Über dieses Buch:

Das Frankenreich im Jahre 567: Brunichilde, die schöne Frau des Königs Sigibert, ist außer sich vor Schmerz – und Zorn! Es heißt, ihre Schwester, die Königin des Nachbarreiches Neustrien, wurde von einer Krankheit dahingerafft … aber Brunichilde weiß, dass dies nur das Werk ihrer Schwägerin Fredegunde sein kann. Sie schwört Blutrache; nicht eher will sie ruhen, bis ihre Feindin im Grabe liegt. Aber während die Männer auf dem Schlachtfeld kämpfen, spinnt Fredegunde bereits die nächste Intrige …

Die fesselnde Familiensaga über eine der mächtigsten Familien des frühen Mittelalters, die mit Blut und Schwert Geschichte schrieb: die Merowinger.

Über den Autor:

Robert Gordian, geboren 1938 in Oebisfelde, studierte Journalistik und Geschichte und arbeitete als Fernsehredakteur, Theaterdramaturg, Hörspiel- und TV-Autor, vorwiegend mit historischen Themen. Seit den neunziger Jahren verfasst er historische Romane und Erzählungen. Robert Gordian lebt in Eichwalde, einem Vorort Berlins.

Robert Gordian veröffentlichte bei dotbooks bereits zwei historische Romanserien:

ODO UND LUPUS, KOMMISSARE KARLS DES GROSSEN

Erster Roman: Demetrias Rache

Zweiter Roman: Saxnot stirbt nie

Dritter Roman: Pater Diabolus

Vierter Roman: Die Witwe

Fünfter Roman: Pilger und Mörder

Sechster Roman: Tödliche Brautnacht

DIE MEROWINGER

Erster Roman: Letzte Säule des Imperiums

Zweiter Roman: Schwerter der Barbaren

Dritter Roman: Familiengruft

Vierter Roman: Zorn der Götter

Fünfter Roman: Chlodwigs Vermächtnis

Sechster Roman: Tödliches Erbe

Siebter Roman: Dritte Flucht

Achter Roman: Mörderpaar

Neunter Roman: Zwei Todfeindinnen

Zehnter Roman: Die Liebenden von Rouen

Elfter Roman: Der Heimatlose

Zwölfter Roman: Rebellion der Nonnen

Dreizehnter Roman: Die Treulosen

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Überarbeitete Neuausgabe April 2014

Die komplett überarbeiteten und erweiterten Neuausgaben der Merowinger-Romane von Robert Gordian, die bei dotbooks erscheinen, beruhen auf einer Tetralogie, die zwischen 1998 und 2006 in verschiedenen Verlagen veröffentlicht wurde. Teile des vorliegenden neunten Romans der Serie erschienen erstmals 1998 in Die schrecklichen Königinnen, veröffentlicht im Deutschen Taschenbuch Verlag GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 1998 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH, München

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München

ISBN 978-3-95520-096-1

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Robert Gordian

DIE MEROWINGER

Zwei Todfeindinnen

Neunter Roman

dotbooks.

Was bisher geschah

Im Jahr 561 stirbt König Chlothar, der jüngste Sohn Chlodwigs, der den letzten Statthalter der Römer vertrieben und das mächtige Frankenreich gegründet hatte.

Fünfzig Jahre hat Chlothar sein Teilreich regiert, zuletzt sogar – als Erbe nach salischem Recht – das gesamte, im Wesentlichen das heutige Frankreich umfassende Herrschaftsgebiet. Er hinterlässt vier Söhne: Charibert, Gunthram, Sigibert und deren Halbbruder Chilperich. Sie teilen das Reich wie Gutsherren unter sich auf. Als Charibert schon nach wenigen Jahren stirbt, erben die Brüder zu gleichen Teilen, so dass es nur noch drei Teilreiche gibt: das östliche Austrasien unter der Herrschaft Sigiberts, das nordwestliche Neustrien unter der Herrschaft Chilperichs und das Südreich, noch immer nach seinen früheren Herren als Burgund bezeichnet und regiert von Gunthram.

Da es viel zu erben und zu verteilen gibt, kommt es darüber zu Zerwürfnissen und Zusammenstößen unter den Merowinger-Brüdern. Chilperich, König des kleinsten der drei Teilreiche, fühlt sich besonders benachteiligt und versucht immer wieder, mit kriegerischen Mitteln das Ergebnis der Teilung zu seinen Gunsten zu korrigieren. Es entsteht ein Dauerkonflikt, dessen Höhepunkt eine Heirat ist.

Sigibert, der Jüngste der drei Merowinger, duldet keine Zustände, wie sie an den Höfen seiner Brüder normal sind. Er missachtet ein Bauernkönigtum ohne Glanz und sucht die Verbindung zu dem in römischer Tradition stehenden Königtum der Westgoten in Spanien. Erfolgreich wirbt er um Brunichilde, die siebzehnjährige, viel bewunderte Tochter des Königs Athanagild, und feiert mit ihr Hochzeit. Damit weckt er den Neid seines Halbbruders Chilperich, der sich dem »kleinen Haudrauf« eigentlich überlegen und daher nun benachteiligt fühlt. Plötzlich schämt er sich seiner fünf Gemahlinnen, die alle nur Töchter einfacher Gefolgsleute sind: eines Hundertschaftsführers, eines Handwerkers, eines Schankwirts. Fredegunde, seine zweite Frau, war unfrei geboren und diente zunächst der ersten Gemahlin Chilperichs, die sie auf raffinierte Weise verdrängte, als Magd; so rückte sie an die erste Stelle auf.

Brunichilde hat eine Schwester, und Chilperich wirbt um sie. Seine Gesandtschaft hat zunächst keinen Erfolg am westgotischen Hof von Toledo. Man zögert dort, dem als Unruhestifter, Grobian und Frauenverächter übel beleumdeten Frankenkönig die Tochter zur Frau zu geben. Zwei Jahre ziehen sich die Verhandlungen hin. Erst als Chilperich den Eid leistet, sich von allen anderen Frauen zu trennen und künftig nur noch mit seiner rechtmäßigen Gemahlin zu leben, wird Galsvintha auf die Reise nach Soissons geschickt. Aber der König ist enttäuscht – die heiß Begehrte und auch mit Morgengabe und Wittum teuer Erkaufte ist reizlos, langweilig, frömmlerisch, ihrer jüngeren Schwester Brunichilde vollkommen unähnlich.

Anfangs hält Chilperich sich an seinen Eid, doch bald nimmt er heimlich und schließlich offen die Beziehungen zu Fredegunde wieder auf. Galsvintha beklagt sich und bittet ihn, ihr die Heimkehr an den gotischen Hof zu erlauben. Er lehnt ab, um ihre reiche Mitgift behalten zu können und weil er sich einem Racheakt der beleidigten Goten nicht gewachsen sieht.

Fredegunde besteht darauf, ihren früheren Rang am Hof zurückzuerhalten. Als sie behauptet, in einem von ihr belauschten Gespräch habe die Königin von einer geplanten Flucht zu ihrer Schwester nach Austrasien gesprochen, glaubt ihr der König. Er lässt Galsvintha von einem Knecht ermorden. Offiziell ist sie das Opfer einer tödlichen Krankheit. Chilperich heuchelt Trauer und Schmerz – und heiratet wenige Tage später Fredegunde zum zweiten Mal.

Für Brunichilde gibt es jedoch keinen Zweifel: Es war Mord. Sie sieht sich in der Pflicht zur Blutrache und stellt sich, da König Sigibert zögert, selbst an die Spitze der Rüstungen zu einem Vergeltungsschlag. Verstärkt durch germanische Haufen vom rechten Rheinufer, fällt das austrasische Heer in Neustrien ein. Chilperich leistet Widerstand, unterliegt jedoch meistens und zieht sich schließlich in den äußersten Winkel seines Reiches, nach Tournai (heute Belgien) zurück. Sigibert verfolgt ihn und nimmt Neustrien in Besitz. Auf dem Krongut Vitry lässt er sich auf den Schild heben und von den Neustriern per Akklamation zu ihrem König erheben. Chilperichs Untergang scheint nur noch eine Frage von Tagen zu sein. Dass Fredegunde in der belagerten Festung noch den lange erwarteten Sohn und Erben zur Welt bringt, ist ohne Bedeutung und von tragischer Ironie.

Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Nur wenige Stunden ist Sigibert König von Neustrien. Noch am selben Abend, auf der Krönungsfeier, stürzen sich zwei Männer auf ihn und stechen ihn nieder. Chilperich, der sich schon tatenlos seinem Schicksal ergeben hatte, erfährt überrascht, dass Fredegunde es war, die die Mörder – ihr hörige einstige Liebhaber – mit vergifteten langen Messern rüstete und nach Vitry sandte.

Die in Paris zurückgebliebene Brunichilde erwartet derweil mit Ungeduld die Nachricht vom Ende des Mörderpaars …

Dramatis personae

Brunichilde, Königin von Austrasien

Childebert, Brunichildes Sohn, König, 5 Jahre alt

Ingunde, Brunichildes ältere Tochter

Chlodosvintha, Brunichildes jüngere Tochter

Herzog Boso, austrasischer Königsvasall

Herzog Gundoald, Vertrauter Brunichildes

Amalbert, austrasischer Edler

Frolaica, Dienerin der Brunichilde

Chilperich, König von Neustrien

Fredegunde, seine Gemahlin, Königin

Merovech, sein ältester Sohn

Chlodwig, sein zweitältester Sohn

Samson, sein dritter Sohn, Kleinkind

Basina, Tochter Chilperichs von Audovera

Rigunth, Tochter Chilperichs von Fredegunde

Chuppa, neustrischer Marschalk

Waddo, Gefolgsmann Chilperichs

Leudast, Comes von Tours

Merellus, Baumeister

Kapitel 1

Am Tage nach der Krönung Sigiberts in Vitry wurde auf Anordnung der Königin Brunichilde in Paris ein Freudenfest gefeiert.

Da in jener Zeit auch die wichtigste Nachricht nicht schneller zu ihrem Empfänger gelangte, als ein Bote sie ihm auf einem schnellen Pferd überbringen konnte, hatte Brunichilde erst an diesem Mittag die heißersehnte Botschaft von der Wahl ihres Gemahls zum neustrischen König erhalten.

Gleich nach der Schilderhebung hatte Sigila, ihr gotischer Vertrauter, einen Boten abgesandt, und wenig später war auch der offizielle Kurier vom Hofgut Vitry aufgebrochen.

Kurz nacheinander trafen die beiden ein.

Brunichilde, die fünfundzwanzigjährige Gotin, sah sich am Ziel. Sie war Königin der austrasischen und der neustrischen Franken. Ihr Königtum gewann an Größe und Macht, umfasste zwei Drittel des Gesamtreichs, hatte schon imperialen Schimmer.

Sie ließ die zweihundert Männer ihres Schutztrupps versammeln, Sigiberts Botschaft verlesen und sich ausgiebig huldigen. Dann verteilte sie Geld, und ein Festmahl wurde bereitet. Bald schallte von der Insel über den südlichen Seine-Arm fröhlicher Lärm nach der Stadt hinüber, wo das Pariser Volk, der Königin herzlich zugetan, sich nicht lange nötigen ließ und einstimmte.

Tags darauf kam keine Nachricht aus Vitry. Auch die mit Sigila vereinbarte tägliche geheime Botschaft blieb aus. Brunichilde beunruhigte das nicht. Sie vermutete, dass die Festgelage und Lustbarkeiten nach der Königswahl auch ihren pflichtgetreuen gotischen Günstling zur Nachlässigkeit verleitet hatten.

Der Trubel im Pariser Palast ließ ihr auch kaum Zeit zum Nachdenken. Ohne Unterlass musste sie Gratulanten aus der Stadt und aus der Umgebung empfangen. Die Honoratioren sprachen offen ihre Erwartung aus, dass Paris nun wieder Königsstadt würde, weil nur von diesem zentral gelegenen Ort aus die vereinigten Reiche mit ausgedehnten Gebieten jenseits des Rheins und der Loire regiert werden könnten.

Den Abend verbrachte Brunichilde in einer kleinen geselligen Runde mit Herzog Boso und dem Baumeister Merellus. Der Künstler trug bereits kühne Ideen für den Ausbau des Pariser Palastes und für eine Sommerresidenz in der Umgebung vor.

Indem sie sich an die schönen Bauten und Anlagen im heimischen Toledo erinnerte, konnte die Königin manche Anregung beisteuern. Das Gespräch wurde lebhaft und wandte sich auch bald anderen Gegenständen zu.

Der rotbärtige Herzog Boso, ein unerschöpflicher Plauderer, unterhielt die Gesellschaft mit allerlei Abenteuern und Anekdoten. Er sollte auf Sigiberts Befehl noch einmal an die Loire zurückkehren, um nach dem Wüten Theudeberts, des endlich niedergeworfenen und getöteten Sohnes des Königs Chilperich, die Verhältnisse dort zu ordnen. Doch Brunichilde, die ihm trotz seines oberflächlichen, flatterhaften Wesens geneigt war, hielt ihn von Tag zu Tag unter dem Vorwand auf, sich ohne ihn zu langweilen. In der Tat war er einer der wenigen, der sie zum Lachen bringen konnte. Boso war wie immer der Mittelpunkt der Gesellschaft.

An diesem Abend war viel von Gunthram die Rede, dem Ältesten der drei Merowinger, dem König von Burgund. Der hatte jetzt nur noch ein viel kleineres Reich als sein jüngster Bruder Sigibert. Von den Schätzen, die man bei Chilperich nach dessen endgültiger Niederlage zu erbeuten hoffte, würde ihm nichts zukommen. Er hatte ja keinen Anteil an dem unaufhaltsamen Siegeszug gegen den dritten Bruder. In dem heiter gestimmten Kreise fragten allerdings einige laut, ob es König Gunthram, dem alten Fuchs, nicht doch noch gelingen könnte, sich einen Anteil zu sichern.

Herzog Boso hielt das für möglich und wartete dazu mit Beispielen für Gunthrams Findigkeit und Geschäftstüchtigkeit auf. Unter anderem erzählte er dazu eine Geschichte, die viele noch nicht kannten. Man fand, dies sei eine der besten Geschichten vom schlauen Gunthram und lohnte, in den fränkischen Annalen aufgezeichnet zu werden.

***

Boso erzählte: Ihr wisst ja, König Charibert von Paris starb ganz unerwartet. Er war erst in mittleren Jahren, hatte nur sechseinhalb Jahre regiert.

Er hinterließ ein ausgezehrtes Land und – drei trauernde Witwen. Zwei von ihnen erschöpften sich in Geseufze und Klagen. Die Dritte aber, die Jüngste, verlor keine Zeit. Sie rief ihren Schreiber und diktierte ihm einen Brief an den Bruder des Verewigten, unseren allseits verehrten König Gunthram. Der hielt sich gerade in seiner Stadt Orléans auf. Ein Eilbote überbrachte das Schreiben, und Herr Gunthram las erstaunt:

»Wie du wohl weißt, hat uns dein Bruder, mein teurer Gemahl, verlassen. Gott der Herr erbarme sich seiner Seele. Wie soll ich nun weiterleben ohne die Freuden der Liebe und Ehe? Als Königin kann ich diese auch künftig nur im Bett eines Königs genießen. Deshalb bitte ich dich, mir solche zu gewähren und mich als deine Braut zu empfangen. Ich bringe Schätze mit, die dein Herz erfreuen werden, und auch meine Schönheit wird deinem Auge wohltun. Zögere nicht und befiehl, dass ich komme.«

»Sieh an«, sagte König Gunthram, »meine Schwägerin macht mir einen Heiratsantrag. Das ist zwar gegen die gute fränkische Sitte, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Richte ihr aus«, beauftragte er den Boten, »dass sie mit ihren Schätzen nur herkommen soll. Ich werde sie mit allen Ehren empfangen und ihr gern ihren Wunsch erfüllen. Zufällig bin ich gerade unbeweibt, das trifft sich gut!«

Der Bote machte sich auf den Rückweg.

»Bin gespannt auf diese Theudichilde«, sagte Gunthram zu seinen Vertrauten. »Mein Bruder Charibert hatte einen recht eigenwilligen Geschmack in Bezug auf Frauen. Je größer und dicker, desto besser. Ich habe sie leider noch nicht kennengelernt, er war wohl erst seit kurzer Zeit mit ihr verheiratet. Sie soll die Tochter eines Schäfers sein.«

Kaum zu glauben, aber nur vier Tage später traf Theudichilde mit mehreren hochbepackten Wagen und einer Hundertschaft von Dienern und Leibwächtern in Orléans ein.

Sie war, wie erwartet, wohlbeleibt und einen Kopf größer als unser guter König Gunthram. Trotzdem war die Begrüßung herzlich, und nachdem Gunthram sich aus der ersten Umarmung befreit hatte, führte er Theudichilde in seinen Palast.

»Hier ist alles ein bisschen verwahrlost«, fand sie. »Aber ich werde schon Ordnung schaffen. Zum Glück muss ich mich bei dir nicht mit anderen Königinnen herumplagen, die eifersüchtig sind und alles besser verstehen wollen.«

»Die häuslichen Verhältnisse meines Bruders«, fragte Gunthram, »waren wohl schwierig?«

»Chari war leider zu weich«, klagte sie. »Er ließ diesen Weibern jeden Willen. Außerdem trank er zu viel und machte sich zum Narren. Sie tanzten ihm auf der Nase herum und betrogen ihn mit der halben Gefolgschaft. Eine musste er verstoßen, und wegen der beiden anderen tat ihn der Bischof sogar in den Kirchenbann. Er hatte viel Unglück mit seinen Frauen. Nur mit mir genoss er die wahren Ehefreuden!«

»Das glaube ich gern«, sagte Gunthram höflich.

»Du wirst nicht bereuen, dass du mich herriefst. Ich werde auch dich glücklich machen. Man sagte mir, dass du früher schon verheiratet warst. Hast du auch so viel gelitten?«

»Oh, sicher nicht mehr als mein guter Bruder«, erwiderte er. »Meine zweite Frau war eine Giftmischerin und ermordete den Sohn, den ich von meiner ersten hatte. Deshalb trennte ich mich von ihr. Das ist schon alles.«

»Du Ärmster!«, rief sie. »Wie du dich danach sehnen musst, endlich an einem liebenden Herzen zu ruhen. Ist alles für die Hochzeit vorbereitet?«

»Gewiss, es wird ein prächtiges Fest geben«, beeilte sich Gunthram zu versichern. »Nur muss ich vorher noch einen Besuch in meiner Stadt Arles machen, dort wird in einigen wichtigen Angelegenheiten meine königliche Entscheidung benötigt. Es wäre mir ein großes Vergnügen, würdest du mich dorthin begleiten.«

»O fein!«, rief Theudichilde und klatschte in die Hände. »So lerne ich gleich mein künftiges Reich kennen!«

»Das Volk wird von dir begeistert sein!«, versicherte er.

»Wie du selbst, hoffe ich, mein kleiner Gunthi.«

»Ich bin es doch schon! Und nun solltest du mir auch deine Schätze zeigen!«

»Welche meinst du?«, fragte sie kokett.

Da mussten sie beide herzlich lachen, und Gunthram sagte: »Wir wollen uns bis zur Hochzeit gedulden, sonst bekomme ich Ärger mit den Bischöfen. Zeige mir also die Schätze, die ich schon heute besichtigen darf, ohne den christlichen Anstand zu verletzen.«

Das Ergebnis der Besichtigung war überaus erfreulich. Gunthram, der, wie wir ja alle wissen, ein Geizhals ist, staunte nicht wenig über die Freigebigkeit, mit der sein verstorbener Bruder eine Ehefrau, die nur eine von mehreren war, ausgestattet hatte. Einige Truhen waren bis zum Rande gefüllt mit goldenen Tellern, Schüsseln und Bechern, Vasen und Schalen aus farbigem Glas, silbernen Leuchtern und Armringen, Perlenketten, Diademen mit eingelegten Edelsteinen. Andere enthielten brokatene Mäntel, seidene Tuniken, golddurchwirkte Festgewänder byzantinischer Herkunft. Ein Wagen war mit Möbeln und Teppichen beladen. Außerdem gab es gemünztes Gold und Silber in Fülle.

»Wir lassen alles in meine Schatzkammern bringen, da ist es sicher«, entschied Gunthram. »Bis auf einige Kleider und Schmuckstücke, die du auf der Reise tragen wirst. Wähle besonders schöne und wertvolle aus, damit dich alle bewundern.«

»Du willst stolz auf mich sein«, sagte Theudichilde. »Daran erkenne ich, dass du mich liebst.«

Der gute König hatte es eilig, und schon am nächsten Tag traten sie die Reise an. Im Wagen ging es zunächst bis Chalon. Dort stiegen sie auf eine Galeere um und fuhren gemächlich die Rhone hinunter. Überall lief Volk zusammen, um zu gaffen und zu jubeln, und Theudichilde ließ sich huldigen, als sei sie bereits die neue Königin. Gunthram vermied es allerdings nach Möglichkeit, sich öffentlich an ihrer Seite zu zeigen. Er untersagte auch Festgelage, Zirkus- und Waffenspiele, die man an Orten, die sie berührten, zu ihren Ehren veranstalten wollte. Theudichilde gefiel das nicht, und sie machte ihm Vorwürfe. Doch er erklärte unerbittlich, so kurz nach dem Tode seines geliebten Bruders sei es unangemessen, sich zu amüsieren.

»Zu viel Trauer macht Chari auch nicht wieder lebendig«, schmollte sie. »Ich will jedenfalls nicht Königin werden, um mich zu langweilen. Du scheinst mir ein Trauerkloß zu sein, Gunthi, Chari war ganz anders als du. Wenn wir erst einmal verheiratet sind, wirst du dich ändern müssen, mein kleiner König!«

Endlich erreichte die Reisegesellschaft die schöne Stadt Arles. Theudichilde hoffte wenigstens hier, am Zielort, auf einen glänzenden Empfang und etwas Zerstreuung. Aber König Gunthram beschloss, ohne großes Aufsehen von Bord zu gehen und noch am Ankunftstag das berühmte Nonnenkloster zu besuchen, das vom Erzbischof Caesarius gegründete. Gunthram – ihr wisst ja, er ist ein frommer Mann – wollte dort beten und eine Spende übergeben. Nur widerwillig erklärte sich Theudichilde bereit, ihn dorthin zu begleiten.

»Was habe ich denn in einem Kloster verloren? Ich möchte der Welt noch nicht entsagen! Hast du mich deshalb aufgefordert, meine besten Kleider und wertvollen Schmuck mitzunehmen? Soll ich mich nun in einen Sack zwängen, barfuß gehen und mir die Haare zerraufen?«

»Im Gegenteil, meine Liebe, im Gegenteil!«, sagte der König heiter. »Zieh deine besten Sachen an, schmücke dich! Ich habe noch eine Überraschung für dich bereit.«

»Eine Überraschung? Etwa ein Fest? Ein richtiges Fest?«

»Du wirst schon sehen. Noch verrate ich nichts.«

Sie besuchten also das Haus der frommen Frauen von Arles. Die ehrwürdige Mutter Äbtissin empfing sie und führte sie überall herum, zeigte ihnen das Scriptorium, das Refektorium, den Schlafsaal. Theudichilde, hoch ragend und mit allem behangen, was sie an Preziosen mitgebracht hatte, folgte der Führung mit ungeheuchelter Gleichgültigkeit, während Gunthram sich angelegentlich nach verschiedenen Einzelheiten der Klosterregel und dem Tagesablauf der Nonnen erkundigte. Als man sich schließlich in der Kapelle zum Gebet auf die Knie niederließ, zischte sie ihm zu: