Staffel I
In die Wildnis (Bd. 1)
Feuer und Eis (Bd. 2)
Geheimnis des Waldes (Bd. 3)
Vor dem Sturm (Bd. 4)
Gefährliche Spuren (Bd. 5)
Stunde der Finsternis (Bd. 6)
Staffel II – Die neue Prophezeiung
Mitternacht (Bd. 1)
Mondschein (Bd. 2)
Morgenröte (Bd. 3)
Sternenglanz (Bd. 4)
Dämmerung (Bd. 5)
Sonnenuntergang (Bd. 6)
Staffel III – Die Macht der drei
Der geheime Blick (Bd. 1)
Fluss der Finsternis (Bd. 2)
Verbannt (Bd. 3)
Zeit der Dunkelheit (Bd. 4)
Lange Schatten (Bd. 5)
Sonnenaufgang (Bd. 6)
Staffel IV – Zeichen der Sterne
Der vierte Schüler (Bd. 1)
Fernes Echo (Bd. 2)
Stimmen der Nacht (Bd. 3)
Spur des Mondes (Bd. 4)
Der verschollene Krieger (Bd. 5)
Die letzte Hoffnung (Bd. 6)
Staffel V – Der Ursprung der Clans
Der Sonnenpfad (Bd. 1)
Donnerschlag (Bd. 2)
Der erste Kampf (Bd. 3)
Der Leuchtende Stern (Bd. 4)
Der geteilte Wald (Bd. 5)
Der Sternenpfad (Bd. 6)
Staffel VI – Vision von Schatten
Die Mission des Schülers (Bd. 1)
Donner und Schatten (Bd. 2)
Zerrissene Wolken (Bd. 3)
Dunkelste Nacht (Bd. 4)
Fluss aus Feuer (Bd. 5)
Wütender Sturm (Bd. 6)
Special Adventure
Feuersterns Mission
Das Schicksal des WolkenClans
Blausterns Prophezeiung
Streifensterns Bestimmung
Gelbzahns Geheimnis
Riesensterns Rache
Brombeersterns Aufstieg
Mottenflugs Vision
Habichtschwinges Reise
Short Adventure
Wolkensterns Reise
Distelblatts Geschichte
Nebelsterns Omen
Taubenflugs Schicksal
Die Welt der Clans
Das Gesetz der Krieger
Die letzten Geheimnisse
Von Helden und Verrätern
Alle Abenteuer auch als Printausgaben bei Beltz & Gelberg
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Hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS, SURVIVOR DOGS und BRAVELANDS.
Besonderen Dank an Cherith Baldry
Für Roberta
Anführer |
WOLKENHIMMEL – hellgrauer Kater mit blauen Augen |
BLATT – grau-weißer Kater |
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BLUME – kleine, gelb getigerte Kätzin |
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FLINKES WASSER – grau-weiße Kätzin |
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NESSEL – grauer Kater |
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SCHLANGE – braun getigerter, struppiger Kater |
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DORNE – räudiger Kater mit fleckigem Fell |
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Junge |
BIRKE – roter Kater |
ERLE – grau-weiße Kätzin |
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Anführerin |
GROSSER SCHATTEN – schwarze Kätzin mit dickem Pelz und grünen Augen |
GRAUER FLUG – schlanker, grauer Kater mit goldgelben Augen |
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ZACKIGER BERG – grau getigerter Kater |
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GETUPFTER PELZ – zierliche, schildpattfarbene Kätzin mit goldgelben Augen |
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BRECHENDES EIS – grau-weißer Kater mit grünen Augen |
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WOLKENFLECK – langhaariger, schwarzer Kater mit weißen Ohren, weißer Brust und zwei weißen Pfoten |
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WINDLÄUFER – drahtige, braune Kätzin |
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GINSTERPELZ – magerer, grau getigerter Kater |
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DONNER – hellroter Kater mit bernsteinfarbenen Augen und großen, weißen Pfoten |
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BLITZSCHWEIF – schwarzer Kater |
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EICHELFELL – rotbraune Kätzin |
|
Junge |
EULENAUGE – grauer Kater |
KIESELHERZ – braun getigerter Kater mit bernsteinfarbenen Augen |
|
SPERLINGFELL – schildpattfarbene Kätzin |
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SONNENFLAUM – sehr kleine Kätzin |
|
MOTTENFLUG – Kätzin mit grünen Augen |
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STAUBNASE – grauer Kater |
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Anführer |
STRÖMENDER FLUSS – silbergrauer Kater mit grünen Augen |
NACHT – schwarze Kätzin |
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TAU – Kätzin mit dickem, grauem Fell und leuchtend blauen Augen |
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DISTEL – Kätzin mit abstehendem, buschigem Fell |
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MAUSOHR – getigerter Kater mit kleinen Mauseohren |
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SCHLAMMPFOTE – hellbrauner Kater mit schwarzen Pfoten |
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HIMMELSSTERN – golden getigerte Kätzin mit grünen Augen |
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EINAUGE – räudiger Kater mit zottigem Fell und nur einem Auge |
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KATER – kupferfarbener Kater, ehemaliges Hauskätzchen |
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SCHIEFER – dunkelgraue Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen |
Grauer Flug saß auf der Anhöhe über der Senke. Die leisen Laute seiner schlafenden Baugefährten drangen gerade noch an sein Ohr. Über ihm schwebte der dicke, weiße Kreis des Mondes am Himmel und warf ein kaltes Licht auf die Heidelandschaft. Eine sanfte Brise zauste Grauer Flugs Fell. Seine Lider wurden schwer und er riss das Maul zu einem herzhaften Gähnen auf.
Dann saß er auf einmal in der Höhle hinter dem Wasserfall. Der tosende Wasserschleier glitzerte im Mondlicht, winzige, silberne Flecken huschten über die Wände und den Boden der Höhle. Ich bin wieder in unserer Berghöhle. Es ist schon so viele Monde her, dass wir von hier weggegangen sind.
Eine Bewegung an der gegenüberliegenden Höhlenwand erregte seine Aufmerksamkeit. Die Steinsagerin, Heilerin des Stammes, tappte zu dem Tunnel im hinteren Teil der Höhle, der in ihren Bau führte. Ihre Pfotenschritte waren zittrig vor Alter, ihr Körper war mager und ihr Fell ganz dünn. Wie alt sie ist. Grauer Flug sah ihr staunend nach. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Blattwechsel sie schon gesehen haben muss.
Grauer Flug schaute sich um. Er entdeckte seine Mutter Sanfter Regen zusammengerollt in ihrer Schlafkuhle und auch die anderen Stammesgefährten schliefen alle.
Da ist Tau auf Blatt … oh, sie hat ihre Jungen bekommen. Es sind drei und sie sehen kräftig und gesund aus. Und da hinten liegt Schneehase. Sie hat immer so spannende Geschichten erzählt.
Neugier überkam Grauer Flug. Als er noch in der Höhle gelebt hatte, war er nie im Bau der Heilerin gewesen. Aber das hier ist ein Traum! Vielleicht kann ich ihr folgen, ohne dass sie es merkt. Er erhob sich und ging ihr nach.
Doch als Grauer Flug die Tunnelöffnung erreichte, war die Steinsagerin längst verschwunden und er konnte nur noch ein schwaches, silbernes Leuchten weit vor sich im Gang erkennen. Ohne auf das Kribbeln in seinem Pelz zu achten, glitt er in den dunklen Durchgang und tappte auf das Licht zu.
Sobald er dem Tunnelende näher kam, schlich er vorsichtig weiter und steckte schließlich den Kopf in die Höhle der Steinsagerin. Er sah sich um und musste ein staunendes Maunzen unterdrücken. Die Höhle war viel kleiner als jene, in der der Stamm lebte. Mondlicht strömte durch ein schartiges Loch hoch über ihm und überzog alles mit einem eisigen Glanz. Die Steinsagerin saß mit dem Rücken zu Grauer Flug da und starrte nach oben.
Spitze Steine hingen von der Höhlendecke herab und noch mehr wuchsen vom Boden in die Höhle empor. Einige davon trafen sich in der Mitte, sodass es aussah, als würde die Stammesheilerin inmitten eines Waldes aus steinernen Bäumen sitzen. Kleine, im Mondlicht schimmernde Wasserrinnsale sickerten an den Steinen herab und sammelten sich am Boden zu Pfützen.
Fasziniert trat Grauer Flug in die Höhle und pirschte sich leise an die Steinsagerin heran wie an ein Stück Beute. Er war sich sicher, dass er kein Geräusch gemacht hatte, aber plötzlich streckte sie die Pfote nach ihm aus und hielt ihn zurück.
Der Kater jaulte erschrocken auf.
Das ist nur ein Traum. Woher weiß die Steinsagerin, dass ich hier bin?
»Warum folgst du mir?«, fragte die alte Kätzin. Ihre Stimme klang freundlich, doch sie drehte sich nicht zu ihrem Besucher um.
Erschrocken und beschämt legte er die Ohren an. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Ich wollte dir nichts tun«, protestierte er. »Ich … äh … ich wollte nur …« Seine Stimme erstarb, er sah die Steinsagerin an und machte sich auf einen strengen Tadel gefasst.
Die Kätzin zog ihre Pfote zurück. »Du bist gekommen, weil ich dich eingeladen habe«, miaute sie mit einer Stimme voller Weisheit. »Ich habe dir erlaubt, mir zu folgen. Ich habe dich gerufen.«
Grauer Flugs Pelz prickelte vor Staunen, seine Pfoten scharrten an dem harten, feuchten Boden. »Das kannst du tun?«, flüsterte er. »Obwohl ich so weit entfernt lebe?«
Zum ersten Mal sah die Steinsagerin ihn an. »Ein Teil deines Herzens gehört für immer hierher.«
Grauer Flug wusste, dass sie recht hatte. Obwohl das Leben in den Bergen rau und kalt war, sehnte er sich manchmal immer noch nach dem Brausen des Wasserfalls und den schroffen Berggipfeln, die hoch zum Himmel aufragten. Und ich vermisse die Katzen, die ich zurückgelassen habe … vor allem Sanfter Regen.
»Aber warum …«, fing er an.
»Sei still«, miaute die Steinsagerin.
Sie deutete mit zitternden Schnurrhaaren auf eine Spinne, die im silbernen Mondlicht an ihrem Netz spann. Am Rand des Netzes hingen ein paar Fliegen, und als die Spinne langsam zu ihnen krabbelte, ließ die Bewegung die schimmernden Fäden erzittern.
Grauer Flug unterdrückte ein amüsiertes Schnauben. Diese Spinne wird sich gleich ordentlich den Bauch vollschlagen.
Da fuhr die Pfote der Steinsagerin unvermittelt vor und riss das Netz mit ihren Krallen in Fetzen. Erschrocken beobachtete Grauer Flug, wie die Spinne in die Tiefe fiel. Doch sofort warf sie einen neuen Faden aus, um ihren Fall zu bremsen, und seilte sich dann langsam zum Höhlenboden ab. Dort huschte sie davon und flüchtete vor ihrem zerstörten Zuhause.
»Warum hast du das gemacht?«, fragte Grauer Flug erstaunt.
Die Heilerin erwiderte seinen Blick. »Das spielt jetzt keine Rolle«, miaute sie. »Aber wie hat die Spinne reagiert?«
Was für eine alberne Frage. Aber das darf ich der Steinsagerin nicht sagen. »Na ja, sie hat sich in Sicherheit gebracht«, erwiderte er.
»Stimmt genau«, bestätigte die Steinsagerin. »Und was wird sie jetzt tun?«
Was soll das? Grauer Flug war genervt. Ich bin doch kein Junges, dem man beibringen muss, wie man sich den Pelz putzt!
Er holte tief Luft und antwortete: »Sie wird sich ein neues Netz bauen.«
»Richtig«, miaute die Steinsagerin. »Weisheit und ein langes Leben wird nur dem geschenkt, der sich anpassen kann. Eines Tages wirst auch du so anpassungsfähig sein müssen. Du wirst stark sein müssen, für dich und für die anderen Katzen. Du hast bereits erfahren, dass das Leben hart sein kann. Und es wird noch härter werden.«
Sorge durchfuhr Grauer Flug von den Ohren bis zur Schwanzspitze. Überrascht und beunruhigt schnaubte er: »Kannst du mir das nicht etwas genauer erklären?«
Die Stimme der Steinsagerin wurde weicher und sie neigte mitfühlend den Kopf. »Es liegt nicht in meiner Macht, deine Zukunft zu gestalten, Grauer Flug. Ich kann dir nur die Richtung weisen. Du musst deine eigenen Entscheidungen treffen, aber du wirst stark sein müssen – stärker als je zuvor.«
Sie sah über seine Schulter hinweg. Grauer Flug drehte den Kopf und folgte ihrem Blick. Es war, als könnte er durch den Tunnel hindurch bis in die Höhle schauen, wo seine Mutter Sanfter Regen immer noch in ihrer Kuhle schlief. Ein bohrender Schmerz stach ihm ins Herz. Es ist so lange her, seit ich sie in den Bergen zurückgelassen, so viele Monde, seit ich ihr weiches Fell das letzte Mal gespürt habe.
»Deine Mutter soll stolz auf dich sein können«, mahnte die Steinsagerin. »Vergiss nie, wer du bist und woher du kommst. Ich sage dir das, weil ich weiß, dass du stark genug bist, um diese Worte zu hören. Ein großes Schicksal erwartet dich und deine Freunde, Grauer Flug – aber es wird nicht ewig auf euch warten …«
»Es ist an der Zeit, unsere Toten zu begraben«, verkündete Großer Schatten.
Die Worte der schwarzen Kätzin lenkten Donners Aufmerksamkeit zurück auf den Tod und die Zerstörung um ihn herum.
Überall unter den Ästen der vier großen Eichen beleuchtete der Mond Lachen aus getrocknetem Blut und herausgerissene Fellbüschel. Katzen lagen mit offenen Augen im zertrampelten Gras, ihre Gesichter erstarrt in Schmerz und Entsetzen. Die Wut, mit der sie so erbittert gegeneinander gekämpft hatten, war verflogen wie Nebel in der Morgensonne. Nun sah jede Katze verwundbar aus, lebende wie tote.
Donner erhaschte aus dem Augenwinkel einen Blick auf einen flatternden, schwarzen Flügel. Er drehte sich um und entdeckte eine Krähe, die auf einem der tiefen Äste gelandet war. Ihre kleinen, glänzenden Augen huschten gierig von einer Katze zur nächsten. Ein Schauder durchfuhr Donner und er sträubte sein Fell.
Großer Schatten hat recht. Keine Katze sollte als Beute für die Aasfresser hier liegen bleiben, nachdem sie ihr Leben in einem so blutigen Kampf opfern musste.
Er hatte das Gefühl, anstelle seines Herzens einen schweren, nassen Stein in der Brust zu tragen. Etwas in ihm wusste, dass alles auf diesen schrecklichen Kampf hingeführt hatte. Keine Katze hätte ihn verhindern können. Katze gegen Katze, Krallen gegen Zähne – und das alles nur wegen eines Streits um Territorium. Vor seinen Augen flackerte das Bild auf, wie Blut auf Rinde spritzte, und er erschauderte erneut. Geisterkatzen waren ihnen in einer Vision erschienen und hatten ihnen befohlen, mit dem Kämpfen aufzuhören. Das möchte ich ja. Donner war ratlos. Aber wie sollen wir einen Weg zurück zum Frieden finden?
Donner bemühte sich vergeblich, eine Bedeutung in dieser Zerstörung zu erkennen; ihm war, als würde er blind durch dichten Nebel tasten. Jetzt haben alle gesehen, dass ein Kampf um Territorium, der mit Zähnen und Krallen geführt wird, nur Tod und Zerstörung, Schmerz und Leid bringt. Donner fragte sich, ob die Katzen, die heute ihr Leben verloren hatten, deswegen gestorben waren, damit sich diese Erkenntnis durchsetzte.
»Es sind so viele«, miaute Donner und tappte vorsichtig zwischen den Leichen zu Großer Schatten. »Wie sollen wir sie vor den Aasfressern schützen?«
Großer Schatten streckte die Vorderpfote vor und ließ nachdenklich die Krallen ausfahren. »Mit diesen Pfoten wurde Blut vergossen«, erwiderte sie. »Und mit ihnen wird Unrecht auch wiedergutgemacht.«
Wiedergutgemacht? Donner war erstaunt. Er begriff zwar, was die Kätzin meinte, trotzdem stieg bei diesen Worten eine fast unerträgliche Trauer in ihm auf. Wie kann man so ein Gemetzel jemals wiedergutmachen?
»Wir scharren ein Loch«, fuhr Großer Schatten fort, »das groß genug ist, dass alle unsere gefallenen Freunde zusammen darin liegen können, egal, wie lange es dauert. Im Leben sind sie auseinandergerissen worden, im Tod sollen sie wieder vereint sein.«
Bei diesen Worten kribbelte jedes Haar in Donners Pelz. Vereint. Genau das haben die Geisterkatzen am Ende des Kampfs zu uns gesagt: Vereint euch oder geht zugrunde.
»Ja, das sollten wir tun«, miaute er heiser.
Grauer Flug, Windläufer und Strömender Fluss, die zu ihnen getreten waren, murmelten zustimmend.
»Das wird für alle Katzen sehr anstrengend werden«, warnte Grauer Flug die anderen.
»Dann müssen wir diese Anstrengung eben auf uns nehmen«, beharrte Großer Schatten. »Nur die Erde kann unsere gefallenen Gefährten vor den Krähen und Füchsen schützen.«
Während sie und die anderen Katzen sofort damit begannen, in der Erde zu graben, bemerkte Donner, wie sein Vater Wolkenhimmel zögernd einige Fuchslängen entfernt verharrte.
Donner tappte zu ihm und dachte daran, dass er noch vor Kurzem auf Leben und Tod gegen seinen Vater gekämpft hatte. Nun senkte Wolkenhimmel mit tief beschämtem Blick den Kopf. »Das ist alles meine Schuld«, krächzte er, als müsste er gegen den Drang ankämpfen, laut loszuheulen. »Es war meine Wut, die dieses Chaos angerichtet hat. Meine Wut hat diese Katzen in einen Kampf geführt, der sie dann das Leben kostete. So viele …«, fügte er flüsternd hinzu.
Erinnerungen schoben sich in Donners Kopf – wie er als Junges zum ersten Mal von Wolkenhimmel zurückgewiesen wurde, dann die lange Zeit der Entfremdung, gefolgt von Donners Entsetzen über das brutale Vorgehen seines Vaters, als er bei ihm im Wald lebte, ihre Streitereien und schließlich die Trennung, als Donners Pfoten nicht länger dem Pfad seines Vaters folgen wollten.
Trotz allem hatte Donner nun Mitleid mit dem hellgrauen Kater. »Komm«, miaute er aufmunternd. »Erweisen wir den Katzen, die sich geopfert haben, einen letzten Dienst.«
Als Wolkenhimmel nicht widersprach, führte Donner ihn zu den anderen, die bereits im Schatten der vier Bäume gruben. Schweigend scharrten und wühlten die Katzen in der Erde und das Loch wurde immer größer.
Donner, müde vom Kampf, spürte, wie seine Beine anfingen zu schmerzen. Seine Pfoten färbten sich schwarz vor Dreck, und bald war er so erschöpft, dass alles vor seinen Augen verschwamm. Dennoch zwang er sich, weiterzumachen. Irgendwo über ihm erklang das raue Krächzen einer Krähe, woraufhin er noch schneller grub.
Endlich trat Großer Schatten zurück und schüttelte sich die Erde von den Tatzen. »Das dürfte reichen«, keuchte sie. »Legen wir unsere Freunde hinein.«
Die Katzen taten sich zu zweit zusammen, packten die toten Katzen mit den Zähnen und schleppten die schlaffen, leblosen Körper zu der Grube. Nur Donner fand sich allein über dem Leichnam von Gleitender Habicht wieder. Ihr rot getigertes Fell war blutverklebt und in ihrer Kehle klaffte eine grausame Wunde.
Der junge Kater erinnerte sich daran, wie liebevoll die Kätzin für ihn gesorgt hatte, nachdem er von seinem Vater aus dem Wald verjagt worden und mit Grauer Flug in die Senke gekommen war. Scharfe Krallen bohrten sich in sein Herz, und das Fell an seinen Schultern sträubte sich, als sein Blick über die Lichtung zu Wolkenhimmel wanderte. Der graue Kater stand vor dem leblosen Körper von Regen auf Blüte, die er bereits kurz vor Beginn des Kampfes umgebracht hatte.
Sie kannten sich, seit sie beide Junge waren. Abscheu stieg in Donner auf.
Da hörte er seinen Vater mit leiser, gramerfüllter Stimme murmeln: »Es tut mir so leid.«
Wolkenhimmel schien aufrichtig um seine tote Freundin zu trauern.
Das schlechte Gewissen wird ihn mehr quälen als jeder Hieb von einer Katzenkralle.
Mit schwerem Herzen senkte Donner den Kopf und packte Gleitender Habicht mit den Zähnen. Ihr Fell schmeckte nach Tod, und er musste sich zwingen, nicht zurückzuschrecken. Im Tod war ihr Körper schlaff und schwer. Jetzt verstehe ich, warum die anderen Katzen das zu zweit machen. Donner zerrte sie zum Grab.
Nach wenigen Schritten erspähte er neben sich einen schwarzen Pelz. Es war Blitzschweif mit seiner Schwester Eichelfell.
»Wir wollen dir helfen«, miaute Blitzschweif.
Donner nickte. Es war nur richtig, dass die beiden jungen Katzen mit anpackten, um ihre Mutter zu begraben.
Mit kummervollem Blick packte der schwarze Kater den getigerten Schwanz seiner Mutter mit den Zähnen, während Eichelfell die Schulter unter ihren Bauch schob. Mit ihrer beider Hilfe schien Gleitender Habichts Körper auf einmal ganz leicht zu sein und wenige Herzschläge später hatten sie die Tote bereits zum Rand des Grabs getragen.
Keuchend vor Anstrengung trat Donner einen Schritt zurück. Blitzschweif und Eichelfell standen mit hängenden Köpfen und Schultern über dem Körper ihrer Mutter. Sie wechselten einen tieftraurigen Blick, senkten die Nasen und schoben Gleitender Habicht in die Grube. Im letzten Moment schlossen sie die Augen, als könnten sie den Anblick nicht ertragen, wie sie auf dem Haufen von Katzenleichen landete.
»Einen schlimmeren Tag hat es nie gegeben.«
Die rauen Worte ließen Donner zusammenfahren. Er drehte sich um und entdeckte Grauer Flug. Durch die Bäume hinter ihm, an denen immer noch ein paar wenige welke Blätter hingen, konnte Donner die Hügel des Moorlands sehen, die kahl und düster unter dem frostigen Himmel aufragten.
»Die Tage, die vor uns liegen, können nur besser werden«, miaute der graue Kater.
Donner richtete sich auf und hob stolz den Kopf. Grauer Flug hat recht. Er blinzelte entschlossen. Wir werden in Zukunft dafür sorgen, dass wir nie wieder ein solches Leid erleben müssen.
»Ich werde dich nie vergessen, Gleitender Habicht«, sagte Blitzschweif mit tieftrauriger Stimme am Rand des Grabs.
»Ich auch nicht«, fügte Eichelfell hinzu. »Wir werden dich beide sehr vermissen.«
Auch die anderen Katzen versammelten sich um die Grube und schauten auf ihre toten Gefährten hinab.
Brechendes Eis kauerte am Rand des Lochs, den Blick auf seinen Freund Schrei der Dohle gerichtet. »Jetzt werden wir niemals wieder zusammen einen Tunnel graben«, miaute er heiser vor Kummer. »Ohne dich wird die Senke nicht mehr dieselbe sein.«
»Aber du bist nicht umsonst gestorben«, fügte Wolkenfleck hinzu, der so dicht neben Brechendes Eis stand, dass sich ihre Pelze berührten. »Keiner von euch ist das. Wir werden von diesem schrecklichen Tag lernen, das versprechen wir euch.«
Andere Katzen griffen die Worte auf und erhoben die Stimmen zu einem leidvollen Heulen. »Das versprechen wir! Das versprechen wir!«
Das Jaulen erstarb, Donner zog sich vom Grab zurück und fand sich neben Großer Schatten wieder. Als würde eine unsichtbare Macht ihre Pfoten lenken, gesellten sich auch Strömender Fluss und Windläufer zu ihnen.
Wenige Herzschläge später trat noch Wolkenhimmel mit zögernden Pfotenschritten dazu. Seine Augen waren starr in die Ferne gerichtet, als blicke er durch die anderen Katzen hindurch auf etwas, das sie nicht sehen konnten. Er verharrte ein Stück abseits von den anderen vier, die sich nebeneinander aufgereiht hatten und die überlebenden Katzen musterten.
Wir sehen aus, als würden wir das Grab bewachen. Unwillkürlich zog dieser Gedanke durch Donners Kopf.
Grauer Flug humpelte zu seinem Wurfgefährten und setzte sich zu ihm.
»Katzen, hört mich an!«, jaulte Großer Schatten und ließ ihren Blick über die trauernde Katzenschar wandern. »So etwas darf nie wieder geschehen. Wir hätten auf die Katzen in den Sternen hören sollen, auf die Warnung, die sie uns gaben. Von nun an müssen wir friedlich zusammenleben und uns beim nächsten Vollmond wieder hier auf der Lichtung treffen – falls die Geisterkatzen noch mehr Botschaften für uns haben.«
»Ja!« Wolkenhimmels Stimme war ganz zittrig. »Wenigstens gibt es jetzt Katzen, die uns sagen, was wir tun sollen.«
Auf einmal blitzte wie ein gleißender Sonnenstrahl, der auf Wasser trifft, eine Erkenntnis in Donner auf. »Also deshalb warst du immer so feindselig und bedacht darauf, deine Katzen zu schützen!«
Auch Grauer Flug sah seinen Bruder voller Mitgefühl an. »Dir war die Verantwortung zu groß! Du hast versucht, das Richtige zu tun, und dir dabei zu viel abverlangt.«
Wolkenhimmel senkte schamerfüllt den Kopf. »Es tut mir so unendlich leid …«
Zum ersten Mal seit vielen Tagen regte sich Hoffnung in Donner. Von nun an wird Wolkenhimmel Rat von den Geisterkatzen bekommen. Vielleicht … Dann schüttelte er den Kopf. Aber dennoch, nichts wird mich davon überzeugen können, dass diese Katzen wirklich sterben mussten.
Ein lautes Räuspern von Großer Schatten unterbrach seine Gedanken. »Wenn ich mal zu Ende reden dürfte …« Sie hielt inne und fuhr erst fort, als die anderen Katzen zustimmend den Kopf neigten. »Ich möchte von euch das Versprechen hören, dass sich von nun an alle Katzen gegenseitig respektieren. Es darf nicht mehr um Territorium oder um Beute gekämpft werden. Zu viel Schlimmes ist geschehen, und wir brauchen alle Zeit, um uns davon zu erholen. Überhaupt meine ich, dass jede Katze, die Hilfe braucht, diese auch bekommen sollte, egal, wer sie ist und wo sie lebt. Seid ihr damit einverstanden?«
Nach diesen Worten sah Großer Schatten zu Grauer Flug hinüber, der den Blick sofort auf Donner richtete.
»Mein junger Verwandter hat seine Fähigkeiten im Kampf bewiesen«, miaute Grauer Flug. »Großer Schatten, ich denke, du solltest dich in Zeiten wie diesen lieber an ihn wenden.«
Großer Schatten war verwundert. »An Donner?«
»Ja«, erwiderte Grauer Flug und senkte den Kopf. »Ich muss jetzt erst einmal darüber nachdenken, was geschehen ist und was die Zukunft mir bringen wird. Donner soll seinen rechtmäßigen Platz als Anführer neben dir und Wolkenhimmel und Strömender Fluss einnehmen.«
Die Worte beunruhigten Donner zutiefst. Grauer Flug war immer wie ein Vater für ihn gewesen, und nun schien es, als wolle er sich zurückziehen. Von Trauer überwältigt und noch geschwächt von seiner Krankheit, kauerte der graue Kater am Boden.
Gleichzeitig war sich Donner bewusst, dass jetzt nicht die Zeit war, zu zögern oder falsche Bescheidenheit zu zeigen. Die Katzen brauchen mich. Er wandte sich an Großer Schatten.
»Ja, wir sollten jeder Katze helfen, die in Schwierigkeiten steckt«, antwortete er.
Windläufer schnurrte zustimmend, auch Strömender Fluss neigte den Kopf. »Ich werde allen Katzen helfen, so gut ich kann«, entgegnete er. Donner war überrascht, wie bewegt seine Stimme klang. Zum ersten Mal hatte der silberne Kater seine sonstige distanzierte Gelassenheit abgelegt. Donner war beeindruckt.
Dabei hat er den Katzen, die heute gestorben sind, nicht mal besonders nahe gestanden.
Er wandte sich an seinen Vater. »Bist du auch einverstanden, Wolkenhimmel?«
Wieder einmal starrte Wolkenhimmel in die Ferne, auf etwas, das nur er sehen konnte. Beim Klang von Donners Stimme schrak er zusammen. »Ja … ja, ich bin einverstanden«, miaute er.
Donner wünschte, sein Vater würde nicht immer den Eindruck erwecken, Entscheidungen, die von anderen getroffen wurden, nicht wirklich zu respektieren, aber dann tröstete er sich damit, dass Wolkenhimmel vermutlich noch ganz durcheinander war von den schlimmen Ereignissen der Nacht.
So wie wir alle.
»Und nun ist es Zeit, dass wir nach Hause gehen«, verkündete Großer Schatten. »In den Wald oder in die Senke auf dem Moor. Das kann jede Katze frei wählen.«
»Ich lebe in keinem der beiden Lager«, warf Strömender Fluss ein. »Aber jede Katze, die zu mir auf meine Insel kommen möchte, ist herzlich eingeladen.«
Donner beobachtete, wie die Katzen immer noch etwas unsicher hin und her tappten. Allmählich fanden sie sich zu zwei Gruppen zusammen, eine um Großer Schatten, Windläufer und Donner, die andere um Wolkenhimmel.
Eichelfell zog es sichtlich zu den Katzen, die um Wolkenhimmel herumstanden. Bei diesem Anblick kribbelte Donners Fell besorgt. Er trat einen Schritt vor, doch bevor er noch etwas sagen konnte, hatte sich Blitzschweif neben ihn gestellt und starrte mit großen, entsetzten Augen zu seiner Schwester hinüber.
»Sie kann doch nicht im Ernst daran denken, uns zu verlassen!«, rief er.
Eichelfell, die ihn entweder gehört oder die Blicke der beiden Kater bemerkt hatte, kam zu ihnen. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich zurück in die Senke möchte«, miaute sie und blinzelte entschuldigend. »Dort ist zu viel passiert. Ich würde immer erwarten, dass Gleitender Habicht und Schrei der Dohle …« Ihre Stimme erstarb.
Noch als sie das sagte, verließ Wolkenhimmel seine Katzenschar und tappte zu ihnen. »Ich nehme Eichelfell gerne mit uns in den Wald«, verkündete er. »Wenn sie das möchte.«
Eichelfell antwortete nicht, sondern blickte nur stumm zu Boden. Donner, der erkannte, dass genau das ihr Wunsch war, blinzelte widerwillig. Ich kann nichts dagegen tun. Wir haben vereinbart, friedlich miteinander zu leben. Außerdem hat Großer Schatten recht: Jede Katze sollte selbst entscheiden dürfen, wo sie leben möchte.
Er seufzte tief. Wieder einmal zeigte sich, dass nichts mehr so sein würde wie früher.
Doch Blitzschweif wollte das nicht so einfach hinnehmen. »Wie kannst du mich nur verlassen?«, warf er seiner Wurfgefährtin vor.
»Ich bleibe doch in der Nähe.« Eichelfell strich mit dem Schwanz über die Schulter ihres Bruders. »Der Wald ist nicht weit weg. Und willst du nicht vielleicht mit mir kommen?« Hoffnungsvoll sah sie ihn an.
Blitzschweif zögerte einen Herzschlag lang und öffnete das Maul zu einer Antwort, doch dann wandte er den Blick ab, als würde er keine Worte finden. Traurig schüttelte er den Kopf.
Ein großes Gefühl der Wärme und Zuneigung für seinen treuen Freund stieg in Donner auf. Er ging zu ihm und drückte ihm zärtlich die Schnauze gegen die Flanke. »Eichelfell hat recht«, miaute er. »Sie wird nicht weit weg sein. Und wenn der Kampf eines bewiesen hat, dann das: Wir sollten uns nicht als zwei getrennte Gruppen betrachten, sondern als eine große, die in zwei Hälften geteilt ist.«
Blitzschweif nickte verstehend, schien aber nicht wirklich glücklich darüber.
Natürlich ist er traurig. Donner wusste, wie sein Freund sich fühlte. Ich werde mich in Zukunft möglichst viel um ihn kümmern.
Die beiden Gruppen machten Anstalten, die Lichtung zu verlassen, die eine Richtung Moor, die andere die Anhöhe hinauf und tiefer in den Wald hinein. Nur Strömender Fluss rührte sich nicht von der Stelle. Bei Donners fragendem Blick zuckten seine Ohren. »Ich freue mich, dass ihr eure Differenzen ausgeräumt habt«, miaute er.
Die Worte des silbernen Katers versetzten Donner einen Stich. Ihm war, als würde der Wald nach ihm rufen. Zwischen den Bäumen habe ich mich immer viel wohler gefühlt. Er erinnerte sich daran, wie geschickt er sich angestellt hatte, wenn er sich im Unterholz an Beute anschlich, fast, als wäre es ihm angeboren. Und auch die anderen Katzen schienen bei Strömender Fluss’ Worte nachdenklich geworden zu sein. Im Moment aber sieht es so aus, als würde ich aufs Moor gehören. Grauer Flug und Blitzschweif brauchen mich dort.
Donner verabschiedete sich mit einem höflichen Kopfnicken von Strömender Fluss und tappte zu Großer Schatten und Windläufer. Mit einem verlegenen Blick trat Wolkenhimmel zu ihnen.
»Dann heißt es für jetzt wohl Abschied nehmen«, miaute er unbehaglich. »Aber ihr dürft uns jederzeit gerne besuchen. Es wird keine Wachen an den Grenzen mehr geben, das verspreche ich.«
Großer Schatten nahm seine Worte mit einem steifen Nicken zur Kenntnis. »Beim nächsten Vollmond treffen wir uns hier wieder«, verkündete sie. »Dann werden wir sehen, wie alle miteinander auskommen.«
Wolkenhimmel maunzte zustimmend, kehrte zu seinen Katzen zurück und führte sie den Hang hinauf in die Schatten zwischen den Bäumen. Donner sah ihnen nach, bis die letzte Schwanzspitze im Unterholz verschwunden war.
»Kommt jetzt«, miaute Großer Schatten und rief ihre Katzen mit einem Schwanzschnippen zum Aufbruch. »Lasst uns nach Hause gehen.«
Aber wird es sich noch wie ein Zuhause anfühlen? Donner seufzte traurig. Jetzt, wo so viele von uns nicht mehr da sind?
Er führte die Gruppe in Richtung Moor. Trotz aller Versprechungen war er besorgt. Sie hatten zwar Frieden mit Wolkenhimmels Gruppe geschlossen, und doch fragte er sich, wie lange dieser halten würde.
Die Morgendämmerung drang durch die Zweige, und es wurde heller, je mehr sie sich dem Waldrand näherten. Sie kamen nur langsam voran; geschwächt von ihren Wunden und der Trauer, humpelten sie mühsam zwischen Farndickichten und Brombeergestrüpp voran. Grauer Flug keuchte bei jedem Atemzug.
Wenn wir jetzt angegriffen werden, sind wir Krähenfraß. Donner hatte Angst, der Blutgeruch könnte Raubtiere anlocken.
Wie von seiner Furcht herbeigerufen, raschelte es auf einmal vor ihnen im Unterholz. Donner erstarrte und hob den Schwanz, zum Zeichen, dass alle stehen bleiben sollten. Er witterte und fragte sich, was da vorne wohl auf sie lauerte. Es roch weder nach Fuchs noch nach Dachs, aber was sich dort in den Büschen versteckte, war zu groß, um Beute zu sein.
»Wer ist da?«, rief Donner mit lauter, befehlender Stimme. »Komm raus!«
Kurz darauf schlüpften drei Katzen unter einem Stechginsterstrauch hervor. Sie waren drahtig, sahen aber halb verhungert aus und verströmten einen etwas ranzigen Geruch. Ihre Schwänze hingen herab und sie hatten ängstlich ihr Fell gesträubt.
Donners Blick wanderte über die drei Streuner, die halb geduckt, halb trotzig vor ihm standen. Zwei davon waren Kater, einer mit einem hellbraunen Fell und schwarzen Pfoten, der andere ein großer Tigerkater mit ungewöhnlich kleinen Ohren. Die Kätzin hatte einen buschigen Pelz, der stachelig von ihrem Körper abstand. Donners Anspannung ließ nach. Dieser jämmerliche Trupp würde den Moorkatzen trotz ihres geschwächten Zustands und ihrer Verletzungen keinen Ärger machen können.
Die Kätzin trat als Erste vor. »Wir haben den Kampf gesehen und mitangehört, was ihr hinterher besprochen habt«, hob sie an und sah Donner dabei fest in die Augen. »Wir haben uns gefragt, ob es in eurer Gruppe vielleicht noch Platz für drei weitere Katzen gibt.«
Großer Schatten trat vor und stellte sich neben Donner. »Es war klug, dass ihr euch nicht in den Kampf eingemischt habt. Aber wer seid ihr?«, fragte sie.
»Ich werde Distel genannt«, erwiderte die Kätzin. »Und das sind Schlammpfote und Mausohr.«
Der getigerte Kater zog den Kopf ein und spähte sie schüchtern und gleichzeitig belustigt an. »Könnt ihr erraten, woher wir unsere Namen haben?«, fragte er.
Eingenommen von ihrem freundlichen Ton, konnte Donner nicht widerstehen zu antworten. »Schlammpfote – das ist einfach«, miaute er. »Dieser Kater hat schwarze Fellringe an allen seinen Pfoten, als wäre er durch Schlamm gewatet.«
Blitzschweif umkreiste den großen Tigerkater neugierig. »Deine Ohren sind so klein wie die einer Maus – du musst Mausohr sein«, verkündete er schließlich.
»Was?« Der Kater sah Blitzschweif mit gebleckten Zähnen und leise fauchend an. Blitzschweif richtete sich sogleich auf und wappnete sich gegen einen Angriff.
Donner trat einen Schritt vor, doch Distel hob den Schwanz und hielt ihn auf. »Schon gut«, versicherte sie ihm. »Mausohr sieht vielleicht wie ein Raufbold aus, aber unter seiner harten Schale hat er ein weiches Herz.«
»Anders als du!«, gab Mausohr zurück, der vor Blitzschweif zurückgewichen war.
Distel erstarrte und sträubte ihr Fell.
Belustigt miaute Donner: »Jetzt kapiere ich. Distel! Du bist so stachelig wie der Busch, unter dem du dich versteckt hast. Stimmt’s?«
Schlammpfote und Mausohr sahen sich amüsiert an, während Distel verärgert mit den Pfoten in der Erde scharrte.
»Kann sein …«, gab sie mit einem schnellen Blick auf ihre beiden Freunde zu.
Die Sonne stieg immer höher, ihre Sonnenstrahlen drangen schon durch die Zweige. Erschöpfung überkam Donner. Er musste unbedingt zurück in die Senke und schlafen. Am besten einen ganzen Mond lang.
»Warum wollt ihr euch uns anschließen?«, fragte Großer Schatten die drei Fremden. »Du hast gesagt, ihr habt die Rufe und das Kampfgeschrei gehört. Seht ihr nicht, dass viele von uns verletzt sind? Bei uns wartet kein leichtes Leben auf euch. Am Ende müsst ihr noch mithelfen, die Verwundeten zu versorgen.«
Die drei Katzen sahen sich an, dann trat Mausohr vor. »Ja, wir haben den Kampf letzte Nacht beobachtet, und wir sehen auch, dass ihr gelitten habt. Aber warum sollten wir deshalb nicht bei euch leben wollen? Wir respektieren euch für eure Tapferkeit.«
Donners Pelz brannte vor Scham bei dem Gedanken, dass andere Katzen Zeugen dieses entsetzlichen Kampfes geworden waren. Er fühlte sich ganz und gar nicht tapfer.
»Wir fanden euch sehr mutig«, fuhr Mausohr fort. »Wir leben gerne hier auf dem Moor, aber nur zu dritt ist es sehr schwer. Und wir glauben, dass auch ihr davon profitieren könnt, wenn wir uns euch anschließen dürfen. Ich kann es mit so ziemlich jeder Katze aufnehmen und einmal habe ich sogar einen Dachs besiegt! Und Distel ist richtig gut darin zu spüren, welchen Katzen man trauen kann.«
»Das stimmt«, warf Distel ein. »Wenn man so schwer zufriedenzustellen ist wie ich, spürt man irgendwann, welche Katze Vertrauen verdient hat. Und Schlammpfote ist ein sehr guter Schleicher. Seine Pfoten tragen ihn leise wie eine Geisterkatze überallhin.«
»Geisterkatze?«, fragte Großer Schatten und scharrte am Boden. »Was meint ihr damit?«
Mausohr sah verwirrt aus. »Das ist nur so ein Ausdruck von uns«, erklärte er. »In Wirklichkeit gibt es so was natürlich nicht. Das wäre auch zu merkwürdig«, schloss er mit einem künstlichen Schaudern.
Donner vermied es, zu Großer Schatten hinüberzusehen. Dann haben diese Katzen doch nicht alles mitbekommen, was letzte Nacht passiert ist. Sie haben die Geisterkatzen nicht gesehen.
Müdigkeit legte sich wie eine