perry, J. 304

Platon 13

Putnam, H. 229

Quine, W. V. 369, 370

Quinn, W. S. 338, 339

Ramsey, P. 88

Rawls, J. 123-124, 137, 139, 146, 153-155, 157, 167-171, 176, 193-194, 363, 366, 369, 370

Raz, J. 342, 346, 367

Rorty, R. 232

Sartre, J.-P. 70, 71, 75

Salmon, N. 370

Saul, L. J. 217

Scanlon, T. M. 126, 159, 347, 348, 366, 370

Scheffler, S. 279, 330, 338

Sendling, Th. 367

Schweitzer, A. 369

Searle J. 330, 367, 370

Shoemaker, S. 369

Sluga, H. 326

Smart, J.J.C. 229, 281

Smith, A. 54, 55

Soames, S. 370

Sperry, R.W. 211-213, 215, 217, 221

Spinoza, B. 289

Stanton, W. L. 267

Strawson, Sir P. F. 62, 271, 369, 370

Taurek, J. 164

Thomson, J. J. 338

Thornton, M. T. 229

Tolstoi, L. 26

Tribe, L. 195

Velleman, D. 330

Watson, G. 271

Wefald, E. 330

Williams, B. 50, 57, 138, 281, 365, 366

Wittgenstein, L. 261-262, 264-265, 283, 290, 321, 363, 369

Ausgehend von der Diagnose, dass philosophische Irritationen auf ein grundlegendes Auseinanderfallen von individuellem Erleben und objektiver Realität reagieren, folgt Nagel der Einsicht der besten Vertreter der philosophischen Aufklärung, dass das legitime Streben analytischer Philosophie nach Klarheit und Präzision nicht zu Lasten der Behandlung der wichtigsten Fragen persönlicher Welt- und Selbsterfahrung gehen darf. Da hier Schlüsselfragen des persönlichen Lebens zu zentralen Themen der Philosophie führen, vermag »Letzte Fragen« auch den allgemeinen Leser gefangen zu nehmen.

Die vorliegende Ausgabe wurde gegenüber der amerikanischen Ausgabe, die bereits über 20 Auflagen erfahren hat, um einen längeren Essay über das Ich und einen neu verfassten Aufsatz über die Problematik der Menschenrechte erweitert.

Thomas Nagel, geboren 1937, Philosophieprofessor an der New York University School of Law. Zuvor Lehrtätigkeiten in Princeton und Berkeley, gehört zu den bedeutendsten lebenden Philosophen der Vereinigten Staaten. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Philosophie des Geistes, Ethik und politischen Philosophie.

Thomas Nagel

Letzte Fragen
Mortal Questions

Erweiterte Neuausgabe
mit einem Schriftverzeichnis

Herausgegeben
von Michael Gebauer

CEP Europäische Verlagsanstalt

Titel der Originalausgabe: »Mortal Questions«
© 1979 Cambridge University Press
Die erste deutsche Übersetzung erschien 1984 unter dem Titel »Über das Leben, die Seele und den Tod«

Aus dem Amerikanischen von Karl-Ernst Prankel, Ralf Stoecker, Knut Emig, Tatjana Schaaf, Stefan Holler, Hans-Peter Schütt und Michael Gebauer.

Umschlag: Motiv: Thomas Nagel, © New York University

ISBN 978-3-86393-510-8

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzung, Vervielfältigung (auch fotomechanisch), der elektronischen Speicherung auf einem Datenträger oder in einer Datenbank, der körperlichen und unkörperlichen Wiedergabe (auch am Bildschirm, auch auf dem Weg der Datenübertragung) vorbehalten.

Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter www.europaeische-verlagsanstalt.de

Inhalt

Vorwort

Der Tod

Das Absurde

Moralische Kontingenz

Sexuelle Perversion

Massenmord und Krieg

Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Leben

Die Strategie der Bevorzugung

Gleichheit

Die Fragmentierung des Guten

Ethik ohne Biologie

Hemisphärentrennung des Hirns und Einheit des Bewußtseins

Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein?

Der Panpsychismus

Das Subjektive und das Objektive

Anhang

Das objektive Selbst

Menschenrechte und Öffentlichkeit

Schriften von Thomas Nagel

Biographische Notiz

Ausgewählte Bibliographie zu den Nagelschen Themen

Index

meinem Vater
WALTER NAGEL
dem Pessimisten und
Skeptiker

Vorwort

Das Menschheitsunternehmen Philosophie umspannt eine schier uferlose Themenvielfalt, doch seit jeher galt seine Aufmerksamkeit zu einem beträchtlichen Teil dem vergänglichen Leben: Wie ist es zu verstehen, wie zu fuhren? Mit dem Leben werden es auch die in diesem Buch gesammelten Essays zu tun haben: seinem Ziel, seinem Sinn, seinem Wert, dem Bewußtsein und der Metaphysik des Bewußtseins. Philosophen analytischer Prägung haben diesen Fragen nur selten Beachtung geschenkt, denn es ist schwierig, klare und präzise Auskunft über sie anzubieten, und aus einem Gemisch von Tatsachen und Gefühlen diejenigen Schwierigkeiten zu destillieren, die abstrakt genug sind, um philosophisch untersucht werden zu können. Probleme dieser Art müssen mit Hilfe einer philosophischen Methode in Angriff genommen werden, die auf ein ebensogut persönliches wie theoretisches Verständnis abzielt und sich bemüht, beide Aspekte durch Einbettung der theoretischen Ergebnisse in ein Ganzes unserer Selbsterkenntnis zusammenzuführen. Ein solches Unternehmen birgt seine eigenen Risiken. Derart allgemeine und tiefe Fragen führen nur allzu leicht zu langatmigen und schwammigen Antworten.

In jeder theoretischen Disziplin kommt es zu einer Spannung zwischen Extravaganz und Borniertheit, Phantasie und argumentativer Strenge, Weitschweifigkeit und Präzision. Nicht selten verfällt man aus Furcht vor Exzessen des einen Extrems den Exzessen des anderen. Und eine Vorliebe für den erhabenen Gestus kann dazu führen, daß man die Forderung nach Strenge ungeduldig beiseite schiebt und das Unverständliche in Kauf nimmt. Doch in der analytischen Philosophie stellte sich dieses Problem in umgekehrter Form – die Schwächen einer Tradition sind meist die Kehrseite ihrer Stärken. Wohl wäre es alles andere als richtig, behaupten zu wollen, die angloamerikanische Philosophie gehe den großen Fragen aus dem Weg, denn zum einen gibt es schlechterdings keine tieferen und bedeutenderen Schwierigkeiten in der Philosophie als die metaphysischen, erkenntnistheoretischen und sprachphilosophischen Probleme, die im Brennpunkt ihrer theoretischen Aufmerksamkeit liegen. Und zum anderen war das Establishment analytischer Philosophen sehr aufgeschlossen für einige in jüngerer Zeit unternommene Versuche, ihm bislang unbekanntes Terrain begehbar zu machen. Gleichwohl hatte die Furcht vor Unsinn hier nach wie vor einen äußerst hemmenden Einfluß auf das Denken. Noch lange nach dem Abdanken des Logischen Positivismus neigte die analytische Philosophie dazu, sich mit übertriebener Vorsicht in dieses Neuland voranzutasten – und dabei mit dem neuesten technischen Rüstzeug zu überladen.

Es ist nur allzu verständlich, daß die Vorliebe für bestimmte Präzisionsmaßstäbe und Methoden zur Konzentration auf Probleme führt, die sich mit diesen Methoden voranbringen lassen. Als forschungsstrategische Entscheidung kann dies völlig rational sein. Aber oft führt die Entscheidung dann die ungesunde Tendenz mit sich, die Legitimität von Fragestellungen im Rückgriff auf die derzeit verfügbaren Lösungswege definieren zu wollen. Und diese Angewohnheit macht sich noch nicht einmal nur in den im engeren Sinne theoretischen Forschungsdisziplinen breit: Wir kennen sie unter Ismen wie »Pragmatismus« oder »Realismus« auch aus Kontroversen über politische und soziale Fragen. Sie gewährleistet zwar stets eine lässige Bequemlichkeit – die Möglichkeit, daß man genuine und wichtige Probleme erst gar nicht in den Blick bekommen könnte, wird ja von vornherein ausgeschlossen –, doch kommt sie in allen Fachgebieten, und insbesondere in der Philosophie, regelrechter Unzurechnungsfähigkeit gleich. Wer sich hingegen noch nicht dem Schwachsinn ausgeliefert hat, wird wissen, daß es nämlich gerade dann wirklich interessant wird, wenn neue Verfahren und zu ihnen passende Maßstäbe geschaffen werden müssen, damit sich auch solche Fragen behandeln lassen, die im Rahmen der bestehenden Untersuchungsmethoden nicht gestellt werden können. Bisweilen läßt sich ein volles Verständnis solcher Fragen erst erreichen, nachdem die entsprechenden Methoden erarbeitet worden sind, und es bleibt sicher wichtig, daß man bestrebt sein sollte, vage, obskure und unbegründete Behauptungen zu meiden und ein hohes Niveau der Rechtfertigung und Argumentation zu wahren. Aber andere Werte sind nicht minder wichtig, und manche von ihnen erschweren es, die Dinge in säuberlicher Ordnung zu halten.

Meine eigenen philosophischen Sympathien und Antipathien lassen sich ohne weiteres in wenigen Sätzen zusammenfassen. Ich glaube, wir sollten eher den Problemen trauen als den Lösungen, eher Intuitionen als Argumenten und eher pluralistischer Dissonanz als der Harmonie eines Systems. Einfachheit und Eleganz können niemals den Glauben an die Wahrheit von etwas begründen, auch nicht an die Wahrheit einer philosophischen Theorie. Normalerweise sollten sie im Gegenteil den Verdacht auf sich ziehen, daß die betreffende Theorie womöglich nicht wahr ist. Denn wird irgendein schlagendes Argument für eine intuitiv unannehmbare Konsequenz angeboten, liegt stets die Vermutung nahe, daß die Argumentation einen bislang noch versteckten Fehler in sich birgt – wiewohl es zugestandenermaßen auch sein kann, daß der Zweifelnde sich über die Quelle seiner intuitiven Vorbehalte im Irrtum befindet. Wenn Argumente oder systematische theoretische Überlegungen zu Ergebnissen führen, die man intuitiv für ungereimt halten würde; wenn eine glatte Lösung des Problems unseren Glauben nicht zu verdrängen vermag, daß sich das Problem noch immer stellt; oder wenn der Nachweis, daß irgendeine Fragestellung kein genuines Problem zum Ausdruck bringt, unsere Neigung nicht zum Verschwinden bringen kann, die Frage nach wie vor zu stellen: immer dann muß an der betreffenden Argumentation etwas verkehrt sein, und eine weniger arbeitsscheue Beschäftigung mit der Sache wird unumgänglich. Oft wird das Problem neu zu formulieren sein, da eine schlüssige Beantwortung der Frage in ihrer ursprünglichen Form nach wie vor nicht das Gefühl zum Verschwinden bringt, daß hier ein Problem besteht. Weil in der Philosophie stets auch unsere Methoden selber in Frage stehen, ist es gerade in dieser Disziplin grundsätzlich vernünftig, dem intuitiven Gespür, daß ein Problem eben noch ungelöst ist, größten Respekt zu zollen. Dies gibt einem die Möglichkeit, sich dafür offen zu halten, die etablierten Lösungswege jederzeit zu verlassen.

Solcherlei Einschätzungen philosophischer Praxis gehen alle davon aus, daß Philosophie stets auch überzeugen muß, soll sie so etwas wie Verstehen überhaupt ins Leben rufen können. Damit meine ich, daß Philosophie entweder zu Überzeugungen Anlaß geben oder dazu führen muß, daß sie aufgegeben werden. Für Verstehen genügt es nicht, lediglich mit einem System konsistenter Behauptungen versorgt zu werden. Und für das Fürwahrhalten hat, ganz im Gegensatz zu bloßen Verlautbarungen, zu gelten, daß es niemals unserer willkürlichen Kontrolle unterworfen werden sollte, wie immer diese auch motiviert sein mag. Unser Überzeugtsein muß unwillkürlich erfolgen.

Natürlich werden Überzeugungen nicht selten willkürlich kontrolliert, manchmal werden sie gar erzwungen. Schlagende Beispiele hierfür sind uns aus Politik und Religion vertraut. Aber dem befangenen Denken begegnet man in seinen subtileren Erscheinungsformen auch in intellektuellen Kontexten, und eine besonders augenfällige Rolle spielt dabei namentlich der Hunger nach Gewißheit. Wen dieses Verlangen quält, der findet sich ungern damit ab, auch nur für kurze Zeit keine Meinung zu einem Thema zu haben, das ihn interessiert. Jemand mag seine Meinungen zwar häufig wechseln, sobald sich ihm eine passable Alternative einstellt, kann aber den Zustand, in dem er sich vorläufig des Urteils zu enthalten hätte, einfach nicht aushalten.

Dies kommt auf unterschiedliche Weisen zum Ausdruck, die in der Philosophie nur allzu vertraut sind. Zum einen begegnet uns hier der Hang zum systematischen Theoretisieren, eine Vorliebe für Theorien, die Schlußfolgerungen zu allem und jedem zulassen. Sodann finden wir eine gewisse Neigung zu lupenreinen Dichotomien vor, die zur Entscheidung zwischen einer richtigen und einer falschen Alternative nötigen. Und schließlich begegnet uns die Bereitschaft, eine Theorie allein schon deshalb für wahr zu halten, weil alle anderen gegenwärtig zu diesem Thema denkbaren Auffassungen bereits widerlegt worden sind. Nur ein ungezügelter Appetit auf Überzeugungen kann die Anerkennung einer Theorie aus solchen Gründen motivieren. Und eine letzte Zuflucht für jene, die damit unzufrieden sind, keine festen Meinungen zu einem Thema zu haben, denen es aber auch nicht herauszufinden gelingt, was wirklich wahr ist, besteht darin, kurzerhand festzulegen, daß es innerhalb der strittigen Gebiete ein Wahr und Falsch gar nicht gibt: Wir brauchen uns also erst gar nicht für eine Überzeugung entscheiden, sondern können entweder per Dekret behaupten, was wir wollen, solange wir dabei nur konsistent bleiben, oder über das Schlachtengetümmel irregeleiteter theoretischer Gegner hinauswachsen und es als unparteiischer Beobachter – wohl mit Interesse, aber aus sicherer Distanz – verfolgen.

In der Philosophie ist es keineswegs leichter als in anderen Disziplinen, Oberflächlichkeit zu meiden. Nur zu gern verfällt man auf sogenannte ›Lösungen‹, die vor der Tiefe und Schwierigkeit ihrer eigenen Ausgangsprobleme nicht standhalten. Dieser Tendenz kann man nur entgegensteuern, indem man sich unbeirrbar um genuine Antworten bemüht und während seines Ausschauhaltens auch eine längere Zeitdauer ohne Lösungen in Kauf zu nehmen bereit ist. Dafür muß man aber auf einen gepflegten Widerwillen gegen jedes bloße Beiseiteschieben bislang unerklärter Intuitionen zurückgreifen können und auf die Gewissenhaftigkeit, vernünftige Maßstäbe klarer Problemstellung und stimmiger Argumentation zu wahren.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es für manche philosophischen Probleme so etwas wie echte Lösungen nicht geben können wird. Ich vermute, daß dies auf die tiefsten und ältesten dieser Probleme wirklich zutrifft. Sie verweisen uns in der Tat auf Grenzen unseres Erkenntnisvermögens. Aber auch in solchen Fällen können wir ein wenig profundere Einblicke nur gewinnen, indem wir uns standhaft auf das Problem einlassen – anstatt es einfach fallenzulassen – und ein Verständnis dafür ausbilden, weshalb jeder neue Lösungsversuch nicht minder zum Scheitern verurteilt war als samt und sonders alle seine Vorgänger. Aus keinem anderen Grunde studieren wir ja durchaus auch die Schriften von Philosophen wie Platon und Berkeley, deren Antworten in unseren Tagen von niemandem mehr als glaubhafte Lösungen anerkannt werden. Ein Problem ist nicht schon deshalb ein Scheinproblem, weil man es nicht zu lösen vermag.

Die im vorliegenden Band versammelten Essays sind sowohl aus der Beschäftigung mit internen, themenspezifischen als auch mit externen, übergreifenden Fragen hervorgegangen. So disparat meine Essays auch ausgefallen sein mögen, eint sie gleichwohl ein Interesse an der Perspektive des persönlichen menschlichen Lebens und an ihrem prekären Verhältnis zu diversen impersonaleren Realitätsauffassungen; und diese Schwierigkeit – sie wird im vierzehnten Kapitel in allgemeiner Form angesprochen –, kommt in allen philosophischen Disziplinen auf: von der Ethik bis hin zur Metaphysik. Die Frage nach der Stellung der Subjektivität in einer objektiven Welt motivierte gleichermaßen meine Aufsätze zur philosophischen Psychologie, meinen Essay über das Absurde und meine Beschäftigung mit moralischem Glück oder Pech. Sie stand im Zentrum meiner Interessen, seit ich begann, über Philosophie nachzudenken und bestimmt ebenso wesentlich die Probleme, mit denen ich mich auseinandersetze; wie die besondere Art des Verständnisses, das ich dabei erreichen möchte.

Einige der Essays wurden in einer Zeit geschrieben, während der die Vereinigten Staaten von Amerika an einem verbrecherischen Krieg beteiligt waren, den sie auf verbrecherische Weise führten. Das hat seinerzeit meine Sensibilität für die Absurdität meiner Beschäftigung mit rein theoretischen Fragestellungen gesteigert. Die Staatsbürgerschaft erweist sich als eine überraschend starke Bindung, selbst für diejenigen von uns, deren patriotische Gefühle nur sehr schwach ausgeprägt sind. Voller Entsetzen und Wut lasen wir tagtäglich die Zeitung und verspürten dabei andere Empfindungen als die Gefühle, die sich einzustellen pflegen, wenn man von den Verbrechen des Auslands liest. Diese Betroffenheit war es auch, die dazu führte, daß sich in den späten sechziger Jahren immer mehr Philosophen mit professionellem Ernst gesellschaftlichen Fragen zuwandten.

Philosophischer Kritik der Sozialpolitik haftet indessen noch eine ganz andere Art von Absurdität an. Ohne Frage können moralische Urteilskraft und ethische Theorie für politische Problembereiche ebensogut Geltung beanspruchen wie für Schwierigkeiten der Individualethik, doch bleiben sie auf dem Feld des Politischen bemerkenswert unwirksam: Sobald es um handfeste und machtvoll verteidigte Interessen geht, will es einem immer unmöglicher scheinen, noch etwas durch Argumente verändern zu wollen, die an so etwas wie Anstand, Menschlichkeit, Mitgefühl oder Gerechtigkeitssinn appellieren, und seien sie noch so zwingend. Von nun an müssen sich solche Argumente auch noch gegen all die primitiven moralischen Regungen durchsetzen, die mit Ehre, Vergeltung und Autoritätshörigkeit einhergehen und sich in unsererem Zeitalter eine derart wichtige Rolle anmaßen, daß es mit einem Mal nicht mehr ratsam erscheint, in seinen politischen Appellen noch aggressives Handeln verdammen und Altruismus oder Humanität verlangen zu wollen. Schließlich setzt die Wahrung der Ehre allenthalben voraus, daß man zur Aggression bereit und dazu in der Lage ist, Regungen der Humanität in sich zu unterdrücken. Doch ist der Ehrbegriff freilich flexibel genug: Gerade er könnte dereinst vielleicht auch einmal so erweitert werden, daß er konkrete Anforderungen an die moralische Integrität mit einschließt. Im Hier und Jetzt allerdings ist das moralische Bewußtsein der Öffentlichkeit von diesem moralischen Profil noch weit entfernt.

Ich bleibe daher pessimistisch im Hinblick auf theoretische Ethik als eine Art öffentlicher Dienstleistung. Nur unter sehr besonderen Bedingungen, von denen ich mir noch kein allzu deutliches Bild machen kann, vermögen ethische Argumente mit einem Mal auch auf das konkrete Handeln von Menschen Einfluß zu gewinnen. Diese Bedingungen sind es, die man in einem Durchgang durch Geschichte und Psychologie der Moralen einmal zu untersuchen hätte – zwei besonders wichtige, wiewohl unzureichend entwickelte Forschungsgebiete, die nach Nietzsche in der Philosophie kaum noch beachtet wurden.

Mit Sicherheit hat es nicht ausgereicht, bloß die Ungerechtigkeit eines Handelns und die Illegitimität einer politischen Praxis drastisch vor Augen zu führen. Menschen müßten auch soweit sein, daß sie auf die Argumente hören, und solche Bereitschaft läßt sich durch kein bloßes Argument herstellen. Ich sage dies nur, um ausdrücklich zu betonen, daß das Geschäft der Philosophie, selbst wenn sie sich mit den brennendsten gesellschaftlichen Fragen beschäftigt, allemal theoretisch bleibt, und philosophische Schriften nicht etwa an ihrer praktischen Wirkung zu messen sind. Philosophie wird stets mit großer Wahrscheinlichkeit wirkungslos bleiben und könnte allein aufgrund der Publizität ihrer Themen noch keinen Vorrang vor Forschungen beanspruchen, die für die gesellschaftlichen Probleme irrelevant sind, deren Weltverständnis dafür aber einen weitaus größeren theoretischen Tiefgang erreicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es nun wichtiger ist, die Welt zu verändern oder sie zu verstehen, doch Philosophie jedenfalls gehört zu den Disziplinen, die man allemal besser an ihrem Beitrag zum Verständnis als am Einfluß auf den Gang der Dinge messen sollte.

Noten

Der Tod

1 Manchmal wird behauptet, es sei der Vorgang des Sterbens, den wir in Wirklichkeit fürchten. Aber im Prinzip hätte ich ja nichts am Sterben auszusetzen, würde ihm nicht der Tod folgen.

2 Es läßt sich ja auch beileibe nicht alles räumlich und zeitlich lokalisieren, was über das Subjekt gesagt werden kann. Abraham Lincoln war beispielsweise größer als Ludwig XIV. Doch wann galt, daß der eine größer war als der andere?

3 Ich muß gestehen, daß mir im Nachhinein Zweifel an dem oben ausgeführten Argument gekommen sind. Der Grund dafür ist, daß es etwas zu ausgeklügelt scheint, um den simplen Unterschied zwischen unserer Einstellung zur pränatalen und zur posthumen Nichtexistenz erklären zu können. Ich vermute daher, daß womöglich doch etwas Entscheidendes unter den Tisch fällt, wenn man das Schlechte am Tod dadurch erklärt, daß man ihn nur als den Verlust von Möglichkeiten auffaßt. Mein Verdacht läßt sich durch die folgende Reflexion von Nozick erhärten. Stellen wir uns vor, man würde eines Tages entdecken, daß Menschen sich aus individuellen Sporen entwickeln, die bereits unendlich lange vor der Geburt des Betreffenden existiert haben. In Nozicks phantastischer Geschichte tritt die Geburt eines Menschen auf natürlichem Wege niemals früher ein als hundert Jahre vor dem unwiderruflichen Verfallsdatum einer solchen Spore. Doch dann entwickelt man ein Verfahren, das ein vorzeitiges Ausbrüten der Spore erlaubt, so daß Menschen auf die Welt kommen, die ein aktives Leben von Tausenden von Jahren vor sich haben. Unter solchen Bedingungen wäre es mit einem Mal vorstellbar, daß auch man selbst schon Jahrtausende eher hätte geboren sein können. Läßt man die Frage einmal beiseite, ob man dann noch dieselbe Person wäre (wenngleich unterstellt wird, es handle sich um dieselbe Spore), scheint geschlossen werden zu müssen, daß eine Person also doch dadurch, daß sie zu einer bestimmten Zeit auf die Welt käme, vieler vorangegangener Jahre möglichen Lebens beraubt würde.
Aber obwohl wir nunmehr Grund hätten, denjenigen zu bedauern, der durch die Ungnade seiner späten Geburt all dieser möglichen Lebensjahre verlustig gegangen ist, würde sich dieses Gefühl nach wie vor grundlegend von dem Gefühl unterscheiden, das so viele Menschen im Hinblick auf den Tod befällt. Ich schließe daraus, daß irgend etwas, das mit der Aussicht auf das ewige Nichts zu tun hat, von einer Analyse nicht erfaßt wird, die sich nur auf die uns versagten Möglichkeiten konzentriert. Ist dies richtig, bleibt die Frage des Lukrez allerdings nach wie vor unbeantwortet. Ich habe den Verdacht, daß es darauf ankommen wird, eine allgemeine Analyse der Unterschiede zwischen unseren Einstellungen bezüglich der Vergangenheit und der Zukunft unseres Lebens auszuarbeiten. So nehmen wir zum Beispiel eine grundverschiedene Haltung gegenüber Schmerzen ein, die wir früher einmal hatten, als gegenüber Schmerzen, die uns bevorstehen. Parfit hat über dieses Thema allerhand geschrieben und mir vor Augen geführt, wie kompliziert hier in Wahrheit die Problemlage ist.

Das Absurde

1 Ich bin mir bewußt, daß die meisten Philosophen den Außenweltskeptizismus in unseren Tagen für widerlegt halten, aber nachdem ich an der Universität von Berkeley die weitgehend unveröffentlichten Gedanken von Clarke zu diesem Thema kennenlernte, fand ich mich nur noch bestärkt in meiner Überzeugung, daß dieser Skeptizismus gar nicht zu widerlegen ist.

2 Eben dies will Hume mit jenem berühmten Passus in Buch 1:4.7 seines Treatise of Human Nature zum Ausdruck bringen (dt. von Theodor Lipps, Felix Meiner Verlag 1904, S. 347): »Da die Vernunft unfähig ist, diese Wolken zu zerstreuen, so ist es ein glücklicher Umstand, daß die Natur selbst dafür Sorge trägt und mich von meiner philosophischen Melancholie und meiner Verwirrung heilt, sei es, indem sie die geistige Überspannung sich von selbst lösen läßt, sei es, indem sie mich aus ihr durch einen lebhaften Sinneseindruck, der all diese Hirngespinste verwischt, gewaltsam herausreißt. Ich esse, spiele Tricktrack, unterhalte mich, bin lustig mit meinen Freunden. Wenn ich mich so drei oder vier Stunden vergnügt habe und dann zu jenen Spekulationen zurückkehre, erscheinen sie mir so kalt, überspannt und lächerlich, daß ich mir kein Herz fassen kann, mich weiter in sie einzulassen.«

3 »Sisyphos, der ohnmächtige und rebellische Prolet der Götter, kennt das ganze Ausmaß seiner unseligen Lage: über sie denkt er während des Abstiegs nach. Das Wissen, das seine eigentliche Qual bewirken sollte, vollendet gleichzeitig seinen Sieg. Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann.« Camus, Der Mythos von Sisyphos, dt. von H. G. Brenner und G. Rasch, Reinbek bei Hamburg, 41961. Im Original: Le mythe de Sisyphe, Paris 1942.)

Moralische Kontingenz

1 Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga: Hartknoch 1785, S. 3.

2 Hierzu studiere man Clarke, »The Legacy of Skepticism«, Journal of Pbilosophy 1972, S. 754-769.

3 Williams erläutert diesen Fall am Beispiel Gaugins in seinem Essay »Moral Luck« (Proceedings of the Aristotelian Society, Supplement Vol. 1976, S. 115-135; dt. in Bernard Williams: Moralischer Zufall, übersetzt von von André Linden, Königstein/Ts.: Hain 1984; – im übrigen wurde die ursprüngliche Fassung des vorliegenden Kapitels in Erwiderung auf diesen Essay von Williams geschrieben). Williams weist darauf hin, daß Erfolg oder Mißerfolg sich zwar nicht vorhersagen lassen, daß aber die elementarsten Gefühle, die Gauguin nachträglich hinsichtlich seiner Entscheidung empfindet, vor allem vom Gang der Entwicklung seines Talents abhängen. Ich stimme mit Williams insofern nicht überein, als seine Überlegungen nicht erklären können, weshalb solche retrospektiven Einstellungen moralisch genannt werden sollten. Erlaubt sein Erfolg es Gauguin nicht, sich vor anderen zu rechtfertigen, bestimmt er aber gleichwohl seine grundlegendsten Gefühle, so zeigt dies nur, daß es sich bei seinem elementarsten Empfinden nicht unbedingt um moralisches Empfinden zu handeln braucht. Es zeigt nicht, daß Moralität selbst der Kontingenz unterliegt. Wäre das retrospektive Urteil moralischer Natur, müßte es die Wahrheit eines im voraus gefällten hypothetischen Urteils der folgenden Form implizieren: »Wenn ich meine Familie im Stich lasse und ein großer Maler werde, dann wird mich der Erfolg rechtfertigen; werde ich hingegen kein großer Maler, wird meine Handlung unverzeihlich sein.«

4 Merleau-Ponty hat das Thema der Rechtfertigung durch die Geschichte auf faszinierende, wenn auch moralisch abstoßende Weise in seinem Buch Humanisme et Terreur diskutiert, Paris: Gallimard 1947 (dt.: Maurice Merleau-Ponty, Humanismus und Terror, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1966).

5 Tbeory of Moral Sentiments II.iii.intro.3, in der Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, Indianapolis: Liberty Press 1982, Bd. I, S. 93; dt.: Theorie der ethischen Gefühle, übersetzt von Walther Eckstein, Hamburg: Meiner 21977, S. 139.

6 »Problematic Responsibility in Law and Morals«, in Joel Feinberg: Doing and Deserving, Princeton: University Press 1970.

7 »Wenn die Natur diesem oder jenem überhaupt wenig Sympathie ins Herz gelegt hätte, wenn er (übrigens ein ehrlicher Mann) von Temperament kalt und gleichgültig gegen die Leiden anderer wäre, vielleicht, weil er, selbst gegen seine eigene mit der besonderen Gabe der Geduld und aushaltenden Stärke versehen, dergleichen bey jedem andern auch voraussetzt, oder gar fordert, wenn die Natur einen solchen Mann (welcher wahrlich nicht ihr schlechtestes Produkt seyn würde) nicht eigentlich zum Menschenfreunde gebildet hätte, würde er denn nicht noch in sich einen Quell finden, sich selbst einen weit höhern Werth zu geben, als der eines gutartigen Temperaments seyn mag?« Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga 1785, S. 11.

8 Siehe Thomas Grays Elegie, geschrieben auf einem ländlichen Friedhof:

»Hier könnte sehr wohl ein Milton ruhen, stumm und ruhmlos,
Ein Cromwell, schuldlos an seiner Landsleute Blut.«

Ein außergewöhnliches Beispiel situationsbedingter moralischer Kontingenz stellen jene moralischen Dilemmata dar, in die sich jemand ohne eigenes Verschulden verstricken kann, und in denen alle überhaupt möglichen Handlungsalternativen unrecht sind. Siehe unten Kapitel 5 sowie Williams, »Ethical Consistency«, Proceedings of the Aristotelian Society, Supplement Vol. 1965, wieder abgedruckt in seinen Essays Problems of the Self, Cambridge 1973, S. 166-186; dt.: Probleme des Selbst, Stuttgart: Reclam 1978, 263-296.

9 Situationsbedingte Kontingenz kann sich auch über den Bereich des persönlichen Handelns hinaus auswirken. Zum Beispiel haben sich während des Vietnamkriegs selbst diejenigen US-Bürger, die dem amerikanischen Vorgehen von Anfang an entschiedenen Widerstand entgegenbrachten, häufig durch die Verbrechen ihres Staates kompromittiert gefühlt. In diesem Fall waren sie nicht einmal verantwortlich; denn vermutlich gab es für sie keine Möglichkeit, die Ereignisse zu verhindern, und deshalb kann es unverständlich scheinen, daß sie das Gefühl nicht loswurden, in die Vorgänge verwickelt zu sein. Aber es ist fast unmöglich, die Verbrechen des eigenen Landes vom selben Standpunkt aus zu betrachten, von dem man die Verbrechen eines fremden Landes betrachtet, selbst wenn sich die eigene Ohnmacht in beiden Fällen noch so sehr gleicht. Man ist Bürger einer der beiden Staaten und steht in einer Beziehung zu dessen Politik (und sei es nur wegen der Steuern, die man nicht einbehalten kann) – in einer Beziehung, in der man eben zur Politik des anderen Staates nicht steht. Deshalb kann man sich seines eigenen Landes schämen und sich als Opfer moralisch unglücklicher Kontingenz fühlen, weil man in den sechziger Jahren Amerikaner war.

10 Dieser Position würde in der Erkenntnistheorie die Auffassung entsprechen, daß Wissen in zutreffenden Meinungen besteht, die auf bestimmte Weise zustande gekommen sein müssen, wobei es nicht erforderlich ist, daß alle Aspekte dieses Vorgangs – tatsächlich oder ihrer Möglichkeit nach – unter der Kontrolle des Wissenden stehen. Sowohl die Richtigkeit dieser Meinungen als auch der Prozeß, durch den sie zustande gekommen sind, würden damit wesentlich der Kontingenz unterliegen. Der Nobelpreis wird nicht Leuten verliehen, deren Auffassungen sich als falsch herausstellen, wie brillant auch immer ihr Gedankengang sein mag.

11 Hierüber lese man Strawsons Analyse des Konflikts zwischen der ›objektiven Einstellung‹ und den (mit ihr kollidierenden) persönlichen ›reaktiven Haltungen‹ in seiner Abhandlung »Freedom and Resentment« (dt. im Literaturverzeicnis), wieder abgedruckt in seinem Buch Freedom and Resentment and Other Essays, London 1974.

Sexuelle Perversion

1 L’Etre et le Néant, Paris 1943; dt.: Das Sein und das Nichts, Hamburg 71980.

2 Sartre, L’Etre et le Néant, S. 391, dt.: Das Sein und das Nichts, S. 500.

3 »Meaning«, Philosophical Review 1957; dt.: »Intendieren, Meinen, Bedeuten« [s. u. im Literaturverzeichnis].

4 Römer VII, 23 und Confessiones, Buch VIII, Teil V.

Massenmord und Krieg

1 Mein Essay war bereits 1971 fertig, und die direkte militärische Beteiligung der Vereinigten Staaten am Vietnamkrieg dauerte zwölf Jahre lang an: von 1961 bis 1973. Von daher also das Präsens.

2 Freimütige Erwägungen des nationalen Eigeninteresses verlaufen nicht selten in solchen Bahnen: Kommen sie zu den anderen Gründen hinzu, scheint die Inopportunität des Einsatzes nuklearer Waffensysteme in unseren Tagen also mehr als gesichert.

3 Diese anders gearteten Gründe erlangen ihr besonderes Gewicht übrigens auch dadurch, daß sie selbst für jemanden Gültigkeit haben können, der die Auffassung vertritt, utilitaristische Erwägungen seien in internationalen Angelegenheiten fehl am Platz. Wer dieser Meinung ist, mag beispielsweise Grenzen dafür anerkennen, was man Soldaten und Zivilisten anderer Länder bei der Durchsetzung der eigenen nationalen Militärziele antun darf, und er mag diese Restriktionen sogar dann akzeptieren, wenn er grundsätzlich nicht der Auffassung anhängt, daß ein Staat bei der Bestimmung seiner Politik stets auch die Präferenzen von Ausländern in Betracht zu ziehen habe.

4 Privatdruck; in G.E.M Anscombes Collected Philosophical Papers Vol. III, Ethics, Religion and Politics, Minneapolis: University of Minnesota Press 1981, finden sich sowohl diese Schrift als auch der folgende Essay wieder aufgenommen: »War and Murder«, ursprünglich publiziert in Nuclear Weapons and Christian Conscience, London: The Merlin Press 1961. Das vorliegende Kapitel hat beiden Aufsätzen viel zu verdanken. Diese und verwandte Themen werden ausgiebig erörtert von Paul Ramsey in seinem Buch: The Just War, New York: Scribner's, 1968. Zu den neueren Veröffentlichungen zum Moralproblem gehören auch Bennett »Whatever the Consequences«, Analysis 1966, S. 83-102; und Foot »The Problem of Abortion and the Doctrine of the Double Effect«, Oxford Review 1967, S. 5-15. Prof. Anscombes Repliken auf diese beiden Philosophen waren seinerzeit »A Note on Mr. Bennett«, Analysis 1966, und »Who is Wronged?« Oxford Review 1967, S. 16-17.

5 Dieses Gegenargument wurde mir von Albritton unterbreitet.

6 Warum kann es dann auf der anderen Seite als angemessen – oder jedenfalls nicht unangebracht – erscheinen, jemandem ins Gesicht zu schlagen, der Sie beleidigt hat. Die korrekte Antwort lautet, daß es in unserem Kulturkreis eine Beleidigung ist, jemandem ins Gesicht zu schlagen, nicht einfach bloß eine Körperverletzung. Hier zeigt sich nebenbei eine ganz und gar unbestreitbare Hinsicht, in der auch Konventionen eine Rolle bei der Festlegung dessen spielen können, was unter ein absolutistisches Verbot fällt und was nicht. Diese Anmerkung verdanke ich Fogelin.

7 Ich sollte abschließend noch eine andere Möglichkeit erwähnen, auf die Nozick hingewiesen hat: daß es einen starken generellen Vorbehalt dagegen gibt, von dem Unglück anderer zu profitieren, unabhängig davon, ob es aus diesem oder aus irgendwelchen anderen Gründen vorsätzlich herbeigeführt wurde oder nicht. Dieses weiterreichende Prinzip könnte seine Gültigkeit auf den Absolutismus übertragen.

8 Marshall Cohen hat dazu einmal bemerkt, auf jemanden zu schießen sei nach meiner Auffassung regelrecht das Herstellen einer Ich-Du Beziehung.

9 Was ich zu diesem Thema zu sagen habe, geht auf Anscombe zurück.

10 Jenseits dessen fühle ich mich unsicher. Gewöhnliche Kugeln können immerhin den Tod verursachen, und nichts ist endgültiger als der Tod. Ich bin mir keineswegs sicher, warum wir darin gerechtfertigt sind, diejenigen umzubringen, die Anstalten machen, uns umzubringen (statt nur zu versuchen, sie mit Gewalt daran zu hindern, was allerdings auch ihren Tod zur Folge haben könnte). Es wird häufig vorgebracht, daß kampfunfähig machende Gase eine verhältnismäßig humane Waffe darstellen (wenn sie nicht, wie in Vietnam, bloß eingesetzt werden, damit die Menschen leichter niedergemetzelt werden können). Ob Restriktionen gegen sie gerechtfertigt sind, hängt möglicherweise von der Eskalationsgefahr ab, und von dem unschätzbaren Nutzen, den es hat, jede konventionelle Restriktion so lange aufrechtzuerhalten, wie die Staaten nur irgend gewillt sind, sie einzuhalten.
Ich lege wert darauf, daß ich meine Argumentation keinesfalls etwa als Plädoyer für die moralische Unwandelbarkeit der Haager oder der Genfer Konvention verstehe. Vielmehr bin ich der Überzeugung, daß beide Konventionen zu einem Teil auf moralischen Grundlagen beruhen, und künftige Modifikationen gleichfalls an ihrer moralischen Legitimität zu messen wären.

11 Es ist möglich, eine radikalere Folgerung zu ziehen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen will. Vielleicht verunmöglichen es die modernere Technologie und Organisation von Kriegen von vornherein, einen Krieg noch als akzeptablen Ausdruck zwischenmenschlicher oder auch nur zwischenstaatlicher Feindschaft führen zu können, da ein Krieg etwa immer zu unpersönlich geriete oder zu stark ausufern würde. Der Absolutismus würde dann nach heutiger Lage der Dinge praktisch auf einen Pazifismus hinauslaufen. Doch habe ich meine Zweifel an der stillschweigenden Voraussetzung, daß eine Technologie uns ihre Anwendung bereits aufdiktiert.

12 Hare verwies in seiner Erwiderung auf diesen Essay [»Rules of War and Moral Reasoning«, Philosophy & Public Affairs 1972, S. 167] auf eine scheinbare Diskrepanz zwischen der Tatsache, daß ich hier eine solche Möglichkeit einräume, und meiner Behauptung oben in Abschnitt IV, man habe den Absolutismus so zu formulieren, daß aus ihm nicht für bestimmte Extremfälle folgen würde, daß schlechterdings nichts von dem, was man überhaupt noch tun könne, moralisch zulässig sei. Der Unterschied besteht darin, daß in jenen Fällen die moralische Inkohärenz aus der Anwendung eines einzigen Prinzips resultiert, während das hier beschriebene Dilemma aus dem Konflikt zweier fundamental verschiedener Arten von Prinzipien folgt.

13 Hierauf hat zuerst Boorse aufmerksam gemacht; auch Lemmon weist in »Moral Dilemmas«, Philosophical Review 1962, S. 150, darauf hin.

Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Leben

1 Moral im öffentlichen Leben läßt sich trivialerweise aus der Individualmoral herleiten, sobald man die Individualmoral dermaßen weit faßt, daß sie alle zutreffenden Aussagen der Form: »Wenn ein Individuum in der offiziellen Funktion X handelt, soll (oder muß) es Y tun« usw. einschließt. Dies wäre bestens verträglich damit, daß keinerlei Verbindung zwischen den Grundlagen offizieller und privater Verbindlichkeiten statthätte.

2 »What I Believe«, in Two Cheers for Democracy, London: Edward Arnold 1939.

3 Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf die größten und mächtigsten Institutionen, den Staat und seine Organe. Aber es gibt eine Vielzahl verschiedenartiger öffentlicher Institutionen, darunter Universitäten, politische Parteien, Wohltätigkeitsverbände, revolutionäre Bewegungen; und vieles von dem, was ich über die Nationalstaaten sage, soll in unterschiedlichem Grade auch für sie gelten. Auch sie fallen unter eine Art politische Moral.

4 Damit nehme ich ausdrücklich eine Reflexion in »Libertarianism without Foundations« zurück: Yale Law Journal 1975, S. 139f.; dt.: »Bodenloser Libertarismus«, in Eine Abhandlung über Gleichheit und Parteilichkeit, übersetzt von Michael Gebauer, Paderborn: Schöningh 1994, Anhang S. 257f. und S. 327; diese kritische Studie des politischen Libertarismus von Nozick findet sich aufgenommen in meine gesammelten Kritiken Other Minds, New York: Oxford University Press 1995.

5 Diese Unterscheidung wird im fünften Kapitel behandelt.

6 Wäre ein eminent mächtiger Riese etwa verpflichtet, wenn er als einziger unter Millionen gewöhnlicher Menschen lebte, deren Leben er maßgeblich beeinflussen könnte, sein Handeln in erster Linie nach impersonalen Gründen zu richten? Ich zweifle daran. Vermutlich hätte auch er ein Privatleben, das sein Recht einfordern würde. Von allem, was wir kennen, kommt der Staat einem solchen Riesen am nächsten – allerdings ohne entsprechendes Handikap.

7 Rawls, »Two Concepts of Rules«, Philosophical Review 1955, S. 3-32; dt. von Jörg Jantzen: »Zwei Regelbegriffe«, in Einführung in die utilitaristische Ethik, München: Francke-UTB 1992.

8 Einen Versuch dazu hat Rawls im dritten Kapitel seiner Theory of Justice unternommen, Cambridge/Mass.: Harvard University Press 1971; dt.: Eine Theorie der Gerechtigkeit, übers. von Hermann Vetter, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1975. Siehe auch unten das Kapitel über Gleichheit.

9 Dieselbe Legitimitätsauffassung wird der Leser auch in den Schriften von Scanlion finden: siehe etwa seinen Essay »Nozick on Rights, Liberty, and Property«, Philosophy & Public Affairs 1976, S. 17-20.

10 Zu ihnen gehört beispielsweise Nozick, der Autor des Buchs Anarchy, State, and Utopia. New York: Basic Books 1974, vgl. S. 169-174.

Die Strategie der Bevorzugung

1 Drücke ich mich hier so aus, als sei jemand ein ›ansonsten höherer qualifizierten Weißer, meine ich damit nicht mehr als dies: Ein schwarzer Kandidat mit einer genau gleichwertigen Qualifikation, hätte beispielsweise er für die Stelle zur Verfügung gestanden, wäre dem tatsächlich eingestellten schwarzen Kandidaten vorgezogen worden. Oder alternativ: Hätte es sich um eine Entscheidung zwischen zwei weißen Männern gehandelt, wäre es eben der ›ansonsten höher qualifizierte dieser beiden gewesen, den man genommen hätte. Insgleichen für den Fall zweier weißer oder zweier schwarzer Frauen. (Ich bin mir allerdings darüber im klaren, daß es nicht immer leicht sein wird, die Gleichheit von Qualifikationsgraden empirisch festzustellen, und daß in einigen Fällen das Vorliegen gleich guter Zeugnisse geradezu ein Indiz für unterschiedliche Qualifikationsgrade sein kann – weil der eine Kandidat beispielsweise erst einmal weitaus größere Hindernisse zu überwinden hatte als der andere, um dieses Zeugnis überhaupt erreichen zu können.)

2 Rawls scheint dies zur Grundlage seiner eigenen Position zu erklären. Er glaubt, daß einzig und allein im Kontext der Verteilung durch ein gerechtes System davon die Rede sein kann, daß jemandem etwas zustehe, und man in diesem Begriff gerade nicht eine präinstitutionelle Konzeption sehen dürfe, an der sich die Gerechtigkeit des Systems selbst bemessen läßt (A Theory of Justice, Cambridge/Mass. 1971, S. 310-313; dt.: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt am Main 1975, S. 344ff.).

3 Im wesentlichen diese Auffassung vertritt Williams in seinem Essay »The Idea of Equality«, in Philosophy, Politics, and Society, herausgegeben P. Laslett und W. G. Runciman, Oxford: Blackwell 1964, S. 110-131; dt.: »Der Gleichheitsgedanke«, in Probleme des Selbst, übersetzt von Joachim Schulte, Stuttgart: Reclam 1978, S. 366-397.

4 Nicht zu verwechseln mit dem Fall, in dem deshalb nichts relevant ist, weil es in der betreffenden Sache erst gar nicht so etwas gibt wie ein Zustehen. In einem solchen Fall würde die Tatsache, daß die Leute in keiner relevanten Hinsicht verschieden sind, nicht dafür sprechen, sie gleich zu behandeln; die Frage, wie sie zu behandeln wären, bliebe vielmehr ganz anderen Erwägungen überlassen.

5 Ich teile nicht die Auffassung, daß keine Rede davon sein könne, uns ständen die Folgen oder Produkte von etwas zu, das nicht selber etwas ist, das uns zusteht. Beispielsweise trifft zu, daß Intelligenz nicht etwas ist, das einem Menschen zustehen kann, und ich habe Wert darauf gelegt, daß ebensowenig all das, was er sich aufgrund seiner überlegenen Intelligenz aneignen kann, etwas ist, das ihm zusteht. Doch weder steht einem Menschen sein mieser Charakter noch sein überdurchschnittlicher Arbeitseifer zu, und dennoch stehen ihm vermutlich die aus diesen Eigenschaften resultierenden Strafen und Belohnungen zu. Eine erhellende Diskussion dieses Aspekts findet sich bei Nozick in Anarchy, State and Utopia. New York: Basis Books 1974, Kapitel 7; dt.: Anarchie – Staat –Utopia, übersetzt von Hermann Vetter, München: Moderne Verlagsgesellschaft 1976, Kap. 7: »Verteilungsgerechtigkeit«.

6 Rawls, A Theory of Justice, S. 75-80; dt. S. 95ff.

7 Entweder weil Unterschiede in den Befähigungen Einfluß darauf haben, wieviel jemandem in dieser Hinsicht zusteht, oder weil allen Menschen gleichermaßen Chancen proportional zu ihren Talenten zustehen. Letzteres dürfte doch wohl eher der Fall sein.

8 Eine detaillierte und scharfsinnige Untersuchung zu dieser Frage (wie auch zu einer Reihe anderer hier behandelter Themen) findet sich bei Fiss: »A Theory of Fair Employment Laws«, University of Chicago Law Review 1971, S. 235-314.

9 Dieser Effekt träte bei einer idiosynkratischen Diskriminierungspraxis durch nur wenige Außenseiter nicht auf. Kämen etwa ein paar Leute auf die Idee, plötzlich nichts mehr mit Linkshändern zu tun haben zu wollen, würden alle anderen, die Linkshänder nicht ausgenommen, dies für eine alberne Abneigung gegen eine höchst unwesentliche Eigenschaft halten. Sobald hingegen alle die Linkshänder schneiden, wird die Tatsache, daß sie linkshändig sind, mit einem Mal zu einer wichtigen Komponente des Selbstbildes dieser Menschen, und sie fühlen sich bei jeder Diskriminierung in ihrem Wesen geschmäht und verachtet. Was Menschen für ihre wesentliche Natur erachten, hängt auch davon ab, was an ihnen hoch oder gering geschätzt wird.

10 Ein Opfer in dieser Richtung ist vorzuziehen, sofern man Rawls' egalitäre Annahme in bezug auf die Verteilungsgerechtigkeit für richtig hält. A Theorie of Justice, S. 100-103; dt. S. 121ff.

11 Deshalb handelt es sich hierbei, entgegen mancherlei Befürchtungen, nicht um den ersten Schritt in Richtung auf die Einführung von Mindest- oder Höchstquoten für alle rassischen, religiösen oder ethnischen Gruppen in der Gesellschaft.

12 Morton hat mir eine interessante Alternative vorgeschlagen, die ich hier nicht weiterführen möchte. Er behauptet, daß diese Vorgehensweise nicht etwa durch ihren sozialen Nutzen gerechtfertigt sei, sondern weil sie zu einer gerechteren Situation in der Zukunft beiträgt. Betrachtet man allein das Vorgehen selbst, mag es ungerecht sein, doch erfährt es seine Rechtfertigung dadurch, daß es den perpetuierenden Denk- und Verhaltensmustern in der Geschichte ihre wurzeln nimmt und damit langfristig in höherem Maße zu Gerechtigkeit beiträgt.

Gleichheit

1 Offenkundig gilt dies für einige Dinge nicht, in bezug auf die von höchst uneinheitlichen Präferenzen auszugehen wäre – sagen wir, Dinge wie Comicshefte oder Aufnahmen von Vogelgezwitscher.

2 [Anm. d. Übers.: Dem umstrittenen Terminus technicus intrinsic value, dessen sich der Autor hier wie die meisten angelsächsische Autoren lakonisch zu bedienen pflegt, gebührt die übliche Anmerkung, denn er umfaßt nicht weniger als sowohl den Eigenwert des um seiner selbst willen Schätzbaren des Aristoteles, als auch das in sich selbst oder an sich Wertvolle oder für sich selbst betrachtet Gute Kants. Die wohl brauchbarste lineare Ubersetzungsmöglichkeit (Nagel macht in späteren Schriften bisweilen selber von ihr Gebrauch, s. u. S. 341 f.), die man sich an Stellen wie diesen gegebenenfalls hinzudenken kann, wiewohl auch sie noch nicht alle Konnotationen ausschöpft, wäre anstelle der Rede vom ›an sich‹ Guten wohl ein eigens zu prägender Kunstausdruck wie ›das nichtinstrumentell Wertvolle resp. Gute‹ (freilich nicht minder zum Kantischen Bedeutungsspektrum gehörig: vgl. GMS A 40) Im Rahmen der vorliegenden Essays schien es aber vorzuziehen, lieber dieses gesamte traditionelle Bedeutungsspektrum einzusetzen, um beim Leser so etwas eine ausreichende ›kontextuelle Erklärung‹ wachzurufen: s. o. S. 45 sowie u. S. 183 u. 286 f.]

3 Rawls, A Theory of JusticeEine Theorie der Gerechtigkeit