Impressum:

Casey-Stone.com

Wiesengrund 6

17207 Röbel/Müritz

Lektorat: KW Books

Korrektorat: KW Books, ICT

Covergestaltung: Nadine Kapp Designs

Bildnachweis für S.T.A.R.S., Matva, shutterstock.com, Casey Stone

Wappen: Ambassador80, MSSA, bigstockphoto.com

Cover Ebook: Jessi et Nono & STILLFX, shutterstock.com

Cover Print: Jessi et Nono, SevenMaps, Sonsedska Yuliia & STILLFX, shutterstock.com, Casey Stone

© Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783750489332

Der S.T.A.R.S. - Sammelband 2 ist ein fiktives Werk, welches in der aktuellen Zeit spielt und von der Realität inspiriert wurde. Ähnlichkeiten zu tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Die Namen, Charaktere und Geschichte wurden allein für Unterhaltungszwecke kreiert.

Markennamen und Warenzeichen, die eventuell in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer. Kopieren, Vervielfältigung, auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Autors.

© Casey Stone

2020

Alle Rechte vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über: www.dnb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Sam

Cat

Sam

Band 8 der S.T.A.R.S. - Reihe

Liebesroman von Casey Stone

Kurzbeschreibung:

Den jüngsten Kampfpiloten aller Zeiten, Sam Sheperd, empfängt das S.T.A.R.S.-Team mit offenen Armen. Neben seinen neuen Aufgaben als Bodyguard wartet allerdings noch eine ganz andere Herausforderung auf ihn: Dr. April Price. Diese hadert wie Sam mit der Vergangenheit, doch in ihm hat sie schnell mehr als einen Verbündeten im Kampf gegen Frustration, Intrigen und verflossene Liebhaber gefunden. Gemeinsam stürzen sie sich in ein Abenteuer voller Hindernisse und Gefahren.

Werden sie für den anderen alles riskieren?

Sam Sheperd

28, ehemaliger U.S. Air Force Kampfpilot & Navy Seal.

Status: Von seiner Ex angewiderter Single.

Priorisiertes Ziel: Job bei S.T.A.R.S.

Dr. April Price

32, Ärztin aus Leidenschaft.

Status: Von ihrem Ex angewiderter Single.

Priorisiertes Ziel: Kampf gegen Frustration.

Eine Chance.

Eine Begegnung.

Ein Ziel.

Ein romantisches, heißes und actiongeladenes Abenteuer.

S.T.A.R.S. - Sam

Prolog

Sam

Vor einigen Jahren:

»Tausendfünfhundert Fuß, steig aus!«, brüllt mir mein Wingman über Funk in die Ohren.

»Ich muss von den Bergen weg, dichter an die Basis«, antworte ich hochkonzentriert und mit klarer Stimme. Die F22 wird niemand vom Himmel holen, haben sie uns während des Simulator-Trainings für Notfälle immer wieder eingebläut. Bis vor wenigen Minuten glaubte ich noch daran, doch dann geriet ich unter feindlichen Beschuss, bei dem meine beiden Triebwerke wie ein Schweizer Käse durchlöchert wurden und vor wenigen Augenblicken ihren Dienst versagten.

»Unmöglich! Bis nach Masar sind es über einhundert Meilen!«

Ungeachtet der Meinung meines Wingmans, funke ich der Basis in Masare Scharif meine Position und gebe eine Schadensmeldung durch. Währenddessen leuchten die Anzeigen in meinem Cockpit in allen erdenklichen Farben auf.

»Raptor Ecco Two, aussteigen, aussteigen!«, teilt man mir klar und deutlich mit. »Wir schicken einen Rettungstrupp!«

Der Blick auf den Höhenmesser lässt einen heftigen Adrenalin-Schwall durch meinen Körper schwappen. Eintausend Fuß, das könnte knapp werden.

»Hoffentlich hat sich das Training gelohnt. Ich bin dann mal raus. Bis später, Partner«, funke ich, greife hinunter zum Auslöser des Schleudersitzes und ziehe kräftig daran. Ich spüre, wie die kleinen Raketen darunter gezündet werden und mich gen Himmel katapultieren.

Kapitel 1

Sam

Welcome to California

Noch zwanzig Meilen, dann bin ich endlich da, geht es mir unterwegs auf dem Highway One durch den Kopf. Einen Augenblick später meldet sich mein klingelndes Handy, auf dessen Display ich Mum lese.

»Hi, Mum. Ich bin fast da«, begrüße ich sie.

»Und ich dachte, dein Flieger wäre abgestürzt«, höre ich sie mit spitzem Unterton sagen. »Wir hatten ausgemacht, dass du dich nach der Landung meldest, Sam.«

»Ja, ich weiß, aber in L.A. war die Hölle los. Der LAX war brechend voll, ich hatte Probleme mit der Mietwagenfirma und auf den Straßen sah es nicht besser aus«, bemühe ich mich, mein Versäumnis des ich-bin-gut-angekommen-Anrufs zu erklären. Ich liebe meine Mutter, aber ich hasse es, mich ihr gegenüber rechtfertigen zu müssen.

»Ich meine es doch nur gut, Sam. Ist ein kurzer Anruf zu viel verlangt?«

»Nein, Mum, tut mir leid, ehrlich. Hör zu, ich bin noch auf dem Highway unterwegs und melde mich morgen, nach meinem Gespräch ...«

»Hoffentlich hast du dir das gut überlegt«, fällt sie mir schroff ins Wort. »Nur wegen Carrie hättest du nicht gleich das Land verlassen müssen.«

»Das Land? Ich bin immer noch in den Vereinigten Staaten.«

»Du weißt ganz genau, was ich damit meine. Du kannst nicht immer vor allem weglaufen«, rügt sie mich in strengem Tonfall.

»Ich laufe nicht weg. Du verlangst seit Jahren, dass ich mir einen Job suche, der weniger gefährlich ist. Jetzt kümmere ich mich darum, und trotzdem ist es dir nicht recht«, erwidere ich genervt.

»Und du tust das Richtige. Aber warum muss es ausgerechnet gleich die Westküste sein?«

»Weil der Firmensitz meines potentiellen neuen Arbeitgebers nun mal in Kalifornien ist. Ich kenne die Jungs, habe schon mit ihnen zusammengearbeitet und kann mir das für längere Zeit gut vorstellen.«

»Das glaube ich dir erst, wenn ich diese Firma persönlich kennengelernt habe.«

»Vielleicht später einmal. Ich muss weiter, Mum. Wir hören uns morgen«, fasse ich mich kurz, weil mir die ewigen Diskussionen zum Hals heraushängen. »Richte Dad Grüße von mir aus.«

»Wenn dein Vater hier wäre, könntest du ihm die selbst ausrichten, aber er arbeitet wieder einmal länger, als er muss.«

Obwohl sie es nicht sehen kann, verdrehe ich völlig genervt die Augen.

»Bis morgen«, verabschiede ich mich und lege rasch auf. Vor ein paar Monaten verlor sie ihren Job bei einer großen Versicherungsgesellschaft und ist seitdem sehr empfindlich geworden. Wenige Tage nach der Kündigung fing sie an, bei jeder Kleinigkeit zu diskutieren. Banalitäten wie mein ungewaschenes Auto wurden in ewig langen Vorträgen analysiert und bewertet. Damit machte sie nicht nur mich verrückt, sondern auch meinen alten Herrn. Mir ist schon klar, warum er in letzter Zeit häufig länger arbeitet.

»Den Highway in einer Meile verlassen und links abbiegen. Danach nächste rechts abbiegen, in die Pacific Street«, meldet das Navigationssystem. Ich folge der Anweisung und treffe wenig später in Monterey ein.

Der erste Eindruck ist ganz okay. Palmen wechseln sich mit Laub- und Nadelbäumen ab und auf den Straßen ist so früh am Abend schon kaum mehr etwas los. Obwohl ich bei den Navy Seals zuletzt in Coronado, in unmittelbarer Nachbarschaft zu San Diego, stationiert war, bin ich in Kalifornien nie weiter als Malibu gekommen. Somit bin ich zum ersten Mal in dieser Gegend und lasse sie auf mich wirken. Hier ist der Hauptsitz der Firma, bei der ich anheuern will: S.T.A.R.S. Mit zwei der drei Geschäftsführer Stone und Zero hatte ich vor ein paar Jahren bei einem Einsatz in Mexiko zu tun. Die Jungs waren locker drauf und haben extrem präzise gearbeitet. Eigenschaften, mit denen ich mich selbst gut identifizieren kann. Nachdem ich mich dazu entschieden hatte, die Navy zu verlassen und etwas anderes zu machen, empfahl mir mein Vorgesetzter, Kontakt mit Hunter Stone aufzunehmen. Er ließ mir dessen Telefonnummer zukommen, woraufhin ich ihn letzte Woche anrief. Ich bin noch nicht sicher, was mich hier erwarten wird, dennoch freue ich mich auf neue Herausforderungen und vor allem über den Ortswechsel, den ich so dringend brauche.

Als die Stimme des Navigationsgerätes das Ende meiner Reise verkündet, stelle ich den Mietwagen am Straßenrand ab und sehe mich um. Dabei höre ich das Meer rauschen, das ich rechts von mir ausmache. Auf der anderen Straßenseite befindet sich ein Bürokomplex, neben dessen Eingang ich das Schild mit der Aufschrift S.T.A.R.S. entdecke. Hier bin ich richtig! Stone sagte, ich solle mich im ersten Stock am Empfang melden. Dort würde man mir einige Papiere aushändigen und meine Übernachtungsmöglichkeit zeigen.

Gegenüber befindet sich das Monterey Bay Inn, vielleicht bin ich ja dort untergebracht? Mit diesem Gedanken steige ich aus und gehe hinüber zum Eingang. Ich drücke auf den Klingelknopf und warte.

»Ja, bitte, Sie wünschen?«, erklingt eine freundliche Frauenstimme.

»Sam Sheperd. Ich soll mich bei Ihnen melden.«

»Oh, hallo, Mr. Sheperd. Herzlich willkommen. Haben Sie gar kein Gepäck dabei?«

Gepäck? Woher weiß sie davon? Bei genauerer Betrachtung des Eingangsbereichs fallen mir zwei Überwachungskameras auf, die links und rechts über mir in den Ecken angebracht sind.

»Ist noch im Wagen«, antworte ich und lächle.

»Sie können es gerne schon mitbringen.«

»Okay. Bin in einer Minute wieder da.« Also zurück zum Auto und meine persönlichen Sachen eingesammelt.

Als ich zum Hauseingang zurückkehre, erwartet mich dort eine adrett gekleidete brünette Frau, die in meinem Alter sein muss.

»Hallo, Sam, ich bin Stacy«, stellt sie sich mit ausgestreckter Hand und einem charmanten Lächeln vor. »Du kannst mich gerne duzen.«

»Hallo, Stacy«, erwidere ich und ergreife ihre zarte Hand.

»Wie war die Reise?«

»Anstrengend. In L.A. herrscht das reinste Chaos.«

»Das kann ich mir gut vorstellen. Aber jetzt hast du es geschafft und hier geht es auf den Straßen gemächlicher zu.«

Während sie noch im Türrahmen steht, überreicht sie mir eine Chipkarte und erklärt mir wie ich diese zu nutzen habe, dann bittet sie mich hinein. Ich folge ihr über einen kleinen Flur und eine Treppe hinauf zur ersten Etage.

»Hinter dieser Milchglasscheibe befindet sich unser Büro. Mit deiner Chipkarte kommst du auch hier rein. Ich bin regulär von morgens um sieben bis nachmittags um vier hier«, informiert mich Stacy.

»Dann schiebst du heute wegen mir Überstunden?«, frage ich lächelnd nach, weil es schon recht spät ist und bald die Sonne untergehen müsste.

»Im Moment gibt es viel zu tun, also arbeite ich nicht nur wegen dir länger«, erwidert sie zuckersüß.

Die Kleine ist wirklich nett und charmant. Immer wieder lächelt sie mich mit funkelnden Augen an. Reiß dich zusammen, ermahne ich mich im Stillen.

Anstatt das Büro zu betreten, gehen wir gleich weiter, noch eine Etage nach oben, bis wir vor einer Tür, auf der ein in aussagekräftigen Buchstaben gehaltener Schriftzug Privat prangt, stehen bleiben.

»Dein Apartment für die nächsten beiden Tage«, meint Stacy, hält ihre Chipkarte an ein kleines graues Feld und öffnet die Tür.

»Der Kühlschrank ist aufgefüllt. Sollte irgendetwas fehlen, lass es mich bitte wissen. Falls du ein gutes Restaurant oder einen hübschen Ort für ein Feierabendbier suchst, findest du auf der Cannery Row, bis zum Aquarium mehrere Restaurants, Cafés und Bars.«

»Sehr nett, vielen Dank«, sage ich und möchte gleich noch etwas wissen. »Duzen sich im Team alle untereinander?«

»Selbstverständlich. Das ist sogar eine unserer Regeln.«

»Oh, gut zu wissen.«

Abermals schenkt sie mir dieses Lächeln, das schon beinahe verführerisch ist. Mir ist auch nicht entgangen, wie sie mich immer wieder von Kopf bis Fuß gemustert hat. Wenn sie nicht bei meinem möglichen neuen Arbeitgeber angestellt wäre und ich endlich die ganze Misere mit meiner Ex vergessen könnte, würde ich sie glatt fragen, ob sie nach ihrem Feierabend noch etwas mit mir trinken geht. Doch unter den gegebenen Umständen sollte ich mich zurückhalten. Hier geht es einzig und allein darum, diesen Job zu bekommen, um so den Grundstein für einen neuen Lebensabschnitt zu legen.

»Sam?«, fährt Stacy in meine Gedanken.

»Ja, entschuldige. Was hast du gesagt?«

»Ich muss noch ein paar Unterlagen fertigstellen und dann bringe ich dir deine.«

»Okay«, gebe ich knapp von mir. Sie lächelt, dreht sich um und geht die Treppe hinunter. Aber nicht, ohne mir noch einmal diesen interessierten Blick zuzuwerfen.

Ich sollte in die Dusche steigen, eine Kleinigkeit essen und mich für den morgigen Termin ordentlich ausschlafen. Mit diesem Gedanken trete ich ins Apartment und schließe die Tür hinter mir. Nachdem ich meine Tasche abgestellt habe, sehe ich mich in aller Ruhe erst einmal um. Das Bad ist klein, aber völlig ausreichend. Der Wohnbereich wirkt durch die deckenhohen Fenster sehr hell. Daneben befindet sich, durch einen langen Tresen abgeteilt, die offene Küche. Zu guter Letzt finde ich mich in einem großzügigen Schlafraum mit Kingsize Bett und Aussicht aufs Meer wieder. Draußen rundet ein durchgehender Balkon bis zum Wohnbereich dieses edle Apartment ab. Alles wirkt neu und ist sehr modern. Dem Unternehmen scheint es gut zu gehen.

Für einen Moment blicke ich aus dem Fenster und betrachte die wunderschöne Landschaft, die mich an das Telefonat mit Stone erinnert, als er sagte, Monterey und Umgebung würde mir sicher gefallen. Einmal Kalifornien, immer Kalifornien, lauteten seine abschließenden Worte.

Nachdem ich den wundervollen Ausblick für einen Moment genossen habe, gehe ich ins Bad und gönne mir eine erfrischende Dusche. Gerade als ich damit fertig bin, klopft es an der Tür.

»Sekunde!«, rufe ich hinaus. Rasch schnappe ich eines der Handtücher und wickle es um meine Taille. »Das ging aber schnell«, sage ich zu Stacy, als ich ihr die Tür geöffnet habe und sie direkt vor mir steht.

»Ähm, ja, irgendwann muss ich auch mal fertig werden, sonst ist das Wochenende viel zu kurz«, bringt sie nach einer Sekunde des Zögerns mit flüchtigem Blick auf meinen nackten Oberkörper hervor. Ihre Hand zittert, was mir die Unterlagen, die sie darin hält, verdeutlichen. Sie ist wohl etwas nervös.

»Das sind die Papiere, von denen du vorhin gesprochen hast?«

»Ja, genau. Lies sie dir bitte durch und wenn du dazu Fragen hast, notiere sie. Die Chefs werden dir morgen alle offenen Punkte beantworten und ausführlich erklären«, informiert sie mich und reicht mir die Unterlagen, samt einer Visitenkarte. »Hast du alles, was du benötigst, oder soll ich mich noch um etwas kümmern?«

Geh mit mir aus, schießt es mir in den Kopf, doch ich bringe diesen Wunsch nicht über die Lippen.

»Passt alles. Vielen Dank, Stacy.«

»Sehr gerne, Sam. Dann wünsche ich dir einen schönen ersten Abend in Monterey. Noch einmal herzlich willkommen.«

»Danke. Dir einen angenehmen Feierabend.« Lächelnd fährt sie herum und geht langsam die Treppe hinunter. Dabei schaut sie mir, wie schon vorhin, über ihre Schulter hinweg, direkt in die Augen.

»Stacy?« Sie bleibt sofort stehen, dreht sich ein wenig weiter zu mir um und lächelt noch ein wenig mehr. Ich möchte sie liebend gern auf einen Drink einladen, mache dann aber erneut einen Rückzieher. »Vielen Dank für den sehr herzlichen Empfang.«

»Gern geschehen. Wenn du etwas brauchst, ruf mich einfach an. Meine Handynummer steht auf der Visitenkarte. Ruh dich aus, morgen hast du vielleicht einen langen Tag vor dir. Bye.« Sie winkt kurz zum Abschied und geht dann. Ich schließe die Tür, lege die Unterlagen auf dem Esstresen ab und kehre ins Bad zurück.

Nachdem ich erfrischt bin und mich wohler fühle, riskiere ich einen Blick in den Kühlschrank, der in der Tat randvoll ist. Ich picke mir einige Leckerbissen heraus, schnappe mir ein Bier und lasse mich draußen auf dem Balkon in den gemütlichen Rattansessel nieder. Hier kann ich mich während des Abendessens durch die Papiere arbeiten. Darin wird im Wesentlichen erläutert, wie das Kerngeschäft aussieht, um welche Klientel es sich handelt und was ungefähr auf mich zukommen wird. Klingt alles sehr gut, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Um noch etwas mehr zu erfahren, greife ich zu meinem Handy und logge mich mit den erhaltenen Zugangsdaten im Mitarbeiterbereich auf der Internetseite ein. Dort entdecke ich den Hinweis auf das fünfjährige Bestehen am morgigen Tag. Gefühlt war unser gemeinsamer Einsatz in Mexiko erst letzte Woche. Wie schnell doch die Zeit vergeht!

Ich richte meinen Blick hinaus aufs Meer und drifte - mit der Geräuschkulisse von kreischenden Möwen und jaulenden Seelöwen sowie der salzigen Luft in der Nase – gedanklich zu meinem Auftrag mit den Jungs ab. Der müsste jetzt gut sechs Jahre her sein. Je mehr ich darüber grübele, desto mehr gefällt mir der Gedanke, hier zu arbeiten und zu leben. Ich bin an der Ostküste aufgewachsen und durch meine zahlreichen und unterschiedlichen Einsätze sehr viel herumgekommen, aber Kalifornien war nur bei meiner Stationierung in Coronado ein Thema. Vielleicht ist es, gerade nach den Turbulenzen der vergangenen Monate, der richtige Ort für einen Neuanfang. Mum wird es nicht gefallen, so viel hat sie ja bereits durchklingen lassen. Dad schien, als wir ausführlich darüber sprachen, damit kein Problem zu haben und riet mir lediglich, wichtige Entscheidungen mindestens eine Nacht zu überschlafen. Dieser Rat erscheint mir im Moment die vernünftigste Lösung zu sein. Deshalb trinke ich in aller Ruhe mein Bier aus und genieße den tollen Ausblick.

Am nächsten Tag bin ich bereits bei Sonnenaufgang wach und absolut fit. Die Nacht war erstaunlich ruhig, ich konnte komplett durchschlafen. Das gab es in den vergangenen Wochen nicht sehr häufig. Ich deute das als gutes Zeichen.

Weil ich meinen Termin mit den S.T.A.R.S.-Geschäftsführern erst in zwei Stunden habe, beschließe ich, eine Runde joggen zu gehen und zu trainieren. Genau das habe ich in letzter Zeit etwas schleifen lassen, was sich ab sofort ändern soll. Monterey scheint der perfekte Ort dafür zu sein. Deshalb mache ich mich kurz entschlossen auf den Weg; immer an der Küste entlang. Bei dieser Gelegenheit kann ich mir gleich noch die Gegend etwas genauer anschauen.

Später stehe ich vor dem Büro und hole noch einmal tief Luft. Das hier ist meine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen sollte. Fest entschlossen, mir diesen Job zu holen, halte ich die Chipkarte an den Leser und trete ein. Zu meiner Überraschung sitzt nicht Stacy am Empfangstresen, sondern eine blonde Polizistin.

»Guten Morgen, Sam«, begrüßt sie mich freundlich.

»Guten Morgen, Officer. Bin ich im falschen Büro gelandet?«, erkundige ich mich vorsichtig und sehe den Cop daraufhin schon lächeln.

»Nein, nein, du bist richtig. Ich muss nachher gleich zum Dienst, wollte mir aber das Gespräch mit dir nicht entgehen lassen. Deshalb die Uniform«, erklärt die Lady grinsend. »Ich bin Julie Wilder.«

»Die Geschäftsführerin«, erwidere ich und reiche ihr zur Begrüßung die Hand.

»Freut mich dich kennenzulernen. Komm, lass uns gleich nach nebenan gehen.«

Ich folge ihr in den angrenzenden Raum, wo ich auf Stone und Zero treffe, die nebeneinander an einem großen runden Tisch sitzen und sich beraten.

»Jungs, wo bleibt euer Benehmen? Wir haben einen Gast«, weckt Julie die Aufmerksamkeit der beiden.

»Sam! Schön, dass du es zu uns geschafft hast. Herzlich willkommen in Monterey!«, begrüßt mich Stone überschwänglich. Er und Zero erheben sich, sodass auch wir uns händeschüttelnd begrüßen können.

»Lange her und ich freue mich, heute hier sein zu dürfen.«

»Wir sind sehr gespannt auf dich. Nimm bitte Platz. Kann ich dir einen Kaffee oder etwas anderes anbieten?«, erkundigt sich Julie.

»Ein Glas Wasser, vielen Dank.« Sie greift zur Tischmitte, wo schon alles bereitsteht, und schenkt mir ein Glas ein.

»Danke, Julie.«

»Wie war die Reise?«, möchte Stone wissen.

Nach meinem kurzen Abriss zur stressigen Anreise kommen die Jungs gleich zum Punkt. Ich hatte ihnen einen kleinen Lebenslauf zugemailt, den sie nun vor sich liegen haben.

»Ausbildung bei den Marines, jüngster F22-Kampfpilot in der Geschichte der Air Force und Navy Seals. Beeindruckende Karriere, wenn man bedenkt, dass du erst achtundzwanzig bist. Respekt!«, äußert sich Stone beeindruckt. »Damals, nach Mexiko, hatten wir leider zu wenig Zeit, uns richtig kennenzulernen, und jeder von uns hat sich gefragt, was du außer Bier holen noch kannst«, fügt er scherzend hinzu.

»Hunter, bleib bei der Sache«, ermahnt ihn Julie mit einem Augenzwinkern.

»Natürlich, Chefin. Also, Sam, du bist weit rumgekommen, hast viel gesehen und erlebt. Hast du keine Bedenken, dass es dir bei uns schnell langweilig wird? Ich meine, wir können dir keinen Schleudersitz anbieten, schicken dich auch nicht in andere Länder, oder lassen dich mit einem Scharfschützengewehr rumballern ... Okay, das vielleicht doch, aber nicht zu oft. Ganz im Gegenteil, wenn du Pech hast, darfst du eine Woche lang einen Politiker von A nach B kutschieren.«

»Ich bin mir der Veränderung bewusst und sehe die neuen Aufgaben als Herausforderung an. Dieser Job ist sehr abwechslungsreich und ich habe kein Problem damit, jeden Tag etwas anderes zu machen. Davon mal abgesehen, finde ich es beeindruckend, was ihr euch aufgebaut habt. Ich wäre gern ein Teil dieses Teams«, erkläre ich.

»Du bist sehr gut vorbereitet«, merkt Julie mit einem Lächeln an.

»Du warst schon einmal Teil dieses Teams, auch wenn wir nur kurz miteinander gearbeitet haben. Und ich spreche auch für Zero, wenn ich sage: Du warst verdammt gut und hast damals Eindruck hinterlassen.«

»Danke, Hunter.« Anerkennend nicken er und Zero mir zu. Letzterer ist noch genauso wie damals - sehr schweigsam.

»Es ist eine sehr persönliche Frage, auf die du nicht antworten musst, sofern du nicht möchtest. Wie sehen deine Familienverhältnisse aus?«, fährt er fort.

»Mum ist seit einigen Monaten auf der Suche nach einem neuen Job. Dad ist Ingenieur in der Automobilbranche. Solides Elternhaus, Einzelkind, Single, keinerlei Verpflichtungen«, antworte ich, weil ich glaube zu wissen, worauf die Frage abzielt.

»Hahhh! Ich wusste es«, sagt Stone und haut mit der flachen Hand auf den Tisch. Zero schaut etwas zerknirscht, kramt dann aber in seiner rechten Hosentasche und reicht seinem Partner kurz darauf einen zehn Dollar-Schein.

»Ihr Jungs seid einfach unmöglich«, moniert Julie mit einem amüsierten Unterton in der Stimme. »Es war doch klar, dass er diesen Test bestehen wird, ansonsten wäre die weite Reise doch völlig umsonst gewesen.«

»Test?«, frage ich irritiert nach.

»Hunter und Zero haben gewettet, ob du Single bist und dich auf Stacy einlässt. Nimm es ihnen nicht übel. Wenn die großen Jungs nicht spielen können, geht es Ihnen schlecht«, lautet die Erklärung, die mich soeben in meiner gestrigen Zurückhaltung gegenüber Stacy bestätigt.

»Ihr seid noch genauso cool drauf wie damals.«

»Und das werden wir hoffentlich noch lange bleiben«, erwidert Stone und erhebt sich kurz, um mit mir abzuklatschen. Zero tut es ihm gleich, woraufhin alle herzhaft zu lachen anfangen.

»Wenn das bei euch immer so zugeht, möchte ich gerne sofort anfangen«, lehne ich mich weit aus dem Fenster. Daraufhin schauen sich die drei abwechselnd an.

»Du meinst es ernst?«

»Absolut, Hunter.«

»Und du weißt, worauf du verzichtest? Geregelte Arbeitszeiten, ständige Clubbesuche, Autos, Geld«, fährt er grinsend fort.

»Wenn das die Opfer sind, die ich für diesen Job bei und mit euch bringen muss, dann soll es so sein.« Für einen Moment schweigen wir uns an, bis er eine Mappe öffnet und kurz darauf blickt.

»Heute Abend feiern wir im Cypress Point Golfclub in Pebble Beach unser fünfjähriges Jubiläum und wir hätten dich gerne dabei. Du kannst reinschnuppern, dich ein wenig mit unserer Arbeit vertraut machen und wenn es dir gefällt, sprechen wir morgen beim Lunch über alles Weitere. Was sagst du dazu?«

»Ich muss mir ganz dringend noch einen feinen Anzug kaufen«, antworte ich selbstsicher.

»Gute Antwort«, lobt Stone. »Du kannst gerne schon mal einen Blick in den Arbeitsvertrag werfen. Wir lassen ihn auf dem Tresen im Vorzimmer liegen, hol ihn später einfach ab. Kreuz alles Unklare an und wir reden darüber.«

»Alles klar, wird erledigt«, stimme ich zu. »Ich freue mich auf den Abend.«

»Briefing um siebzehnhundert hier.«

»Schatz, du hast eine Sache vergessen«, meldet sich Julie zu Wort.

»Ach ja, das Wichtigste überhaupt: Medizinischer Check-up bei unserem Betriebsarzt. Spricht von deiner Seite etwas dagegen?«

Solche Tests bin ich von den Marines, der Air Force und den Seals gewöhnt, deshalb verneine ich die Frage ganz klar.

»Sehr gut. Julie nimmt dich gleich mit, und wir sehen uns dann später wieder hier«, meint Stone und erhebt sich.

»Danke für die Chance.«

»Wir danken dir, dass du den weiten Weg auf dich genommen hast.«

Nachdem wir uns alle die Hände geschüttelt haben, verabschiede ich mich für den Moment. Anschließend bittet mich Julie, ihr zu folgen.

»Gut gemacht«, äußert sie lobend, auf dem Weg nach unten. »Die Jungs setzen große Hoffnungen in dich.«

»Wie kommt es denn dazu?«, hinterfrage ich neugierig.

»Du glaubst nicht, wie schwer es ist, wirklich gute Mitarbeiter zu finden. Bei uns bewirbt sich so ziemlich alles, was auch nur für wenige Wochen bei der Army war. Neun von zehn Bewerbern schaffen es erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch. Viele haben ein völlig falsches Bild vom Job des Bodyguards«, berichtet sie, während wir das Gebäude verlassen.

»Dann kann ich nur hoffen, der zehnte Bewerber zu sein, der dann angenommen wird.«

»Deine Chancen stehen gut, Sam. Ihr habt schon einmal zusammengearbeitet. Dein größter Pluspunkt. Außerdem mögen dich die Jungs. Wenn nichts schiefgeht und du später mit dem Vertrag einverstanden bist, sollte deiner Anstellung nichts im Wege stehen. Aber psst, kein Wort davon zu ihnen.«

»Ich schweige wie ein Grab«, beteuere ich mit erhobener Hand und bringe Julie damit zum Lachen.

»Guter Junge. Steig ein«, bittet sie. Gerade als ich die Hand an den Türgriff eines schwarzen Jeeps lege, höre ich einen Hund bellen. Ein bedrohliches Bellen, welches lauter wird, als Julie die Fahrertür öffnet.

»Aus, Hero!«, sagt sie laut und deutlich. Eine Sekunde später gibt der Hund keinen Laut mehr von sich. »Lass uns fahren.«

Unterwegs zum Betriebsarzt beeindruckt sie mich mit ihrem umfangreichen Wissen über Monterey und der näheren Umgebung. Als wäre sie früher Tour-Guide eines Reiseveranstalters gewesen.

Da der Weg zum Doc nur ein paar Minuten lang ist, hoffe ich, wir werden später noch etwas Zeit zum Reden haben.

Kapitel 2

April

Der Neue im Team

Wütend gehe ich in meiner Praxis auf und ab. »Dieser verdammte Arsch«, fluche ich aufgebracht vor mich hin. »Ihm hätte doch klar sein müssen, dass es früher oder später herauskommt.« Genervt und frustriert bleibe ich am Empfangstresen stehen. Meine Selbstgespräche bringen mich auch nicht weiter. Ich muss mich konzentrieren, denn mein lieber Freund Hunter hat dafür gesorgt, dass ich am Samstagmittag arbeiten muss. Warum habe ich dieser medizinischen Untersuchung nur zugestimmt? Ach ja, ich wollte mich ablenken, damit ich weniger an meinen bescheuerten Ex-Freund denken muss. Außerdem haben wir einen Deal, dass ich die betriebsärztlichen Untersuchungen für S.T.A.R.S. übernehme, weil die drei Chefs mir vertrauen und wissen, dass ich eine gute Ärztin bin.

»Ich bin selten dämlich!«

»Ähm, mit wem redest du?«, erklingt Julies Stimme hinter mir.

»Ach, nur mit mir selbst. Bitte ignorier es einfach«, sage ich und wende mich ihr zu. »Hi, Julie.«

»Hey, Süße. Du siehst traurig aus. Was ist passiert?«

»Glaub mir, mein Leid willst du nicht geklagt bekommen«, lehne ich ihr Angebot, mir zuzuhören, ab.

»Quatsch! Dafür sind Freundinnen doch da. Mach es nur kurz, dein Termin wartet draußen«, äußert sie mit einem schelmischen Grinsen.

Vielleicht hilft es für den Moment, wenn ich einfach ein wenig Dampf ablassen kann.

»Es geht um Professor Dr. Arsch«, beginne ich.

»Will er dich doch wieder zurück?«, platzt es neugierig aus meiner Freundin heraus.

»Nein, und selbst wenn, könnte er dahingehen, wo die Sonne niemals scheint.«

»Du hast dich vor drei Monaten von ihm getrennt. Warum bist du noch so sauer auf ihn?«

»Weil ich gestern Abend, als ich eine Patientin ins Krankenhaus gebracht habe, davon erfuhr, dass er mit dieser Zicke von Krankenschwester seit fast einem Jahr etwas am Laufen hat. Obwohl er es damals vehement bestritt, hat mein Gefühl mich nicht getäuscht, und nun wurde es bestätigt. Manche Erkenntnisse können verdammt wehtun«, gestehe ich, während Julie mitfühlend ihre Arme um mich legt.

»Es braucht seine Zeit, bis du darüber hinweg bist, und vielleicht kann ich diese Zeit ein klein wenig verkürzen«, lassen mich ihre Worte aufhorchen. Sie löst sich von mir und geht zur Tür, öffnet sie aber nicht.

»Wie willst du das denn anstellen?«, hinterfrage ich neugierig.

»Warte ab. Er ist jung, heiß, und das Beste, er ist Single«, sagt sie sichtlich amüsiert.

»Du willst mich mit eurem Neuzugang verkuppeln?«

»Wenn das bedeutet, dich endlich wieder lachen zu sehen, werde ich genau das tun, April.«

»Wie jung?«, möchte ich gerne wissen.

»Fünf Jahre jünger als du«, lautet die Antwort, die mir nicht gefällt, was ich Julie mit einem deutlichen Kopfschütteln signalisiere.

»Ich brauche keinen zweiten Nathan«, lehne ich entschieden ab.

»Professor Dr. Arsch ist zehn Jahre älter als du und keinen Deut besser gewesen als Nathan. Das Alter ist nicht entscheidend. Vielleicht vergisst du deine Verflossenen für einen Moment und schaust dir den Neuen erst einmal an. Eine richtige Sahneschnitte. Falls du ihn dann immer noch verschmähst, sag mir Bescheid, ich nehme ihn gerne.«

»Das würdest du Hunter niemals antun!«, äußere ich gespielt entsetzt, kann mir dabei aber ein Lachen nicht länger verkneifen.

»Hunter wird es verstehen und du kannst es nur verhindern, wenn du dir den Süßen schnappst«, albert sie weiter herum. »Ich mach doch nur Spaß, und schicke ihn dir jetzt rein. Bis später, Süße.«

»Aber, Julie!«, rufe ich ihr noch nach, doch diese ignoriert mich geflissentlich. Sie lässt die Tür einen Spalt weit offen, sodass ich wenig später höre, was sie mit dem Neuling bespricht: »Dr. Price kümmert sich um alles. Wenn du fertig bist, ruf mich an.«

»Werde ich. Danke, Julie«, erklingt eine sehr angenehme und ruhige Männerstimme.

»Bis später.«

Ich höre Schritte ... er kommt! Plötzlich bin ich verunsichert. Hat Julie mich nur auf den Arm genommen oder meint sie es wirklich ernst? Wie ein aufgescheuchtes Huhn laufe ich in mein Büro, um mich kurz im Spiegel zu betrachten. Meine Haare sehen fürchterlich aus und kleine Ringe klaffen unter meinen Augen.

»Wenn das ein Scherz war, sprechen wir uns später, Julie«, rede ich mit meinem Spiegelbild.

»Hallo? Dr. Price?«, höre ich ihn nach mir rufen. Hastig streiche ich mir durchs Haar, um es irgendwie zu bändigen.

»Ich bin gleich da!«, lasse ich ihn wissen. Nach einem tiefen Atemzug schnappe ich mir einen Haargummi von meinem Schreibtisch und verlasse den Raum. Auf dem Weg nach vorne binde ich meine braune Mähne zu einem Pferdeschwanz zusammen. Kaum bin ich um die letzte Ecke zum Empfang gegangen, bleibe ich schlagartig stehen und begutachte den jungen Mann, der in einen grauen Anzug gehüllt ein paar Armlängen von mir entfernt dasteht und sich umblickt. Julie hat wahrlich nicht übertrieben, ist mein erster Gedanke, gefolgt von, konzentrier dich und mach deinen Job.

Als er mich entdeckt, zieht ein leichtes Lächeln über seine Lippen und dennoch wirkt er überrascht. Schnell überbrücke ich die verbliebene Distanz zwischen uns und reiche ihm eine Hand. »Ich bin Dr. April Price, Allgemeinmedizinerin, Schwerpunkt innere Medizin und die S.T.A.R.S.-Betriebsärztin«, stelle ich mich höflich vor. Er ist genauso groß wie ich, hat kurze blonde Haare, stahlblaue Augen und breite Schultern. Weder das eine noch das andere hatten Nathan oder Alan, ergo hatte Julie recht. Sahneschnittenalarm!

»Sam Sheperd«, erwidert er knapp, während er behutsam meine Hand ergreift und sie leicht schüttelt. Seine ist ganz warm und fühlt sich angenehm weich an.

»Freut mich. Ist alles okay?«, frage ich, weil er mich ein wenig verdutzt ansieht.

»Ich bin nur etwas überrascht, weil es Betriebsarzt hieß«, antwortet er leise.

Hunter, du altes Schlitzohr!, denke ich. Hat er den Neuling absichtlich im Unklaren gelassen, dass ich eine Frau bin?

»Ich kann meinen Kollegen anrufen, der mich gerne vertritt«, biete ich meinem Patienten lächelnd an.

»So war das nicht gemeint, Dr. Price, bitte entschuldigen Sie.«

»Oberste Regel, im Team wird sich geduzt«, imitiere ich Hunters Stimme. Dazu reiche ich dem heißen Kerl noch einmal meine rechte Hand. »Nenn mich bitte April.«

»Sam, sehr erfreut, April.«

»Sehr gut. Jetzt, da das geklärt ist, können wir gleich anfangen. Lies dir diesen Anmeldebogen bitte gut durch und unterschreibe ihn. Und hier ist noch ein zweiter Bogen, den du nur unterzeichnest, wenn du damit einverstanden bist, dass ich Hunter beziehungsweise die S.T.A.R.S.-Geschäftsführung über die Ergebnisse deiner medizinischen Untersuchung informieren darf. Dieses Formular gilt auch nur einmalig. Kann ich dir in der Zwischenzeit etwas zu trinken anbieten? Kaffee oder Wasser?«

»Gerne ein Glas Wasser«, antwortet er lächelnd.

»Kommt sofort. Nimm bitte einfach Platz«, sage ich und deute mit der rechten Hand auf die beiden Stühle neben der Eingangstür.

Hinten, in unserer kleinen Praxisküche, schenke ich meinem Patienten ein Glas Wasser ein und schalte die Kaffeemaschine an. Während meine Tasse langsam gefüllt wird, ziehe ich mein Handy aus der linken Kitteltasche, um Julie schnell eine Nachricht zu schreiben.

»Du hattest recht! Auf den ersten Blick ist er ein sehr hübscher und äußerst attraktiver junger Mann. Den überlasse ich dir auf keinen Fall. XOXO April.«

Als meine Tasse voll ist, kehre ich zum Empfang zurück. Sam sitzt auf einem Stuhl und grübelt über dem Papierkram. »Kann ich dir behilflich sein?«, erkundige ich mich vorsichtig.

»Ich bin erst gestern Abend hier angekommen und habe noch keine Adresse.«

»Trag einfach die Firmenzentrale ein. 201 Cannery Row, Monterey 93940.«

»Super, danke.«

»Nicht der Rede wert. Dein Wasser«, sage ich und überreiche ihm das Glas. Er leert es in einem Zug. Solange er die Papiere ausfüllt, nehme ich hinter dem Tresen Platz, nippe an meiner Kaffeetasse und riskiere den einen oder anderen Blick auf diesen wirklich attraktiven Mann. Bei allem, was mein Freund Hunter mir schon für Typen geschickt hat, ist dieses Exemplar eine Augenweide.

»Dann wäre ich so weit fertig«, meldet sich Sam einige Augenblicke später, als er mir die Formulare reicht. Beide sind unterschrieben. Ich überfliege seinen Anmeldebogen - keine chronischen oder bekannten Erkrankungen, keine Allergien, das sieht schon einmal sehr gut aus!

»In Ordnung. Bitte folge mir.« Ich führe ihn in Sprechzimmer eins, wo ich ihn bitte, sein Jackett und das Hemd auszuziehen. In der Zwischenzeit nehme ich mein Stethoskop zur Hand und klappe eine kleine Tafel für den Sehtest auf. Als ich mich umdrehe, stockt mir kurz der Atem. Dafür ist aber nicht sein muskulöser, ausgeprägter Oberkörper der Grund, sondern vielmehr die beiden etwa fünfundvierzig Zentimeter langen Narben, die sich wie Streifen unterhalb seines linken Schlüsselbeins, über das Herz, bis hin zu seinem Sixpack ziehen. Ich überlege, ihn darauf anzusprechen, entscheide mich dann jedoch dagegen.

»Mit geöffnetem Mund tief ein- und ausatmen«, bitte ich ihn stattdessen. Er folgt meiner Anweisung, sodass ich ihn mit meinem Stethoskop abhören kann. Dabei nutze ich die Gelegenheit, mir seine Narben etwas genauer anzuschauen. Sie sehen aus wie Brandwunden. Als ich mehrmals darüber gleite, zeigt er keinerlei Reaktion.

»Sehr schön. Bitte umdrehen und das Ganze wiederholen«, fordere ich ihn leise auf. Sam gehorcht, vollzieht eine Drehung und sorgt abermals dafür, dass mir der Atem stockt. Auf seinem Rücken befinden sich noch viel mehr dieser Narben. Beim Abhören zähle ich insgesamt zwölf und alle sehen aus wie ein X. Sie gehen von der linken Schulter, runter, über Wirbelsäule bis zur rechten Niere und umgekehrt. In diesem Moment kann ich nicht mehr anders und frage ihn, während ich über eine der Narben streiche: »Was ist da passiert?« Überraschenderweise fährt er zusammen und entfernt sich eine Armlänge von mir.

»Kriegsverletzung, nicht weiter wild«, beantwortet er meine Frage.

»Es sind so viele.«

»Bitte stell keine Fragen dazu und mach einfach weiter. Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du in deinem Bericht für Hunter nichts davon erwähnst«, bittet er mit ruhiger und sanfter Stimme.

Ich frage mich, was ihm zugestoßen ist, und versuche auf anderem Wege an mehr Informationen zu kommen. »Erzähl mir von deiner bisherigen beruflichen Laufbahn.«

»Wofür sollte das wichtig sein?«, fragt er, ohne zu zögern.

»Es ist für die nachfolgenden Tests wichtig«, mehr sage ich nicht.

»Okay. Mit achtzehn Boot Camp im Marine Corps Recruit Depot auf Parris Island. Anschließend der Wechsel zur Air Force und Ausbildung zum Kampfpiloten. An meinem zweiundzwanzigsten Geburtstag kam ich zu den Navy Seals. Austritt aus dem aktiven Dienst vor drei Monaten«, erklärt er in aller Kürze.

»Freiwillig?« Meine Frage beantwortet er stumm mit einem Nicken.

»Deine Lunge ist frei, alles in Ordnung. Lass mich bitte in deinen Hals schauen. Setz dich dazu am besten auf die Liege.« Sam folgt meiner Anweisung ohne zu zögern.

Wenige Augenblicke später sind wir mit der Untersuchung einen Schritt weiter und ich bitte ihn, mir von der Testlese-Tafel die ersten beiden Reihen vorzulesen.

»A, Z, P, X, L ...«, liest er ohne Pause einfach alle sechs Reihen vor.

»Null Fehler, sehr gut«, lobe ich ihn. Anschließend wechsele ich die Buchstabenvorlage aus und bitte ihn, ein Auge zuzuhalten. Auch diesen Test meistert er mit Bravour.

Weiter geht es mit dem Messen des Blutdrucks und einer Blutentnahme. Dabei versuche ich ihn mit Smalltalk etwas abzulenken. Er macht zwar nicht den Eindruck, als würde er das brauchen, aber im Moment ist er mir einfach zu still.

»Erzähl mir mehr von dir. Woher kommst du?«

»Highland Springs, Virginia. Ein kleiner Vorort von Richmond«, verrät er mir, als ich ihm die ersten Tropfen Blut abnehme. Es scheint ihm überhaupt nichts auszumachen, deshalb fahre ich einfach fort.

»Warum ausgerechnet Bodyguard?«

»Weil meine Mutter eine glücklichere Frau sein wird, wenn ich diesen Job bekomme. Sie sorgt sich sehr um meine Sicherheit«, antwortet er. Und sie hat gar nicht so unrecht, geht es mir kurz durch den Kopf.

»Und du willst diesen Job?«

»Ja, unbedingt.«

»Warum?« Jetzt zögert er mit der Antwort. Bin ich mit meiner Fragerei vielleicht zu weit gegangen? »Entschuldige, falls ich zu neugierig bin oder zu viel rede. Wenn es dir hilft, dieses Gespräch bleibt unter uns.«

Als ich die Röhrchen mit seinem Blut auf dem kleinen Rolltisch neben ihm ablege, lächelt er wieder leicht.

»Ich will mich verändern. Etwas anderes sehen, erleben und neue Menschen kennenlernen. Ein Ortswechsel tut mir sicher gut.«

»Klingt so, als hättest du eine Menge zu verarbeiten«, sage ich etwas zu vorschnell und direkt. Die Entschuldigung dafür spare ich mir aber, weil er nach wie vor an seinem Lächeln festhält.

»Das haben wir doch alle irgendwie, oder April?«

Mit dieser Frage hat er den Spieß ganz elegant umgedreht. Da es ihn aber sicherlich nicht interessiert, welche Probleme mich plagen, erwidere ich darauf nichts und fahre stattdessen mit meiner Untersuchung fort.

»Du bist topfit und kerngesund«, informiere ich ihn, nachdem ich weitere Tests an ihm durchgeführt habe, bei denen es zwischen uns sehr still war. »Jetzt bleibt nur noch die Gehirnstrommessung. Dazu habe ich meinen Praxiskollegen Dr. Keller um Unterstützung gebeten. Sein Fachgebiet ist die Neurologie. Ich sehe mal nach, ob er schon da ist. Du kannst dich in der Zwischenzeit wieder anziehen.«

»Okay, danke, April.«

Ich verlasse das Sprechzimmer und gehe hinüber in die Praxisräume meines Kollegen. Den hatte ich gestern noch um Hilfe gebeten, nachdem Hunter mir einige Eckdaten seines potentiellen neuen Mitarbeiters telefonisch durchgegeben hat. Ich will sichergehen, dass Sam auch aus neurologischer Sicht gesund und frei von posttraumatischen Belastungsstörungen ist. Kriegseinsätze hinterlassen ihre Spuren, die man oft nicht sieht. Mein bester Freund war in diesem Punkt das Paradebeispiel.

»Robert? Bist du da?«, frage ich in den langen Flur hinein.

»Ich bin hier, April!«, höre ich ihn rufen und entdecke eine seiner Hände, die er aus einer Tür auf den Flur hinaushält.

»Hier steckst du. Ich habe dich gar nicht kommen hören.«

»Ich war bei dir, aber du hast nicht reagiert. Offenbar warst du voll in deinem Element und gerade bei deinen Untersuchungen.«

»Stimmt. Toll, dass du hier bist, danke dir.«

»Du hast mir auch oft genug geholfen. Dir dafür etwas zurückzugeben, ist längst überfällig, April. Wie steht es um den Patienten?«

»Topfit. Ich möchte nur noch ausschließen können, dass er ein Kriegs-Trauma hat.«

»Gib mir eine halbe Stunde mit ihm, dann hast du neunundneunzig prozentige Gewissheit«, äußert sich Robert überzeugt.

»Super! Ich hole ihn, bin gleich wieder da«, sage ich und gehe wieder zurück in meine Praxis. Dort sitzt Sam auf der Untersuchungsliege und wartet ganz geduldig.

»Entschuldige, dass du warten musstest«, bringe ich leise über die Lippen. »Dr. Keller ist so weit. Begleitest du mich?«

Lächelnd, aber stumm nickt er mir zu und verlässt mit einer eleganten Bewegung seinen Sitzplatz.

»Übrigens, sehr schöner Anzug.« Obwohl ich diese Worte überhaupt nicht aussprechen wollte, kamen sie mir einfach über die Lippen. Ich sollte mehr Zurückhaltung an den Tag legen, schließlich habe ich einen Job zu erledigen.

»Danke für das Kompliment. Ladies first«, sagt Sam sichtlich amüsiert, als er auf die Tür deutet.

Um weiteren Peinlichkeiten zu entgehen, bringe ich ihn nach nebenan, übergebe ihn an Robert und ziehe mich in meine Praxis zurück. Während mein Kollege die Gehirnstrommessung durchführt, kann ich den Bericht für Hunter schreiben. Doch vorher werfe ich einen Blick auf mein Handy. Julie hat mir geantwortet: »Du Glückliche! Ich hoffe, ihr kommt miteinander klar. Vergiss die ganzen Idioten, andere Mütter haben auch hübsche Söhne! XOXO Julie.«

Sie ahnt gar nicht, wie recht sie mit ihren Worten hat. In der vergangenen Nacht ärgerte ich mich noch maßlos über Alans heuchlerisches Verhalten. Daher war an Schlaf kaum zu denken, was meiner heutigen Laune nicht gerade einen Motivationsschub gab. Auch wenn ich unsere Beziehung vor drei Monaten beendet habe, kann ich die gemeinsamen fünfeinhalb Jahre nicht einfach so wegwischen. Es war ja auch nicht alles schlecht, ich hätte mir nur ein Ende mit mehr Ehrlichkeit gewünscht. Wie dem auch sei, seit Sam bei mir in der Praxis ist, geht es mir deutlich besser. Mit den Gedanken an diesen attraktiven jungen Mann, lege ich mein Handy zur Seite und kümmere mich um den Bericht.

Die Freude währt nur von kurzer Dauer, denn plötzlich muss ich an seine Narben denken. Was ist ihm zugestoßen?, kommt es mir erneut in den Sinn. Etwas Derartiges habe ich noch bei keinem meiner Patienten noch nie zuvor gesehen. Vielleicht finde ich im Internet die Antwort auf meine Frage.

Als Sam schon knapp eine halbe Stunde bei Robert ist, stelle ich meine Recherche ein. Ich kann nur so viel sagen, dass es keine Brandwunden sind.

»April?«, erklingt plötzlich die Stimme der Person, die ich heute hier unter keinen Umständen erwartet habe.

Über den Rand meines Monitors und des Empfangstresens hinweg, blicke ich meinem Ex-Freund in die Augen. »Alan? Was willst du hier?« Ich war so in meine Suche vertieft, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie er in die Praxis kam.

»Ich muss auf der Stelle mit dir reden«, trägt er mit beunruhigt klingender Stimme vor.

»Du machst Witze, oder?«

»Warum sollte ich das tun? Hör zu ...«

»Stopp!«, unterbreche ich ihn schroff. Zeitgleich erhebe ich mich von meinem Stuhl. »Zwischen uns ist es aus, es gibt nichts zu bereden. Und jetzt verlasse auf der Stelle meine Praxis.« Kaum habe ich den Tresen umrundet, ergreift er mich an den Oberarmen und kommt mir damit viel zu nahe. Näher, als mir lieb ist.

»Lass mich sofort los!«

»Schwester Stephanie hat dir etwas erzählt, was nicht stimmt«, fährt er fort, ohne mich für voll zu nehmen. Deshalb löse ich mich von ihm und trete einen Schritt zurück. Meine Warnung, mich kein zweites Mal anzufassen, ignoriert er geflissentlich.

»Fass mich nicht an!«, muss ich mich wiederholen, doch erneut fruchten meine Worte nicht. Weil ich keinen anderen Ausweg sehe, agiere ich renitenter und versuche ihn mit den flachen Händen auf die Brust zu schlagen, doch es misslingt mir.

»Du sollst mir einfach nur zwei Minuten zuhören. Was ist daran so schwer?«, fährt er mich wütend an.

»Lass mich los, oder ich schreie!«, werde ich deutlich lauter, in der Hoffnung, Robert und Sam können mich hören.

Alan fängt hämisch an zu lachen, bis die wenige Meter entfernte Durchgangstür zu Roberts Praxis aufgeht. Als Sam uns erblickt, zögert er keine Sekunde und kommt schnellen Schrittes auf uns zu. Alan hatte mit dem Erscheinen meines Patienten nicht gerechnet und lässt mit weit aufgerissenen Augen von mir ab.

»Gibt es hier ein Problem, Sir?«, möchte Sam wissen. Dabei schiebt er mich ganz behutsam ein Stück zurück, sodass er zwischen mir und Alan steht. Der ist mit der Situation völlig überfordert und beginnt stotternd, irgendwelche Worte von sich zu geben.

»Er kam hier einfach rein und bedrängte mich«, sage ich leise.

»Sie sollten die Praxis auf schnellstem Wege verlassen, Professor Freeman«, schreitet Robert ein. Um seiner Aussage nachdruckt zu verleihen, nähert er sich und öffnet die Tür nach draußen.

»Ob du willst oder nicht, April, wir müssen darüber reden und die Sache klären. Eine Lüge sollte nicht zwischen uns stehen«, äußert mein Ex-Freund und tritt zugleich den Rückzug an. In diesem Moment hole ich erst einmal tief Luft.

»Alles in Ordnung?«, erkundigt sich mein Kollege, nachdem er die Tür geschlossen hat.

»Ja, es geht schon. Danke.«

»Was wollte er von dir?«

»Lass uns nicht darüber sprechen. Mir geht es gut«, wimmele ich seine Nachfrage ab. »Ihr seid schon fertig?«

»Alles erledigt. Geht es dir wirklich gut?«

»Nur der Schreck seines plötzlichen Auftauchens, alles in Ordnung, glaub mir«, bemühe ich mich, ihn milde zu stimmen, genauso wie Sam, der mich mit einem Blick bedenkt, den ich nicht richtig deuten kann. Ist er besorgt oder glaubt er mir nicht?

»Wollen wir nebenan gleich die Ergebnisse auswerten oder sollen wir uns später darum kümmern?«

»Wir können das gleich erledigen, Robert. Sam, nimmst du bitte noch einen Moment Platz?«, frage ich an meinen Patienten gewandt.

»Selbstverständlich«, stimmt dieser zu und setzt sich direkt neben den Eingang. Ich weiß nicht warum, aber ich bin mir sicher, falls Alan es sich anders überlegt und zurückkommen sollte, wird spätestens an der Tür für ihn Schluss sein.

»Na komm, wir sprechen das schnell durch und dann ab ins Wochenende«, meint Robert. Freundlicherweise bietet er mir einen Arm an, den ich gerne annehme, und mich bei ihm einhake. Mit wenigen Schritten wechseln wir in seine Räumlichkeiten, wo wir direkt in sein Büro gehen.

Nachdem er sich erneut versichert hat, dass es mir gut geht und ich seine Nachfrage bejaht habe, legt er mir eine Art Diagramm auf dem Tisch. Ich kenne das Analyse-Prozedere, welches vor Jahren auch mein lieber Freund Hunter über sich ergehen lassen musste, aber ansonsten bin ich in Sachen Neurologie eine blutige Anfängerin. Deshalb bitte ich ihn, mir die vielen Linien und Striche genauer zu erläutern.

»Es gibt nur positive Nachrichten«, sagt Robert zu meiner Überraschung. »Bei den Natur- und Tieraufnahmen war seine Gehirnaktivität äußerst gering, was für Entspannung spricht. Während die Werbefilme liefen, verringerte sich die neuronale Aktivität noch weiter ...«

»Und was kam dann?«, frage ich neugierig dazwischen. Robert hat die Linien mit einem Bleistift nachgezeichnet und ruht aktuell vor einem Peak - einem starken Ausschlag nach oben. Die Reihenfolge der gezeigten Szenen ist jedes Mal anders. Das heißt, die Natur- und Tiersequenzen können am Anfang zu sehen sein und beim nächsten Mal am Ende. Robert weiß, wie neugierig ich bin, und spannt mich mit einigen Sekunden des Schweigens weiter auf die Folter. Dazu hat er ein breites Lachen aufgesetzt.

»Lass mich nicht länger zappeln«, interveniere ich. »Welche Szene kam als nächstes?«

»Rate einfach«, schlägt er vor.

»Du bist gemein, aber gut. Ich tippe auf die Kriegsszenerie.«

»Du alte Pessimistin«, rügt mich mein Kollege und schüttelt deutlich den Kopf. »Es waren die Erotikszenen, die diesen enormen Anstieg verursacht haben. Sie waren nur dreißig Sekunden lang, gefolgt von sechzig Sekunden Kriegssequenzen. In diesem Teil der Messung hat die Gehirnaktivität, wie du sehen kannst, wieder deutlich abgenommen.«

»Das heißt, ein Trauma kann ausgeschlossen werden?«

»Zu einhundert Prozent, nein, aber im Vergleich zu Hunter Stone damals, sehe ich keinerlei Parallelen. Sam hat all meine Fragen umgehend beantwortet. Während des gesamten Tests hatte ich den Eindruck, dass er aufrichtig und ehrlich zu mir war, deshalb gehe ich davon aus, dass er, wie du schon sagtest, topfit ist.«