Die drei ???® Kids
Band 49
Mit Illustrationen von Jan Saße
KOSMOS
Umschlag- und Innenillustrationen von Jan Saße, Kittendorf
Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2011, 2012, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-13421-4
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Den ganzen Tag über schon wehte ein kräftiger Wind in Rocky Beach, und die drei ???, Justus Jonas, Bob Andrews und Peter Shaw, hatten den Vormittag deswegen in ihrem gut geschützten Geheimversteck, der Kaffeekanne, verbracht. Natürlich handelte es sich dabei nicht um eine richtige Kaffeekanne, sondern um einen ausgedienten Wassertank für Dampflokomotiven. Das Geheimversteck lag abseits der Küstenstraße an einer verlassenen Bahnstrecke. Aus der Ferne wirkte der alte Tank mit dem Einfüllrohr an der Seite tatsächlich wie eine Kaffeekanne aus Urgroßmutters Zeiten.
In der Kaffeekanne lagerten die drei Jungs ihre Detektivausrüstung, eine große Comicsammlung und genügend Hirnnahrung für Justus Jonas’ kleine graue Zellen. So nannte der Anführer der Detektive die Berge an Keksen, Marshmallows und Gummibärchen, die er beim Nachdenken über einen neuen Fall gerne verspeiste.
Heute allerdings gab es einen anderen Grund, dass die drei ??? sich den ganzen Vormittag reichlich mit Süßigkeiten gestärkt hatten. Am Nachmittag wartete nämlich jede Menge Arbeit auf sie. Sie hatten Justus’ Onkel Titus versprochen, ihm auf dem Schrottplatz zu helfen. Dieser wollte am Vormittag auf einer Versteigerung in Los Angeles neue Schätze für seinen Schrottplatz ergattern.
Justus’ Onkel war ein leidenschaftlicher Sammler alter Dinge. Und das Gebrauchtwarencenter Titus Jonas, wie der Schrottplatz offiziell hieß, war die Frucht seiner jahrelangen Arbeit. Hier fanden alle, die etwas Außergewöhnliches suchten, die geheimnisvollsten und merkwürdigsten alten Dinge: Flaschenschiffe, seltsame Wecker, Originalaufnahmen berühmter Sänger, Gipsbüsten, ausgestopfte Riesenpapageien, antike Möbel und vieles mehr. Die Menschen, pflegte Onkel Titus zu sagen, werfen die Dinge heutzutage viel zu schnell auf den Müll. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Gegenstände, deren Tage noch lange nicht gezählt sind. Vieles kann man herrichten, und manches wird durch das Alter sogar noch sehr viel schöner und kostbarer.
In der Kaffeekanne stopfte Justus sich den letzten Marshmallow in den Mund und stöhnte wohlig. »So, Freunde, ich glaube, es ist Zeit! Lasst uns zum Schrottplatz fahren.«
»Einverstanden«, nickte Peter. »Ein bisschen Bewegung wird uns nach den vielen Süßigkeiten ganz gut tun!«
Bob sprang auf. »Ich bin wirklich gespannt, Just, was dein Onkel diesmal wieder aufgetrieben hat. Ich hoffe nur, dass wir nicht allzu schwer schleppen müssen.«
Die drei ??? kletterten aus der Kaffeekanne, schnappten sich ihre Räder und radelten zum Schrottplatz. Doch als sie dort ankamen, war von Onkel Titus nichts zu sehen. Stattdessen empfing sie eine merkwürdige Gestalt, die aussah wie ein Geist. Sie tanzte unter einem weißen Bettlaken mit wilden Schreien über den Platz. »Juuuuu!«, rief das Wesen. Dann stieß es sich an einem der alten Schrottteile, die überall herumlagen. »Auuuu! Wo bissss … ach!«
»Was ist das denn?«, entfuhr es Justus. Er sprang vom Fahrrad. »Für die Geisterstunde ist es doch noch viel zu früh!« Bob und Peter kicherten.
Das allerdings schien das umherhüpfende Gespenst gar nicht komisch zu finden. »Justus Jonas!«, rief es plötzlich mit gellender Stimme. »Komm sofort her und hilf mir!«
Peter erstarrte. »Das ist kein Geist, Just! Der Stimme nach ist das … deine Tante Mathilda.«
Justus wurde rot. Er lebte, seit er fünf Jahre alt war und seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, bei seinem Onkel und seiner Tante auf dem Schrottplatz. Doch so weit er auch zurückdenken konnte, so seltsam hatte sich Tante Mathilda noch nie benommen. Entsetzt rief er: »Aber Tante Mathilda, was machst du denn da? Warum spielst du Gespenst?«
»Das tue ich ja gar nicht!«, jammerte seine Tante. »Ich wollte nur die Wäsche aufhängen. Aber der Wind hat mir das Laken über den Kopf geweht, und als ich versucht habe, mich daraus zu befreien, habe ich mich erst recht darin verheddert! Und daran ist nur dein Onkel schuld. Er hat nämlich den Beutel mit den Wäscheklammern so hoch im Kirschbaum aufgehängt, dass ich nicht drankomme. Aber jetzt helft mir endlich und befreit mich von dem Monstertuch!«
»Klar, Mrs Jonas!« Bob ließ sein Rad fallen und sprang zu dem großen, alten Kirschbaum, der direkt neben dem Wohnhaus stand. Tatsächlich hing dort an einem Ast ziemlich weit oben der Beutel mit den Wäscheklammern. Während Peter und Justus Tante Mathilda aus dem Laken wickelten, kletterte Bob auf den Baum und schnappte sich den Beutel.
»Uff!«, stöhnte Tante Mathilda, als sie frei war. »Gut, dass ihr gekommen seid!« Bob reichte Justus’ Tante den Klammerbeutel und half ihr, das Laken an der Leine zu befestigen. Dann eilte Tante Mathilda ins Haus zurück.
Im selben Moment kam ein Pick-up auf den Hof des Schrottplatzes gefahren. Am Steuer saß Onkel Titus, und auf der Ladefläche türmte sich ein Berg neuer Ankäufe. Besonders auffällig war eine mächtige alte Standuhr, die wie ein Turm aus dem bunten Sammelsurium in die Höhe ragte.
»Hallo Jungs!«, rief Onkel Titus und winkte fröhlich. »Gut, dass ihr da seid. Ich habe jede Menge Arbeit mitgebracht!«
Onkel Titus hatte nicht übertrieben. Er hatte auf der Versteigerung in Hollywood neben einer Menge ungewöhnlicher Kleinigkeiten mehrere alte Möbelstücke und eine gewaltige Standuhr ersteigert. Diese überragte sogar Peter, den größten der drei ???, um einige Köpfe. In ihrem Inneren schwang hinter einer hohen Glasscheibe ein gewaltiges Pendel. Daneben hingen an langen Ketten drei schwere Gewichte im Uhrenkasten. Das Ziffernblatt war mit römischen Zahlen von I bis XII golden belegt. Darüber saß ein schöner Mondphasenzeiger.
»Ist das nicht eine herrliche Uhr?« Onkel Titus sprang vom Laster und sah sich die Standuhr glücklich an. »Ich habe sie in einem schweren Ersteigerungskampf gegen andere Bieter preisgünstig erworben. Bitte, Jungs, hebt sie vorsichtig herunter und stellt sie so auf dem Schrottplatz auf, dass jeder Kunde sie sofort bemerkt. Sie ist ein herrlicher Blickfang!«
Justus, Peter und Bob kletterten auf die Ladefläche des Pick-up und machten sich daran, die schwere Standuhr vorsichtig von der Ladefläche zu heben. Sie wog mindestens 60 oder 70 Kilo.
»Uff!«, stöhnte Justus. »Onkel Titus, hättest du nicht lieber eine Taschenuhr kaufen können? Das ist ja ein Monstrum!«
»Ja, das alte Holz, die massiven Gewichte und das große Pendel machen sie so schwer«, rief Onkel Titus. Gutgelaunt lief er bereits mit einigen anderen Dingen zu seinem Schuppen, in dem er seine größten Kostbarkeiten aufbewahrte. »Passt gut auf, Jungs, dass nichts kaputtgeht.«
»Natürlich tun wir das, Mr Jonas!« Peter packte die Uhr noch etwas fester. Stöhnend und schwitzend schafften es die drei ??? schließlich, die alte Standuhr mitten auf den Schrottplatz neben einen alten Armsessel zu schleppen.
Doch kaum hatten sie das Riesending dort abgestellt, erschien Tante Mathilda auf der Veranda. »Jungs, was macht ihr denn da? Was ist das denn? Dieses Ding verschandelt ja den ganzen Schrottplatz!«
»Aber Tante Mathilda«, protestierte Justus, »die Uhr ist doch ein herrlicher Blickfang für unsere Kunden.«
Seine Tante starrte ihn an. »Blickfang? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Das ist das hässlichste Monster von Uhr, das ich jemals gesehen habe, und dein Onkel hat wahrhaftig schon viel scheußliches Zeug angeschleppt. Was hat er sich nur dabei gedacht, diesen schrecklichen Kasten zu kaufen? Den werden wir doch nie wieder los.«
In dem Moment kam Onkel Titus aus seinem Schuppen. Er hatte die letzten Worte seiner Frau gehört. »Aber natürlich werden wir das, Mathilda. Beruhige dich doch. Diese Uhr ist sehr begehrt. Schon auf der Versteigerung war eine Frau hinter ihr her, die ich nur knapp überboten habe.« Er wandte sich den drei ??? zu. »So, Jungs, und jetzt hätte ich noch eine Aufgabe für euch. Seid bitte so gut und …«
»… stellt diese Uhr sofort in die hinterste Ecke, neben das alte rote Plüschsofa, das auch keiner mehr will«, unterbrach ihn Tante Mathilda vehement. »Ich will dieses Monstrum auf keinen Fall vor Augen haben.« Justus, Peter und Bob schnappten nach Luft, aber Tante Mathilda stemmte die Arme in die Hüften. »Kein Wort mehr, sonst könnte mir einfallen, dass der Schrottplatz schon viel zu lange nicht mehr gründlich aufgeräumt worden ist. Und dazu wäre heute genau der richtige Tag.«
Die drei ??? sahen Hilfe suchend zu Onkel Titus hinüber, aber der winkte ab. Gegen Tante Mathildas Putzteufel-Attacken war kein Kraut gewachsen. »Macht lieber, was sie sagt«, flüsterte er. »Es tut mir leid, Jungs, aber da bin ich machtlos.« Er gab jedem der drei Freunde einen Dollar für ihre Arbeit und verschwand dann mit einer weiteren Ladung seiner Beute im Schuppen.