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© 2020 RvS Stiftung
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt“.
ISBN 9 783750 468276
Die Publikation erfolgt im Rahmen des Forschungsprojektes “Eliten der Serenissima Res Publica Coronae Regni Poloniae Magnique Ducatus Lithuaniae 1385 - 1569 - 1795 und in deren Gebieten bis 1918”
Schriftenreihe für angewandte Sozialgeschichte StudIaS
Allgemeine Serie mit deutsch- und fremdsprachigen Titeln
# 5
Die StudIaS Reihen richten sich an eine breit gefächerte Gruppe von Lesern. Angefangen bei Personen, die mehr über einen entsprechenden Namen der Szlachta erfahren möchten, über versierte Genealogen und Heraldiker, welche forschungsbedingt in Gebiete vorstoßen, in denen sie nicht bewandert sind bis zu Fachleuten wie Politologen spezialisiert auf Demokratie- und Migrationsforschung, Akkulturations-, Inkulturations- und Assimilierungsprozesse, Historiker, die sich mit Umformungen im östlichen Europa beschäftigen, bis zu langfristigen gesellschaftlichen Wandel analysierenden Soziologen. Dementsprechend beinhaltet es neben hoch spezialisierten Elementen auch Bereiche allgemeiner Einführung in die Thematik der Adelsrepublik, Genealogie und Heraldik.
Ausdehnung des Stammgebietes der Szlachta der Res Publica:
Für die Zeiten vor der Einführung der kirchlichen Register über Taufen, Heiraten und Todesfälle, die durch eine, fast lückenlose, Erfassung der biologischen Entwicklung eine genealogische Nachverfolgung ermöglichen, ist eine ganzheitliche Generationserfassung kaum möglich.
Die zögerlich eintretende Namensfestigung im östlichen Europa und die freie Namenswahl der Szlachta – des Souverän der Adelsrepublik – wie auch die folgenden Verdrehungen und Namensänderungen aus nationalistischer Motivation oder mangelnder Kompetenz der Amtsträger vertiefen diese Problematik.
So sind vor der Einführung der Matrikeln weibliche Nachkommen überwiegend nur durch Erwähnung als Ehefrauen sowie durch Einträge bezüglich einer erbrechtlichen Regelung oder Besicherung der Mitgift bekannt.
Sogar bei reichlich begüterten Familien sind nachrangige männliche Nachkommen kaum zu erfassen und deren Linien werden somit zum verdunkelten Adel, so dass vielfach nur die Hauptlinien der Adelsgeschlechter bekannt sind. Dies gilt auch für die über ein Halbes Jahrtausend währende Geschichte des Geschlechtes Wyhowski. Über das Ausmaß solcher Verdunkelung wurde eine Beispieluntersuchung als Referat auf dem 25. Jubiläumskongress Historischer Grundwissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau im Jahre 2013 vorgestellt. 1
Gerade die nachgeborenen Linien waren es, die besonders von einer Pauperisierung im ausgehenden XVI. und im XVII-XVIII. Jhdt. betroffen waren. Hierdurch erfolgte ein nicht unerheblicher Bestandsschwund der bekannten adligen Geschlechter. Kam es in den betroffenen Linien ebenfalls zu einem Bewußtseinsverlust, so trat eine Verwischung der eigenen Herkunft ein. Diese Entwicklung wurde durch machtpolitische Faktoren beim Verfall der Strukturen der litauisch-polnischen Adelsrepublik, gezielte ständefeindliche Politik der Teilungsmächte nach 1772 wie auch der Umwandlung des regionalen Patriotismus in aggressiven Nationalismus als negative Auswirkung der Französischen Revolution beschleunigt und durch die wirtschaftlichen Umwälzungen forciert.
Durch den Umstand, dass der historische Adel (und nicht nur die dynastischen Häuser mit eigenen, staatlich sanktionierten Hausgesetzen) eigene Regeln und Rituale aufweist, die außerhalb der positiven2 Rechtsetzung des Staates liegen – allein z. B. aus der heute überwiegenden Sicht das Salische Prinzip3 - ist es gerechtfertig, den Adelstand als eine Parallelgesellschaft zu bezeichnen.
Eine Parallelgesellschaft4 bedeutet eben, dass es eine in der Regel in sich abgeschlossene Personengruppe gibt, die eigene Regeln befolgt, welche sich entweder in einer Übereinstimmung mit dem jeweils aktuellen positiven stattlichen Regelwerk befinden oder auch nicht. Diese kann entweder deutschsprachig sein wie beim Adel oder den jüdischen Gemeinden5 in Deutschland sein oder auch fremdsprachig sein wie bei den in Deutschland lebenden Türken6, Russen7, Jesiden8 oder Japanern9 (in Düsseldorf).
1 Schlesinger, Edward von: Auswertung der Adelsproben der Kanoniker der Kathedrale von Plock unter dem Gesichtspunkt der Ermittlung des Anteils verdunkelten Adels innerhalb der Szlachta der Adelsrepublik, Referat 25. Jubiläumskongress Historischer Hilfswissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, Januar/Februar 2013, erstellt auf der Grundlage der von Adam Pszczółkowski aus den Akten des Kathedralkapitels von Plock angefertigten Abschriften (Wywody kanoników katedralnych płockich sygn. 8-25). Siehe: http://de.szlachta.wikia.com/wiki/Verdunkelt-Adelsrepublik, Zugang 10. 11. 2016.
2 D. h. gesetztem Recht als Unterschied zum Überpositiven/Naturrecht. Positives Recht ist vom Menschen gemachtes und damit veränderliches Recht. Das überpositive Recht, je nach Ausgangspunkt – ist „naturgege-ben“, „im Wesen des Menschen liegend“ oder „von Gott vorgegeben“. Positives Recht gilt (im Gegensatz zum überpositiven bzw. Naturrecht) zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten. Es gilt, selbst wenn es nach dem „Gefühl“ eines Einzelnen - oder im besonderen Fall sogar nach Meinung der Mehrheit der Menschen - als „ungerecht“ und damit als Unrecht empfunden wird. Per Definitionem ist das positive Recht unvollkommen und jederzeit veränderbar, beansprucht jedoch als jeweils gegenwärtige Gestalt der Rechtsordnung zunächst einmal Befolgung. Das positive Recht kann durch Einwirkung auf den Gesetzgeber neu gefasst werden.
3 Bei Lex Salica (Pactus Legis Salicae, D - Salisches Recht) wurden 507–511 alte mündlich überlieferte Rechtsgepflogenheiten erstmals schriftlich niedergelegt. Benannt ist sie nach dem fränkischen Stamm der Salfranken. Der Text ist auf Latein verfasst, enthält jedoch germanische Fragmente. „Des Weiteren enthielt die Lex Salica … Bestimmungen über das Erbrecht und die Gerichtsordnung. In Anlehnung an diese Erbrechtsbe-stimmungen wurde später in vielen europäischen Herrscherhäusern die Thronfolge so festgelegt, dass Frauen nicht die Krone erben konnten, selbst dann nicht, wenn keine männlichen Erben existierten: In terram salicam mulieres ne succedant. … Diese besondere Bestimmung der Lex Salica wird heute oft als das Salische Recht schlechthin verstanden. In dieser Form wurde sie jedoch erstmals in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verwendet – um zu legitimieren, dass 1317 Philipp V. unter Umgehung der weiblichen Erbfolge auf den französischen Thron gelangt war, es wurden also nicht nur Töchter des Königs von der Erbfolge ausgeschlos-sen, sondern auch deren Nachkommen. Dieser Erbfolgestreit wurde eine der Ursachen für den Ausbruch des Hundertjährigen Krieges. Diese Bestimmung gilt noch heute in einigen Monarchien und als Hausrecht in den meisten deutschen Adelshäusern.“
Irrtümlicher Weise führt Wikipedia an, dass der Zerfall bereits zu Beginn des XVIII. Jhdt. begann, als es „1713 mit der Pragmatischen Sanktion für die Habsburgermonarchie außer Kraft gesetzt“ wurde. Wohl aus Unkennt-nis der Geschichte Europas wurde die Pragmatische Sanktion auf das Geburtsjahr 1713 und nicht den Herr-schaftsantritt Maria Theresias von 1740 datiert. Daneben wurde die erste dynastische Verletzung des Salischen Prinzips im Königreich Polen ausgeklammert. Allerdings wurde Jogailo im Unterschied zu Franz I. Stefan, der bis zur Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 1745 nur Consorte blieb, tatsächlich König von Polen. Ähnlich der Situation 350 Jahren später bei Habsburg wurde aus Mangel an männlichen piastischen Nachkommen in direkter Linie im I. Königreich Polen Hedwig von Anjou, polnischsprachig Jadwiga, am 16. Oktober 1384 gekrönter „König“ von Polen [also nicht zur Königin], um dann die Krone an ihren Gemahl, den gedimischen Großfürsten von Litauen Jogailo, weiterzugeben, womit in der Krone Polens und im Groß-fürstentum Litauen die Dynastie der Jagiellonen begründet wurde. Die Trauung erfolgte nach der Taufe Jogailos am 18. Februar 1386 und er wurde am 4. März 1386 als Władysław II. Jagiełło zum König von Polen gekrönt. Er regierte gemeinsam mit seiner Gemahlin bis zu deren Ableben am 17. Juli 1399 und nachher bis zum 1. Juni 1434 alleine.
„Viele Monarchien, die das Salische Erbrecht über Jahrhunderte anwandten, haben sich noch in jüngerer Zeit einer weiblichen Thronfolge geöffnet (beispielsweise Schweden 1980; Belgien und Norwegen 1991). Im Jahr 1837 führte die Tatsache, dass das salische Recht im Königreich Hannover galt, zum Ende der über ein Jahr-hundert lang geltenden Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover, da Victoria nur die britische, nicht aber auch die hannoveranische Krone erben konnte. Aus dem gleichen Grunde endete 1890 die Personal-union zwischen dem Königreich der Niederlande und dem Großherzogtum Luxemburg.“ Nach: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lex_Salica, Zugang 10. VII. 2017.
4 Die umstrittene Definition vom Historiker Klaus J. Bade lautet: „Parallelgesellschaften im klassischen Sinne gibt es in Deutschland gar nicht. Dafür müssten mehrere Punkte zusammenkommen: eine monokulturelle Identität, ein freiwilliger und bewusster sozialer Rückzug auch in Siedlung und Lebensalltag, eine weitgehende wirtschaftliche Abgrenzung, eine Doppelung der Institutionen des Staates“. Nach: Interview vom November 2004 mit der Redaktion von Spiegel Online. Zugang: 10. VII. 2017. Auch wenn diese Definition auf die fremdsprachigen Parallelgesellschaften z. T. zutreffen kann, unterscheidet sich dies bei den deutschsprachigen Parallelgesellschaften. Sowohl beim Adel als auch bei der jüdischen Gemeinschaft findet kein freiwilliger und bewusster sozialer Rückzug, sondern freiwilliger und bewusste Einflußnahme auf die Mehrheitsgesellschaft, jedoch aus einer besonderen Situation heraus, statt. Insofern kann auch nicht von einer weitgehenden wirt-schaftlichen Abgrenzung sprechen, sondern vielmehr von einer privilegierten Position in den Wirtschafts-prozessen.
5 Nach Editorial, Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/izpb/7644/editorial, und der Deutschen Wikipedia betrug zum 1. Januar 2016 die Zahl der mosaischen Glaubensgemeinschaften 200.000 Personen, nach anderen Daten 117.000 Personen, Zugang 10. VII. 2017.
6 In dem Migrationsbericht des BAMF 2013 wurde für das Jahr 2013 die Zahl von 2.998.000 Personen türki-scher Abstammng angegeben.
7 Nach Aleksandr Arefjew, dem stellvertretenden Direktor des soziologischen Forschungszentrums des russischen Volksbildungsministeriums, zufolge lebten in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 etwa sechs Millionen Russischsprecher, die aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zugewandert sind. Im Jahr 2012 waren von den drei Millionen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland Zugewanderten 500.000 russische Staatsbürger. Die meisten reisten als Russlanddeutsche oder als russischsprachige Juden bzw. als deren Familienangehörige ein (darunter viele Russen, Ukrainer, Weißrussen und Menschen aus anderen Völkern der ehemaligen UdSSR). Nach: Deutscher Wikipedia, Zugang 10. VII. 2017.
8 Allein die Minderheit der Religionsgruppe der Jesiden in der Bundesrepublik Deutschland wird auf 35.000 – 45.000 (nach Angaben des Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienstes REMID) bis über 100.000 (anch Angabe der Jesiden) Personen geschätzt. Nach: Deutscher Wikipedia, Zugang 10. VII. 2017.
9 Im Jahr 2008 lebten laut Japanischem Generalkonsulat in Düsseldorf und den angrenzenden Gemeinden 8187 Japaner, davon 6548 innerhalb der städtischen Grenzen. Nach: Deutscher Wikipedia, Zugang 10. VII. 2017.
Schema der Entwicklungen der rechtlich gleichberechtigten Szlachta in der “Serenissima Res Publica Coronae Regni Poloniae Magnique Ducatus Lithuaniae” bis zum deren Untergang 1795 und dann bis 1918
Als Familien des historischen Adelstandes in den Grenzen der heutigen Nachfolgestaaten der Res Publica sind anzusehen:
Es kommt vielfach vor, dass identische Familien unter anderer Schreibweise mehrfach aufgeführt werden. Als unmittelbare Folge erfolgt eine rechnerische Aufblähung der Gesamtzahl des Adelstandes der Res Publica, deren Ausmaß nur schwerlich einzuschätzen ist.
Diese Problematik wird verschärft durch die Folge der vorherrschenden Realteilung. Bedingt durch Erbschaften und Aussteuerregelungen fand ein fortlaufender Eigentumswechsel und dadurch eine weitere Eigentumsaufsplitterung der Güter und Ortschaften statt. Bei der Annahme eines neuen Namens nach dem neuen Besitzstand erfolgte eine weitere Namensaufsplitterung der so entstandenen Linien. Dies ist die Ursache des häufigen Vorfindens einer Vielzahl von namensidentischen Familien in einem Dorf vor, die genetisch unterschiedlichen Geschlechtern angehören und sich nur durch deren Wappenzugehörigkeit unterscheiden lassen.
Diese Aufblähung des numerischen Bestandes der Szlachtafamilien beträgt sicherlich zumindest 10 % der ermittelten Namen, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es in einigen Gebieten des Adelsrepublik bis zu 1/3 des Bestandes in neuen Wappenbüchern Gelisteten beträgt.
Dennoch gilt auch für die aller Publikation der Ausspruch des Autors des Adelsregister des Heiligen Römischen Reiches und des Kaiserreiches Österreich, von Frank zu Döfering, dass ein Fehlen eines Adelsgeschlechtes in einer solchen Zusammenstellung nicht gleichbedeutend ist mit dessen fehlenden Adelstand.
Die Serenissima Res Publica Coronae Regni Poloniae Magnique Ducatus Lithuaniae war eine demokratische, föderal verfasste Republik mit einer einzigen Einschränkung – zu den Staatsbürgern und damit dem Personenkreis mit aktivem und passivem Wahlrecht gehörte nur der Adelstand an. Allerdings war damit der Bevölkerungsanteil erheblich höher als bei der Partizipation der späteren Demokratie in Großbritannien und den Staaten Europas bis in das ausgehende XIX. Jhdt. In diesem ersten Anlauf der Schaffung eines übernationalen Reiches in Europa lassen sich viele negative Erscheinungen der heutigen Europäischen Union erkennen.
Es drängen sich vielfältige parallelen zu heutigen demokratischen Staaten auf. Als bezeichnendes Beispiel kann die Übermacht der staatlichen Verwaltung der Adelsrepublik bei der Behandlung des verdunkelten Adels angeführt werden. So führen Volumina Legum, das Gesetzeswerk des Res Publica Serenissima bis zur dessen Untergang 1795 im Band VIII auf der Seite → aus: Für das Jahr 1775 wird in Volumina Legum ein Rechtstreit notiert, in dem der Starost von Owrucz (an der Grenze der heutigen Ukraine zu Weißrussland, beide Teile des altlitauischen Großfürstentum im Rahmen der Res Publica gelegen) die nachfolgenden Familien als Bauern klassifizierte und sie mit entsprechenden Steuerabgaben belegen wollte, bis diese gerichtlich ihren Adelstand nachweisen:
Bezeichnend ist, dass heute vielfach erst ein äußerer Anlass erforderlich ist, um sich des eigenen Adelstandes bewusst und aktiv zu werden. So entsprang der Familie Kościuszko, vorstehend unter # 9, ein Anführer der letzten bewaffneten Konföderation zur Verteidigung der Demokratie der Adelsrepublik und berühmter General des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Alle nachfolgenden Aufstände im westlichen, polnischen Teil der ehemaligen Adelsrepublik sind nicht als Konföderationen zum Zweck des Erhaltes oder Wiederherstellung der Res Publica, sondern als Aufstände anzusehen.
In der Zeit seit der Entstehung der Szlachta nach 1385 wandelte sich vielfach die Schreibweise sowohl der Familiennamen als auch der Bezeichnungen der Wappengenossenschaften und der Wappenrufe. Hierdurch wird eine und die gleiche Familie unerkannt unter abweichenden Namen geführt. Die Feststellung, ob es sich hierbei um unterschiedliche oder identische Familien handelt, kann nur durch intensive historische Forschung vermittelt werden.
Durch Quellenverluste oder einfach durch geringe Quellendichte kann trotz eingehender Forschungen nicht selten keine Aussage über die Identität abweichender Schreibweisen herbeigeführt werden. Beispiel: Dabrowski [latinisierte Version] und Dąbrowski [polonisierte Version], Dambrowski und Dombrowski [mögliche phonetische Schreibweise], Dobrowski [vereifachte phonetische Version], und hierzu kommen noch die Schreibweisen in kyrillischen Alphabet.
Wie dramatisch Verwaltungsbeamten Namen und damit Genealogien verfälschen können, sei es bewusst, durch Nachlässigkeit, fehlende Kompetenz oder auf Weisung, sieht man an einem Beispiel aus dem ehemaligen Ostpreußen:
Heiraths-Haupt-Register des Königlich Preußischen Standesamtes Marwalde, Kreis Osterode, Ostpreußen für das Jahr 1893, Eintrag Nr. 1 [Marwalde, Księga małżeństw 1893] 10:
“Marwalde am siebenzehnten Januar tausendachthundertneunzig drei. Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschienen heute zum Zwecke der Eheschließung:
Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben: Johann Zacharowski, [unleserlich] Zacharowski, geb. Koschmieder, Friedrich Koschmieder, Gottlieb Sterna. Der Standesbeamte: Borowski”
Obwohl sowohl der Ehemann als auch die neu Angetraute mit “Zacharowski” unterschrieben, werden sie in der Urkunde durch den Beamten als “Zuchowski” aufgeführt. Von Verunstaltungen durch Aufschreiben nach Gehör oder Verschreiben, so dass in einem Dokument zwei, ja sogar drei unterschiedliche Namensversionen erscheinen, oder der Transliterierung aus dem oder in das Kyrillische ganz zu schweigen.
Weiterhin verschärft wird die Lage durch die Tatsache der Namensverfälschung durch alle bestehenden Transliterierungsysteme in das lateinische Alphabet wie z. B. die Lautverschiebung v > f oder o > a wie auch die bekannte ch – g – h Problematik. Aus diesem Grund gibt es bisher noch keine verbindliche Konvertierungstabelle für Namen aus dem Lateinischen / Polnischen in das kyrillische Alphabet (der russischen, ukrainischen und weißrussischen Ausprägung) und eben aus diesen wieder in das Lateinische und Polnische.
Wohl wurden bisher auf Regionen beschränkte Konvertierungstabellen veröffentlicht. Wegen der immensen Datenmenge ist es bisher jedoch nicht gelungen, eine Konvertierungstabelle für das gesamte Gebiet der ehemaligen Res Publica Serenissima zu erstellen. Es bleibt abzuwarten, ob es dem laufenden Forschungsprojekt “Eliten der Res Publica Serenissima 1385 – 1569 – 1795 und in deren Gebieten bis 1918” gelingt, als Nebenprodukt zumindest für die Familien der historischen Szlachta im östlichen Europa eine beiderseitige Konvertierungstabelle zu erstellen, die für eine Umsetzung von Familiennamen obligatorisch sein könnte.
Somit bleibt der alltägliche Kampf der von dieser Problematik Betroffenen nicht nur bei westlichen Standesämtern Personen (z. B. bei nationalen Mischehen) sondern auch im Fall von Registrierungen bei den Amtsgerichten weiter bestehen. Betroffen sein kann jeder, der in einem Land in welchem sich die Amtssprache des kyrillischen Alphabets bedient, einen Reisepass oder internationalen Führerschein beantragt. Hierbei ist es nach geltendem Recht üblich, den kyrillisch geschriebenen Namen auch in lateinischen Buchstaben anzugeben. In Ermangelung einer Konvertierungstabelle erfolgt dies durch die Transskribierung. Die üblicher Weise verwendeten Transskribierungsnormen generieren manchmal sogar kaum lesbare und aussprechbare Namen und man ist auf einen Kampf mit Fachgutachten über die korrekte Konvertierung des historischen Familiennamens angewiesen.
Das dies keine rein theoretische Überlegungen sind, wird an einem unlängst bekannten Fall eines über 2 Jahre dauernden Rechtsstreites über die korrekte Namenskonvertierung vor dem Amtsgericht Posen-Mitte (Republik Polen) deutlich. Der neue Geschäftsführer wurde erst nach wiederholten Gutachten in das Handelsregister eingetragen und das Unternehmen wurde damit soweit geschädigt, dass nachdem die neue Organbesetzung im Handelsregister eingetragen wurde, es wegen zwischenzeitlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit Konkurs anmelden musste.
Auch im Bereich der Standesämter gilt die korrekte Namenskonvertierung nicht selten als ein kaum zu überwindendes Hindernis – soweit die Eheleute sich nicht damit abfinden, dass jeder von ihnen eine abweichende Schreibweise des gleichen Ehenamens führt. Oder dass der Name eines der Ehepartners nach sachlich fehlerhaften jedoch nach geltenden Transskribierungsnormen korrekten Transliterierung fast unaussprechlich wird. Dies gilt nicht nur für Familiennamen sondern auch für Vornamen. Wer würde bei “Katsiaryna” in der amtlichen Transkribierung aus dem Russischen an eine weißrussische “Katrin/Katharina” denken?
Das in diesem Bereich dem Autor bekannte bisher am längsten andauernde Verfahren (bis geheiratet wurde) wurde mit 3 ½ Jahren im Rheinland notiert und verursachte eine Schadensersatzforderung von knapp 100.000 €. Zu diesem unhaltbaren Zustand bleibt noch anzumerken, dass es sich um Eheleute aus europäischen Ländern handelte und nicht etwa aus dem russischen, chinesischen, japanischen oder thailändischen Sprachraum und dass es nur deshalb bei 3 ½ Jahren verblieb, da sie es dann doch vorzogen nicht in Deutschland, sondern im Königreich Dänemark zu heiraten.
Beispiel für die Umschrift von Namen:
Der Familienname Лисенко wird heraldisch im lateinischen Alphabet korrekt klassifiziert als Name der Familie Łysienko [h. Łysienko = Przestrzał Abwandlung oder h. Przestrzał] (polnische Schreibweise) / Lysienko (lateinische Schreibweise unter Weglassung der polnischen Sonderbuchstaben). Bei Transkribierungen erhält man mindestens 3 mögliche transskribierungskorrekter - jedoch nicht die sachgerechter - Namensversionen: als Lissenko oder Lysenko (DE), Lisenko (EN), Lissenko (FR) und Łysenko (bei Weglassung der Sonderzeichen wird es zu Lysenko) (PL).
In Klammern stehen Wikipedia-Beispiele ggf. unter Transliteration die strengere ISO 9 von 1995 und unter deutsch die DDR-Transkription.
Kyrillische Schreibweise |
Transliteration | Transskription | ||
Deutsch | Englisch | französisch | ||
Александр Солженицын (russisch) | Aleksandr Solženicyn | Alexander Solschenizyn (Solshenizyn) | Aleksandr Solzhenitsyn | Alexandre Soljenitsyne |
Михаил Зощенко (russisch) | Michail (Mihail) Zoščenko (Zoŝenko) | Michail Soschtschenko (Sostschenko) | Mikhail Zoshchenko | Mikhaïl Zochtchenko |
Михаил Горбачёв (russisch) | Michail (Mihail) Gorbačëv | Michail Gorbatschow | Mikhail Gorbachev | Mikhaïl Gorbatchev |
Борис Николаевич Ельцин (russisch) | Boris Nikolaevič El’cin | Boris Nikolajewitsch Jelzin | Boris Nikolayevich Yeltsin | Boris Nikolaïevitch Eltsine (Ieltsine) |
Владимир Владимирович Путин (russisch) | Vladimir Vladimirovič Putin | Wladimir Wladimirowitsch Putin | Vladimir Vladimirovich Putin | Vladimir Vladimirovitch Poutine |
Руслана Лижичко (ukrainisch) / Лыжичко (russisch) | Ruslana Lyžyčko / Lyžičko | Ruslana Lyschytschko (Lyshytschko) / Lyschitschko (Lyshitschko) | Ruslana Lyzhychko / Lyzhichko | Rouslana Lyjytchko / Lyjitchko |
Зоран Ђинђић (serbisch) | Zoran Đinđić | nur Transliteration: Zoran Đinđić (Djindjić) | nur Transliteration: Zoran Đinđić (Djindjić) | nur Transliteration: Zoran Đinđić (Djindjić) |
10 Standesamt zu Marwalde, Ostpreußen, Heiraths-Haupt-Register Nr. 1, 1893 http://www.olsztyn.ap.gov.pl/baza/skany.php?z=892&s=6, Zugang 5. II. 2016
Der Rote Kampfbanner Orden wurde gestiftet September 1918 während des Russischen Bürgerkrieges. Er bestand später als Auszeichnung der Regierung der UdSSR weiter, welche ihn am 1. August 1924 stiftete.
Die Sozialistenregierung stiftete den Roten Kampfbannerorden, besser bekannt als Rotbannerorden [RU - Орден Красного Знамени - Orden Krasnowo Snameni] am 16. September 1918. Seine Bezeichnung war uneinheitlich, sie wechselte zwischen Roter Kampfbanner Orden und Rotbannerorden und es traten auch Sonderbezeichnungen mit Prefixen wie “Militärischer” oder “Maritimer” auf.
Mit dem Rotbannerorden wurden militärische Taten anerkannt, faktisch wurde er jedoch auch für gewöhnlichen Terror auf höchster Ebene verliehen. Vor der Stiftung des Leninordens am 5. nach anderen Angaben 6. April 1930 fungierte der Rote Kampfbannerorden als höchster (und praktisch einziger) militärischer Orden der UdSSR. Auch danach war er faktisch als höherwertigster Verdienstorden angesehen. Fast alle bekannten sowjetischen Kommandeure waren Träger des Rot(kampf)-bannerordens.
Nachstehend ist die dazugehörige Faustfeuerwaffe Mauser C 96 für die Ordensträger abgebildert. Mauser C96 war in Militärkreisen auch als Privatwaffe sehr beliebt – auch wenn wegen der hohen Produktionskosten einem engen Kreis vorbehalten. So war sie bei dem späteren premierminister Großbritanniens, Sir Winston Churchill, bei seinen Afrika-Offiziersabendteuern als Privatwaffe immer dabei, denn deren Schnellfeuerkapazität war befürchtet. Winston Churchill bestritt mit dieser Waffe unter anderem den Sudanfeldzug und nahm mit dieser Mauser am Burenkrieg teil.
Große Verbreitung fand die Mauser in Russland, wo sie insbesondere von den Truppen der Bolschewiki eingesetzt wurde. Die Vorliebe der Rotgardisten für diese Pistole fand auch Ausdruck in der sozialistischen Kunst jener Zeit. So erwies Wladimir Wladimirowitsch Majakowski der Waffe Reverenz in seinem Gedicht Linker Marsch [RU- Левый марш]:
Entrollt euren Marsch, Burschen von Bord!
Schluß mit dem Zank und Gezauder.
Still da, ihr Redner!
Du hast das Wort,
rede, Genosse Mauser!
Diese Kombination der Beigabe zum Orden erfolgte zwar wegen deren Schlagkraft. Aber sie hate auch einen symbolischen Charakter, denn sie knüpfte an das St. Georg Ordensschwert im Kaiserreich Russland.
Das Goldene-Schwert für Tapferkeit [RU - Золотое оружие «За храбрость»] war eine Auszeichnung für Tapferkeit im Kaiserreich Russland. Sie wurde mit zwei Stufen am 27. Juli 1720 von Peter I. [dem Großen] gestiftet. Im Jahre 1807 wurde sie zum Orden umklassifiziert und wurde erst 1917 mit dem Untergang des Kaiserreiches aufgehoben. Von 1913 bis 1917 wurde es als Schwert des Hl. Georgs [RU-Георгиевское оружие vel Золотое Георгиевское оружие «За храбрость»] als eine Stufe des Heiligen Georg Militärordens verliehen.
Erste Variante des Ordens des Roten Kamfbanner auf rotem Textilmaterial 1918-1924
“Umschtiftt: Proletarier aller Länder vereinigt euch”
Mauser C96 für die Träger des Roter Kamfbannerordens
Die Mauser C96 ist eine der ersten Selbstladepistolen. Obwohl sie nie Ordonnanzwaffe bei deutschen Streitkräften war, wurde die „Construction 96“ von Mauser in einer Vielzahl von Varianten und Kalibern gefertigt und weltweit exportiert. Die C96 wurde von verschiedenen anderen Waffenherstellern lizenziert und unlizenziert hergestellt und dabei zum Teil weiterentwickelt bzw. verbessert. Nach der Erstkonstruktion einer modernen Selbstladepistole 1893 arbeiteten die Brüder Fidel, Friedrich und Josef Feederle an der Entwicklung eines eigenen Modells für die Firma Mauser; allerdings ohne Wissen und Einverständnis ihres Vorgesetzten. Die Waffe wurde dennoch ab 1896 für den Markt produziert.
Mauser C96 M1916 im Kaliber 9mm, mit Ladestreifen
M1916 mit montiertem Anschlagschaft:
Die C96 ist ein Rückstoßlader mit gerade zurücklaufendem Lauf, Schwenkriegelverschluss und außenliegendem Hahn. Der Magazinkasten ist vor dem Abzugsbügel angeordnet und wird von oben mit Ladestreifen geladen. Mit dem Modell 1930 führte Mauser Wechselmagazine mit unterschiedlicher Kapazität ein. Das Modell 1932 war in der Lage, optional auch Dauerfeuer zu schießen. Das Futteral der Waffe konnte bei allen Modellen als Anschlagschaft verwendet werden.
Die Mauser C96 wurde mit unterschiedlichen Lauflängen, verschiedenen Magazinkapazitäten und in verschiedenen Kalibern produziert. Die beiden ursprünglichen Varianten im Kaliber 7,63 × 25 mm hatten Läufe von 8 oder 13 cm Länge und einen sechs- oder zehnschüssigen Magazinkasten.
Der Orden wurde mit einem Dekret der Russischen Föderativen Räterepublik am 16. September 1918 errichtet. Durch eine Verordnung des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR vom 1. August 1924 wurde der Orden [RU- Орден Красного Знамени] als eine Kampfauszeichnung der Sowjetunion anerkannt. Am 11. Januar 1932 erhielt ein neues Statut, welches noch zwei-mal – am 19. Juni 1943 und am 16. Dezember 1947 – geändert wurde.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes wurde der Orden für Militärpersonen und andere Bürger für außergewöhnliches Engagement, Mut, Mut auf dem Schlachtfeld sowie von für herausragende Beiträge bei der Führung von taktischen Einheiten und Verbänden vergeben.
Der Rotkampfbannerorden wurde verliehen in erster Linie für:
Insgesamt sollten für die Zeit des Bürgerkriegs und in der Sowjetunion bis 1924 mehr als 14.900 natürliche Personen ausgezeichnet worden sein. Es erfolgten auch Verleihungen an Militär- und kommunale Einheiten. Als erste Stadt, welche mit dem Orden ausgezeichent wurde, war Petrograd [St. Petersburg]. Namentlich bekannt sind 13.756 Personen, die sich bei der Durchsetzung des sozialistischen Gewaltregimes verdient gemacht haben und die nachstehend im Kapitel 4 vorgestellt sind.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Orden unter der einheitlichen Bezeichnung Rotbannerorden massenhaft verliehen und somit abgewertet.
Der Orden bestand aus einem weiß-emaillierten Abzeichen, auf dem das goldene Hammer-und-Sichel-Emblem umgeben von zwei goldenen Weizenähren auf einem Roten Stern, dahinter gekreuzt Hammer, Pflug, Fackel und eine Rote Fahne mit dem Motto Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! abgebildet waren. Das ganze Abzeichen war von zwei goldenen Weizenähren umgeben; Umschrift erst RCФCP [latinisiert RSFSR] unten waren die kyrillischen Buchstaben dann ab 1924 СССР [latinisiert SSSR].
Der Orden wurde ursprünglich als Orden zum Anschrauben überreicht, der auf der linken Brustseite getragen wurde. Ein Ordensband wurde 1943 angefügt, das aus rotem Seidenmoiré mit einem breiten weißen Mittelstreifen und einem dünnen weißen Streifen an den Rändern bestand.
Bild von Wassili Konstantinowitsch Gurow gen. Blücher aus dem sowjetischen Militärarchiv (1922)
Wassili Konstantinowitsch Gurow, bekannt unter den Pseudonym Wassili Konstantinowitsch Blücher (* 19. Novemberjul./ 1. Dezember 1889greg. in Barschtschinka, Rajon Rybinsk, Gouvernement Jaroslawl; † Moskau 9. November 1938; Pseudonym Василий Константино-вич Блюхер, wiss. Transliteration Vasilij Konstantinovič Bljucher; geboren als Wassili Konstantinowitsch Gurow), war General der Roten Armee und Marschall der Sowjetunion.
Biografie
Wassili Konstantinowitsch wurde als Sohn der Bauernfamilie Gurow in Barschtschinka, Gouvernement Jaroslawl, geboren. Sein Urgroßvater war Leibeigener, hatte am Krimkrieg teilgenommen und sich dabei viele Auszeichnungen erworben. Nach seiner Rückkehr erhielt er daher von dem Gutsbesitzer den Spitznamen Blücher. Dieser Spitzname wurde im Laufe der Jahre weitergegeben, bis Wassili Konstantinowitsch ihn als echten Familiennamen übernahm. Ab 1904 und den darauffolgenden Jahren war Blücher Schüler der örtlichen Pfarrschule, bis sein Vater ihn aus finanzieller Not mit nach St. Petersburg nahm, damit er sich dort seinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Blücher arbeitete als Gehilfe in einem Laden und später als Hilfsarbeiter im Französisch-Russischen Maschinenbauwerk. Dort wurde er gekündigt, weil er sich an einer Demonstration der Arbeiter beteiligt hatte. Auf der Suche nach Arbeit reiste er nach Moskau. Dort wurde er 1909 Schlosser im Mytischtschinski-Eisenbahnwerk. 1910 wurde er wegen Aufrufs zum Streik verhaftet und zu Gefängnishaft verurteilt.
Erster Weltkrieg und Oktoberrevolution
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Blücher aus dem Gefängnis entlassen und als Soldat in die Russische Armee eingezogen. Blücher diente in der 8. russischen Armee unter Alexei Alexejewitsch Brussilow. Wegen seiner Tapferkeit wurde Blücher zweimal mit dem Kreuz des heiligen St. Georg ausgezeichnet und zum Unteroffizier befördert. Wenig später wurde er jedoch bei Ternopil schwer verwundet. Aufgrund seiner Verletzung wurde er vom Militärdienst freigestellt. Er reiste nach Nischni Nowgorod und arbeitete dort im Sormowski-Schiffsbauwerk. Später zog er nach Kasan um und arbeitete im dortigen mechanischen Werk. In Kasan trat er 1916 den Bolschewiki bei. Im Mai 1917 machte Blücher Bekanntschaft mit Walerian Wladimirowitsch Kuibyschew. Von Kuibyschew wurde er zum 102. Ersatzregiment der russischen Armee geschickt, um dort für die Bolschewiki zu agitieren. Wenig später wurde Blücher in das Regimentskomitee gewählt und Deputierter der Soldaten im Stadtsowjet von Kasan. Während der Oktoberrevolution war Blücher Mitglied des lokalen Kriegs- und Revolutionskomitees von Samara.[2]
Karriere in der Roten Armee
Im Verlauf des November 1917 wurde Blücher in Tscheljabinsk zum Kommissar der Roten Garden ernannt und zum Vorsitzenden des Tscheljabinsker Revolutionären Komitees gewählt. Zu Beginn des Jahres 1918 gelang ihm die Eroberung Orenburgs, das von antibolschewistischen Kosakeneinheiten unter Alexander Iljitsch Dutow im November 1917 besetzt worden war. Die Besetzung der sibirischen Stadt war der erste in einer Reihe von militärischen Erfolgen während des Russischen Bürgerkriegs, die ihn zu einem der bekanntesten Befehlshaber der im März 1918 von Trotzki neu gegründeten Roten Armee machen sollten. Mit der Gründung der Roten Armee wurden die bisherigen Roten Garden automatisch in das neue Landheer der Bolschewiki integriert.
Operationen in Sibirien
Die Position der Bolschewiki war in Sibirien bei weitem nicht so gefestigt, wie es im europäischen Teil Russlands der Fall war. Daher gerieten die sibirischen Truppen der Roten Armee in eine kritische Lage, als im Mai 1918 der Aufstand der Sozialrevolutionäre ausbrach. Dieser wurde von Soldaten der ehemaligen Tschechoslowakischen Legion des Russischen Heeres unterstützt, die die transsibirische Eisenbahnlinie unter ihre Kontrolle brachten. Nach der Rückeroberung Jekaterinburgs am 25. Juni 1918 kesselten die konterrevolutionären Truppen Orenburg ein. Blücher stellte sich an die Spitze der in der Stadt befindlichen roten Truppen und führte sie in Gewaltmärschen über den Ural auf Territorien zurück, die noch unter Kontrolle der Bolschewiki standen. Für diese militärische Leistung wurde Blücher im November 1918 als erstem Träger der Rotbannerorden verliehen. Die von Blücher angeführte Abteilung wurde am 20. September 1918 als 30. Schützenregiment in die 4. Uraldivision eingegliedert und Blücher offiziell zum Kommandeur des Regiments ernannt.
Im Januar 1919 wurde Blücher zum Assistenten des Befehlshabers der 3. sowjetischen Armee ernannt. Im April übernahm er die Aufgabe, als Platzkommandant den Rajon Bjatsk gegen Angriffe der Weißgardisten zu befestigen. Im Sommer 1919 wurden die Einheiten zur Verteidigung des Bjatsker Rajons und die nördliche Expeditionsabteilung zur 51. Schützendivision unter dem Befehl von Blücher zusammengefasst. Mit dieser Einheit drang Blücher ausgehend von Tjumen bis zum Baikalsee entlang der sibirischen Eisenbahnlinie nach Osten vor.
Kämpfe an der Südfront
Blücher hatte mit der erfolgreichen Verteidigung des Kachowsker Rajons (links oben) gegen Wrangels Frühjahrsoffensive einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Roten Armee
Im März 1920 wurde die 51. Schützendivision an die Südfront verlegt. Blücher bekam die Aufgabe, das Kachowsker Rajon gegen eine erwartete Offensive der weißen Armee unter General Baron Pjotr Nikolajewitsch von Wrangel zu befestigen. Diese Offensive konnte trotz des Durchbruchs Wrangels in Richtung Osten abgewehrt werden, nicht zuletzt weil die unter dem Befehl Blüchers stehenden Truppen dem Ansturm standhielten und sich bei Perekop ein Brückenkopf der Roten Armee hielt. Nachfolgend konnte die Rote Armee aus dem Aufmarschgebiet bei Kachowsk heraus Wrangels Truppen im August 1920 eine schwere Niederlage zufügen. Im November 1920 gelang es der Roten Armee schließlich, die Krim zu erobern und den Russischen Bürgerkrieg auf europäischem Boden zu beenden.
Fernöstliche Republik
1921 wurde Blücher erneut nach Russisch-Fernost versetzt, wo er die letzten noch von weißen Truppen kontrollierten Gebiete eroberte und an der Festnahme und Ermordung des Freiheitshelden Baron Nikolai Roman Maximilian von Ungern-Sternberg beteiligt war. Am 21. Juli wurde Blücher zum Verteidigungsminister der Fernöstlichen Republik ernannt. In dieser Position verfolgte er das Ziel der vollständigen Unterwerfung des Fernen Ostens von der japanischen Besatzung. Verhandlungen mit dem Japanischen Kaiserreich und den Vereinigten Staaten, bei denen der Abzug aller Interventionstruppen beschlossen wurde, brachten 1922 den gewünschten Erfolg. Am 25. Oktober 1922 zogen die Truppen Blüchers in Wladiwostok ein. Am 15. November 1922 wurde die Fernöstliche Republik in die neu geschaffene Sowjetunion integriert. Lediglich der Norden der Insel Sachalin verblieb noch bis 1925 in japanischer Hand.
Zwischenstation Petrograd
Nach der Auflösung der Fernöstlichen Republik wurde Blücher zum Kommandeur-Kommissar des ersten Infanteriekorps der Roten Armee ernannt. Der Rang entsprach dem eines Generals, der aber zum damaligen Zeitpunkt in der Hierarchie der Roten Armee nicht existierte. Von 1922 bis 1924 war Blücher Befehlshaber des Petrograder Verteidigungsbezirks.
Militärberater der Kuomintang
Von 1924 bis 1927 wurde er auf Anforderung der Kuomintang-Regierung als militärischer Berater nach China entsandt, wo er in geheimer Mission der Roten Armee unter dem Namen Galen an der Whampoa-Militärakademie in Kanton tätig war. Die junge Sowjetmacht sah sich der revolutionären Kuomintang-Bewegung Sun Yat-sens ideologisch verbunden und verfolgte bis zum Ende der 1920er Jahre eine entsprechen-de Bündnispolitik. Die Entsendung des siegreichen Generals verstand sich daher als besondere Geste der sowjetischen Führung gegenüber der Kuomintang.
Blücher war de facto für die Führung der Ersten Östlichen Expedition der Kuomintang verantwortlich, die im Januar 1925 stattfand. Er stellte fest, dass viele der chinesischen Generale, mit denen er zusammenarbeiten sollte, einen Mangel an Verantwortungs-bewusstsein hatten. Darüber hinaus wurden seine Pläne nur gegen großen Widerstand seitens der chinesischen Offiziere umgesetzt. Die Unternehmung wurde aber trotz dieser Schwierigkeiten zu einem Erfolg. Die Zweite Ostexpedition und die Nordexpedition wurden mit Hilfe Blüchers und der ihm unterstellten Berater ebenfalls erfolgreich durchgeführt. Der letztere Feldzug sicherte der Kuomintang eine zentrale Machtposition in China. Nachdem die chinesischen Kommunisten durch Chiang Kai-Shek entmachtet worden waren, zogen die sowjetischen Berater im Juli 1927 aus China ab.
Befehlshaber der Besonderen Fernostarmee
Nach der Rückkehr aus China übernahm Wassili Konstantinowitsch bis zum August 1929 zunächst den Oberbefehl über die Rote Armee in der Ukraine und danach die Führung der neu aufzubauenden Besonderen Fernostarmee, deren Hauptquartier in Chabarowsk angesiedelt wurde. Mit dieser Armee bekämpfte er erfolgreich die Truppen des chinesischen Kriegsherren Zhang Xueliang während des bis zum 22. Dezember andauernden Chinesisch-Sowjetischen Grenzkrieges von 1929. Für diesen militärischen Erfolg wurde er mit dem Orden des Roten Sterns ausgezeichnet.
1933 drohte Blücher damit, vom Posten des Kommandeurs des fernöstlichen Militärbezirks zurückzutreten, falls die von Stalin initiierte landwirtschaftliche Kollektivierung auch in den fernöstlichen Gebieten der Sowjetunion umgesetzt werden sollte. In diesem Fall könne er nicht mehr für die Sicherheit des Militärbezirks garantieren. Wegen dieser Intervention wurde die landwirtschaftliche Kollektivierung im sowjetischen Fernen Osten nicht durchgeführt.
Blücher gehörten 1935 zu den fünf ersten hohen Offizieren der Roten Armee, die zu Marschällen der Sowjetunion ernannt wurden. Die hohe Priorität, welche die Besondere Fernostarmee aufgrund ihrer Aufgabenstellung hatte, schützte Blücher zunächst vor den 1936 beginnenden Stalinschen Säuberungen. Die im Februar 1937 erfolgende Reorganisation der Besonderen Fernostarmee in eine Heeresgruppe mit dem Namen „Fernöstliche Rotbannerfront“ stärkte zunächst seine Position.
Er gehörte im Juli 1937 dem Militärtribunal des vierten Moskauer Prozesses an, das Marschall Tuchatschewski zusammen mit 11 weiteren Offizieren der Roten Armee zum Tode verurteilte. Während Blücher in Moskau dem Tribunal beiwohnte, begann im Fernen Osten die Säuberung der „Fernöstlichen Rotbannerfront“ durch das NKWD.
Solschenizyn schrieb dazu:
„Marschall Wassilij Blücher ist ein Symbol [der Zeit des Großen Terrors]: Er thronte im Gerichtspräsidium und richtete Tuchatschewski [...]. Kaum war Tuchatschewski erschossen, da rollte auch Blüchers Kopf.“
Wassili Konstantinowitsch Blücher, Semjon Israilewitsch Sapadnij (NKWD) und Terenti Dmitrijewitsch Deribas (NKWD) um 1932
Verhaftung und Tod
Im Sommer 1938 gelang es Blücher, einen japanischen Angriff auf das Staatsgebiet der Sowjetunion in der Schlacht am Chassansee vom 29. Juli bis zum 11. August 1938 abzuwehren. Dass es den Japanern gelungen war, am 31. Juli auf sowjetisches Territorium vorzudringen, wurde Blücher von Seiten des sowjetischen Volkskommissariats für Verteidigung als schweres Versagen angelastet. Er wurde zurück nach Moskau beordert und von seinem Kommando entbunden. Am 22. Oktober 1938 wurde Blücher verhaftet und zunächst in die Zentrale des NKWD gebracht. Er wurde kurz darauf der Spionage für Japan und des Verrats bezichtigt. Für die Untersuchung seines Falles war der stellvertretende Volkskommissar des NKWD, Lawrenti Beria, zuständig. Blücher wurde mit erzwungenem Geständnissen seines Stellvertreters Iwan Fedko, des Korpskommandeurs Chacharjan sowie seines Bruders Pawel Gurow konfrontiert, weigerte sich aber, die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen zu gestehen.
Am 3. November wurde Blücher auf Anweisung Berias in das Lefortowo-Gefängnis verlegt und dort schwer gefoltert. Laut einem Artikel des Historikers Safonow waren Beria und sein Stellvertreter Iwanow die einzigen Personen, die für die Befragung Blüchers verantwortlich waren. Unter dem Druck ständiger Gewaltanwendung begann Blücher ein Geständnis zu schreiben, das aber unvollendet blieb, da er aufgrund innerer Verletzungen am Abend des 9. November 1938 verstarb. Die Leiche wurde nicht den Angehörigen übergeben, sondern im damals einzigen Moskauer Krematorium auf dem Donskoi-Friedhof eingeäschert und die Asche dort in ein Massengrab geworfen.
Nach dem Ende der Stalin-Ära rehabilitierte der oberste sowjetische Militärgerichtshof Marschall der Sowjetunion Wassili Konstantinowitsch Blücher 1956 als Helden des Russischen Bürgerkriegs und erklärte die gegen ihn erhobenen Anklagen für nichtig.
Seine Auszeichnungen
Rosalija Samoilowna Salkind (RU- Розалия Самойловна Залкинд; * 20. Märzjul./ 1. April 1876greg. in Mogiljow [Weißrussland]; † 21. Januar 1947 in Moskau) war eine russische kommunistische Politikerin. Bekannt war sie unter ihrem Revolutionsnamen Semljatschka (RU- Землячка).
Leben
Salkind entstammte einer reichen jüdischen Händlerfamilie. Ihr Vater betrieb ein großes Geschäft in Kiew. Sie erinnerte sich später, dass ihr Vater in Kiew wohnte, mit seinen älteren Brüdern, und ihre Mutter sie erzog und "sehr demokratische Denkweisen lehrte" [so der Text der deutschen Wikipedia – demokratisch heisst wie die Ermordung des Kaisers Alexander II., siehe unten].