Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einführung

2 Nanomaterialien

2.1 Nanoteilchen – Nanokomposite

2.2 Elementare Konsequenzen der kleinen Teilchengroßen

2.3 Makroskopische Nanowerkstoffe

Literatur

3 Oberflächen von Nanowerkstoffen

3.1 Allgemeine Betrachtungen

3.2 Oberflächenenergie

3.3 Einfluss der Krümmung auf den Dampfdruck – Dampfdruck kleiner Teilchen

3.4 Technische Anwendung der Oberflächenenergie – Hypothetische Nanomotoren

Literatur

4 Gasphasensynthese von Nanoteilchen und Nanokompositen

4.1 Grundlegende Betrachtungen

4.2 Syntheseverfahren ohne zusätzliches elektrisches Feld

4.3 Plasmaverfahren

4.4 Flammensynthesen

4.5 Synthese beschichteter Teilchen

Literatur

5 Ein- und zweidimensionale Nanoteilchen

5.1 Grundsätzliche Betrachtungen

5.2 Beispiele ein- und zweidimensionaler Teilchen

5.3 Nanostrukturen aufgebaut aus in Schichten kristallisierenden Materialien

Literatur

6 Nanofluide

6.1 Grundlagen

6.2 Nanofluide zur Verbesserung des Wärmeüberganges

6.3 Ferrofluide

Literatur

7 Thermodynamik von Nanoteilchen

7.1 Thermodynamik kleiner Teilchen

7.2 Phasentransformationen bei Nanoteilchen

7.3 Wärmekapazität von Nanoteilchen

7.4 Thermische Instabilitäten in Verbindung mit Phasentransformationen

Literatur

8 Magnetische Nanomaterialien – Superparamagnetismus

8.1 Magnetische Materialien

8.2 Physikalische Grundlagen des Superparamagnetismus

8.3 Magnetische Anisotropie der Werkstoffe

8.4 Superparamagnetische Werkstoffe in der experimentellen Realität

8.5 Mößbauer--Spektrum superparamagnetischer Teilchen

8.6 Ausgewählte Anwendungen von superparamagnetischen Teilchen

8.7 Austauschgekoppelte magnetische Nanowerkstoffe

Literatur

9 Optische Eigenschaften

9.1 Einführende Anmerkungen

9.2 Einstellung des Brechungsindex und visuell transparente optische UV-Absorber

9.3 Großenabhängige optische Eigenschaften – Quanteneinschlussphänomene

9.4 Halbleitende Nanoteilchen – Quanteneinschluss

9.5 Lumineszenz wechselwirkender Teilchen

9.6 Lumineszierende Nanokomposite

9.7 Metallische Nanoteilchen – Plasmonenresonanz

9.8 Auswahl eines Luminophors oder Absorbers in Hinblick auf technische Anwendungen

9.9 Elektrolumineszenz

9.10 Foto- und elektrochrome Materialien

9.11 Magnetooptische Anwendungen

Literatur

10 Elektrische Eigenschaften

10.1 Elektrische Leitfähigkeit nanoskaliger Systeme: Diffusive und ballistische Leitfähigkeit

10.2 Experimentelle Befunde zur Leitung des elektrischen Stromes in nanoskaligen Systemen

10.3 Kohlenstoff-Nanorohrchen und Graphen

10.4 Weitere eindimensionale elektrische Leiter

10.5 Elektrische Leitfähigkeit von Nanokompositen

Literatur

11 Mechanische Eigenschaften

11.1 Einführende Anmerkungen

11.2 Mechanische Eigenschaften nanokristalliner Materialien

11.3 Verformungsmechanismen bei nanokristallinen Werkstoffen

11.4 Superplastizität

11.5 Schwingungen von Nanostäbchen und Nanorohrchen – Maßstabsgesetze für Schwingungen

11.6 Nanokomposite mit Polymer-Matrix

Literatur

12 Charakterisierung von Nanomaterialien

12.1 Spezifische Oberfläche

12.2 Bestimmung der Kristallstruktur

12.3 Elektronenmikroskopie

Literatur

Stichwortverzeichnis

Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema

Tieke, B.

Makromolekulare Chemie
Eine Einführung, 3. Auflage

2014
Print ISBN: 978-3-527-33216-8

 

Vollath, Dieter

Nanoparticles – Nanocomposites – Nanomaterials
An Introduction for Beginners

2013
ISBN: 978-3-527-33460-5

 

Vollath, Dieter

Nanomaterials
An Introduction to Synthesis, Properties, and Applications, 2. Auflage

2013
ISBN: 978-3-527-33379-0

 

Bergler, F.

Physikalische Chemie
für Nebenfächler und Fachschüler

2013
Print ISBN: 978-3-527-33363-9

 

Oettel, H., Schumann, H. (Hrsg.)

Metallografie
Mit einer Einführung in die Keramografie, 15. Auflage

2011
Print ISBN: 978-3-527-32257-2

 

Worch, H., Pompe, W., Schatt, W. (Hrsg.)

Werkstoffwissenschaft, 10. Auflage
2011

Print ISBN: 978-3-527-32323-4

Vorwort

Nanoteilchen, Nanomaterialien und Nanoirgendwas beginnen zunehmend Teile des Alltages zu werden. Dieses Buch will dem interessierten Bürger, Schüler und Studenten Grundbegriffe der Nanowerkstoffe vermitteln. Beim Schreiben dieses Buches wurde bewusst auf viel Theorie und Mathematik verzichtet. Dort, wo es wirklich notwendig war, komplexe Sachverhalte zu erläutern, die zum Teil bis in die Quantentheorie reichen, wurden diese bewusst in einem eher narrativen Stil dargestellt. Die Verwendung anthropologisierender Vergleiche war dabei manchmal unumgänglich. Und, um die Lesbarkeit zu erhöhen, wurden Boxen eingerichtet (Ergänzungen), in denen das Thema vertieft dargestellt wird. Das erhöht die Lesbarkeit für den Leser, der nur einen überblick gewinnen will.

Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen überblick über den Lernstoff (In diesem Kapitel/Abschnitt …) und endet mit einer Zusammenfassung dessen, was man nach der Lektüre wissen sollte (Wichtig zu wissen).

Der Umfang dieses Buches ist notwendigerweise begrenzt. Daher mussten aus der Vielzahl der Möglichkeiten einige Themen gefunden werden, deren Auswahl sich nach ihrer grundsätzlichen Bedeutung, dem möglichen wirtschaftlichen Einfluss und nicht zuletzt nach meiner persönlichen Erfahrung richtete.

Vielen Fachkollegen muss ich für das Zurverfügungstellen unveröffentlichter Bilder und mancher Hinweise danken. Mein ganz besonderer Dank gebührt meiner Gattin Renate für ihr Verständnis beim Schreiben dieses Buches und meine Leidenschaft für die Wissenschaften. Im Hause WILEY-VCH bin ich Frau Dr. Waltraud Wüst für ihre Unterstützung und Ratschläge sehr verpflichtet.

Stutensee, Mai 2014

Dieter Vollath

1

Einführung

In diesem Kapitel…
Nanowerkstoffe sind schon immer in der Natur und auch seit Jahrhunderten im Gebrauch des Menschen. Es gibt grundsätzlich zwei mögliche Definitionen für Nanoteilchen, eine die sich auf geometrische Größen beschränkt und eine zweite, die funktionale Gesichtspunkte mit einbezieht. Auch für die Herstellung von Nanostrukturen gibt es grundsätzlich zwei Wege: Der Aufbau aus Atomen oder Molekülen oder das Herausarbeiten aus einem größeren Teil, Wege, die als additive oder subtraktive Verfahren bekannt sind.

Jedermann spricht über Nanowerkstoffe. Zu Nanowerkstoffen gibt es viele Publikationen, Bücher und Zeitschriften die sich genau diesem Thema widmen; das ist nicht erstaunlich, da die ökonomische Bedeutung dieser Werkstoffe ständig im Steigen begriffen ist. Dabei tut sich aber ein Problem auf: Interessierte Personen ohne spezielle Vorbildung auf diesem Gebiet haben kaum eine Chance diese Technologien, ihren Hintergrund und deren Anwendungen zu verstehen. Dieses Buch will helfen, es handelt von den speziellen Phänomenen die bei Nanowerkstoffen gefunden werden und versucht Erklärungen zu geben, die allerdings auf einem Niveau sind, dass sie auch ein wissenschaftlich nicht vorgebildeter Mensch verstehen kann.

Fragt man nach einer Definition von Nanomaterialien, so kann man zwei unterschiedliche Antworten erhalten:

Die zweite, engere Definition ist, wegen des im Allgemeinen recht hohen Preises der Nanowerkstoffe, die angemessenere.

Zunächst ist es einmal wesentlich, dass man sich klar macht wie groß, oder besser gesagt, wie klein Nanoteilchen sind. Stellen wir uns einen Tennisball mit einem Durchmesser von etwas mehr als 6 cm = 6 × 10–2 m vor, vergleicht man diesen Ball mit einem Nanoteilchen mit einem Durchmesser von 6 nm = 6 × 10–9 m, so haben diese beiden Objekte ein Durchmesserverhältnis von 107. Ein Objekt welches 107 mal größer ist als ein Tennisball, hat einen Durchmesser von etwa 600 km. Dieser einfache Vergleich macht eines klar: Nanoteilchen sind wirklich klein.

Abb. 1.1 Um die Anwendungen und Eigenschaften von Nanowerkstoffen zu verstehen, sind neben der Kenntnis der Werkstoffkunde auch Grundlagenkenntnisse der Physik und Chemie notwendig. Da viele Anwendungen in Richtung Biologie und Medizin gehen, sind Kenntnisse in diesen Gebieten von Vorteil.

Die Schwierigkeit bei dem Verstehen der Eigenschaften von Nanowerkstoffen kommt aus der Tatsache, dass, und das ist im Kontrast zu konventionellen Werkstoffen, die Kenntnis der Werkstoffkunde alleine bei Weitem nicht hinreichend ist. Neben Grundkenntnissen der Werkstoffkunde sind in diesem Zusammenhang Kenntnisse, vielleicht sogar vertiefte Kenntnisse, der Physik und der Chemie nötig und bei vielen modernen Anwendungen sind Grundkenntnisse der Biologie und Medizin von großem Vorteil. Dieses ist schematisch in Abb. 1.1 dargestellt.

Für den Verbraucher ist die Situation aber nicht so schwierig, wie sie aussehen mag, da die Zahl der zusätzlichen Phänomene, die verstanden werden sollten, nicht allzu groß sind. Anders liegen die Dinge bei dem industriellen Nutzer dieser Werkstoffe; der sollte schon ein tieferes Verständnis der Physik und der Chemie dieser Materialien haben. Grundsätzlich anders liegen die Dinge im Hinblick auf die Biologie und Medizin. Bei konventionellen Werkstoffen ergibt sich die Verbindung aus der Anwendung. Das kann bei Nanowerkstoffen anders sein, da biologische Moleküle, wie Proteine oder DNS (DNA) Stränge, häufig als Bausteine für Materialien verwendet werden, die außerhalb von Medizin und Biologie Anwendung finden.

Vergleicht man Nanotechnologien mit konventionellen Technologien, so findet sich ein weiterer wesentlicher Unterschied: Konventionelle Technologien sind subtraktive (top-down) Technologien, das heißt, dass man im Allgemeinen von einem größeren Stück ausgeht und durch mechanische oder chemische Verfahren das gewünschte Werkstück herstellt (Abb. 1.2).

Im Bereich der Nanotechnologien bedient man sich nach Möglichkeit der additiven (bottom-up) Prozesse, d. h., dass man das gewünschte Objekt aus Atomen oder Molekülen, z. B. durch chemische Synthesen, direkt herstellt. Dieses ist in Abb. 1.3 grafisch dargestellt. Zu den additiven Prozessen müssen allerdings auch Verfahren gezählt werden, die sich der Selbstorganisation bedienen.

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Verfahrensweisen sei anhand der Herstellung eines Pulvers dargestellt. Man kann größere Teilchen oder Brocken in einer Mühle zu Pulver mahlen. Das ist ein subtraktives Verfahren. Dieses Pulver kann aber auch in einem additiven Verfahren chemisch synthetisiert werden. In Allgemeinen wird man feststellen, dass das durch Mahlen hergestellte Pulver gröber ist als das, welches über eine chemische Synthese erhalten wurde.

Abb. 1.2 Konventionell benutzt man subtraktive (top-down) Verfahren, man geht von größeren Teilen aus und stellt die gewünschte Form unter Anwendung mechanischer oder chemischer Verfahren her.

Abb. 1.3 Die chemische Synthese ist das Musterbeispiel für einen additiven (bottom-up) Prozess. Man fertigt Teilchen, Stäbchen oder auch Schichten bzw. Plättchen aus Atomen oder Molekülen.

Additive und subtraktive Verfahren haben bestimmte Größenbereiche, in denen deren Anwendung optimal ist. Diese Bereiche sind in der Abb. 1.4 dargestellt. In diesem Graphen ist die Häufigkeit der Anwendung als Funktion der Strukturgrößen dargestellt. Wie nicht anders zu vermuten, gibt es einen breiten Bereich der Überlappung, in dem beide Verfahren mit Vorteil angewandt werden können. Von besonderem Interesse ist die Kurve, die den Anwendungsbereich fortgeschrittener subtraktiver Prozesse beschreibt. Solche Prozesse, zumeist fotolithografische Verfahren, die sich des extremen UV-Lichts oder der Röntgenstrahlen bedienen, beherrschen heute durchaus Größenbereiche, die bis vor Kurzem additiven Verfahren vorbehalten waren.

Abb. 1.4 Geschätzte Größenbereiche, in denen additive und subtraktive Verfahren mit Vorteil angewandt werden. Neue, fortschrittliche subtraktive Verfahren sind aber längst in Größenbereiche vorgedrungen, die typisch für additive Prozesse waren.

Durch die Verwendung von Nanowerkstoffen ist die industrielle Fertigung neuer oder zumindest verbesserter Produkte möglich. Der Geschäftserfolg hängt aber nicht zuletzt vom Preis des Produktes ab. Das kann schwierig sein, da Nanowerkstoffe häufig recht teuer sind. Hier muss man grundsätzlich zwei Fälle unterscheiden: Durch die Verwendung von Nanowerkstoffen wird ein Produkt verbessert aber auch teurer. Da stellt sich die Frage, ob die Verbesserungen den erhöhten Preis rechtfertigen. Man kann dies auch allgemeiner formulieren: Immer dann, wenn ein bestehendes Produkt durch die Verwendung von Nanowerkstoffen verbessert wird, trifft es auf eine harte preisliche Konkurrenz, die den finanziellen Erfolg infrage stellt. Das ist anders, wenn es durch die Verwendung von Nanowerkstoffen möglich wird, ein völlig neues Produkt zu entwickeln. Da dieses Produkt dann kaum auf Konkurrenz trifft, ist die Wahrscheinlichkeit eines geschäftlichen Erfolges größer. Ganz allgemein kann man sagen, dass man im Falle von Nanowerkstoffen eher Wissen und nicht Tonnen verkauft. Diese Feststellung schließt nicht aus, dass es Nanowerkstoffe, wie z. B. Ruß oder amorphes Siliciumdioxid („weißer Ruß“), gibt, die in Tausenden Tonnen pro Jahr gefertigt werden.

Nanowerkstoffe und Nanoteilchen sind weder neu noch unnatürlich, neu ist jedoch, dass diese Materialien heute verstanden und daher auch in verstärktem Maße industriell verwertet werden. In der Natur verwenden Vögel und auch einige Mammalia magnetische Nanoteilchen zur Orientierung, ein Sinn, der Magnetozeption genannt wird. Pflanzen nutzen nanostrukturierte Oberflächen zur Selbstreinigung, ein Mechanismus, der unter der Bezeichnung „Lotuseffekt“ bekannt wurde. Dieser Effekt wird heute für selbstreinigende Oberflächen von Gläsern oder auch Sanitärkeramik genutzt. Die erste schriftlich dokumentierte Anwendung von Nanoteilchen begann vor mehr als 2500 Jahren bei den Sumerern. Damals wurden Gold-Nanoteilchen als rotes Pigment in Glasuren für die Töpferei eingeschmolzen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts begann man zu verstehen, dass diese rote Färbung von Gold-Teilchen mit Größen im Bereich von etwa 50 nm verursacht wird. In China wurde bereits vor mehr als 4000 Jahren feinteiliger Ruß mit Teilchengrößen unter 100 nm als schwarzes Pigment für Tuschen hergestellt.

Ergänzung 1.1: Der Lotuseffekt
Als Beispiel für ein natürliches, makroskopisch beobachtbares Phänomen, das seine Ursache in einer nanostrukturierten Oberfläche hat, sei der Lotuseffekt erläutert. Es ist wohlbekannt und auch Ursache einer besonderen Verehrung, dass die Blätter der Lotuspflanze immer sauber sind. Diese Selbstreinigung hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass die Lotusblätter nicht befeuchtet werden können; sie sind hydrophob. Jeder Tropfen Wasser läuft unmittelbar ab und nimmt die im Allgemeinen hydrophilen Staubteilchen mit. Daher sind diese Blätter immer sauber.
Der Lotuseffekt wird durch eine scheinbare Vergrößerung des Kontaktwinkels der Wassertropfen mit dem Blatt verursacht. Die grundsätzliche Situation eines Tropfens auf einer ebenen Fläche ist in Abb. 1.5 dargestellt.

Abb. 1.5 Kontaktwinkel an der Grenze zwischen einer ebenen Fläche und einem Wassertropfen sowie die zugehörigen Oberflächenspannungen.

Der Kontaktwinkel an der Grenzfläche zwischen einem Wassertropfen und einer ebenen Fläche ist maximal 110°. Dieser Winkel ergibt sich aus dem Gleichgewicht der Oberflächenspannungen:

(1.1)

In Gl. (1.1) steht die Größe σs–g für die Oberflächenspannung an der Grenzfläche fest-gasförmig, σs–1 für die an der Grenzfläche fest-flüssig und schließlich σ1–g für die an der Grenzfläche flüssig-gasförmig; α steht für den Kontaktwinkel.1)
Die Oberfläche eines Lotusblattes ist mit etwa 10–20 μm hohen Warzen (Papillen) bedeckt, die jeweils 10–15 μm voneinander entfernt sind. Die Oberfläche der Papillen ist nun ihrerseits wieder mit kleinen nanostrukturierten Papillen bedeckt. Dies ist in der Abb. 1.6 dargestellt.

Abb. 1.6 Der Lotuseffekt. Die Skizze zeigt einen Wassertropfen auf einer doppelt gewellten Oberfläche. Da das Wasser wegen seiner Oberflächenspannung nicht in die Räume zwischen den Papillen eindringen kann, vermittelt diese Anordnung den Eindruck eines deutlich vergrößerten Kontaktwinkels. Betrachtet man jedoch jedes einzelne Teilchen an der Oberfläche der Papillen, so findet man exakt den erwarteten Kontaktwinkel.

Wegen der Oberflächenspannung kann nun das Wasser nicht in den Raum zwischen den kleineren und auch den größeren Papillen eindringen. Es kann also nur ein sehr kleiner Teil der Blattoberfläche vom Wasser benetzt werden. Die Anordnung vermittelt den Eindruck als wäre der Kontaktwinkel viel größer als der zwischen einem Tropfen und einer ebenen Fläche.
Wichtig zu wissen
Die Tierwelt benutzt magnetische Nanoteilchen zur Orientierung im Raum (Magnetozeption). Synthetisch wurden Nanoteilchen für die Verwendung als rotes Pigment schon vor mehr als 2000 Jahren hergestellt; die Verwendung von nanoskaligen Rußteilchen in der Tusche hat in China eine noch längere Tradition.
Die Herstellung von Nanoteilchen kann mittels additiver oder subtraktiver Verfahren erfolgen. Je kleiner die Strukturen werden, umso mehr rücken die additiven Verfahren in den Vordergrund.
Oberflächen, die mit Nanoteilchen belegt sind, zeigen zum Teil neue und auf den ersten Blick scheinbar den Naturgesetzen widersprechende Eigenschaften.

1) Mathematisch exakt müsste die Oberflächenspannung durch Vektoren beschrieben werden; für diese eher kursorische Betrachtungen ist es korrekt, mit den Absolutbeträgen der Vektoren zu rechnen.

2

Nanomaterialien

2.1 Nanoteilchen – Nanokomposite

In diesem Kapitel…
Ein wesentliches Merkmal von Nanoteilchen ist deren Dimensionalität. Man unterscheidet:
Nanokomposite werden hergestellt um die Anwendbarkeit von Nanoteilchen zu verbessern. Nanokomposite sind besonders interessant, wenn diese zu multifunktionalen Teilchen führen. Des Weiteren erlauben es Nanokomposite, durch Einbringen von Nanoteilchen in eine Matrix makroskopische Werkstücke mit besonderen Eigenschaften herzustellen.

Nanoteilchen können in nulldimensionale – Nanoteilchen schlechthin –, ein- und zweidimensionale Objekte eingeteilt werden. Nulldimensionale Teilchen sind in erster Näherung kugelförmig oder facettierte Kugeln. Stäbchen und Röhrchen werden in die Gruppe der eindimensionalen Teilchen und alle Typen von plattenförmigen Teilchen in die der zweidimensionalen Teilchen eingeteilt. Ein typisches Beispiel für nulldimensionale Teilchen ist in Abb. 2.1 dargestellt. Es handelt sich um die elektronenmikroskopische Aufnahme der Teilchen eines Zirkonoxid (ZrO2) Pulvers. Die Teilchen des dargestellten Produktes sind im Mittel etwa 7nm groß. Es ist ein Charakteristikum dieses Produkts, dass die Größenverteilung der Teilchen recht eng ist. Bei speziellen Anwendungsfällen kann das ein entscheidendes Qualitätskriterium sein, da manche Eigenschaften stark von der Teilchengröße abhängen.

Abb. 2.1 Elektronenmikroskopische Aufnahme der Teilchen eines Zirkonoxid-Pulvers. Es ist ein besonderes Charakteristikum dieses Materials, dass die Teilchengrößenverteilung recht eng ist [1]. (Mit Erlaubnis von Imperial College Press Co.)

Die Teilchengrößenverteilung des in Abb. 2.1 dargestellten Produktes ist recht eng. Solche Produkte sind im Allgemeinen recht teuer und häufig nicht nötig. Es gibt sogar Fälle, in denen eine breite Verteilung der Größen und damit der Eigenschaften wünschenswert ist. Die Abb. 2.2 stellt zwei alternative Produkte dar. Das in Abb. 2.2a dargestellte Produkt Fe2O3, bestehend aus verschiedenen Phasen, zeigt eine recht breite Teilchengrößenverteilung, die wohl im Bereich zwischen 5 und 50 nm liegt. Solches Material wird vorwiegend als UV-Absorber oder auch als Pigment eingesetzt. Völlig anders ist das in Abb. 2.2b dargestellte Produkt. Auch hier handelt es sich um Fe2O3, allerdings mit einer Teilchengröße von etwa 3 nm. Aufgrund der Teilchenkleinheit ist dieses Material nicht kristallisiert (siehe auch Kapitel 7). Wegen seiner großen Oberfläche eignet sich dieses Pulver in besonderer Weise zur Verwendung als Katalysator.

Es gibt zwei Arten von eindimensionalen Nanoteilchen: Nanostäbchen (nanorods) und Nanoröhrchen (nanotubes). Diese beiden Typen haben eine Reihe von interessanten Eigenschaften, sei es im Hinblick auf Lumineszenz, elektrische Leitfähigkeit oder auch Magnetismus. Abbildung 2.3 zeigt elektronenmikroskopische Aufnahmen solcher eindimensionaler Nanoobjekte. Abbildung 2.3a zeigt Nanostäbchen aus ZnO, die mehrere Mikrometer lang sind und eine Stärke von 50–200 nm haben. Die SiO2 Nanoröhrchen in Abb. 2.3b sind im Vergleich dazu wesentlich kleiner, diese haben eine Länge von etwa 300 nm und einen Durchmesser in einem Bereich zwischen 30 und 50 nm. Die Wandstärke dieser Röhrchen ist im Bereich von etwa 10 nm.

Als Beispiel für zweidimensionale Nanoteilchen sind in Abb. 2.4 Nanoplättchen (nanoplates) aus Gold dargestellt. An der dreieckigen bzw. hexagonalen Form kann man unschwer erkennen, dass diese Plättchen in 〈111〉-Richtung orientiert sind.1) Diese Orientierung kann bei der Synthese vorgeben werden.

Abb. 2.2 Zwei stark verschiedene Typen von Fe2O3-Nanopulvern. (a) Industriell hergestelltes Produkt mit breiter Teilchengrößenverteilung. Typische Anwendungen solcher Produkte finden sich im Bereich des UV-Schutzes oder der Pigmente. (Courtesy Nanophase, Nanophase Technologies Corporation, 1319 Marquette Drive, Romeoville, IL 60446); (b) Nanopulver bestehend aus amorphen Teilchen mit Größen von etwa 3 nm. Die wichtigste Anwendung dieses Produktes ist als Katalysator oder auch als UV-Absorber. (Courtesy MACH I, Inc. 340 East Church Road, King of Prussia, PA 19406 USA).

Abb. 2.3 Eindimensionale Nanoteilchen. Im Teilbild (a) sind ZnO-Nanostäbchen [2] und in Abbildung (b) Nanoröhrchen aus SiO2 [3] dargestellt. (Mit Erlaubnis von Fan Ren, Univ. of Florida (a) und Elsevier (b).)

Manche Eigenschaften von Nanoteilchen, die von der Teilchengröße abhängen, verändern sich, wenn sich die Teilchen zu nahe kommen oder gar berühren. Will man aus den Teilchen einen makroskopischen Körper herstellen, so muss man die Teilchen pressen und anschließend sintern. Da kleine Teilchengrößen energetisch ungünstig sind, wird bei diesen Verfahrensschritten sofort ein Kornwachstum einsetzen. Dieses kann man durch Hinzufügen einer zweiten, nicht löslichen Phase verhindern. Versucht man dieses durch einfaches Mischen, so wird der Erfolg recht begrenzt sein; man kann grundsätzlich kein homogenes Mischprodukt erwarten. Denn, nimmt man an, dass ein Mischprozess rein zufällig abläuft und in einer solchen Pulvermischung der Anteil der „aktiven“ nanostrukturierten Phase c wäre, so ist die Wahrscheinlichkeit pn, dass sich n dieser Teilchen berühren pn = cn, n ∈ . Die Konsequenzen aus dieser einfachen Relation sind schwer-wiegend: Nimmt man z. B. einen Anteil von 0,3 an, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei dieser Teilchen berühren 0,09 und für drei Teilchen 0,027. Daraus muss man den Schluss ziehen, dass durch einfaches Mischen, nicht einmal im Idealfall, ein gegenseitiges Berühren der Teilchen ausgeschlossen werden kann. Dieses macht weitere Maßnahmen notwendig.

Abb. 2.4 Zweidimensionales Nanoobjekt; in diesem Falle handelt es sich um Gold-Plättchen, die in 〈111〉-Richtung orientiert sind [4]. (Mit Erlaubnis von Wiley-VCH.)

Ein Ausweg aus dem beschriebenen Problem ist, die Teilchen mit einer Abstandhalterphase zu beschichten. Die Dicke dieser Beschichtung hängt letztlich von der Art der Wechselwirkung ab, die unterbunden werden soll. Will man lediglich Kornwachstum oder das Tunneln von Elektronen unterbinden, so kann die Beschichtung recht dünn sei, muss man jedoch eine Dipolwechselwirkung oder eine Interdiffusion unterbinden, so sind deutlich dickere Schichten notwendig. Hat man jedoch einmal die technischen Möglichkeiten einzelne Nanoteilchen zu beschichten, so gibt es eine Reihe weiterer technischer oder wissenschaftlicher Probleme, die auf diese Art gelöst werden können. So besteht die Möglichkeit, die Beschichtung nicht nur als Abstandhalter zu benutzen, sondern auch zusätzliche Eigenschaften in das Teilchen zu integrieren, die von Natur aus in einem Material nicht möglich sind. Ein typisches Beispiel dafür wären magnetische Teilchen, die mit einer lumineszierenden Schicht umhüllt sind [5]. In den meisten Fällen ist noch mindestens eine weitere Schicht notwendig, die bei der Anwendung den Kontakt zum umgebenden Medium vermitteln soll. Diese Schicht wird man so wählen, dass diese entweder hydrophil oder hydrophob ist. Schematisch ist so ein, aus mehreren Schichten aufgebautes, multifunktionales Teilchen (core-shell particle) in Abb. 2.5 dargestellt.

Der Schichtenaufbau, wie er in Abb. 2.5 dargestellt ist, ist typisch für hochkomplexe Anwendungen, wie man sie in der Biologie oder der Medizin vorfindet. Speziell bei medizinischen Anwendungen wird man die äußerste Schicht häufig zusätzlich mit Proteinen oder Enzymen, die für bestimmte Zellen charakteristisch sind, funktionalisieren (Schlüssel-Schloss-Prinzip). In diesem Falle ist dann die Zusammensetzung dieser spezifischen Schicht ein zentrales Problem bei der Entwicklung der Anwendungen. Um eine solche Schicht an der Oberfläche eines Teilchens anzubringen, ist häufig eine spezielle Kopplungsschicht erforderlich. Diese besteht zumeist aus einem geeigneten Polymer oder Glukose, in manchen Fällen ist auch eine Schicht aus hydroxyliertem SiO2 hinreichend. Abbildung 2.6 zeigt den typischen Aufbau eines solchen Teilchens.

Abb. 2.5 Typischer Aufbau eines aus mehreren Schichten aufgebauten, multifunktionalen Teilchens (core-shell particle). Die Materialien für den Kern und die erste Schicht werden so gewählt, dass das Teilchen die geforderten physikalischen Eigenschaften erhält. Die äußerste Schicht, in diesem Fall die zweite, wird im Hinblick auf die Wechselwirkung mit der Umgebung ausgewählt. So kann diese z. B. hydrophil oder hydrophob sein [5].

Abb. 2.6 Nanokompositteilchen, wie es häufig in der Biologie oder der Medizin verwendet wird. Der Kern des Teilchens kann magnetisch, lumineszierend oder aber auch bifunktional sein. Die tumorspezifischen Proteine oder Enzyme werden mithilfe einer Kopplungsschicht an das Teilchen gebunden.

In Abb. 2.7 werden elektronenmikroskopische Aufnahmen von drei typischen Kompositteilchen gezeigt. In Abb. 2.7a sind ZrO2 Teilchen zu sehen, die mit Al2O3 beschichtet sind. Charakteristisch für diese Teilchen ist, dass das ZrO2 kristallisiert ist, erkennbar an der Abbildung des Kristallgitters (lattice fringes), während das Al2 O3 amorph ist. Zusätzlich sieht man, dass sich das Teilchen in der Mitte des Bildes aus zweien zusammensetzt. Offensichtlich sind diese Teilchen vor dem Beschichten koaguliert. Abbildung 2.7b zeigt Fe2O3 Teilchen, die mit einem Polymer (PMMA) beschichtet wurden.2) Schließlich ist in Abb. 2.7c ein TiO2 Teilchen dargestellt, das mit Pt-Clustern dekoriert ist.3) Solche dekorierten Teilchen werden vorwiegend als Katalysatoren verwendet.

Abb. 2.7 Drei Typen von Nanokompositteilchen mit keramischem Kern: Ein Kompositteilchen kann eine keramische Hülle (a) oder eine Hülle aus einem Polymer (b) haben. Eine Beschickung mit einem Metall ist nicht so ohne Weiteres möglich. Aus Gründen der Oberflächenenergie bilden sich zunächst isolierte Cluster auf der Oberfläche [1,6]. (Mit Erlaubnis von Imperial College Press Co.)

Wichtig zu wissen
Abhängig von ihrer Geometrie klassiert man Nanoteilchen in
  • nulldimensionale Teilchen, das Teilchen schlechthin,
  • eindimensionale Teilchen, die als Stäbchen oder Röhrchen auftreten und
  • zweidimensionale Teilchen, das sind Plättchen, die aus einer oder auch vielen Atomlagen bestehen können.
Im Hinblickauf die Anwendung verwendet man häufig Nanokomposite. Das können
  • beschichtete Teilchen sein oder
  • makroskopische Körper, in die Nanoteilchen eingearbeitet sind.
Nanokomposite erlauben es
  • multifunktionale Teilchen oder auch
  • makroskopische Werkstücke mit den besonderen Eigenschaften von Nanoteilchen herzustellen.
Bei der Herstellung makroskopischer Körper, die mit Nanoteilchen gefüllt sind, hat es sich als besonders günstig herausgestellt, beschichtete Nanoteilchen zu verwenden, da so ein gegenseitiger Kontakt von Teilchen, was sich negativ auf die Eigenschaften auswirken kann, vermieden wird.

2.2 Elementare Konsequenzen der kleinen Teilchengrößen

2.2.1 Oberfläche von Nanoteilchen

In diesem Abschnitt…
Wegen ihrer geringen Größe haben Nanoteilchen ein großes Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. In vielen Fällen ist die geometrische Oberfläche jedoch von vornherein bedeutungslos. Wesentlich ist vielmehr das Verhältnis des von der Oberfläche beeinflussten Volumens zum Gesamtvolumen. Diese Größen werden im Folgenden hergeleitet.

Die zuerst ins Auge springende Eigenschaft von Nanoteilchen ist deren große Oberfläche. Um einen Eindruck von deren Bedeutung zu bekommen, sei zunächst das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen diskutiert. Um die Diskussion zu vereinfachen, wird von kugelförmigen Teilchen ausgegangen.

Die Oberfläche a einer Kugel mit dem Durchmesser d ist gegeben durch

Das Volumen v dieser Kugel ist dann

Für thermodynamische Betrachtungen wesentlich ist die Oberfläche A je Mol

(2.1)

In Gl. (2.1) ist N die Anzahl der Teilchen pro Mol, M das Molekulargewicht und ρ die Dichte der Teilchen.

Das Verhältnis R von Oberfläche zu Volumen eines Teilchens ergibt sich aus

(2.2)

Dieses Verhältnis ist ebenso wie die Oberfläche pro Mol invers proportional zum Teilchendurchmesser.

Um einen Eindruck über die Größe der Oberflächen von Nanoteilchen zu erhalten ist in Abb. 2.8 die spezifische Oberfläche von Kügelchen aus Al2O3 (Dichte 3,5 × 103 kgm-3) gegen die Teilchengröße aufgetragen. Die spezifische Oberfläche ist die Oberfläche von einem Gramm Teilchen in Quadratmetern (siehe Kapitel 12).

In Abb. 2.8 ist die Oberfläche in m2 g−1 angegeben. Obwohl das keine SI-Einheit ist, wird sie dennoch verwendet, da diese die einzige international gebräuchliche Einheit für die spezifische Oberfläche ist. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass die Oberfläche bei Teilchen mit Durchmessern unter etwa 10 nm weit über 100 m2 g−1 steigt. Solche großen Oberflächen werden bei diesen Werkstoffen experimentell nie gemessen. Die Ursache für diese Diskrepanz liegt in der, mit abnehmender Teilchengröße zunehmenden, Tendenz zur Agglomeration. Die Ursache für diese, bei kleinen Teilchen zunehmenden Agglomerationsneigung sind die van der Waals-Kräfte.4) Die größten Oberflächen werden bei Aktivkohle mit bis zu 2000 m2g−1 gemessen.

Abb. 2.8 Geometrische Relation zwischen der spezifischen Oberfläche und dem Teilchendurchmesser. Experimentell werden so große Oberflächen nicht ermittelt, da die Teilchen agglomerieren und so die freie Oberfläche reduzieren.

Die Oberfläche, die mit Gl. (2.1) definiert wurde und zum Konzept der spezifischen Oberfläche führte, ist eine geometrische Größe, die die physikalische Realität kaum beschreibt. Betrachtet man die physikalischen Eigenschaften von Nanoteilchen, so stellt man fest, dass weniger die geometrische Oberfläche bedeutsam ist, sondern das Volumen des Teilchens, das von der Oberfläche beeinflusst ist und andere Eigenschaften hat als das Innere des Teilchens. Abhängig von der Eigenschaft, die man gerade betrachtet, beträgt die Dicke dieser Oberflächenschicht 0,5-2 nm. Anstelle des Verhältnisses (geometrische) Oberfläche zu Volumen muss man das Verhältnis (oberflächenbeeinflusstes) Volumen zu Gesamtvolumen betrachten. Die Abb. 2.9 zeigt diese Verhältnisse für zwei verschiedene Dicken (0,5 und 1,0 nm) dieser Oberflächenschicht. Aus Gründen der Einfachheit wurden kugelförmige Teilchen angenommen.

Eine detaillierte Analyse von Abb. 2.9 zeigt, dass z. B. bei einem Teilchen mit einem Durchmesser von 5 nm die Dicke der von der Oberfläche beeinflussten Schicht 49 bzw. 78% des gesamten Volumens einnimmt. Im Falle kleinerer Teilchen wird dieses Verhältnis naturgemäß größer, während bei Teilchen mit einer Größe von 100 nm oder mehr diese Schicht vernachlässigt werden kann. Es gibt nun eine Reihe von Eigenschaften, bei denen die Bildung einer Oberflächenschicht bedeutsam ist. Nimmt man z. B. die Sättigungsmagnetisierung magnetischer Teilchen. Diese hängt vom Volumen der Teilchen ab. Jedes dieser Teilchen hat aber eine Oberflächenschicht von etwa 1 nm, die zur Magnetisierung keinen Beitrag liefert. Bei einem 5nm großen magnetischen Teilchen kann man daher nur etwa 20–25 % der Sättigungsmagnetisierung erwarten, wie man sie bei grobkörnigem Material findet (siehe Kapitel 8).

Abb. 2.9 Verhältnis des Volumens einer Oberflächenschicht mit einer Dicke von 0,5 und 1,0 nm zum Gesamtvolumen.

Ergänzung 2.1 : Physikalische Oberfläche von Nanoteilchen
Betrachtet man die physikalischen Eigenschaften von Nanoteilchen, ist zumeist weniger die geometrische sondern eher die „physikalische Oberfläche“ wesentlich. Die folgenden Betrachtungen beziehen sich wieder auf kugelförmige Teilchen mit dem Durchmesser d. Die physikalische Oberfläche ist gegeben durch das Volumen einer oberflächlichen Kugelschale mit der Dicke δ, 2δ ≤ d. Anstelle des Verhältnisses Oberfläche zu Volumen benutzt man realistischer Weise das Verhältnis des Volumens dieser Kugelschale zum Gesamtvolumen. Das Volumen der Kugelschale ist gegeben durch

(2.3)

Damit lässt sich ein dimensionsloses Verhältnis R* definieren:

(2.4)

Da immer 2δ ≤ d sein muss ergibt sich die Grenzbedingung

Wegen der Wichtigkeit der Oberfläche im Hinblick auf die Eigenschaften von Nanoteilchen werden der Oberfläche und deren Probleme ein ganzes Kapitel gewidmet.

Wichtig zu wissen
Die auf 1 Mol bezogene Oberfläche von Nanoteilchen ist dem Kehrwert der Teilchengröße proportional (Annahme kugelförmiger Teilchen). Auch das Verhältnis der geometrischen Oberfläche zum Volumen der Teilchen folgt dieser Proportionalität. Die so berechneten Oberflächen sind außerordentlich groß, jedoch kann die mithilfe einfacher Annahmen berechnete geometrische Oberfläche, wegen der unvermeidlichen Agglomeration der Teilchen, experimentell nie verifiziert werden. Im Hinblick auf physikalische Eigenschaften ist das Verhältnis des von der Oberfläche beeinflussten Volumens zum Gesamtvolumen entscheidend. Die Dicke der in die Rechnung einzubeziehenden Oberflächenschicht hat, abhängig von der betrachteten physikalischen Eigenschaft, eine Dicke im Bereich zwischen 0,5 und 2 nm.

2.2.2 Thermische Phänomene

In diesem Abschnitt…
Jedes Teilchen hat eine mit zunehmender Temperatur steigende thermische Energie. Ist das Teilchen groß, so fällt diese recht kleine Energiemenge nicht ins Gewicht. Werden die Teilchen jedoch klein, so kann der Fall auftreten, dass dieser Energiebetrag größer wird als eine andere das Teilchen beeinflussende energetische Größe. Das ist die Voraussetzung für thermische Fluktuationen. Während dieser Fluktuationen befindetsich das Teilchen vorübergehend in einem Ungleichgewichtszustand.

Jedes materielle Objekt, in diesem Fall ein Nanoteilchen oder auch ein Ensemble von Nanoteilchen, hat die thermische Energie kT, wobei k die Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur in Kelvin ist. Jedes Objekt hat die Tendenz sich in den Zustand der niedrigsten Gesamtenergie zu begeben, wobei in diesem Falle die Summe aller Energien zu betrachten ist. Dieses Gesetz ist immer gültig, allerdings nur für dem Mittelwert eines Ensembles. Wenn die Objekte sehr klein werden, kann man Abweichungen beobachten, solche Objekte können fluktuieren. Wenn die thermische Energie ausreicht, um das Teilchen auf ein höheres Energieniveau zu bringen, so kann dieser Fall eintreten. Selbstverständlich wird, in einem weiteren Schritt das Teilchen wieder auf das niedrigere Energieniveau zurückfallen. Das Teilchen fluktuiert zwischen zwei oder mehreren Zuständen unterschiedlicher Energie. Dabei kann es sich um Zustände potenzieller Energie handeln, das Teilchen bewegt sich also auf einer Unterlage oder aber um Transformationen zwischen zwei Phasen, wie Schmelzen und Kristallisieren. Aus dieser, eher anschaulichen Beschreibung des Fluktuationsprozesses ergibt sich auch eine strenge Definition:

Abb. 2.10 Schematische Darstellung des Fluktuierens zwischen zwei Energieniveaus. In dem angenommenen Fall ist die Differenz der beiden Energieniveaus geringer als die thermische Energie kT.

Unter einer Fluktuation versteht man den thermisch aktivierten Übergang von einem Gleichgewichtszustand zu einem Zustand höherer Energie (Ungleichgewichtszustand), gefolgt von einer Rückkehr in den Zustand niedrigster Energie.

Schematisch ist das Fluktuieren zwischen zwei Energieniveaus in Abb. 2.10 dargestellt.

Ergänzung 2.2: Thermische Instabilitäten
Die thermische Energie uth eines einzelnen Teilchens ist gegeben durch

Dabei ist k die Boltzmannkonstante und T die Temperatur. Nimmt man nun z. B. eine volumen- oder massenabhängige Energie u(v) an, so ist das System nicht mehr stabil, wenn die Bedingung

(2.5)

erfüllt ist. Das System kann fluktuieren.
Ein einfaches Beispiel: Die Energie, die nötig ist, um ein Teilchen mit dem Volumen v und der Dichte ρ um den Betrag x anzuheben, ist u(v) = ρvx. Ist die Bedingung (2.5) erfüllt,

(2.6)

so wird sich ein solches Teilchen thermisch bewegen, es könnte hypothetisch um den Betrag x in die Höhe springen.
Nimmt man an, ein solches Teilchen bestünde aus Zirkonoxid (ρ = 5,6 × 103 kgm-3), so könnte man fragen, wie groß ein solches Teilchen sein darf, damit es bei Raumtemperatur durch die thermische Energie gerade um seinen Durchmesser angehoben wird. Diese Größe liegt bei 1100 nm. Fragt man weiter, wie hoch ein Teilchen mit einem Durchmesser von 5 nm springen könnte, so liegt die Antwort bei mehr als 1 m. Natürlich sind das reine Zahlenspiele ohne realistischen physikalischen Hintergrund. Aber dennoch haben diese Instabilitätsphänomene harte realistische Auswirkungen. Hat man z. B. auf dem Probenträger im Elektronenmikroskop solche Teilchen in extrem sauberer Umgebung liegen, so wird man im Elektronenmikroskop sehen, dass sich die Teilchen wie Ameisen hin und her bewegen. Das kann die Elektronenmikroskopie extrem schwierig machen.
Wichtig zu wissen
Wird die thermische Energie eines Teilchens größer als eine andere, die Thermodynamik oder die Eigenschaften dieses Teilchens beeinflussende Energie, so kann sich eine thermische Instabilität einstellen. Das heißt, das Teilchen kann sich spontan in einen Ungleichgewichtszustand begeben, um anschließend wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. Das Teilchen fluktuiert. Das kann sich dabei um physikalische Eigenschaften, die Phase oder auch die Lage des Teilchens handeln.

2.2.3 Das Maßstabsgesetz der Diffusion

In diesem Abschnitt…
Die Diffusion ist die Ursache für Homogenisierungsvorgänge, Veränderungen in der Zusammensetzung von Körpern. Die für solche Vorgänge notwendige Zeit wird von den Diffusionswegen bestimmt, die letztlich von den Teilchengrößen abhängen. Werden die Teilchengrößen klein, so werden die Zeiten kurz. Das hat eine Reihe von weitreichenden Konsequenzen, die auch technisch vorteilhaft genutzt werden.

Die Diffusion folgt den Fick’schen Gesetzen. Die Lösungen der aus diesem Gesetz hergeleiteten Differenzialgleichungen, die für die Nanotechnologie von großer Bedeutung sind, besagen, dass das Quadrat des mittleren Diffusionsweges der Zeit proportional ist. Um dies als Beispiel in Zahlen zu fassen, muss man sich klarmachen, dass eine Verdopplung des Diffusionsweges zu einer Vervierfachung der Zeit führt.

Ergänzung 2.3: Zeit und Größenabhängigkeit der Diffusion
Mathematisch gesehen wird die Diffusion durch die beiden Fick′schen Gesetze beschrieben, die ihrerseits zu einem System von partiellen Differenzialgleichungen führen. Eine Lösung, die die Weg- und die Zeitabhängigkeit beschreibt führt zu

(2.7)

Die spitze Klammer 〈 〉 steht für den Mittelwert eines Ensembles; die Größe x für den Diffusionsweg und 〈x2 beschreibt deshalb das Quadrat des mittleren Diffusionsweges, D ist der Diffusionskoeffizient und t die Zeit. Das Quadrat des mittleren Diffusionsweges ist demnach proportional zur Zeit, d. h., dass bei kleinen Teilchen die Homogenisierungszeiten sehr schnell abnehmen. Die Abhängigkeit des Diffusionskoeffizienten von der Temperatur wird bei thermisch aktivierten Prozessen durch die Formel

(2.8)

beschrieben. Die Größe q ist die zur Aktivierung des Prozesses nötige Energie. Gleichung (2.5) besagt, dass der Diffusionskoeffizient exponentiell mit der Temperatur zunimmt.

Das Maßstabsgesetz für die Diffusion hat dramatische Auswirkungen, wenn man Vorgänge in Nanoteilchen betrachtet. So betragen beispielsweise die Homogenisierungszeiten beim Glühen konventioneller Werkstoffe mit Korngrößen im Bereich von 10 μm mehrere Stunden. Geht man in den Bereich von 10 nm, reduziert also die linearen Dimensionen um drei Größenordnungen (103) so reduzieren sich die Homogenisierungszeiten um sechs ((103)2 = 106) Größenordnungen. Mit anderen Worten: Homogenisierungszeiten, die konventionell im Bereich mehrerer Stunden liegen, sind bei Nanowerkstoffen im Bereich von Millisekunden. Solche Homogenisierungen laufen demnach praktisch unmittelbar ab. In diesem Zusammenhang spricht man von unmittelbarer Legierungsbildung (instantaneous alloying).

Die Möglichkeit der nahezu unmittelbaren Einstellung eines Diffusionsgleichgewichtes bei Nanoteilchen wird technisch bei Gassensoren genutzt. Dabei nutzt man die Veränderung der elektrischen Leitfähigkeit von Übergangsmetalloxiden durch Verändern der Stöchiometrie.5) Wegen der geringen Teilchengrößen stellt sich die Stöchiometrie nahezu ohne Verzögerung beim Verändern des Sauerstoffpotenzials der umgebenden Atmosphäre ein. Bei solchen Sensoren ist daher die Zeitverzögerung weniger durch die Sauerstoffdiffusion im Oxid bestimmt, sondern eher durch die Diffusion des umgebenden Gases in den engen Kanälen zwischen den Nanoteilchen. Die Abb. 2.11 zeigt einen möglichen Aufbau eines solchen Gassensors.

Gassensoren, wie sie in Abb. 2.11 dargestellt sind, sind auf einer elektrisch leitfähigen Schicht aufgebracht, die sich auf einer Trägerplatte befindet. Als Übergangsmetalloxide, die als Sensorteilchen geeignet sind, kommen unter anderen TiO2, SnO2, Fe2O3 infrage. Die Oxidschicht wird mit einer gaspermeablen Schicht abgedeckt, die elektrisch leitfähig ist. Bei einer Veränderung des Sauerstoffpotenzials in der umgebenden Atmosphäre ändert sich die Stöchiometrie des Oxides und damit auch dessen elektrische Leitfähigkeit. Dieser Vorgang ist reversibel.

Abb. 2.11 Prinzipieller Aufbau eines Gassensors mit Nanoteilchen. Der Sensor besteht aus einer Schicht von z. B. SnO2-Nanoteilchen, die auf einer elektrisch leitfähigen Unterlage aufgebracht ist. Der Sensor ist mit einer permeablen Schicht aus einem elektrisch leitfähigen Material abgedeckt. Der zeitbestimmende Schritt ist, im Gegensatz zu konventionellen Sensoren mit Teilchengrößen im Bereich mehrerer Mikrometer, nicht die Diffusion innerhalb der Sensorteilchen, sondern die Diffusion im offenen Porennetzwerk zwischen den Teilchen.

Die Abb. 2.12 zeigt einen schematischen Vergleich des Signals bei einem Gassensor mit konventionellen Teilchen (Teilchengrößen im Bereich mehrerer Mikrometer) und mit Nanoteilchen als Sensoroxid.

Analysiert man das Signal der beiden Sensoren, das in Abb. 2.12 dargestellt ist, so fällt auf, dass der mit Nanoteilchen ausgerüstete Sensor wesentlich schneller reagiert als der konventionelle Sensor. Ruft man sich jedoch Gl. (2.4) ins Gedächtnis, so hätte man einen noch deutlich schnelleren Anstieg des Messsignals erwartet. Diese Verzögerung hat ihre Ursache in der langsamen Diffusion des Gases im offenen Porennetzwerk der Sensorschicht und der porösen elektrisch leitfähigen Deckschicht.

Die Abb. 2.13a,b zeigen eine alternative Konstruktion eines Gassensors, der ohne die leitfähige Deckschicht aufgebaut ist, da diese zu einem verzögerten Ansprechen führen kann; allerdings sind die Wege, die der elektrische Strom in dieser Konstruktion zurücklegen muss, länger. Daher benötigen solche Systeme zumeist höhere Spannungen. Im Hinblick auf eine Serienfertigung ist diese Konstruktion günstiger, da die Trägerplatte mit den Kontakten mit den Standardverfahren, wie sie in der Elektronik üblich sind, hergestellt werden kann. Die Sensorschicht wird entweder durch Sputtern oder mit nasschemischen Methoden aufgebracht.

Die in Abb. 2.13 dargestellte Konstruktion hat neben der Tatsache, dass die Teile mithilfe von Standardverfahren, wie sie in der Elektronik üblich sind, miniaturisiert hergestellt werden können, noch den weiteren Vorteil der Möglichkeit viele identische Elemente auf einem Bauteil unterzubringen. Das ermöglicht es, im einfachsten Fall, das Signal mehrerer Sensorelemente zu mitteln, was zu einer größeren Sicherheit des Signals führt. Des Weiteren kann man die Sensoren mit einer zusätzlichen Diffusionsschicht, z. B. bestehend aus Aluminium-oder Silici-umoxid, bedecken. Variiert man die Dicke dieser Diffusionsschicht von Element zu Element und erwärmt die einzelnen Zellen unterschiedlich, so hat man, nach einer empirischen Eichung, über die unterschiedliche Zeitverzögerung die Möglichkeit, qualitative Aussagen über die Zusammensetzung des Gases zu machen.

Abb. 2.12 Vergleich des Sensorsignales zwischen einem Sensor bestückt mit Teilchen im Mikrometerbereich und einem mit Nanoteilchen. Man erkennt die wesentlich schnellere Reaktion des aus Nanoteilchen aufgebauten Sensors.

Abb. 2.13 Alternativer Aufbau eines Gassensors. Bei dieser Konstruktion sind alle Elektroden auf einer Trägerplatte aufgebracht (a). In dieser Abbildung sind die Elektroden mit„+“ und „−“ für die Gleichspannungsanschlüsse gekennzeichnet. (b) Draufsicht auf den Sensor. Solche Sensoren können in großer Stückzahl gefertigt werden, diese Konstruktion hat weiterhin den Vorteil, dass mehrere auf einem Träger aufgebracht werden können.

Wichtig zu wissen
Die für eine Homogenisierung nötigen Zeiten nehmen invers quadratisch mit der Teilchengröße ab. Das hat zur Folge, dass Diffusionsprozesse, die bei konventionellen Korngrößen in Stunden ablaufen, nur wenige Millisekunden benötigen. Man spricht von unmittelbarer Homogenisierung bzw. Legierungsbildung (instantaneous alloying). Technisch wird die deutliche Reduzierung der Diffusionszeiten bei Gassensoren genutzt. Unter geschickter Ausnutzung aller physikalischen Gesetze, kombiniert mit einer Eichung, können solche Gassensoren auch die Gasspezies identifizieren.

2.3 Makroskopische Nanowerkstoffe

In diesem Abschnitt …
Will man makroskopische Teile aus Nanowerkstoffen fertigen, so sind wegen der inhärenten thermodynamischen Instabilität6)