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Als Ravensburger E-Book erschienen 2015

Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH.

© 2015 Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg

Umschlag- und Innenillustrationen: Elli Bruder
Logogestaltung: Sabine Reddig
Lektorat: Linda Borchert

Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH.

ISBN 978-3-473-47590-2

www.ravensburger.de

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„Hach, ist das schön langweilig hier!“ Lille lehnte am Kirschbaum im Obstgarten und streckte wohlig seufzend die Beine von sich. Auf ihren nackten Füßen lag Minischwein Moses und schlief. „Von mir aus könnten die Ferien ewig dauern.“

Lille bewegte ihren Arm im Zeitlupentempo nach rechts und griff sich eine Handvoll reifer Kirschen aus einer Schüssel. Sie stopfte sich den Mund voll und kaute genüsslich mit geschlossenen Augen. Danach spuckte sie die Kerne einen nach dem anderen aus.

„Ey, du Ferkel. Pass doch auf!“, schrie plötzlich jemand.

Lille öffnete blinzelnd die Augen. Fee stand vor ihr und starrte sie böse an. Auf den ersten Blick sah es fast so aus, als hätte sie Windpocken. Aber es waren nur die Kirschflecken auf ihrer weißen Haut. Trotz der heißen Sommertage achtete sie immer peinlich genau darauf, keine Sonnenstrahlen abzukriegen.

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Vorwurfsvoll wischte sich Fee mit dem Handrücken die Kirschspucke aus dem Gesicht und sagte: „Wenn du noch länger faul herumliegst und Essen in dich hineinstopfst, wirst du genau so eine Fettwampe kriegen wie Moses.“

Lille lehnte sich wieder zurück und spuckte den allerletzten Kern in den Himmel. „Obst ist gesund. Und schlafen auch. Und was Moses angeht: Der ist eben ein Schwein. Und Schweine sind nun mal dick. Das ist einfach ihre Bestimmung. Stimmt’s, mein Kleiner?“

Moses hob den Kopf und grunzte zustimmend.

Lille nickte zufrieden. Moses war ein besonders schlaues Minischwein. Deshalb war es ihm vor ein paar Wochen auch gelungen, aus Bauer Brims’ Schweinestall auszubüxen.

„Aber deine Bestimmung ist es nicht, den Rest der Ferien zu verschlafen.“ Wenn Fee etwas nicht passte, dann ließ sie nicht so schnell locker. „Mir ist jedenfalls ziemlich langweilig.“ Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Und wenn ich Langeweile habe, kriege ich schlechte Laune.“

Lille stöhnte laut auf. Fee übertrieb ausnahmsweise mal nicht. Mit ihrer schlechten Laune war echt nicht zu spaßen.

Sie schob Moses behutsam ins Gras und stand auf. „Ist Maja schon wieder bei ihrem geliebten Federvieh?“ Sie blinzelte hinüber zum Hühnerstall. „Und wo steckt Karo?“

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„Karo ist vorhin mit Schnuppe ausgeritten“, antwortete Fee. „Und Maja ist mit Gustav zum Tierarzt geradelt.“

Lille machte ein erschrockenes Gesicht. „Zum Tierarzt? Warum denn? Ist Gustav krank?“

Fee zuckte kurz mit den Schultern. „Keine Ahnung. Maja behauptet, er sei heiser. Mir ist aber nichts aufgefallen. Sein lautes Gekrähe ist nervig wie immer.“

Lille nickte erleichtert. Das hörte sich zum Glück ja nicht besonders tragisch an. „Und Karo? Müsste sie nicht bald wieder zurück sein?“

„Nee, glaub ich nicht“, meinte Fee nur.

„Also gut …“ Lille sah Fee auffordernd an. „Worauf hast du denn Lust?“

Fee schob die Unterlippe vor. „Weiß nicht. Mir ist einfach sterbenslangweilig. So langweilig, dass ich an gar nichts anderes mehr denken kann.“

Das war allerdings außergewöhnlich. Fee hatte nämlich sonst doppelt so viel Fantasie wie Lille, Maja und Karo zusammengenommen.

Ein schrecklicher Gedanke schoss Lille durch den Kopf. „Sag mal, Fee …“, begann sie zaghaft, und ihre Stimme klang plötzlich ganz heiser. Sie räusperte sich. „Tut es dir etwa doch leid, dass du nicht zu deiner Mutter nach Spanien gezogen bist, sondern mit deinem Papa hier bei uns auf dem Sternenhof geblieben bist?“ Sie wagte es gar nicht, Fee ins Gesicht zu schauen.

„Spinnst du jetzt total?“, polterte Fee wütend los. „Was redest du denn da? Mir ist einfach nur langweilig. Zum Gä-ää-äääh-nen langweilig. Drücke ich mich so unklar aus, oder was?“

„Jetzt krieg dich mal wieder ein!“, brüllte Lille fröhlich zurück. „Sonst kitzle ich dich so schlimm durch, dass du dir in die Hose pinkelst. Komm, wir schnappen uns Mamas Tandem und machen einen kleinen Ausflug, damit du wieder etwas auf Trab kommst.“

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